Читать книгу Perry Rhodan 2532: Tod eines Maahks - Michael Marcus Thurner - Страница 5
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Maahks kämpften gegen Maahks.
In ihren klobigen Schutzanzügen liefen und flogen sie umher, fanden zu Verbänden, schlossen die energetischen Siegel ihrer Schutzschirme zusammen, trennten sich erneut, keinem erkennbaren Muster gehorchend. Die Methanatmer versuchten in Alleingängen ihr Glück oder nahmen als Gruppe einen einzelnen Gegner unter Feuer. Sie kämpften mit kalter, erschreckender Hingabe.
Schweres Gerät wurde herbeigekarrt. Flugpanzer, mobile Geschützplattformen, Kriechfahrzeuge mit seltsamen Aufbauten.
Ich suchte nach dem Verlauf der Frontlinie zwischen den beiden Seiten. Das Transferdeck mit seinen mehr als 1400 Metern Durchmesser und einer Höhe von über 100 Metern war gesprenkelt mit Kämpfern. Wie zornige Bienen summten sie durchs Gelände, stachen zu, schwirrten woanders hin; lediglich das engere Umfeld unseres – noch – dreigeteilten Schiffes blieb von den Kämpfen ausgespart.
Ich zögerte. Andere Dinge verlangten nach meiner Aufmerksamkeit. Das Schlachtgeschehen war zu unübersichtlich und würde wohl nur in den Augen jener beiden Strategen, die sich gegenüberstanden, einen Sinn ergeben.
Oder?
»Eine Seite verliert«, sagte Mikru.
Ich zuckte zusammen. Das Herz und Hirn unseres Schiffes stand unversehens dicht neben mir. Nach wie vor hatte ich mich nicht an das plötzliche Auftauchen des Holo-Wesens gewöhnt.
»Eine Seite ist gut bewaffnet«, fuhr Mikru fort, »die andere beschränkt sich auf ein Rückzuggefecht.«
»Kannst du mir ein Analysebild erstellen? Dreidimensional, mit farblicher Trennung der gegnerischen Parteien.«
»Natürlich.« Mikru verschwand, und beinahe gleichzeitig entstand nahe einer der Zentralewände des Schiffes die gewünschte Darstellung. Ich sah zu, wie sich das Geschehen im Inneren der Bildwolke immer weiter verdichtete und zu unzähligen Verästelungen fand. Funksprüche wurden als Linien dargestellt, die einander in immer größerer Dichte überlappten. Dann »glättete« sich das Bild, als der Bordcomputer es auf mein Wahrnehmungsvermögen anpasste.
Die Präsentation war anders, als ich sie von terranischen Schiffen gewohnt war. Ich tat mich schwer, den Überblick zu behalten. MIKRU-JON war das Produkt fremdartiger Technik, und ich würde noch einige Zeit benötigen, um ihre Möglichkeiten in aller Vielfalt nutzen zu können.
Ich blickte auf die Uhr. Eine knappe Minute war vergangen, seitdem wir den Polyport-Hof erreicht hatten. Mondra tastete konzentriert über die Befehlsfelder ihres Controllers. Sie versuchte Verbindung zum Polyport-Hof herzustellen und dessen Rechengehirn unter Kontrolle zu bekommen.
Ich warf ihr einen fragenden Blick zu, sie schüttelte den Kopf. »Frag mich nach unserem Standort, und ich kann dir verraten, dass wir uns auf einem Hof namens DARASTO befinden. Mehr konnte ich bislang nicht herausbekommen.«
»Kennst du diesen Namen, Mikru?«, fragte ich.
»Nein«, erklang die weibliche Stimme aus dem Nichts. »Er ist mir unbekannt.«
Lloyd/Tschubai, in der Gestalt Tschubais gewissermaßen wiedergeboren, trat zu mir. Er wirkte desinteressiert, sein Blick war leer. Ich vermutete, dass Fellmer Lloyd, die eine Hälfte des doppelten Bewusstseins, längst mit telepathischer Sondierungsarbeit begonnen hatte.
