Читать книгу Perry Rhodan 2179: Akreols Welt - Michael Nagula - Страница 5

2.

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Die Welten des Ersten Thoregons schienen von Containern geradezu übervölkert zu sein.

Schon wieder saßen wir in einem Container. Ich wusste schon gar nicht mehr, der wievielte es war. Und ich wollte mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie wir von Bord der IRDERA NENALDA in einer ziemlich hektischen Aktion – als sei sie spontan ausgedacht worden – in diesen Container verladen worden waren. Vom Agrarplaneten Arth Echma, wo wir die IRDERA NENALDA getarnt zurückgelassen hatten, war dabei nichts zu sehen gewesen.

Erst wenige Tage war es her, seit wir an Bord eines Passagierschiffes auf dem Weg nach Arth Chichath einen dieser zerbrechlich wirkenden Mochichi-Konstrukteure kennen gelernt hatten. Beim Auftauchen einer Hand voll bewaffneter Kattixu, die auf diesen Welten als Ordnungsmacht galten, hatte er tapfer gekämpft und war einen scheinbar sinnlosen Heldentod gestorben.

Danach waren die schattenhaften Wesen abgezogen. Und die Kommandantin des Schiffes hatte uns in der Annahme, wir wären mit dem Mochichi befreundet gewesen, sein Gepäck überlassen: drei große Container.

Wir staunten nicht schlecht, als wir die Container auf einer Wohnwelt der Mochichi öffneten. Dort stellten wir fest, dass sie einen Teleporter-Anzug enthielten, in seine Einzelteile zerlegt. Nachdem Monkey ihn zusammengesetzt hatte, erwies er sich selbst als eine Art Container: drei Meter breit und 1,80 Meter hoch. Beim Zusammenbau mussten wir irgendwie ein Alarmsignal ausgelöst haben. Wie aus dem Nichts waren plötzlich acht Mochichi-Konstrukteure aufgetaucht. Sie hatten uns überwältigt und in ihr Versteck gebracht. Unter der uralten Stadt Aldarimme hatten uns die Kattixu allerdings erneut aufgestöbert, und wir waren mit den Mochichi ins All geflüchtet. Und so weiter ... von Versteck zu Flucht.

Und so saß ich jetzt wieder in einem Container. Obgleich dieser erheblich wohnlicher war und in mir nicht so starke Beklemmungen auslöste wie ein Sarkophag-Anzug. Dieser Container, der offiziell dehydrierte Nahrungsmittel enthielt, konnte nicht nur Monkey und mich aufnehmen, sondern auch einundfünfzig Mochichi-Konstrukteure, die mit uns den langen Flug nach Ord Regimen angetreten hatten.

Ord Regimen.

Während ich auf meiner Formliege ruhte, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, konnte ich eine gewisse Erleichterung nicht unterdrücken. Alles schien reibungslos zu verlaufen. Wir befanden uns an Bord eines Frachtraumers, der routinemäßig Container zur wichtigsten Industriewelt des Ersten Thoregons transportierte, und anscheinend hatte bisher niemand Verdacht geschöpft.

Es konnte natürlich auch sein, dass wir längst aufgeflogen waren und man uns bei der Landung einen heißen Empfang bereiten würde. Aber das sollte jetzt nicht meine Sorge sein. Selbst wenn es so wäre, ich hätte es nicht ändern können.

Ord Regimen.

Wir waren schon einmal auf diesem riesenhaften, kahlen Planeten gewesen. Über seine Oberfläche waren Dutzende von Städten verteilt, von großflächigen Industriegebieten umgeben, die ein dichtes Verkehrsnetz miteinander verband. Ich fieberte dem Augenblick entgegen, an dem wir wieder dort landeten.

Wir hatten auf dieser Welt eine unglaubliche Entdeckung gemacht. Fernab der Milchstraße, in einer kosmischen Region, die wir als erste Menschen betreten zu haben meinten, waren wir plötzlich auf ein terranisches Raumschiff gestoßen.

Ich war geradezu schockiert gewesen, als ich gesehen hatte, wie das golden schimmernde, hantelförmige Objekt am Himmel heruntergeschwebt kam, wenn auch nicht aus eigener Kraft. Zwei Weltraumtraktoren hatten es getragen und abgesetzt.

