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Kapitel 2 Osagen

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Wide Eyes führte die Gruppe von elf Osagen an. Es war einer der fähigsten Späher und erfahrensten Krieger seines Stammes, und seine Gruppe befand sich schon ein Stück tief im Gebiet der Pawnees. Man war verfeindet und es war gefährlich, sich im Territorium des jeweils anderen aufzuhalten, doch Wide Eyes hatte seine Begleiter überzeugen können, das es wichtig war, die Absichten der Pawnees zu erkunden.

Die elf Osagen gehörten dem Erdvolk an, dem Clan der Hun-ka und damit einem halb sesshaften indianischen Volk. Sie ernährten sich von der Jagd und von Ackerbau. Im Frühjahr und Herbst jagten sie Büffel und Bär, im Winter Antilopen, Rehe und Kleinwild. Den Sommer verbrachten sie überwiegend mit ihren zahlreichen religiösen und traditionellen Ritualen, in den festen Dörfern, die sie dann bezogen und in denen sie in, aus Matten und Häuten errichteten, Langhäusern lebten. Ihre kurzfristigen Jagdlager bestanden hingegen aus Wickiups, den Gras- und Strauchhütten. Die weit verbreiteten Tipis aus Büffelhäuten benutzten sie lediglich, wenn sie in den Plains auf die Jagd nach dem Büffel gingen.

Jetzt war Spätsommer und Wide Eyes war mit seiner Gruppe von einem festen Dorf aufgebrochen, welches viele Meilen entfernt im Norden, in der Nähe des Wood River lag.

Es war die Neugierde, die Wide Eyes so tief in den Süden trieb. Der große Medizinmann der Sioux, Thundering Words, war zu Gast bei den Osagen und hatte vom großen Krieg der Weißen berichtet. Das es Gerüchte gäbe, dass sich viele indianische Kämpfer den blauen oder grauen Soldaten angeschlossen hätten. Wide Eyes bezweifelte das. Man konnte keinem Weißen vertrauen, gleichgültig, welche Uniform er auch trug. Der Späher hatte allerdings auch genug Vorstellungskraft, sich die Gefahr vorzustellen, die von einem Bündnis weißer Soldaten und indianischer Krieger ausging. Vor allem, wenn es sich um feindliche Indianer handelte. Es gab Beispiele bei denen Rot und Weiß ein vorübergehendes Zweckbündnis geschlossen hatten, um einen Indianerstamm anzugreifen. Black Bear, der weise Häuptling des Clans, hatte sicherlich recht, dass man ein Auge auf die Sache haben musste und so drang der Spähtrupp ungewöhnlich weit in das Gebiet des anderen Stammes vor.

Einzelnen Spähern und Trupps der Pawnees hatten sie bislang erfolgreich ausweichen können. Jetzt hatte Wide Eyes eine große Staubwolke entdeckt, die sich zwischen zwei fernen Hügeln bewegte und langsam näher kam. Die Gruppe hinter sich, verharrte der Späher am Waldrand eines hohen Hügels. Buschwerk und Bäume boten ihm und seinem kräftigen Mustang ausreichend Sichtschutz.

Bearclaw kam nun an seine Seite. Wide Eyes erkannte neidlos an, dass dieser ein noch besserer Krieger und Jäger war. Nur mit seinem Messer bewaffnet hatte dieser einen Bären erlegt, ohne selbst einen einzigen Kratzer zu erleiden. Die Krallen des Bären schmückten nun die Kette, die Bearclaw um seinen Hals trug.

„Das ist viel Staub“, meinte der Krieger. „So viel wird nur von einem Stamm auf dem Zug aufgewirbelt.“

„Um diese Zeit verlegt kein Stamm sein Lager ohne Not.“ Wide Eyes kaute nachdenklich auf dem Blatt, welches er sich in den Mund geschoben hatte. „Zudem ist es so viel Staub, dass er nicht alleine von den Bewohnern eines einzelnen Lagers stammen kann. Selbst wenn man alle Frauen, Kinder und Männer einrechnet, nebst Vieh oder Pferden, die sie vielleicht treiben. Nein, Bearclaw, entweder ist dort ein ganzes Volk auf dem Marsch oder es handelt sich um eine gewaltige Kriegshorde.“

„Pawnees werden es kaum sein. Jene, die wir zu Gesicht bekamen, verhielten sich ganz normal. Sie wären aufmerksamer gewesen, wenn ihr Volk bedroht wäre.“

„Ja“, stimmte Wide Eyes zu. „Daher befürchte ich, dass dort Weiße marschieren.“

„Sie führen Krieg untereinander“, wandte sein Freund ein. „Sie mögen zahlreich wie die Blätter der Bäume sein, doch selbst die Weißen werden nicht so dumm sein, gleichzeitig Krieg gegen uns zu führen.“ In diesem Fall bezog Bearclaw Ausnahmsweise alle indianischen Völker ein.

