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Kapitel 2 Dillings

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Joshua Kendrick war das Sinnbild eines ehrwürdigen Patriarchen und Gentleman aus dem Süden. Er war nicht nur Gründer und Town-Mayor der Stadt Dillings, sondern auch Besitzer einer großen Tabakplantage in Virginia. Über vierhundert Sklaven arbeiteten dort für ihn. Kendrick war der festen Überzeugung, dass sie dies gerne taten, denn im Vergleich zu anderen Besitzern behandelte er seine „Nigger“ gut. Er tat dies nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, doch ihm war bewusst, dass zufriedene Arbeiter weit bessere Ergebnisse lieferten, als solche, die das nicht waren. So hatte bei ihm jeder Schwarze seine gemütliche Koje, jede Familie sogar eine kleine Hütte. Joshua Kendrick achtete auf eine gute ärztliche Versorgung und bezahlte die Männer und Frauen für ihre Tätigkeit. Es mochte ein geringer Lohn sein, doch üblicherweise wurden die Sklaven überhaupt nicht bezahlt. Kendrick achtete ebenso darauf, dass die Familien oder Ehepaare nicht auseinander gerissen wurden und dass seine Aufseher die Peitschen nur benutzten, wenn dies auch unbedingt erforderlich war, um die Disziplin aufrecht zu erhalten. Fünf seiner besten Aufseher kamen selbst aus den Reihen seiner Sklaven. Kendrick begünstigte auch die Gründung von Familien. Neue Sklaven aus den eigenen Reihen waren weit besser motiviert und man musste sie nicht auf einem Markt einkaufen.

Ja, Kendrick empfand einen gewissen Stolz auf sein soziales Engagement und vor allem die guten Resultate, die es zeigte. Seine Leute legten sich auch ohne Strafandrohung mächtig ins Zeug. Keiner der Farbigen wollte die Plantage des guten weißen Massa verlassen, um einem anderen und schlechteren Herrn zu dienen.

Er hatte einen zuverlässigen Verwalter auf der Plantage und einen ehrlichen Buchführer. Alles wäre Bestens, wenn der verdammte Bürgerkrieg nicht ausgebrochen wäre. Joshua Kendrick war ein glühender Patriot des Südens und ein Verfechter von dessen Unabhängigkeit. Er machte jedoch keinen Hehl daraus, dass der „verdammte Ärger mit den Yankees“ das Geschäft schädigte und möglichst rasch beigelegt werden sollte. Das lag ja auch im Interesse der Nordstaatler und die bisherigen Geschäftspartner, mit denen Kendrick in den Unionsstaaten handelte, hatten sich stets als vernünftige Leute erwiesen. Der inzwischen 72-jährige hoffte, die Geschäfte bald wieder aufnehmen zu können.

Zwei seiner Söhne dienten in der Armee von Nord-Virginia. Einer von ihnen hatte den berühmten General Robert E. Lee sogar persönlich kennengelernt und ritt nun in Stuarts fabelhafter Kavallerie.

Joshua hielt es in diesen unruhigen Zeiten nicht auf der Plantage. Eher zufällig war er, während einer gemütlichen Flussreise auf dem Mississippi, auf den Verladepunkt Dillings gestoßen und hatte sofort erkannt, dass dessen wahres Potential nicht genutzt wurde. Die Lage, direkt am Fluss und zwischen zwei Überlandstraßen, die durch eine Brücke und die Fähre mit dem Ort verbunden waren, bot Möglichkeiten für den Handel. Entlang des Mississippi wurden Baumwolle, Tabak und Melasse angebaut und vorrangig zwischen den Städten Natchez und Saint Louis gehandelt. Von Saint Louis ging es flussabwärts weiter bis New Orleans. Dillings lag zwischen Memphis und Vicksburg und bot sich als Umschlagplatz an. Zudem konnte man von Dillings aus etliche Plantagen versorgen. Plantagen, auf denen, entlang des Flusses, rund vier Millionen Sklaven arbeiteten.

Joshua Kendrick hatte vor einem guten Jahr einiges an Privatvermögen in Dillings investiert und die kleine Siedlung erhielt enormen Aufschwung, denn die umfassenden Verbindungen von Kendricks sorgten rasch dafür, dass Dillings als Anlegeplatz akzeptiert und angefahren wurde. Es war nur eine logische Folge, dass die nunmehr 3.000 Einwohner ihn zu ihrem Bürgermeister wählten.