Es war nicht irgendein Raumschiff gewesen, sondern eine fliegende Legende, ein Gebilde von insgesamt acht Kilometern Länge: die SOL!

Ich seufzte. Sie hatte sich ebenso wie wir auf die Suche nach Thoregon gemacht und gleichzeitig mit uns ihr Ziel erreicht. Wenn meine Erinnerung mich nicht trog, war sie am 2. Mai 1291 NGZ aus dem PULS von DaGlausch gestartet und niemals zurückgekehrt – also fast auf den Tag genau vor einundzwanzig Jahren.

In der Milchstraße war zwar bekannt, dass die SOL zuletzt mit Atlan, Ronald Tekener und Dao-Lin-H'ay sowie Perrys Gefährtin Mondra Diamond an Bord nach Wassermal geflogen war. Dort wollten die Besatzungsmitglieder bei den Pangalaktischen Statistikern weitere Hintergründe zu Thoregon erfahren. Seitdem war nichts mehr von ihr zu hören gewesen.

Wo immer Monkey und ich auf unserer Odyssee gelandet waren, wie viele Millionen Lichtjahre uns auch von der Heimat trennen mochten – an diesem Ort mit der SOL zusammenzutreffen war alles andere als ein Zufall!

Fragte sich nur, was mit der Besatzung geschehen war. Es hatte nicht so ausgesehen, als befände das Hantelschiff sich freiwillig an diesem Ort. Sonst wäre es nicht von Traktoren geschleppt worden, sondern aus eigener Kraft geflogen.

Ich wandte den Kopf und blickte zu dem Oxtorner, der über sorgsam verborgene Kameras in der Wand unseres Verstecks die Außenwelt beobachtete. Der Frachtraumer REVIKA, der unseren Container beförderte, befand sich in der ersten Phase des Landeanflugs.

Der Oxtorner saß konzentriert über den eingehenden Ortungsergebnissen und Bildern, die ich jedoch weitaus weniger faszinierend fand als den Vogel, der auf Monkeys Schulter saß. Es war ein Lamuuni, der sich vor einiger Zeit mit ihm verbrüdert hatte.

Ich grübelte noch immer darüber nach, ob wir seine Auskunft ernst nehmen konnten. Bei unserem ersten Aufenthalt auf Ord Regimen war er plötzlich verschwunden, als habe ihn die SOL zu einem Ausflug angeregt. Anscheinend hatte er versucht, mittels einer Niveauverschiebung an Bord der Hantel zu wechseln.

Das teilte er dem Oxtorner nach seiner Rückkehr durch Bilder mit, die Monkey interpretieren musste. Allerdings sei er dabei auf ein Hindernis gestoßen. Ein ganz eigenartiges Hindernis. An Bord der Hantel gab es offenbar keine Zeit.

Monkey war sich nicht sicher gewesen, ob er den Lamuuni richtig verstanden hatte. Auch der Vogel schien sich nicht sicher gewesen zu sein. Aber bisher hatte Monkey seine empathischen Mitteilungen eigentlich immer richtig gedeutet. Also hatten wir beschlossen, bei dieser Deutung zu bleiben, obwohl die Folgerung daraus wahrlich erschreckend war.

Die SOL steckte in einer Art Zeitgefängnis!

Außerdem umgab sie ein blaues Leuchten, das wir mit dem merkwürdigen Stasisphänomen in Verbindung brachten. Sie wurde anscheinend schwer bewacht. Allein in sie eindringen oder das Schiff befreien zu wollen wäre aussichtslos gewesen. Wir waren übereingekommen, dass wir uns Verbündete suchen mussten.

Auf Ord Agenda, dem ersten Planeten, den wir im Ersten Thoregon betreten hatten, waren zwei Mochichi-Konstrukteure unsere Helfer gewesen. Dabei war uns sehr schnell klar geworden, dass sie gegen das herrschende Regime kämpften. Auf Grund dessen hatten wir uns eine Passage nach Arth Chichath besorgt, der Wohnwelt dieses Volkes.

Was hätte näher liegen können, als bei ihnen Hilfe zu suchen?

Unser Vorgehen hatte sich bewährt. Mittlerweile hatten wir die Zirkulare Direktorin und fünfzig ihrer Untergebenen als Verbündete gewonnen. Sie wollten uns bei der Befreiung der SOL helfen, weil dadurch die Rettung des Ersten Thoregons in größere Nähe rückte.