„Denk an das, was Thundering Words erzählte“, erinnerte Wide Eyes. „Manche Weiße wollen jetzt Unfrieden unter den indianischen Stämmen säen.“

„Das ist wahr. Der große Medizinmann sprach davon. Wir werden uns vergewissern müssen, wer dort den Staub aufwirbelt.“

„Wir müssen nicht nur sehen, wer dies tut, wir müssen auch in Erfahrung bringen, warum er das tut.“

„Sie werden Späher haben. Lass uns einen von ihnen fangen und ihn befragen.“

„Das ist auch meine Absicht. Lass uns keine Zeit verschwenden. Der Staub kommt in unsere Richtung. So haben wir Zeit und Gelegenheit, eine hübsche Falle aufzubauen.“

Die Osagen waren erfahren und rechneten sich aus, wie sich feindliche Späher verhalten und wo sie sich bewegen würden, um die vielen Marschierenden zu schützen. Der bewaldete Hügel, auf dem sie sich aufhielten, würde zwangsläufig das Interesse der Späher finden, sofern sich die Richtung der Staubwolke nicht änderte. So legten die Krieger ihren Hinterhalt entlang des Waldrandes, einige Meter tiefer in seiner Deckung. Zwei von ihnen führten die Pferde ein gutes Stück tiefer in den Wald. Es waren gute Kriegspferde, die sich nicht durch Schnauben oder Stampfen mit den Hufen verraten würden.

Sie brauchten Geduld und es dauerte viele Stunden, bis unter dem aufgewirbelten Staub undeutliche Schemen sichtbar wurden. Viel wichtiger waren jedoch die Reiter, die der Kolonne vorausritten und jene, die ihre Flanken schützten.

„Es sind Weiße“, sagte Wide Eyes zufrieden, da er seine Vermutung bestätigt sah. „Ich kann Fahnen erkennen, doch ich weiß sie nicht zu deuten.“

„Ich glaube, sie haben nicht die Streifen der blauen Soldaten“, meinte Bearclaw.

„Dann sind es vielleicht jene, die graue Uniformen tragen.“

„Blau oder Grau, es macht keinen Unterschied. Feinde sind sie alle.“

„Drei von ihnen kommen zu unserm Hügel. Sie wissen, dass er ein guter Aussichtspunkt ist.“ Wide Eyes wandte sich halb um und gab den anderen ein Zeichen. Dann zog er sich mit seinem Freund vom Waldrand zurück.

Sie lauerten dicht beieinander und lagen in einer so günstigen Position, dass sie die Annäherung der drei Reiter verfolgen konnten. Eine Weile glaubte Wide Eyes, es handele sich um weiße Soldaten, doch je näher die Männer kamen, desto größer wurden seine Zweifel. Obwohl die Unbekannten wie Weiße gekleidet waren, war ihre Haltung im Sattel eher ungewöhnlich für Pferdesoldaten. Schließlich zeigte der Teint ihrer Gesichter nicht die Bräune von Weißen, sondern den kupferbraunen Ton der indianischen Völker.

Wide Eyes Neugierde stieg ins Unermessliche. Dort kamen Indianer, die wie weiße Soldaten gekleidet waren und sogar deren Langmesser führten. Das war Außergewöhnlich. Es würde gut sein, wenigstens einen von ihnen befragen zu können.

Die drei Reiter trabten in lockerer Gruppe heran. Sie saßen auf großen braunen Pferden, wie sie auch die weißen Soldaten ritten. Diese Tiere besaßen nicht mehr die Instinkte indianischer Ponys oder Mustangs. Dennoch war der Osage froh, dass der Wind in Richtung des Waldes trieb und ihn und seine Begleiter nicht verraten konnte.

Drei Reiter. Ihre Überwältigung musste schnell geschehen. Ihre Kameraden waren sicher nicht dumm und wenn der Spähtrupp verschwand, würden sie darauf reagieren.

