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Homöopathie heute
ОглавлениеIm Gefolge des allgemeinen Trends hin zu alternativen Heilmethoden gewinnt auch die Homöopathie wieder zunehmend an Interesse. Nach einem ersten Höhenflug Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ging die Bedeutung der Homöopathie in den folgenden Jahrzehnten eher zurück.
Gegenwärtig gibt es keine einheitliche homöopathische Szene. Verschiedene Schulen und Ausrichtungen konkurrieren miteinander. Neben klassischer Homöopathie wird mit homöopathisch verdünnten Schüsslersalzen, Bach-Blüten und bakteriellen Krankheitserregern (Nosoden) experimentiert. Homöopathische Medikamente werden nicht mehr nur nach Hahnemanns Ähnlichkeitsregel verschrieben, sondern mit Hilfe astrologischer Berechnungen, zweifelhafter Muskeltests oder durch Pendeln und Ruten bestimmt. Zeitweilig wird Homöopathie als Allheilmittel gegen Umweltgifte, Krebs, AIDS, Erdstrahlen, Charakterschwächen, psychische Probleme und Sinnlosigkeit angepriesen. Die vom Haus- oder Kinderarzt verschriebenen Komplexmittel haben mit der klassischen Homöopathie nur noch am Rande zu tun, da sie zumeist ohne eingehende Anamnese verschrieben werden. Außerdem ging Hahnemann davon aus, dass sich in einer Kombination verschiedener homöopathischer Heilsubstanzen deren unterschiedliche Wirkung gegenseitig behindern oder gar aufheben würde. Im Extremfall könne ein nicht genau auf den Patienten abgestimmtes homöopathisches Medikament sogar zu schweren neuen Krankheitssymptomen führen.
Außerdem wehrten sich Hahnemann wie die meisten seiner Schüler vehement gegen eine Kombination klassischer (“allopathischer”) mit homöopathischer Behandlung. Da es sich um zwei einander ausschließende Medizinkonzepte handle, sei es sinnlos oder sogar schädlich beide nebeneinander anzuwenden. Entweder stören die naturwissenschaftlich ausgerichteten Medikamente die Wirkung der homöopathischen Arzneien oder verhindern sogar deren Heilwirkung.
Einem weit verbreiteten Missverständnis muss an dieser Stelle auch noch entgegen getreten werden. Bei der Homöopathie handelt es sich nämlich nicht um eine Pflanzen- oder Naturmedizin im eigentlichen Sinne. Einerseits greifen Homöopathen bei der Erstellung ihrer Medikamente neben pflanzlichen auch auf tierische und mineralische Substanzen zurück. Andererseits setzte Hahnemann gerade nicht auf die materielle, biochemische Wirkung einer Pflanze, sondern auf deren “dynamisierte” immaterielle Kraft, die in keinem direkten Zusammenhang mit der chemisch und physikalisch wahrnehmbaren Ausgangssubstanz steht. Heilung soll durch die nicht näher definierte “Energie” der pflanzlichen oder tierischen Substanz bewirkt werden. Deren Potenz liegt nicht in ihrer chemischen Struktur, sondern in dem von Hahnemann entwickelten Prozess der Wirkungssteigerung durch “Dynamisierung”.
Auch dem weitverbreiteten Irrtum, homöopathische Medikamente seien weitgehend frei von Nebenwirkungen, muss hier aus Hahnemanns Sicht deutlich widersprochen werden. Demnach können falsch angewandte homöopathische Wirkstoffe erhebliche Nebenwirkungen verursachen, im Extremfall sogar zum Tod führen. Hahnemann hielt seine Medikamente nicht für harmlos, sondern für weit wirkkräftiger als herkömmliche Medizin.
Auch richtig diagnostizierte und dosierte Homöopathika führen gewöhnlich zu einer “Erstverschlimmerung” der behandelten Erkrankung. Es können auch lange überwundene Phasen der Krankheit erneut ausbrechen oder zum Heilungsprozess gehörige unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Hahnemann ging davon aus, dass durch “allopathische” Medizin unterdrückte Symptome durch die homöopathische Behandlung erneut sichtbar werden können.