Mehrere Treffer aus Energiewaffen verfingen sich im Schutzschirm unseres Schiffes. Sie waren irrelevant; wir bewegten uns mit Restgeschwindigkeit durch die Transporthalle und bildeten für die Kämpfenden ein Hindernis.
»Die Maahks reagieren erst jetzt auf unser Erscheinen«, sagte Ras in einem Tonfall, der für Fellmer typisch gewesen war. »Die stärkere der beiden Parteien möchte den Kampf zu einem Ende führen, um sich anschließend um uns zu kümmern. Das stringente Denken der Methanatmer, wir kennen das ja ...« Mit veränderter Stimmlage fuhr mein von ES gestellter Begleiter fort: »Nachdem sich die unterlegenen Maahks sukzessive zurückziehen und in die Tiefen der Station flüchten, interessieren sich die Sieger nun mehr und mehr für uns.«
Ich wiederholte in Gedanken: Maahks kämpfen gegen Maahks.
Die einzige mir einleuchtende Antwort auf die Frage nach dem Warum war: Fundamentalisten bekriegten Schatten. »Schatten« waren Maahks, die seit einiger Zeit evolutionäre Veränderungen durchmachten, die wir Menschen nicht verstanden und die sie von ihren Mitmaahks unterschied, ja, sie für diese – wie auch immer man sich das vorstellen sollte – zu einer Bedrohung machte.
»Ah, jetzt geht es mir wieder besser«, sagte Mikru. Die Blondine mit dem kurz geschorenen Haar, ein semi-manifestes Projektionsbild des Schiffes, materialisierte zwischen Mondra und mir. Sie deutete auf eine Bilddarstellung ihres Schiffsleibs: Die drei Teile von MIKRU-JON hatten zueinandergefunden und ergaben jene Obeliskenform, die wir kannten. Das Schiff war selbstständig gelandet. Leises Zischen und mehrere Signalzeichen gaben uns zu verstehen, dass wir nun die unteren Bereiche des Raumers betreten konnten.
So viele Eindrücke, so viele Dinge, die es zu beachten gibt ...
Ich musste aussortieren. Ordnen. Prioritäten setzen. Ich war ohnehin viel zu spät dran. An anderen Tagen, zu einer anderen Zeit, hätte ich längst getan, was getan werden musste. Doch an diesem Tag hatte ich schon weitaus mehr zu verdauen gehabt, als mir lieb sein konnte.
»Ich möchte eine Funkverbindung zu den Maahks!«, forderte ich von Mikru. »Zu beiden Parteien.«
Die klein gewachsene Frau zeichnete mit einem Arm einen Kreis in die Luft und sagte: »Verbindungen stehen.«
Ich konzentrierte mich und sagte: »Mein Name ist Perry Rhodan. Ich bin der Resident Terras ...«
»Das Schiff verlassen! Sofort!«, erklang eine sonore Stimme aus dem Translator. Ich kannte das Idiom; Kraahmak, die lingua franca im maahkschen Einflussbereich und für menschliche Stimmbildungsorgane leicht zu meistern. Atlan beherrschte sie nahezu akzentfrei, während mein eigenes Kraahmak ein wenig eingerostet war.
Eine Bildverbindung entstand. Sie zeigte einen Maahk in rotem Gefechtsanzug.
»Du redest mit einem Niederrangigen«, flüsterte mir Mikru zu und deutete auf einen grünen Punkt in jener virtuellen, dreidimensionalen Ansicht, die sie mir zur Verfügung gestellt hatte.
»Ich wiederhole: Ich bin Perry Rhodan, Terranischer Resident, Verbündeter und Freund der Maahks, seit den letzten Tagen der Meister der Insel in Hathorjan ...«
Neuerlich wurde ich rüde unterbrochen. »Das Schiff verlassen! In fünf Minuten! Andernfalls machen wir von unseren Waffen Gebrauch.«
Dieselbe Wortwahl, dieselbe streng logische Fortführung eines Gedankens. Gehorchst du nicht, schießen wir.
