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Kapitel 3 Die Beobachter

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Nicht-kommerzielles Forschungsschiff S.R.S. Caroline Herschel, im freien Raum, 37,6 Lichtjahre von Sol entfernt

Die im Jahr 1848 verstorbene Astronomin Caroline Herschel hatte sich zu ihren Lebzeiten sicherlich nie träumen lassen, dass es einmal ein Raumschiff geben könnte, welches ihren Namen trug und dessen Besatzung der gleichen Leidenschaft frönte, nämlich der Beobachtung und Vermessung der Sterne. Die „Caro“, wie sie von ihrer Mannschaft genannt wurde, war ursprünglich ein Landungsboot der Sky-Cavalry gewesen, doch nach dem Ende des kolonialen Krieges und der erfolgreichen Rettungsmission für das außerirdische Volk der Hanari, hatte die Raumkavallerie das „Troop Landing Vehicle“ ausgemustert. Viele der TLV waren verschrottet worden, doch die TLV 12-56, so ihre ursprüngliche militärische Bezeichnung, war lediglich stillgelegt und im hohen Marsorbit belassen worden.

Mit der Einführung des Hiromata-Nullzeit-Sturzantriebs war der Bedarf an Raumfahrzeugen sprunghaft angestiegen. Der kommerzielle Handel wuchs und es gab sogar die ersten Touristik-Unternehmen, die Flüge zu fernen Sternen anboten. Die Reise zwischen den Sonnensystemen dauerte höchstens noch sechzehn Stunden. Acht für das Beschleunigen auf Lichtgeschwindigkeit und das Aufladen der Kristalle, und acht weitere für das Abbremsen am Ziel. Keine zeitraubenden Flüge mehr, auf denen man Quartiere und umfangreiche Vorräte benötigte. Im Prinzip reichten nun ein paar bequeme Sitze und eine Bordtoilette aus, um genügend Komfort für die Reise zwischen den Welten verfügbar zu haben.

Theoretisch konnte man jeden beliebigen Punkt in der Galaxis anfliegen, doch niemand war dumm genug, das zu versuchen. So sicher der Hiromata auch zu sein schien, niemand konnte garantieren, dass er nicht doch einmal ausfiel. Es war keine angenehme Vorstellung, hunderte oder tausende Lichtjahre entfernt zwischen den Sternen zu stranden, und nur einen Überlichtantrieb verfügbar zu haben, mit dem die Rückreise Generationen dauern würde.

Die Grundlage für interstellare Navigation waren exakte Karten. Alles in der Galaxis war in Bewegung. Kein Stern und kein Planet behielt seine Position statisch bei. Planeten kreisten um ihre Sonnen, Sonnensysteme bewegten sich mit anderen Sonnensystemen innerhalb ihrer Galaxie und die Galaxien wiederum bewegten sich innerhalb ihres Universums. Diese „natürlichen“ Bewegungsabläufe hätten dem legendären Albert Einstein vielleicht zu denken gegeben, hätte er damals bereits gewusst, dass sich manche Sonnensysteme, in Relation zueinander, mit relativer Überlichtgeschwindigkeit bewegten. Die Berechnungen der Bewegungen waren kompliziert, jedoch nicht unlösbar, und so gab es einen ganzen Schwarm von Forschungs- und Vermessungsschiffen die jene Karten und Daten ermittelten, die für die interstellare Raumfahrtnavigation unabdingbar waren.

Das „Scientific Research Ship Caroline Herschel“ war für genau jene Aufgabe reaktiviert und umgebaut worden. Aus dem ehemaligen Landungsboot vom Typ „Troop Landing Vehicle“ (TLV) war ein sogenanntes „Fast Landing Vehicle“ (FLV) geworden. Nunmehr als „schnelles Landungsboot“ bezeichnet, war sie in Wirklichkeit ein sehr kompaktes und leistungsstarkes Raumschiff. Seine militärische Herkunft und ursprüngliche Aufgabe, Menschen schnell und sicher auf einem Planeten zu landen oder von diesem abzuholen, würde die Caroline Herschel niemals leugnen können. Sie war keine Schönheit und ihre Eleganz bestand allenfalls in der Zweckmäßigkeit ihres Designs.