Wide Eyes setzte dabei auf eine Waffe, die bei den Indianern Nordamerikas eher unüblich war und welche er vor Jahren einem besiegten Cherokee abgenommen hatte. Dessen Volk verwendete sie für die Jagd auf Vögel und Kleintiere: Das Blasrohr. Man musste sehr gut sein, um damit Erfolg zu haben, doch der Späher wurde nicht umsonst Wide Eyes genannt. Kaum jemand im Volk der Osagen besaß ein schärferes Auge und eine höhere Zielsicherheit.

Bearclaw und die anderen vertrauten eher auf ihren Bogen und die Kriegskeulen.

Die Osagen hatten Glück. Wie sie gehofft hatten, lenkten zwei der indianischen Kavalleristen ihre Pferde etwas tiefer in den Wald, während der andere zwischen den vordersten Bäumen verharrte und in die Ebene zwischen den Hügeln hinunter blickte.

Wide Eyes blieb die Ehre des ersten Schusses. Der kurze gefiederte Pfeil aus seinem Blasrohr traf einen der Reiter direkt in die Kehle. Der Mann zuckte zusammen und sein Schrei erstickte in einem undeutlichen Gurgeln. Der Nebenmann reagierte und hob den Karabiner, doch zwei Pfeile beendeten die Bemühung im Ansatz.

Der Dritte, vorne unter den ersten Bäumen, hörte den dumpfen Aufprall der Körper auf dem Boden und das erschreckte Wiehern eines Pferdes. Er duckte sich instinktiv und drückte die Absätze seiner Stiefel in die Flanken seines Reittieres. Dieses machte einen mächtigen Satz nach vorne und trug den Reiter direkt in den wuchtigen Schlag der Kriegskeule von Bearclaw.

„Ich hoffe, du hast ihn nicht getötet“, knurrte Wide Eyes, während er sich über die reglose Gestalt in der grauen Uniform beugte.

„Ich habe ihm auf die graue Mütze geschlagen und außerdem haben Cherokees harte Schädel.“

Wide Eyes nickte. Die Feldmütze war heruntergefallen und man sah den rasierten Schädel und die Skalplocke. „Es ist wirklich ein Cherokee. Der Locke nach gehört er zum östlichen Stamm. Er ist weit im Norden und von seinem Volk entfernt.“ Er wandte sich zur Seite. „Seht nach, zu welchem Stamm die anderen gehören.“

Auch die Toten gehörten zu den östlichen Cherokees, die sich als Cherokee Nation bezeichneten.

„Fesselt und knebelt ihn und legt ihn über ein Pferd“, befahl Wide Eyes. Er spähte ins Tal hinunter. „Sie haben noch nichts bemerkt, aber es wird nicht mehr lange dauern und sie werden den Spähtrupp vermissen. Sehen wir zu, dass wir von hier verschwinden.“

Sie ließen die Toten zurück, nahmen aber deren wertvolle Pferde und Waffen mit sich. Selbst die Säbel waren von Wert, denn aus ihren Klingen ließen sich Messer und Lanzenspitzen anfertigen.

Stunde um Stunde ritten die elf Osagen nach Norden, wechselten mehrmals die Richtung und nahmen sich die Zeit, ihre Spuren, so gut es ging, zu verwischen. Nach einiger Zeit kam der Gefangene zu sich. Er hatte eine mächtige Beule am Schädel, doch er würde überleben. Zumindest eine Weile und bis er alles verraten hatte, was die Osagen von ihm wissen wollten.

Die Gruppe von Wide Eyes brauchte anderthalb Tage, bis sie ihr Lager erreichte, obwohl sie sich so schnell wie möglich bewegt hatte.

Das Lager lag in der Nähe jener Stelle, an welcher der Wood River in den Platte River mündete. Eine gute Gegend für ein Sommerlager, mit viel Wild und reichlich Fisch in den Flüssen. Fast drei Dutzend Langhäuser standen auf einer weiten Lichtung, dazwischen auch einige kleinere Wickiups, die von ledigen Kriegern und jungen Männern bewohnt wurden.

Eine große Pferdeherde graste vor dem Lager, an dessen Rand eine Reihe von Gestellen aufgebaut war, an denen Felle getrocknet wurden. Ein paar Frauen und Kinder spielten mit einem Lederball, den sie mit Stöcken über den Boden trieben.

Das Erscheinen der Gruppe rief sofort große Aufmerksamkeit hervor, denn der nun auf seinem Pferd sitzende Gefangene war nicht zu übersehen. Ebenso wenig, dass es sich um einen Cherokee handelte, der die graue Uniform eines Soldaten trug.