Die ersten soliden Steinhäuser waren errichtet worden und Kendricks achtete persönlich darauf, dass sie ansprechend aussahen. Die Balkone, die zugleich die Vordächer bildeten, wurden von sorgfältig behauenen Steinsäulen gestützt, etliche der Geländer bestanden nicht aus Holz, sondern dem teuren Schmiedeeisen. Hier gab es Teppiche und Wandtapeten und zunehmend alle Annehmlichkeiten, die den Ort sogar für verwöhnte Passagiere ansprechend machten. Mancher Dampfer legte hier an, natürlich gegen einen kleinen Obolus von Kendrick an den Kapitän, damit seine Passagiere die Gelegenheit bekamen, im „Chez Gaston“ zu speisen. Der alte Patriarch hatte sich nicht gescheut, einen ausgezeichneten französischen Koch in die kleine Stadt zu locken.

An Stelle der einstigen kleinen Dampfboote lagen nun auch große Raddampfer an den hölzernen Anlegern. Der Größte von ihnen, ein stolzer Vierdecker, war die Louisiana Pride von Kapitän James Henry Muldoon, einem Schotten, den die Abenteuerlust vor Jahren nach Amerika getrieben hatte. Inzwischen besaß der Mann drei kleine und zwei große Frachtdampfer und seine Louisiana Pride, die Passagiere aller Art beförderte. Die meisten Dampfer wurden weiß gestrichen. Teure Farbe behielt man den Relings, dem Steuerhaus oder den Radkästen vor. Muldoon hatte sein Flaggschiff jedoch in kräftigem Gelb gehalten. Schornsteine, Heckrad, Handläufe und Türen schimmerten in seidigem Schwarz. An beiden Flanken zog sich der übergroße Schriftzug Louisiana Pride entlang.

Muldoon und sein Flaggschiff waren auf dem Mississippi bekannt. Das Schiff war modern, sehr schnell und der Schotte besaß genug Rücksichtslosigkeit und Risikofreude, um seine Konkurrenten notfalls auch mit kleinen Tricks aus einem Rennen zu werfen.

Rennen gab es auf den großen Flüssen, wie dem Mississippi, dem Missouri, dem Ohio oder Shennandoah, immer wieder, doch die des Mississippi waren berühmt. Immer wieder lieferten sich Kapitäne eine Wettfahrt mit der Konkurrenz, denn das schnellste Schiff wurde bekannt und bekam die zahlungskräftigsten Passagiere und lohnendsten Frachten. Solche Rennen wurden angekündigt, die Zeitungen berichteten darüber und es wurden Wetten abgeschlossen.

Muldoon wettete selber gerne und es machte ihm nichts aus, bei einem Rennen ein wenig zu mogeln, wenn er es dadurch gewann. Das Letzte hatte er gewonnen, weil er dem Feuerholz so viel Schweinefett beigemischt hatte, dass die Kessel beinahe geplatzt wären. Die Heizer hatten zusätzlichen Lohn erhalten und die Ventile festgebunden, und sicher hatten sie, nach dem gewonnenen Rennen, ein paar Vaterunser gebetet, um sich anschließend gründlich zu besaufen.

James Henry Muldoon war ebenfalls ein Anhänger des Südens. Er war ein Freund der Unabhängigkeit und hatte es noch nie verstanden, dass sich sein geliebtes Schottland der britischen Krone hatte unterwerfen müssen. In Muldoon lebte der Geist der Schlacht von Culloden. Er brauchte sich nur vorzustellen, der gegnerische Kapitän sei ein Engländer, um alles daran zu setzen, ein Rennen zu gewinnen.

Im Augenblick standen Muldoon und Kendrick, einträchtig Seite an Seite, auf einem der hölzernen Anleger von Dillings. Ihre Blicke galten der U.S.S. Mayhew, die bis zum Batteriedeck gesunken war, jedoch sicher auf dem Untergrund der Sandbank lag.

„Der verdammte Yankee ist ein Schandfleck“, seufzte Kendrick.

Muldoon strich sich über den dichten Backenbart. „Ich habe zwei meiner Leute hinüber geschickt. Die Panzerung besteht aus gutem Eisen, es sind moderne Kanonen an Bord und ebenso zwei gute Dampfmaschinen. Alles Dinge, die man gut verkaufen oder selber gebrauchen kann. Sofern der verdammte Engländer nicht zuschlägt.“

„Engländer?“ Kendrick sah den Dampferkapitän verwirrt an. „Ich wusste gar nicht, dass sich Engländer in Dillings befinden.“

„Ich meine den verdammten Barstowe, Mayor. Schön, er ist Offizier der Konföderation, aber er benimmt sich wie ein verdammter Engländer.“

„Sie sollten im Angesicht des Herrn nicht so ausgiebig fluchen, Mister Muldoon“, mahnte der tief gläubige Bürgermeister. „Was haben Sie gegen den Lieutenant?“

„Der Kerl ist auch zu dem Yankee hinüber. Will nachsehen, ob man das Schiff nicht instandsetzen und in die konföderierte Marine übernehmen kann.“ Muldoon unterdrückte einen erneuten Fluch. „Dann lässt sich aus dem Schrott natürlich kein Gewinn mehr machen.“