Das ursprüngliche Landungsboot vom Typ TLV war rund fünfunddreißig Meter lang, fünfzehn breit und knappe acht Meter hoch gewesen. Jetzt, als FLV, war es fünfzehn Meter länger. Man hatte es in der Mitte praktisch auseinander geschnitten, um dort Raum für den Hiromata-Antrieb und dessen Energieversorgung zu schaffen. Der Rumpf wirkte daher massig und gedrungen, die Bauchseite war sanft gerundet und wirkte als Tragfläche. Sie war mit Hitzekacheln bedeckt, die in dunklem Grau schimmerten. Es gab keine Flügel, nur ein V-förmiges Leitwerk auf dem Heck, welches bei Bedarf abgesenkt oder ausgefahren werden konnte. An den Flanken und der Oberseite waren die ausladenden Schächte der vier Staustrahltriebwerke zu sehen, welche den Flug in nahezu jeder Atmosphäre ermöglichten. Am Heck befand sich eine breite Rampe, an der Backbordseite die kleine Mannschleuse für die Flugbesatzung. Die voll verglaste Kanzel am Bug war ein wenig nach Links versetzt. Neben ihr befand sich die tonnenartige Hülle, welche ursprünglich eine schwere Gatling-Revolverkanone geschützt hatte und nun ein leistungsstarkes Abtastgerät enthielt. Oben auf dem Rumpf war nachträglich die Kuppel eines großen astronomischen Fernrohrs, mitsamt zweier parallaxen Kameras, montiert. Ihre stereoskopischen Aufnahmen ermöglichten exakte Entfernungsbestimmungen. Im Grunde handelte es sich hierbei um zwei extrem hochauflösende Fernrohre mit eingebauten Kameras, die mit einigem seitlichen Abstand zueinander montiert und auf das Ziel ausgerichtet wurden. Brachte man ihre Bilder exakt zur Deckung, so entstand eine Triangulation, die für die genaue Berechnung der Entfernungen genutzt wurde.

Ursprünglich in militärischen Farben lackiert, zeigte der Rumpf nun eine interessante Mischung aus Neongrün und Neonrot, den Farben der Mars-Universität, denn die „Caro“ war im Auftrag ihrer astronomischen Fakultät unterwegs.

Die Vermessung des zugewiesenen Sektors nahm Zeit in Anspruch und man ging davon aus, dass sich die Caroline Herschel mindestens drei Monate in dem betreffenden Gebiet aufhalten würde, bis sie zum Mars zurückkehren konnte. Eine sehr lange Zeit, wenn zehn Menschen auf engem Raum zusammenleben mussten, den sie zudem noch mit den zahlreichen Instrumenten und Hochleistungs-Tetroniken teilen mussten, die für ihre Arbeit unerlässlich waren.

Die Besatzung bestand aus Pilot, Co-Pilot und Bordtechniker sowie Professor Bill Henridge und sechs Doktoranden der Universität. Obwohl die „Caro“ relativ groß und ursprünglich für den Transport von Hundert voll ausgerüsteten Sky-Troopern vorgesehen war, bot sie ihren derzeitigen zehn Benutzern nur das absolute Minimum an Komfort.

Das Forschungsschiff war erst seit fünf Wochen unterwegs und für Professor Henridge zeichnete sich ab, dass man die Mission wohl vorzeitig abbrechen oder zumindest unterbrechen musste, denn die Spannungen an Bord nahmen zu. Es gab keine Intimsphäre, von der kleinen Bordtoilette einmal abgesehen, und kaum Möglichkeiten zur Entspannung. Die Männer und Frauen arbeiteten in zwei Schichten und teilten sich nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die Kojen, die in dem kleinen Schlafraum eingebaut worden waren. Die gute Verpflegung konnte dafür nicht entschädigen, zumal sie in dem kleinen Raum eingenommen werden musste, der als Küche diente, und in dem man auch die Freizeit verbringen musste.