Ich unternahm einen letzten Versuch zur friedlichen Verständigung. Um uns musste ich mir keine sonderlich großen Sorgen machen. Jene Geschütze, die wir sahen, konnten den Schutzschirmen unseres Schiffes nicht gefährlich werden.
»Du bist nicht befugt, mit mir Verhandlungen zu führen«, sagte ich bestimmt. »Ich verlange, mit Grek 1 zu sprechen!«
Es entstand eine kurze Pause. Der Maahk zögerte. Dann: »Das Schiff verlassen! Dies ist unsere letzte Warnung. Ihr habt noch vier Minuten Zeit, um zu kapitulieren.«
In der Darstellung zeigte sich, dass weitere Geschütze heranrollten. Flugpanzer und bodengebundene Maschinen, deren Mündungen auf MIKRU-JON ausgerichtet wurden.
»Eine Situationsanalyse, rasch!«, forderte ich. »Mikru: Siehst du irgendwelche Gefahren für uns? – Fellmer: Ich muss wissen, wo sich Grek 1 befindet! – Mondra: Von dir hätte ich ebenfalls gerne eine Meinung zu unserer Lage.«
Während meine Begleiter Luft holten oder ihre Logiksysteme zu Höchstleistung antrieben, tastete ich über jenen neuen Controller, den mir ES zur Verfügung gestellt hatte. Auch er blieb tot; er machte mir lediglich die Bezeichnung DARASTO zugänglich.
Lloyd/Tschubai schüttelte traurig den Kopf. Der »Gedankenverkehr« war wohl zu stark, um die Impulse eines einzelnen Wesens auszufiltern.
»Noch zweieinhalb Minuten«, meldete Mikru. »Für uns besteht keine Gefahr, meine Defensivschirme würden bei einem konzentrierten Beschuss mit nicht einmal vier Prozent der Maximalwerte belastet werden. Allerdings müssten wir mit Kollateralschäden rechnen ...«
»Kollateralschäden?« Ich ahnte, worauf das Schiff hinauswollte.
»Die Innenanlagen des Polyport-Hofes könnten während intensiver Gefechtshandlungen in Gefahr geraten. Abwehrreaktionen des Stationsgehirns sind nicht ausgeschlossen. Sollten die Methanatmer alles zur Verfügung stehendes Material verwenden ...«
»Danke!« Ich hatte genug gehört und wandte mich Mondra zu. »Was meinst du?«
Sie warf einen raschen Blick auf ihre Uhr. Noch eineinhalb Minuten. Sie runzelte die Stirn. »Du kennst die Maahks besser als ich. Aber das, was ich weiß, beunruhigt mich: Sie sind kompromisslos, sehen immer nur ihr Ziel vor Augen. Sie würden ohne nachzudenken ihr eigenes Leben geben und den Polyport-Hof in die Luft jagen, wenn es ihrem Auftrag nützlich wäre. Und wir haben keine Ahnung, was ihre Aufgabe auf DARASTO ist.«
»Weiter.« Eine knappe Minute noch.
»Außerdem«, sagte Mondra leise, »wollen wir sie als Verbündete gewinnen. Wir müssen mehr über diesen Konflikt zwischen den Fundamentalisten und den Schatten in Erfahrung bringen. Um zu wissen, ob wir vermitteln können – oder um uns auf eine der beiden Seiten zu schlagen.« Mondra zögerte kurz. »Sicherlich gibt es einen guten Grund, warum uns ES ausgerechnet hierher geschickt hat. Vielleicht ist es der Wunsch der Superintelligenz, dass wir schlichtend eingreifen.«
»Wir sollen also nachgeben?«
»Ja«, antwortete sie, wobei sie die Augen argwöhnisch zusammenkniff. »Dein Grinsen verrät mir, dass du dich ohnehin längst entschieden hast.«
»Du kennst mich gut.« Noch 20 Sekunden.