Wir zogen am gleichen Strang. Ihr Ziel war unser Ziel ...

Ich nickte unwillkürlich und stemmte mich hoch. Ein Blick auf die Monitore zeigte mir, dass wir bereits gelandet waren. Ich schwang die Beine von der Liege und starrte ebenso gespannt wie Monkey auf die sich langsam öffnende Frachtluke.

Ein Flirren verriet mir, dass eine Energiebarriere die REVIKA noch vor der Atmosphäre des Planeten schützte. Reine Routine. Ord Regimen war eine Sauerstoffwelt.

Im nächsten Augenblick brach die Barriere zusammen, und eine Energierampe flammte vor der Luke auf. Offenbar hatten sich schon bei der Landung des Frachters automatische Plattformen genähert, die jetzt die Rampe emporschwebten. Gleichzeitig strömten Roboter in den gigantischen Frachtraum der REVIKA und lösten die Magnetklammern an den Containern. Mit Zugstrahlen wurde ein Behälter nach dem anderen auf die Plattformen manövriert, die sofort wieder über die Rampe nach unten glitten.

Ein rascher Blick über die Schulter bestätigte mir, dass die fünfzig Mochichi-Konstrukteure das Manöver ebenso aufmerksam verfolgten wie wir. Wenn wir entdeckt worden waren, würden wir es spätestens jetzt zu spüren bekommen.

»Du kannst beruhigt sein«, murmelte jemand neben mir. Es war Elle Ghill. Die Wortführerin des Zirkulars auf Arth Chichath war fast vierzig Zentimeter kleiner als ich, überragte aber die meisten ihrer Artgenossen bei weitem.

Ich blickte die Zirkulare Direktorin an. »Deine Leute sind sich da nicht so sicher.«

Elle schnaubte verächtlich. »Wenn wir etwas planen, erfahren weder die Kattixu noch die Helioten davon – jedenfalls nicht, bevor es zu spät ist.«

Ihr Stolz gründete sich auf die lange Geschichte des Zirkulars, dessen zwölftes Oberhaupt sie war. Es war einst von Mochichi-Konstrukteuren gegründet worden, die erfahren hatten, dass die Helioten im Zentrum Thoregons eine Sperrzone errichtet hatten.

Eine Konstruktion namens Objekt Armaire war dort entstanden – Objekt der Gefahr.

Die Gründung der Aktivistenbewegung war in eine Zeit gefallen, in der die wichtigsten mit der Konstruktion von Objekt Armaire befassten Mochichi ihr Leben verloren hatten. Sie waren hingerichtet oder als Mitwisser beseitigt worden. Seitdem waren viele Mochichi zu Rebellen geworden. Sie wussten zwar nicht mehr, was in der Sperrzone vor sich ging, hatten ihre Organisation aber erstaunlich lange am Laufen gehalten.

Erst vor einem Tag hatten die Ordnungskräfte der Helioten ihr geheimes Hauptquartier entdeckt und zerstört – nach viertausend Jahren!

Elle Ghill war also zu Recht auf die Geheimhaltung des Zirkulars stolz. Vielleicht kannten sie Mittel und Wege, Informationsträger, die über gefährliches Wissen verfügten, im entscheidenden Augenblick am Sprechen zu hindern.

Mentale Sprengsätze, die auf Schlüsselworte reagierten, sobald sie einem Mochichi über die Lippen kamen? Oder manipulierten sie ihr Gedächtnis?

Ich verzichtete auf weitere Fragen. Wir waren davon nicht betroffen, und wahrscheinlich hätte Elle Ghill uns über ihre geheimen Methoden ohnehin keine Auskunft erteilt.

Stattdessen blickte ich weiter auf die Monitore, vor denen Monkey mit seinem Vogel saß und sich um eine klare Wiedergabe der Umgebung des Containers bemühte. Wieder einmal musste ich den technischen Fertigkeiten des Oxtorners Respekt zollen. Er zauberte eine Außenansicht auf die beiden Bildschirmreihen, die sich mit den besten Wiedergaben auf der Panoramagalerie terranischer Raumschiffe messen konnte.

Die Kameras hinter uns zeigten das flirrende obere Ende der Rampe, über die wir die REVIKA soeben verließen. Zu beiden Seiten war bis zum Horizont ein makellos glatter Boden zu sehen, und einige hundert Meter vor uns schien eine Metallwand aufzuragen.