Bill Henridge hatte gerade einen kurzen Blick ins Cockpit des Schiffes geworfen. Die dreiköpfige Crew gab sich den Anschein konzentrierter Arbeit, aber Henridge wusste, dass sich die beiden Pilotinnen und ihr Techniker entsetzlich langweilten. Seit Wochen flogen sie mit gleichbleibender Geschwindigkeit, damit die Scanner und astronomischen Geräte störungsfrei arbeiten konnten. Dabei folgte die Caroline Herschel einem Raster, welches nur selten eine Kurskorrektur erforderte. Wie sehr sich die Besatzung langweilte war schon an der Sorgfalt zu erkennen, mit der sie sich der Pflege der Maschinen widmete. Henridge war sich sicher dass die Sauberkeit und Pflege an Bord sogar die auf einem Navy-Schiff übertraf.

„Irgendetwas Neues?“, fragte er, eher aus Höflichkeit, denn aus Erwartung.

Saunders, die schlanke Pilotin, die ursprünglich bei der Sky-Navy gedient hatte, stieß ein leises Schnauben aus. Obwohl sie längst pensioniert war, ließ der Weltraum sie nicht los und so war sie dankbar gewesen, den Pilotenjob für die Universität annehmen zu können. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich dann an ihre Co-Pilotin, deren Kopf unter dem Virtual-Reality-Helm verschwand. „Jill?“

„Negativ“, kam die knappe Erwiderung. „Keine potenziell gefährlichen Objekte in Sensor-Reichweite.“

„Technik ist okay“, kam die unaufgeforderte Bemerkung des Bordtechnikers. „Allerdings haben wir eine leichte Fluktuation in der Leistung der Klimaanlage. Ihre Geräte erzeugen auf Dauer mehr Wärme als hundert Trooper.“

„Ja, es riecht ein bisschen an Bord“, warf Saunders ein.

Henridge zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich daran.“

„Wie laufen die Vermessungen?“

Der Professor wusste, was sich hinter der Frage der Pilotin verbarg. „Wir werden noch bleiben, Captain. Wir kommen gut voran. Dieser Sektor wurde zwar schon vor uns vermessen und gescannt, aber das geschah eher oberflächlich. Hierher hat sich früher kein Raumschiff verirrt.“

„Wozu auch?“, fragte Saunders rein rhetorisch. „Rohstoffvorkommen und Wasser findet man im Weltraum ja reichlich. Planeten, Asteroiden… Eine lohnende Sache für die Abbaukonzerne. Es gibt mehr Rohstoffe als wir verbrauchen.“

„Mit Ausnahme von einer Sache“, warf die Co-Pilotin ein.

„Ja, mit einer Ausnahme.“ Saunders grinste den Professor an. „Hiromata-Kristalle. Hinter denen ist jetzt jeder her. Ich sage Ihnen, Professor, diese Kristalle sind inzwischen das, was früher einmal Gold oder Diamanten waren. Bald wird es auch hier von Prospektoren wimmeln die nach dem Zeug suchen.“

Henridge blinzelte. „Nun, mag sein. Dafür interessiere ich mich nicht sonderlich.“

„Sollten Sie aber, denn ohne unseren Hiromata-Antrieb wären wir überhaupt nicht hier. Oder erst in etlichen Jahren.“

„Mag sein.“ Der Astronom interessierte sich für die Sterne und dafür, dass er sie überhaupt erreichen konnte, aber kaum für die Mittel, welche ihm das ermöglichten. „Nun, schön, ich gehe dann wieder nach hinten.“

„Wir informieren Sie, falls sich hier etwas ereignet“, versicherte Saunders.