„Die Navy kann jedes Schiff gebrauchen. Vor allem, wenn es gepanzert und gut bewaffnet ist. Denken Sie an die Blockade und die armen Leute in Vicksburg.“ Kendrick seufzte vernehmlich. „Ich hoffe nur, der brave Pemberton hält durch, bis wir ihm Nachschub gebracht haben.“

„Ja, ist eine Menge Zeugs hier“, stimmte der Schotte zu und sah zu den Lagerhäusern. „Und es kommt noch mehr.“

„Noch viel mehr. Bedenken Sie, Kapitän Muldoon, wie viele Leben in Vicksburg versorgt werden müssen. Fast achtzehntausend Zivilisten, dazu die dreißigtausend Soldaten des braven Pemberton.“

„Nun, ich vermute, die Nigger wollen auch was zum Essen haben“, fügte der Schotte ironisch hinzu.

„Ich bevorzuge die Begriffe „Farbiger“, „Neger“ oder „Schwarzer“. Das Wort „Nigger“ hat für mich etwas… abwertendes.“

„Es sind nun einmal Nigger, egal wie man sie nennt.“

„Es gibt gute Leute unter ihnen“, hielt Kendrick dagegen. Er war ein aufgeklärter und aufgeschlossener Mann. Natürlich besaßen farbige Menschen nicht den Wert eines Weißen. Das kannte man ja bereits von den Roten. Sie besaßen eine barbarische Kultur, ein sehr schlichtes Gemüt und galten als ungeeignet, um kompliziertere Arbeiten ausführen zu können. Immerhin, so fand Kendrick, waren die Farbigen jedoch menschliche Wesen oder diesen doch recht ähnlich, so dass man ihnen ein Minimum an Respekt, schon allein wegen der schöpferischen Vielfalt Gottes, entgegen bringen sollte.

„Vicksburg ist eine üble Sache“, nahm Muldoon den Faden wieder auf. „Wenn die Yankees die Stadt einnehmen, dann brauchen sie nur noch Port Hudson und der gesamte Mississippi gehört ihnen.“

„Das sollte Ihnen doch eigentlich gleichgültig sein.“ Kendrick lächelte sanft. „Kein Krieg mehr auf dem Fluss, das bedeutet für uns alle, dass es wieder freien Handel gibt.“

„Unsinn. Die Yankees werden unsere Schiffe beschlagnahmen und uns zwingen, ihre Truppen und Güter ohne Bezahlung zu transportieren. Nein, Mayor, wenn die Yanks den Fluss übernehmen, dann wird uns das ruinieren.“

„Ich habe Geschäftspartner im Norden. Alle durchaus vernünftige Leute. Die wollen ebenso ihr Geld verdienen, wie wir.“

„Sie sind naiv, Kendrick“, knurrte Muldoon. Er langte in die Außentasche seiner weit geschnittenen blauen Kapitänsjacke und zog eine schlanke Pfeife hervor. „Aus Virginia“, meinte er grinsend, als er den Tabaksbeutel nahm und zu stopfen begann.

„Ist der beste Tabak, das ist gewiss.“

„Möglicherweise von Ihrer Plantage.“

Kendrick runzelte die Stirn, zog die Hand des Schotten vor seine Nase und schnüffelte ungeniert. „Niemals. Das da kommt an die Qualität meines Tabaks nicht heran.“

„Mag so sein.“ Muldoon entzündete die Pfeife und paffte sie an, während er wieder zur Mayhew hinüber sah. „Ah, der verdammte Engländer kommt zurück.“

„Lieutenant Barstowe?“

„Ist ja sonst kein verdammter Engländer hier.“

„Der Mann stammt aus Louisiana und ist Infanterieoffizier der Konföderation.“

„Mag so sein, aber er hat das Wesen eines verdammten Engländers.“ Muldoon paffte genüsslich. „Aber das sagte ich schon.“

Barstowe saß in einem größeren Ruderboot, in dem er mit einer gemischten Gruppe Bewaffneter saß, die sich aus Stadtbewohnern und Infanteristen zusammensetzte. Zwischen ihnen waren einige Matrosen der U.S.-Navy zu erkennen sowie zwei Unionsoffiziere, die man gerade von der Sandbank gerettet hatte.

Männer, Frauen und Kinder strömten jetzt zu den Anlegern, um zuzusehen, wie man die Yankees aus dem Boot dirigierte und an einem Lagerhaus unter Bewachung stellte. Spöttische Rufe trafen die unglücklichen Unionsmatrosen.

„Und?“ Muldoon sah den Lieutenant auffordernd an.