»Warum fragst du mich dann?«
»Ich hätte mich täuschen können.« Ich verband die auf Stand-by geschaltete Funkverbindung zu unserem maahkschen Gesprächspartner und sagte: »Wir akzeptieren. Wir verlassen unser Schiff.«
»Gut. Wir warten an der Schleuse. Ihr habt zwei weitere Minuten.«
Mehr war ihm nicht zu entlocken. Ich zoomte das Bild näher an ihn heran. Er hatte die Helmscheibe getönt, in einem merkwürdig verstörenden Fliederton, hinter dem sein Gesicht nur schemenhaft zu erkennen war.
»Wir steigen mit den SERUNS aus!«, befahl ich.
»Alle?«, hakte Mondra nach und warf einen Blick auf Ramoz, der soeben um ihre Beine strich.
»Bis auf Mikru.« An das Bordgehirn gewandt, fuhr ich fort: »Da wir eben von dir reden: Sobald wir dich verlassen haben, aktivierst du wieder die Schutzschirme. Achte darauf, dass du jederzeit auf mein Signal hin Strukturlücken schalten kannst.«
»Ich verstehe. Signal wird soeben mit deiner SERUN-Einheit definiert.«
Ich wollte mich keinesfalls ohne Rückversicherung in die Arme eines schießwütigen Gegners begeben. Ras würde uns gegebenenfalls aus der Gewalt der Maahks befreien und zurück in MIKRU-JON teleportieren.
»Die Waffen lassen wir hier«, wies ich meine Begleiter an.
Ich legte den Handstrahler ab; dann ließ ich mich in den Antigravschacht fallen und nach unten zur Schiffsschleuse treiben.
Mondra folgte dichtauf, dann Ramoz, der seine Herrin kaum einen Moment aus den Augen ließ, schließlich Ras Tschubai.
Die zwei Minuten waren fast um, als ich den Befehl zur Öffnung der Schleusentür gab und ins Innere des Transportdecks der Station DARASTO trat. Wie in allen Polyport-Höfen bestand das Deckmaterial aus einem optisch bernsteinähnlichen Material. Die Formgebung der Anlage wich von der Grundkonstruktion ab, auch das hatten alle Stationen gemeinsam. In diesem Fall stach mir ins Auge, dass die gewölbte Sichtkuppel undurchsichtig war.
Wir gingen ein Dutzend Schritte und traten auf ein Signal meines SERUNS hin direkt in den Energieschirm von MIKRU-JON, der im gleichen Sekundenbruchteil erlosch und sich umgehend hinter uns wieder aufbaute. Wir flossen regelrecht hindurch.
Wir sahen uns von Maahks umgeben. Viele von ihnen blieben hinter portablen Schutzwänden, die auf Prallfelder gelagert waren und die Maahks von drei Seiten schützten. Sie gewährleisteten dank einer Vielzahl von Antriebsdüsen große Mobilität.
Ein Methanatmer trat auf mich zu. Ich meinte, in ihm jenen wiederzuerkennen, der mit mir gesprochen hatte.