Während Henridge das kleine Cockpit verließ, lehnte sich die Pilotin in ihrem Sitz zurück. So sehr sie sich den Sternen auch verbunden fühlte, so entschädigte ihr Anblick sie im Augenblick nicht für die Langeweile, die sie erfüllte. Dennoch durfte sie nicht in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen. Ihre Co-Pilotin Jill war mit den verschiedenen Ortungs- und Kommunikationseinrichtungen der Caroline Herschel verbunden und achtete angespannt auf jedes Detail. Der Weltraum war eine lebensfeindliche Umgebung für den Menschen und konnte rasch zu einer tödlichen Gefahr werden. Ein winziger Meteorit, den die Instrumente nicht entdecken, konnte ein Schiff in ein Wrack verwandeln, den Antrieb irreparabel beschädigen oder die Kommunikationseinrichtungen zerstören. Saunders und ihre kleine Crew waren erfahren genug, um sich keine Unaufmerksamkeit zu erlauben.

Hinter dem Cockpit befanden sich die kleine Bordtoilette und die Personen-Luftschleuse. Daran schlossen sich der Aufenthaltsraum mit der Küche und die Schlafkammer an. Henridge nickte jenen Mitarbeitern zu, die gerade Dienstfrei hatten und wechselte ein paar Scherzworte mit ihnen. Doch er hielt sich nicht auf, denn er wollte wissen, wie die Vermessungen voranschritten.

Ungefähr in der Mitte des Schiffes befand sich jener fünfzehn Meter lange Teil, den man nachträglich eingefügt hatte, um Raum für den Nullzeit-Sturzantrieb zu schaffen. Der Antrieb war verkapselt, aber es gab Sichtelemente aus Klarstahl, die es erlaubten die einzelnen Elemente zu beobachten. Auch wenn Henridge dies niemals zugegeben hätte, so war er vom Anblick des Hiromata doch immer wieder fasziniert, denn man sah ihm kaum an, was er zu leisten vermochte.

Für die geringe Masse des FLV und seiner Passagiere genügte ein relativ kleines Gerät. Es glich einem Würfel, aus dessen Ecken eine jeweils halbmeterlange Speicherstange ragte. An ihren Enden befanden sich kleine Metallkugeln, die eine kleine Menge des Kristalls enthielten. Um den Antrieb für den Nullzeit-Sturz aufzuladen wurde Energie in den Würfel geleitet, die dann in die Speicherstangen floss. Diese dünnen Stangen wurden weiter ein- oder ausgefahren, wodurch die Ladung in ihnen variierte. Ihre Position war mit den Achsen des Raumschiffes identisch. Die Position der Metallkugeln zum Würfel bestimmte, in welche Richtung und wie weit ein Raumschiff durch den Nullzeitraum stürzte. Der Antrieb nahm kaum einen Kubikmeter Raum in Anspruch. Bei einem kleinen Schiff, wie der Caroline Herschel. Für die Masse eines großen Raumschiffes waren andere Abmessungen erforderlich. So waren die Speicherstangen eines Trägerschlachtschiffes über hundert Meter lang.

Vielleicht schätzte Henridge den Anblick des Hiromata so sehr, weil er wusste, dass es auch hier auf exakte Berechnung ankam. Exakte Berechnungen waren die einzige wirkliche Leidenschaft des Akademikers. Die Maschinen, die den meisten Raum im Mittelteil des FLV beanspruchten, ignorierte er, obwohl sie die Energie für den Hiromata, das Cherkov-Gitter des Überlichtantriebs und das Sublichttriebwerk sowie alle Geräte an Bord erzeugten. Sie funktionierten, mehr interessierte ihn nicht, und dass sie funktionierten, war Sache der Crew.