„Zweihundertundzwölf Mann konnten sich retten“, berichtete Barstowe. „Ein paar sind ertrunken. Ein paar haben sich die Alligatoren geschnappt.“ Sein Mitgefühl für die Yankees hielt sich in Grenzen. „Wir haben den Kapitän. Bislang schweigt er, aber wir werden ihn schon zum Reden bringen und erfahren, was die Blaubäuche vorhaben.“ Der Lieutenant hob grüßend die Hand und winkte einigen der Damen lächelnd zu, bevor er sich wieder dem Town-Mayor und dem Kapitän zuwandte. „Ich bin mir sicher, dass sie zurückkommen. Wie sollten uns darauf vorbereiten.“

Während Joshua Kendrick betroffen nickte, stieß James Henry Muldoon ein missbilligendes Schnauben aus. „Ich meinte nicht die verdammten Yanks, Barstowe. Was ist mit dem Schiff?“

„Den Bug hat die Ramme übel erwischt. Wird mit unseren Mitteln nicht einfach, den Schaden zu reparieren, aber ich wette, die Navy kann das Schiff übernehmen.“

„Verdammte Engländer“, murmelte Muldoon.

Barstowe, der die Weltanschauung des Schotten nicht kannte, zuckte mit den Schultern. „Ist ein echtes Yankee-Schiff, Mister Muldoon. Die Engländer haben mit seinem Bau nichts zu tun. In den Yankee-Zeitungen steht, dass der Konstrukteur ein James Eads sein soll. Eine Schande. Der Mann stammt aus Saint Louis und baut Kanonenschiffe für die Yanks.“

„Also soll das Schiff gehoben und für unsere Navy in Dienst genommen werden“, stellte Kendrick fest. „Nun, das wird unsere Navy freuen. Sie kann sicher jedes Schiff gebrauchen. Gerade jetzt, wo die Yankees Vicksburg angreifen. Apropos Vicksburg… Lieutenant, wir sammeln hier Nachschub für General Pemberton. Waren die Föderierten hinter dem her? Es muss ja einen Grund für ihre Attacke auf Dillings geben.“

„Ohne Ihre nette Stadt beleidigen zu wollen, Mayor, aber einen anderen Grund kann ich mir kaum vorstellen.“ Barstowe wies mit einer ausholenden Bewegung über die Lagerhäuser. „Irgendwie haben die Yankees in Erfahrung gebracht, dass wir hier Lebensmittel, Munition, Waffen und andere Nachschubgüter sammeln. Das ist für die Union ein lohnendes Ziel. Ja, Sir, die werden zurückkehren.“

Der Blick des Bürgermeisters wurde erneut besorgt. „Diesmal haben wir Glück gehabt, Lieutenant, aber ich fürchte, wenn sie das nächste Mal kommen, dann brauchen wir mehr als ein Rammboot und etwas Glück.“

„Ich schließe mich Ihrer werten Meinung an, Mayor.“ Muldoon deutete eine übertrieben höfliche Verbeugung an. „Da meine hübsche Louisiana Pride keine Panzerung und keine Kanonen hat, wäre es durchaus hilfreich, wenn die unvergleichliche konföderierte Marine uns mit ein paar Panzerfregatten unter die Arme greifen würde.“

Barstowe lachte. „In diesem Bereich des Mississippi haben wir leider nichts dergleichen verfügbar.“

„Wir hatten Glück, dass diese berittene Batterie auftauchte, sonst wären die Yankees an Land gekommen und hätten uns mit ihren Soldaten überrannt.“ Kendrick sah den Offizier vorwurfsvoll an. „Wenn wir uns gegen die Gentlemen aus dem Norden wehren sollen, dann brauchen wir hier Truppen und wir brauchen Kanonen.“

„Bislang hielt man in Richmond unser kleines Dillings wohl nicht für bedroht“, meinte Barstowe verlegen. „Zwischen dieser netten Stadt und den Yankees bewegen sich mehrere Verbände unserer Truppen, so dass ein überraschender Angriff unmöglich erschien.“

„Ja, typisch Landratte“, spottete Muldoon. „Ans Wasser denkt euer fabelhaftes Hauptquartier wohl nicht.“

„Spätestens jetzt wird man das tun“, versicherte Kendrick. „Jetzt, wo feststeht, dass Dillings bedroht ist, wird die Konföderation uns sicherlich Hilfe schicken, nicht wahr, Lieutenant?“

„Davon bin ich absolut überzeugt, Town-Mayor Kendrick. Ohne Nachschub ist Vicksburg verloren und man wird alles daran setzen, dass die hier lagernden Versorgungsgüter die Stadt erreichen. Vicksburg darf auf keinen Fall fallen, denn der Mississippi ist von enormer Bedeutung für die Versorgung der Konföderation.“

Pferdesoldaten 09 - Das Kanonenboot

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