»Perry Rhodan«, schnarrte der Maahk. »Terranischer Resident. Und zwei weitere Terraner. Ich erwarte, dass ihr euer Schiff freigebt. Wir wollen es besetzen. Wir wollen es haben.«
»Abgelehnt.« Ich bemühte mich um eine ähnliche Sprache wie der Maahk. Je besser ich mich seiner Denkweise anzupassen vermochte, desto einfacher würde eine Verständigung werden. »MIKRU-JON ist nicht mein Eigentum. Das Schiff handelt selbstständig und besitzt eine Art maschinellen Intellekt, der es mir unmöglich macht, darüber zu gebieten.«
»Beweise?«
»Ich werde sie Grek 1 zugänglich machen. Nur Grek 1.«
»Grek 1 empfängt derzeit keine Besucher.«
»Dann werden wir warten, bis er Zeit für uns findet.«
»Ihr verhaltet euch unlogisch.« Der Maahk, der seine Eigenbezeichnung noch immer nicht preisgegeben hatte, trat von einem Fuß auf den anderen. Ein Zeichen von Nervosität? »Ihr seid unsere Gefangene. Das Prinzip der Kapitulation sieht vor, dass ihr unsere Anweisungen widerspruchslos ausführt.«
»Was dir als unbedingt stringent erscheint, zeigt sich in unseren Gedanken als Bild mehrerer gangbarer Wege. So sind wir Terraner.«
»Das ist ... unlogisch.«
»Nur für jemanden, der kein Grek 1 ist. Das ist einer der Gründe, warum ich mit Grek 1 sprechen möchte. Er wird verstehen.«
»Er ist wie ich.«
»Er ist die Eins. Er ist euer Anführer. Er wird wissen, was es bedeutet, zu interpretieren und aus mehreren Alternativen die beste auszuwählen.«
Meine Argumentation stand auf wackligen Beinen. Das wusste er, das wusste ich. Doch es war auch nicht Sinn des Gesprächs, diesen Maahk zu überzeugen. Ich wollte Interesse bei jenen höheren Ranges wecken. Sie darauf aufmerksam machen, dass hier jemand war, der nicht einfach so Anweisungen gehorchte. Man würde sich für uns interessieren; auch, weil ich immer wieder meinen Namen und den Begriff »Terranischer Resident« ins Gespräch eingeflochten hatte.
»Folgt mir.«
Der Maahk drehte sich um und ging voran. Wir hinterher, eingekesselt von mehr als zwanzig anderen Maahks. Ihre Waffenläufe zielten nicht nur auf uns, sondern auch nach allen Seiten; als befürchteten sie einen Angriff der Schatten.
Ich fühlte in mir jene Anspannung, die mit der Begegnung von Fremdwesen stets einherging. Dieses Gefühl war nicht zu verwechseln mit Unbehagen oder gar Angst. Ich glaubte, die Maahks gut genug zu kennen. Der kritische Gefahrenmoment war längst vorüber. Hätten sie uns in einen Hinterhalt locken wollen, wäre dies beim Verlassen von MIKRU-JON geschehen.
Maahks kennen das Prinzip der Täuschung, sagte ich mir, aber es entspricht nicht ihrer Art der Kampfführung.
»Wohin bringt ihr uns?«, fragte ich unseren Führer.
»In ein Notquartier. Es wird einige Zeit dauern, bis sich ein Ziffern-Grek mit eurem Anliegen auseinandersetzen kann. Wir sind damit beschäftigt, die Station zu säubern.«
Wie zur Bestätigung fuhr eine breite Feuerlohe über uns hinweg. Ich duckte mich instinktiv. Der Energiestrahl verfing sich im Schirm eines unserer Begleiter und wurde absorbiert. Die Maahks rückten näher zusammen und schlossen den Ring enger um uns. Nach wie vor wurde gekämpft; wenn auch mit nachlassender Intensität.
»Sie bewachen uns nicht nur«, flüsterte Mondra, »sie wollen uns zudem beschützen.«
Dieser Schuss war einer der letzten. Bald darauf kehrte Stille ein. Hunderte Maahks verharrten an den Plätzen ringsum, nach wie vor mit gezückten Waffen.
»Warum kämpft ihr gegeneinander?«, fragte ich.
Keine Antwort. Kein Methanatmer reagierte, keiner drehte sich uns zu. Stur gingen sie weiter – auf einen schmalen Gang zu, der sich durch nichts von den vielen anderen unterschied, die aus dem Stationskorpus rings um das Transferdeck fortführten.
Wir tauchten in ein Beinahe-Dunkel ein. Mehrere der Leuchtkörper waren im Zuge der Gefechte beschädigt worden. Links von uns gloste ein Feuer, es stank nach verbranntem Plastik.