Endlich erreichte er das lange Heck des Schiffes. Die Schräge hinten wurde von der großen Rampe gebildet, durch welche einst Truppen und Fahrzeuge geschleust worden waren. Der Heckraum war rund fünfundzwanzig Meter lang und fast zwölf Meter breit. Es schien keinen Zentimeter zu geben der nicht genutzt wurde. Kartenprojektionen und Bildschirme bedeckten die Wände, überall schienen die schrankartigen Tetroniken zu stehen, die mit den Außeninstrumenten und den sieben Arbeitsstationen verbunden waren. Kabelschlangen wanden sich über den Boden, an einigen Stellen provisorisch mit schwarz-gelbem Klebeband fixiert. Der Raum lag größtenteils im Halbdunkel, nur die Bereiche der Arbeitsplätze waren ausgeleuchtet. Tastaturen, virtuelle Eingabeelemente, Monitore, Getränkebehälter und leere Snackpackungen teilten sich den Platz. An einer Station fristete eine kleine Zimmerpflanze ihr Dasein. Ansonsten wurde die einstige Ladebucht durch antiquarisch anmutende Notizzettel und ein paar Maskottchen in etwas verwandelt, das den Aufenthalt für Menschen erträglicher machte.

Die Mitarbeiter des Professors nahmen die Vermessungen nicht persönlich vor, sondern achteten darauf, dass die modernen Tetroniken ihre Aufgabe erledigten und die ermittelten Daten in die dreidimensionalen Karten übertrugen. Die Datenermittlung und deren Eintragung geschahen derartig schnell, dass die jungen Leute zusehen konnten, wie die Projektionsmodelle unter ihren Augen wuchsen, und sich mit immer mehr Details füllten. Auf den alten Karten waren lediglich die Sterne, Planeten, Monde und großen Asteroiden sichtbar gewesen, nun wurde jedes messbare Objekt übernommen. Auf den ersten Blick erschien die neue Karte des Sektors völlig unübersichtlich und chaotisch. In der farbgetreuen Projektion wimmelte es von Symbolen, Zahlen, Buchstabenkombinationen und Linien, alles in den verschiedensten Farbkombinationen. Dieser scheinbare Wirrwarr verschwand jedoch, sobald man ein einzelnes Objekt anwählte oder man eine Verbindungslinie zwischen zwei oder mehr Kartenpunkten zog. Die Doktoranden, welche den Professor begleiteten, mussten sich mit Stichproben begnügen, denn eine menschliche Überprüfung der vielen Angaben würde lange Zeit in Anspruch nehmen. Sollte es unerwartet zu einem Übertragungsfehler kommen, so würde es eine entsprechende Warnung der tetronischen Programme geben, so dass sich Henridge oder die anderen des Problems annehmen konnten.

Der Professor vernahm ein seltsames Rumoren und Vibrieren und ahnte, wer dieses verursachte. Er ging zu der jungen Lana hinüber, beugte sich über ihre Schulter und schaltete das kleine Musikgerät aus. Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen und sah ihren Professor dann entschuldigend an. „Es erleichtert mir die Konzentration.“

Henridge schüttelte den Kopf. „Hören Sie klassische Musik. Beatles, Stones, Melmet… was auch immer. Dabei können Sie sich entspannen. Aber doch nicht bei diesem Lärm.“

„Das ist kein Lärm“, widersprach sie. „Die Hirnschwingungen der Komponisten werden aufgezeichnet und dann in Schallwellen umgesetzt. Das erzeugt eine unglaubliche Vielfalt an…“

„Das erzeugt einen überzeugenden Eindruck von der Leere, die sich im Schädel dieser Künstler befindet“, knurrte Henridge. „Wenn Sie diesem Mist lange genug zuhören, dann bleibt von Ihrem Gehirn auch nichts mehr übrig.“

„Äh, Professor?“

„Was?“, knurrte Bill Henridge erregt. Er fuhr zu dem jungen Mann herum, der zwei Arbeitsplätze weiter saß. Dieser erblasste ein wenig und deutete dann auf einen der Monitore.