Ich begriff, dass die REVIKA in einem Hangar gelandet war.

Auf die Metallwand lief eine graue Bahn zu, vom restlichen Boden matt abgesetzt. Sie war ungefähr fünf Meter breit und verzweigte sich vor der Wand wie eine Gabel mit drei Zinken. Als der erste Container nur noch zehn Meter von der Verzweigung entfernt war, flammten drei riesige Torbögen auf.

Sofort spürte ich das altbekannte Ziehen. Das Cappinfragment unter meiner Maske, die ich geglaubt hatte, nie wieder tragen zu müssen, reagierte auf hyperenergetische Vorgänge.

Es konnte sich folglich nur um Materietransmitter handeln.

Ein Container nach dem anderen wurde von seiner Plattform auf der grauen Bahn zur Wand getragen und an der Verzweigung umgelenkt, worauf er in einem der flirrenden Energiefelder verschwand.

Die Schlange vor uns wurde immer kürzer. Sechs Container lösten sich auf, sieben, acht – dann waren wir dran. Ich spürte, wie wir kurz verharrten und nach rechts gedreht wurden, einige Meter weiterglitten und nach links schwenkten.

Wir näherten uns dem Transmitter unter dem hellen Lodern meines Cappinfragments.

*

Als wir entmaterialisierten, verspürte ich eine ungeheure Anspannung. Ich glaubte, dass jeden Moment Entsetzliches passieren müsste.

Seit über achthundert Jahren war ich nicht mehr mit dem Organklumpen im Gesicht durch einen Transmitter gegangen.

Alte Erinnerungen und Ängste stiegen in mir auf:

Es ist der 15. Februar 3428. Du bist siebenundzwanzig Jahre alt und Techniker bei der Interstellar Equipment und Positronic Inc. Du benutzt eine Transmitterverbindung zwischen Bontong und Peruwall. Als du das Gerät betrittst, bist du noch guter Dinge. Ein wichtiger Auftrag wartet auf dich, der deiner Karriere förderlich sein wird, aber dann geschieht etwas Schreckliches. Du hast den Eindruck, dass dich etwas im Hyperraum aufhält.

Du bist vom Fach. Du weißt, dass so etwas nicht möglich ist. Beim Durchgang durch einen Transmitter vergeht keine Zeit. Und doch spürst du deutlich ein Ziehen und Zerren, als webte sich etwas durch deine Molekülfäden, als bildeten sie eine neue Form.

Du traust diesem Eindruck nicht. Du willst ihm nicht trauen. Der Hyperraum ist unendlich, seine Struktur nicht von dieser Welt. Es kann nicht sein, dass du in einem Kontinuum, dem du nicht materiell, sondern nur als virtueller Daseinsfunke angehörst, mit einer anderen nichtmateriellen Existenz in Verbindung trittst.

Aber das Ziehen und Zerren hört nicht auf. Du fühlst dich wie ein gedehntes Gummiband, das plötzlich reißt und auf sein Ziel zuschnellt. Und der anderen Existenz geht es genauso. Du hörst ihre Stimme, aber nicht, was sie sagt. Sie sagt auch nichts. Sie schreit. Das Wesen, das gerade mit dir zusammengestoßen ist, schreit!

Dann ist es vorbei. Du taumelst aus der Empfangsstation, brichst zusammen. Menschen beugen sich über dich, drehen dich herum – und schreien ebenfalls. Panik bricht aus. Niemand erkennt den Grund. Mehrere Menschen müssen sterben, bevor du und die anderen endlich begreifen, was eigentlich geschehen ist.

Es ist dein Gesicht!

Die gesamte Fläche, bis auf Augen, Nase und Mund, ist von einer schillernden Masse bedeckt. Wenn andere Menschen diese Masse sehen, werden sie wahnsinnig und sterben. Das Unmögliche ist geschehen: Du bist im Hyperraum mit einem anderen Wesen zusammengestoßen, einem Cappin. Die atomare Zellstruktur deines Körpers hat sich mit einem Teil dieses Wesens verwoben; du bist nicht mehr einer, sondern zwei.

Euer Anblick bringt jetzt den Wahnsinn.