Ich hörte das Trampeln schwerer Schritte. Irgendwo tropfte Flüssigkeit von der Decke; eine kleine Lache war am Boden entstanden, in der im Licht unserer Scheinwerfer bunt schillernde Schlieren dahintrieben.
Die Maahks hielten uns weiterhin umringt, und dabei machten sie keinen Unterschied zwischen uns und unserem tierischen Begleiter Ramoz.
»Rechts!«, befahl der namenlose Maahk und drängte uns in einen Nebengang, der bald darauf in einen kleinen Saal mündete. Vier Wächter bezogen davor Position, während man uns ins Innere des Raumes drängte.
»Ihr wartet hier. Sanitäranlagen sind vorhanden, Trinkwasser steht euch zur Verfügung. Der Nahrungsspender ist defekt. Essensaufnahme ist für euch ohnehin nicht notwendig. Die Wartezeit wird höchstens zwei Tage betragen.«
»Zwei Tage?!«, fauchte Mondra. »So lange werden wir hier drin sicherlich nicht warten!«
»Zieht eure Anzüge aus«, fuhr der Maahk ungerührt fort. »Wir werden sie für euch aufbewahren. Persönliche Gegenstände dürfen behalten werden.«
Ich warf Lloyd/Tschubai einen fragenden Blick zu. Der Schwarzafrikaner nickte. Die Methanatmer wollten uns nichts Böses. Sie gehorchten ihrer Logik, wie immer. Ein Punkt nach dem anderen auf ihrer Agenda wurde abgearbeitet. Wenn Grek 1 der Meinung war, dass wir die Spitze seiner Prioritätenliste erreicht hatten, würde er sich um uns kümmern.
Schweren Herzens schlüpfte ich aus dem SERUN und legte ihn zu Boden. Wie meine beiden Begleiter trug ich einen bequemen Bordoverall darunter.
»Was ist das?«, fragte mich ein Maahk und deutete auf den Controller.
»Ein nicht-militärisches Multifunktionsgerät.« Ich deutete auf das Display. »Es zeigt diverse Informationen wie Uhrzeit, Umgebungstemperatur sowie atmosphärische Bedingungen an und überwacht zugleich meinen allgemeinen Gesundheitszustand.«
Der Methanatmer scannte den Controller. »Keine hochenergetischen Aktivitäten, keine Hinweise auf versteckte Waffensysteme«, befand er. »Du darfst das Gerät behalten.«
»Danke!« Ich steckte den Controller weg, froh über diese bloß oberflächliche Untersuchung.
Grußlos verließen die massigen Fremdwesen den Raum. Ich hatte oft genug mit ihnen zu tun gehabt; und dennoch blieb ich wie meist nachdenklich und verwirrt zurück. Die Mentalitätsunterschiede zwischen ihnen und uns waren tiefgreifend. Diplomatie funktionierte, aber wie viele Maahks zählte ich zu meinen Freunden?
»Brauchst du mich?«, fragte Ras Tschubai vielsagend.
»Noch nicht. Aber halte dich bereit.«
Wir setzten uns rings um einen Tisch. Die Sitzfläche meines Stuhls besaß eine Wölbung, die unangenehm gegen das Steißbein drückte.
Ramoz rollte sich neben Mondra zusammen; sein regelmäßiges Atmen verriet bald darauf, dass er eingeschlafen war. Die herrschende Spannung berührte ihn kaum.
Wir schwiegen, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Das Warten begann.
*
Ich hatte heute ES gesehen.
Ich hatte heute ES gesehen!
Immer wieder wiederholte ich diesen Gedanken, der so fundamental, so erschütternd war, dass ich ihn kaum fassen, geschweige denn begreifen wollte.
ES hatte sich anders als während früherer Begegnungen gezeigt. Die Superintelligenz lag im Sterben. Ihre mental-energetischen Reserven schienen aufgebraucht zu sein, ihre sonst so kräftige Präsenz war nur noch wie ein Windhauch zu spüren gewesen.