„Ich glaube, ich, äh, habe da eine… eine Anomalie“, stotterte der Doktorand.

„Anomalie?“ Henridge strich sich über das Kinn. Der junge Marbad war sicher einer der Hoffnungsträger der Universität. Er studierte Astronomie und Astrophysik. Wenn er von einer Anomalie sprach, dann lohnte es sich wohl auch, einen Blick darauf zu werfen. „Ich komme, Marbad. Und Sie, Caren, denken bitte daran… Klassische Musik.“

Augenblicke später beugte sich Bill Henridge über die Schulter von Ahmed Marbad. „Also, was gibt es?“

„Moment, Professor, ich vergrößere es. Es ist sehr klein und gerade noch am Rand unseres Erfassungsbereiches. Wenn es nicht blinken würde, hätte ich es vielleicht gar nicht entdeckt.“

„Es blinkt?“ Sie setzen das volle Spektrum der Vermessungsgeräte ein. Optisches Teleskop, Radioteleskop, Frequenztaster, Radar, Spektralabtastung und eine Reihe anderer Instrumente. Je nach Lichteinfall und Rotation konnte ein Objekt in der optischen Erfassung als blinkend oder pulsierend erscheinen, aber da Marbad von einer Anomalie sprach, schloss der Professor eine solche Möglichkeit aus.

Marbad tippte an eine Stelle der Projektion, die sich zu ihrem äußersten Rand verschob und einen Ausschnitt vergrößerte. „Da, Professor. Ganz schwach. Gelegentlich verschwinden die Echos vollständig, um dann wieder aufzutauchen.“

Die besagten Objekte befanden sich tatsächlich am äußersten Rand jenes Bereiches, der von den Tastern gerade noch erfasst wurde. Da man jedes noch so kleine Objekt kartieren wollte, war die Einstellung der Reichweite begrenzt, um eine maximale Auflösung zu garantieren.

„Mehrere Objekte“, sinnierte Henridge. „Keine scharfen Konturen.“

„Vielleicht Asteroiden oder Kometen aus Eis oder gefrorenem Gas?“

„Wie ich sehe, sind Sie vollauf beschäftigt“, war die freundliche Stimme von Saunders zu vernehmen. „Ich wollte mir Mal die Füße vertreten und nachsehen, wie es Ihnen hier im Hintern unserer Lady Caro geht.“

„Da kommen Sie genau richtig, Captain“, versicherte Henridge lächelnd. „Wir haben hier ein paar interessante Objekte, die wir noch nicht einordnen können. Äh, Marbad, schalten Sie die Sensoren auf größere Reichweite, dann bekommen wir sicher ein klareres Bild, um was es sich handelt.“

Marbad betätigte die erforderlichen Schaltungen. Auf einem Raumschiff benutzte man keine empfindlichen Sensorfelder oder Touchscreens. Niemand wollte die Auswirkungen einer versehentlichen Berührung riskieren, daher gab es ausschließlich Tasten und Schalter, die mit einem gewissen Kraftaufwand betätigt werden mussten. Die Projektion rückte die unbekannten Objekte nun in den Mittelpunkt und deren Erfassung wurde intensiviert.

Henridge und Marbad hatten erwartet nun ein klares Bild und Echo zu erhalten, doch das war nicht der Fall.