Aber du darfst den Menschen ringsum nicht schaden. Sie können nichts für dein Leid. Du musst ihnen helfen und eine Maske tragen, jenen Abbitte leisten, die schon gestorben sind, dich für das Dasein einsetzen, für das kosmische Leben – überall.

Das bist du den Toten im Transmitterraum schuldig.

Also trägst du künftig eine Plastikmaske, die deinen Gesichtskreis einengt. Du gewöhnst dich daran, wie an deine verminderte Sehfähigkeit, aber deine Bewegungen wirken jetzt manchmal ungelenk, zumal du groß und hager bist. Außerdem sprichst du jetzt oft langsam und holprig, als müsstest du erst nach den richtigen Worten suchen.

Du kannst auch nicht mehr als Techniker arbeiten. Bei manchen energetischen Vorgängen spricht dein Cappinfragment an. Dann leuchtet und blitzt es unter der dünnen Maske hervor, aus den Sehschlitzen sticht grelles Licht. Diese hyperfrequenten Aktivitäten zwingen dich in die Knie und gefährden die Wesen in deiner Umgebung.

Aber der Unfall hat dich noch auf andere Weise verändert. Er hat dein Denkvermögen geschärft. Du bist jetzt ein besserer Logiker als früher, der beste der ganzen Menschheit. Kein anderer kann eine Gedankenkette so schnell zu Ende bringen wie du.

Und du hast noch eine neue Fähigkeit, die der Menschheit nützlich sein kann. Du bist ein Cappinspürer geworden – du spürst die Angehörigen des Volkes, dem dein Organklumpen entstammt, auch wenn sie in den Körpern von Terranern vor dir stehen.

Jahrhunderte vergehen, in denen du im Mutantenkorps tätig bist. Deine Arbeit für die Menschheit wird anerkannt. Du bist beliebt, aber nicht gern gesehen.

Die Maske hat dich zur Einsamkeit verdammt. Das stellst du spätestens im Alter von 131 Jahren fest, als Perry Rhodan deinen Einsatz für die Menschheit belohnt: Er verleiht dir einen Zellaktivator!

Jetzt bist du relativ unsterblich und hast alle Zeit der Welt, um den Organklumpen in deinem Gesicht loszuwerden. Warum gelingt es dir nicht? Warum klammert er sich an dich, als wäre er ein Ertrinkender und du der letzte Halt weit und breit?

Du gibst die Hoffnung nicht auf. Du träumst von deinem Gesicht, malst es dir aus, abends vor dem Spiegel, nicht in schillernden, sondern in Hautfarben. Ein Gefühl sagt dir, dass deine Chance kommen wird. Und du wirst sie nicht ungenutzt lassen.

Dann, im Jahr 426 NGZ, ist es so weit. Beim Sturz der BASIS durch den Frostrubin verlierst du den Organklumpen. Du bist überglücklich. Du kannst die Maske wieder abnehmen!

Dein Gesicht ist wie von weißem Kerzenwachs überzogen, die Nase erscheint falsch und wirkt wie aufgeklebt, die Lippen sind blutleer und wulstig.

Aber du bist froh, ein froher Einzelgänger!

Bis du feststellst, dass das Cappinfragment keineswegs fort ist. Es hat sich nur zurückgezogen. Es steckt tief in deinem Körper. Dort tobt es und treibt sein Unwesen, elf Jahre lang, und beruhigt sich erst, als du zum Gänger des Netzes wirst.

Du triffst mit ihm eine Vereinbarung: Beim Netzgehen bildet ihr eine geistige Einheit, bist du körperlich, löst es sich von dir und führt als Testare ein eigenes Leben.

Testare, so heißt also der Cappin, mit dem du zusammengestoßen bist. Testare ...

Zwanzig Jahre lang führt er ein Leben als Körperprojektion. Jede Trennung ist für euch unangenehm, bei längerer Dauer sogar unerträglich. Dann erhält er den Körper eines Barkoniden. Er wird zu einem gewöhnlichen Sterblichen!

Anders als ein gewöhnlicher Sterblicher geht Testare jedoch siebenhundert Jahre später in ES auf. Er wird zum Mittler zwischen der Superintelligenz und den Sterblichen, wechselt sich mit Ernst Ellert ab, dem Wanderer durch die Zeit ...