Das Konzept Fellmer Lloyd/Ras Tschubai war ein letztes »Geschenk« an uns. An mich. Ich durfte auf keine weitere Unterstützung im Kampf gegen die Frequenz-Monarchie hoffen. Alles Weitere oblag mir. Meinen Freunden. Den Terranern.
Ich blickte Ras Tschubai an. Wie gut ich diesen Mann doch kannte! Über Jahrhunderte hinweg hatte er mich auf meinem Weg begleitet, hatte mich unterstützt und war mir ein treuer, aufrichtiger Freund gewesen. Wie sehr hatte ich mich auf seine Fähigkeiten verlassen, ihn immer wieder für die heikelsten Aufträge herangezogen.
Fellmer Lloyd, der nunmehr einen Körper mit Ras Tschubai teilte, war meinem Herzen ebenso nah. Der ruhige, fast unscheinbar wirkende Mann hatte gerne im Hintergrund gewirkt, und umso erstaunlicher war es gewesen, dass er zeitweise die Rolle des Wortführers im Mutantenkorps übernommen hatte. Ich hatte seine Verlässlichkeit geschätzt – und seine Gaben; der neben John Marshall und Gucky beste Telepath hatte zudem ausgezeichnete Orterfähigkeiten besessen.
Was sind die beiden eigentlich?, fragte ich mich. Sie starben, nachdem ihre Zellaktivatoren den Dienst einstellten. Ihre Mentalsubstanz ging im Augenblick ihres Todes auf ES über. Nun wurden sie wiedergeboren. Im Leib Tschubais, der durch nichts von seinem ehemaligen Körper zu unterscheiden ist.
So groß war die Macht von ES, dass der Tod seltsam gegenstandslos wurde, wie eine virtuelle Realität, aus der man jederzeit zurückkehren konnte. Aber – was wusste ich schon darüber, wie es sich anfühlte, wenn man starb und zurückgeholt wurde? Wurden sie überhaupt zurückgeholt oder handelte es sich lediglich um eine Art Kopie, nur unvergleichlich besser als alles, was unsere Wissenschaft ermöglichte und sich zudem des eigenen Status nicht bewusst? War Lloyd/Tschubai vielleicht nur das Ergebnis eines Back-ups, das ES von Zeit zu Zeit über die Zellaktivatoren anfertigte? Wir wussten so unendlich wenig über die Superintelligenz, als deren Günstlinge wir galten, obwohl wir immer alles zu wissen glaubten.
Ich wollte, konnte nicht weiterdenken. All die Konsequenzen, die sich aus ES' Tun ergaben, waren mir zu viel. Sie erinnerten mich an jene Augenblicke, da mein Leben ganz besondere Wendungen genommen und ich nicht mehr gewusst hatte, was die nächsten Sekunden bringen würden.
Damals, 1971 alter Zeitrechnung, als ich mir die Rangabzeichen der US Space Force von der Uniform gerissen und die Dritte Macht gegründet hatte. Damals, 429 NGZ, als ich vor dem Berg der Schöpfung gestanden hatte und die Antwort auf die Dritte Ultimate Frage nicht hören wollte. Damals, vor etwas mehr als 100 Jahren, als ich auf die Ritter-Aura verzichtet hatte ...
Ras Tschubai warf mir einen prüfenden Blick zu. Ahnte er, worüber ich nachdachte?
Die Tür öffnete sich, ein Maahk betrat den Raum. Alle drei sprangen wir auf; Ramoz zog sich einige Schritte zurück und stemmte sich mit seinen kräftigen Pfoten wie abwehrend gegen den Boden.
»Man hat Zeit für euch gefunden«, sagte der Methanatmer. »Ihr beide kommt mit.« Seine langen Arme deuteten auf Mondra und mich.
Ras Tschubai wollte etwas sagen. Ich nickte ihm zu und tippte an meinen Schädel. Wenn wir seine Hilfe benötigten, würden wir ihn gedanklich herbeirufen.
»Wir sind bereit«, sagte ich und folgte dem Maahk.