„Es sind siebenundzwanzig Objekte, Professor“, sagte Marbad leise. „Noch immer kein klares optisches Bild und noch immer kein klares Echo. Und sie pulsieren noch immer in unregelmäßigem Rhythmus. So etwas habe ich noch nicht gesehen.“

„Ich schon“, behauptete Saunders und beugte sich leicht vor. „Oder doch etwas ähnliches. Sagen Sie, Marbad, diese siebenundzwanzig Objekte… haben sie den gleichen Kurs und die gleiche Geschwindigkeit?“

„Wenn die Instrumente richtig anzeigen… Ja.“

Professor Bill Henridge ahnte plötzlich was der Captain der Caroline Herschel vermutete. „Raumschiffe? Hören Sie, Captain, in diesem Sektor gibt es noch keinen Handel und keinen Abbau. Und die Sky-Navy hat hier keine Schiffe, geschweige denn, eine solche Riesenflotte. Wie kommen Sie überhaupt auf so eine Vermutung? Wir haben ja nicht einmal ein deutliches Bild. Schön, die Objekte scheinen sich zu ähneln, aber…“

„Schaumschiffe“, unterbrach Saunders.

„Schaum… Was?“

„Früher hat man die großen Raumschiffe aus einem Metallskelett und einer Bauschaumhülle gebaut. War billig und ging schnell, und es sparte Ressourcen. Der Schaum ist Strahlungsabsorbierend, daher hat man die Hüllen dann mit einer Beschichtung versehen. Auf der Navy-Academy haben wir bei der Ausbildung auch erfahren, dass Schaumschiffe mit einer defekten Reflektorschicht solche unregelmäßigen Echos erzeugen können.“

Auf die Beschichtung zu verzichten wäre im Prinzip für militärische Schiffe eine Möglichkeit gewesen, sich wenigstens teilweise vor den Sensoren eines Gegners zu tarnen. Man war jedoch überein gekommen, dass die klare Anmessung von Freund oder Feind für Feuerleitlösungen und ein Überleben im Gefecht entscheidend war. Eine Lehre, die man aus Gefechten im einstigen kolonialen Krieg gezogen hatte.

„Das müssten dann aber verdammt alte Raumschiffe sein und es kommt mir doch unwahrscheinlich vor, dass es eine ganze Flotte von derart beschädigten Schiffen geben soll.“ Professor Henridge schüttelte den Kopf. „Die Navy und die Privaten achten schon aus Sicherheitsgründen darauf, dass ihre Schiffe den neuesten Standards entsprechen.“

Saunders schob ihr Basecap mit dem Logo der Universität in den Nacken und kratzte sich. „Ja, das stimmt schon, aber es müssen ja keine von unseren Schiffen sein. Seit den Hanari wissen wir ja, dass wir nicht die einzige intelligente Rasse im Universum sind.“

„He.“ Marbad versteifte sich. „Reden Sie hier von Aliens, Captain?“

„Man kann es zumindest nicht ausschließen, nicht wahr?“ Saunders schob das Cap wieder gerade. „Immerhin besteht die Möglichkeit, dass es hier um einen Erstkontakt geht.“

Henridge spürte einen Schauder über seinen Rücken laufen. „Ein Erstkontakt? Mit einer ganzen Flotte von Raumschiffen?“

„Beunruhigend, nicht wahr?“ Die Pilotin leckte sich über die Lippen. „Eine solche Flotte deutet nicht unbedingt auf eine friedliche Forschungsmission hin. Jedenfalls sind wir da außen vor. Wir müssen den nächsten Stützpunkt der Navy benachrichtigen und uns zurückziehen.“

„Moment, wir sind hier noch nicht fertig“, protestierte Henridge. Auch wenn ihm die Möglichkeit nicht behagte, dass die Objekte tatsächlich eine Flotte sein könnten, erfüllte ihn diese Vorstellung doch mit Neugierde. Zudem konnte es seiner Reputation nicht schaden, wenn sein Name im Zusammenhang mit einem Erstkontakt genannt wurde.

„Oh, wir sind hier fertig“, versicherte Saunders. „Ich bin der Captain dieses Schiffes und für seine Sicherheit und die der Menschen an Bord verantwortlich. Meinetwegen können Sie mich später auf dem Mars feuern, aber ich werde einen Krachspruch absetzen und den Hiromata für einen Sturz zum Mars programmieren. Das hier ist Sache der Sky-Navy.“

Sky-Navy 01: Die letzte Schlacht

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