Dir ist das egal. Für dich zählt nur eines. Schon als Testare sterblich wurde, hat nur eines gezählt: Die Gefahr ist gebannt! Endlich gebannt!

Aber dann erwartet dich die größte Enttäuschung deines Lebens. Hier während deiner Odyssee. Nie hättest du vermutet, dass so etwas geschehen könnte. Du hast schon viel erlebt, bist gewissermaßen ein kosmischer Mensch geworden. Aber einem pararealen Alter ego deiner selbst bist auch du noch nicht begegnet.

Erst wenige Tage ist es her. Die Erinnerung daran ist noch frisch, die Wunde schmerzt. Du spürst mit jeder Faser deines Seins, wie es war, als er an Bord der LEUCHTKRAFT vor dir stand, der Mann mit der Maske, dein anderes Ich.

Auch für ihn war es schmerzlich. Bei deinem Anblick erkannte er sich als nicht real, begriff sich als Spiegelung einer alternativen Realität – und das Fragment wechselte zu dir.

Zum wahren Maskenträger!

Vielleicht musst du das Cappinfragment jetzt bis zu deinem Tod tragen? Was für ein schrecklicher Gedanke – für einen Unsterblichen.

Bis zu deinem Tod, hallte es in mir nach, während lautes Gebrüll erklang.

Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich meine eigene Stimme hörte. Dass ich auf dem Boden lag, mich aufbäumte und herumzuwälzen versuchte. Ein schwerer Druck lastete auf meinen Armen, der verhinderte, dass ich mir die Maske vom Gesicht riss.

Ich spürte mehr, als dass ich sah, wie die Mochichi mich umringten. Sie schwiegen. Ich wusste, dass sie auf mich herunterblickten, fasziniert, aber kein bisschen ängstlich.

Sie kennen keine Angst, aber sie ahnen auch nicht, was geschieht, wenn ich die Maske abnehme, schoss es mir durch den Kopf.

Sie hätten es erleben können, vor einigen Tagen auf Arth Chichath, als ich den Sarkophag-Anzug ausprobiert hatte. Weit weg vom Versteck der Mochichi blockierte er, und plötzlich tauchten mehrere Gleiter der Kattixu auf. Schattenhafte, grünlich leuchtende Wesen strömten heraus, so groß wie ich und anscheinend humanoid. Sie benutzten Verzerrerfelder. Ihre verschwommenen Gesichtszüge wirkten auf mich nahezu dämonisch. Ich fühlte mich bedroht. In die Enge getrieben.

Es gab für mich nur eine Rettung, eine einzige Waffe, die ich gegen sie zum Einsatz bringen konnte: meine Maske. Ich musste sie mir vom Gesicht reißen.

Die Entscheidung war mir schwer gefallen. Sollte ich die Kattixu in den Wahnsinn treiben? Ich hatte geschworen, mich für das Leben einzusetzen, überall, aber hier galt es abzuwägen. Wenn ich durch ihre Hände starb, war damit den Bewohnern des Ersten Thoregons nicht geholfen. Und die Kattixu sahen nicht so aus, als zögerten sie, hart durchzugreifen. In den Händen trugen sie schwere, höchst gefährlich wirkende Waffen aus tiefblau metallischem Material, die im Gegensatz zu ihrem unklaren Äußeren höchst materiell waren.

Ich musste es tun!

Und ich hätte es auch getan, wenn in diesem Moment nicht hundert Mochichi materialisiert wären, die mit den Waffensystemen ihrer Anzüge die gelandeten Gleiter der Kattixu zur Explosion brachten und die grün glimmenden Gestalten wegbliesen.

Ein furchtbares Gemetzel hob an. Vierzig Mochichi und alle Kattixu ließen ihr Leben.

Aber wenigstens war ich es nicht gewesen. Ich hatte meine furchtbarste Waffe nicht zum Einsatz gebracht. Und ich wollte es auch jetzt nicht tun, auf keinen Fall!

Um nicht panisch zu reagieren, riss ich die Augen auf.

Dicht über mir sah ich zwei große anthrazitfarbene Scheiben in einem breiten olivfarbenen Gesicht mit schmalen Lippen. Das Antlitz eines Androiden oder eines auf menschlich getrimmten Roboters. Dieses Wesen kauerte über mir und presste mit seinen mächtigen Pranken meine Arme auf den Boden.

Es war Monkey!

Mir wurde mulmig bei der Vorstellung, dass er abrutschen und mit seinem vollen Gewicht auf mich stürzen könnte. Oxtorner waren umweltangepasste Terraner, an 4,8 Gravos gewöhnt. Unter Standardgravitation wog er gut und gern 750 Kilogramm.

Ich lächelte etwas gequält. »Mir geht's wieder blendend.« Meine Stimme klang dumpf, und mir fiel ein, dass er mein Lächeln ja nicht sehen konnte. Rasch fügte ich hinzu: »Glauben Sie mir. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich jetzt aufstehen ließen.«

Er nickte und erhob sich zu seinen knapp zwei Metern Größe.

Mühsam rappelte ich mich auf und sah mich im Kreis der Mochichi um, die alle etwa zwei Köpfe kleiner als Monkey und ich waren. Als sie sahen, dass ich offenbar keinen Schaden genommen hatte, blickten sie wieder zu dem Pult mit den beiden Monitorreihen, als wäre nichts geschehen. Elle Ghill hatte dort den Platz des Oxtorners eingenommen.

»Wie konnte es dazu kommen?«, wollte Monkey von mir wissen. Er machte ganz den Eindruck, als sähe er in mir plötzlich ein Sicherheitsrisiko.

Ich schluckte mein Unbehagen hinunter. Ich hätte diesen Mann ja nicht zu begleiten brauchen, als er mich auf Terra dazu aufgefordert hatte. Es war meine eigene Schuld, dass wir diese Odyssee jetzt gemeinsam erlebten.

»Eine Art Déjà-vu«, antwortete ich. »Durch den Transmitterdurchgang muss das Cappinfragment sich an unseren Unfall erinnert haben. In mir stiegen alte Erinnerungen und Ängste an unsere gemeinsame Zeit wieder auf.«

»Geschieht das jetzt bei jedem Transmitterdurchgang?«

Auf den Monitorreihen war eine kleine Halle zu sehen, in der unser Container materialisiert war. Hinter mehreren Pulten standen Mochichi, die eifrig Hebel umlegten und auf Knöpfe drückten. Sie schienen sich mit kurzen Zurufen über den Container zu verständigen, der jetzt auf einem Förderband zu einer Drehplattform gebracht wurde. Dort wurde ihm eine neue Richtung gegeben, auf ein weiteres Transmitterfeld zu.

»Ich will es nicht hoffen«, murmelte ich besorgt.

Monkey schnaubte und ging wieder zu den Kontrollen der Außenwiedergabe, ließ sich neben Elle Ghill in einem Sessel nieder. Es war typisch für sein pragmatisches Denken, dass er nicht weiter in mich drang. Wenn ich nicht wusste, wie es um mich bestellt war, konnten wir es nur darauf ankommen lassen.

»Wo sind wir hier?«, fragte der Oxtorner die Zirkulare Direktorin.

»In einer Zwischenstation«, sagte sie, ohne den Blick von den Monitoren zu nehmen. Ich glaubte zu sehen, wie einer der Techniker draußen die Hand grüßend zum Container hob.

Auch Monkey war diese Geste nicht entgangen. »Wissen sie über uns Bescheid?«

»Nein, aber es kann sein, dass sie etwas vermuten. Hier in dieser Station arbeiten nur Zirkular-Aktivisten. Sie haben Anweisung bekommen, diesen Container umzuleiten. Unser geheimer Bestimmungsort ist eine Automatfabrik in einem abgelegenen Bereich des Planeten. Sie brauchen nur eins und eins zusammenzuzählen.«

Monkey brummte etwas Unverständliches. Der Vogel auf seiner Schulter breitete die Schwingen aus, als hätte er Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Ich hoffte, dass das keine drohende Gefahr anzeigte. Der Lamuuni lebte auf einem niedrigeren Energieniveau. Bei starken hyperenergetischen Schwankungen brachte er sich durch eine Art Teleportation in ein paralleles Universum in Sicherheit. Drohte eine solche Hyperveränderung?

Ich starrte auf die Bildschirme, die das näher kommende Flirren des Abstrahlfeldes zeigten. Ich fürchtete mich vor der bevorstehenden Entmaterialisation.

Und der Blick, den Monkey mir über die Schulter zuwarf, sprach Bände.

Perry Rhodan 2179: Akreols Welt

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