Krieger begannen sich zu versammeln. Im Grunde unterschieden sie sich kaum von denen der verschiedenen Sioux-Völker, mit der Ausnahme, dass sie strikt darauf achteten, die Federn, welche Rang oder Taten auswiesen, senkrecht im Haar zu befestigen.

Einige der jungen Männer riefen Wide Eyes ihre Fragen zu und wurden von den älteren Männern zur Ordnung gerufen. Wide Eyes würde erst dem Häuptling berichten und dann würde dieser das Wort an seinen Stamm richten. Vielleicht würde sogar Thundering Words sprechen, der noch immer zu Gast war.

Wide Eyes kannte den Weg, aber das Langhaus des Häuptlings wäre in diesen Tagen kaum zu verfehlen gewesen. Zu Ehren des Gastes waren dort einige der Alten versammelt, gemeinsam mit einigen Jugendlichen, denn Thundering Word sprach über die Vergangenheit des Volkes und gab sein Wissen bereitwillig an jene weiter, die vielleicht später an seine Stelle traten.

Chief Black Bear war ein Mann in den besten Jahren. Ein eindrucksvoller Krieger, dessen Federhaube zeigte, dass er manchen Kampf gewonnen hatte und zweimal verwundet worden war. Er scheute keine Auseinandersetzung, griff jedoch niemals leichtfertig zur Waffe. Trotz seiner relativ jungen Jahre sagte man ihm große Weisheit und kluge Führerschaft nach. Obwohl es eigentlich zu warm war, hatte er eine rote Wolldecke um seine Schultern gelegt, die von seiner Squaw liebevoll mit Glasperlen bestickt worden war. Nun erhob er sich, da sich Wide Eyes mit seiner Gruppe näherte und hob die Hand zum Gruß.

Neben ihm stand nun auch Thundering Words auf. Die Glöckchen an seinem Medizinstab klingelten leise. Sein Haar, welches er in den traditionellen zwei Zöpfen geflochten hatte, war weiß geworden, doch seine Haltung war aufrecht. Er galt als großer Schamane und Medizinmann, und als Vermittler und Bote zwischen den Völkern. Im Frühsommer war er bei seinem Stamm gewesen, hatte die Kämpfe gegen die Siedler und die Soldaten von Farrington erlebt und keine unwesentliche Rolle bei der Vermittlung des Friedens gespielt. Seit vielen Wochen reiste er nun von Stamm zu Stamm, von Lager zu Lager, um seine Stimme zu erheben.

„Ich grüße meinen Bruder Wide Eyes“, sagte Black Bear und deutete auf einen freien Platz in der Runde. „Wie ich sehe bringst du einen grauen Indianersoldaten und sicher viele Neuigkeiten. Sitz ab und erfrische dich, und berichte, was deine Augen gesehen und deine Ohren gehört haben.“

Wide Eyes warf die Zügel seines Mustangs seinem Freund Bearclaw zu, sprang mit einem eleganten Satz auf den Boden und erwies dann dem Gast, seinem Häuptling und den älteren Kriegern seinen Respekt, bevor er die Einladung Annahm.

Ein Wink eines der Älteren veranlasste die Jüngeren, sich zu erheben und rasch zu entfernen, während die Squaw des Häuptlings und eine seiner Töchter vor das Langhaus traten und frisches Wasser und kleine Knabbereien brachten.

Black Bear warf einen forschenden Blick auf den Gefangenen, während er die Pfeife neu stopfte. „Ein Cherokee des Südens und er ist gekleidet wie ein Soldat des Südens. Wenigstens sagt man, die Soldaten des Südens würden solche graue Jacken tragen.“

Thundering Words neigte das Haupt. „Es heißt, dass nicht alle graue Jacken tragen. Doch dieser hier ist zweifellos ein Soldat des Südens. Ein roter Mann, der für die weißen Männer kämpft und ihre Uniform und ihre Waffen trägt. Ich hörte in Farrington, dass dies geschehen könne und wollte es nicht glauben. Dann war ich beim großen Pow Wow, an dem der große Jäger Kit Carson teilnahm und das Gleiche berichtete. Er berichtete auch, dass sich viele indianische Brüder unter seinem Banner versammelt haben und für die Union der blauen Soldaten kämpfen. So, wie andere Brüder im Süden für die Grauen kämpfen.“ Der berühmte Medizinmann hob den Kopf. „Obwohl ich den Worten Kit Carsons vertraue, so hatte ich doch meine Zweifel. Nun sehe ich einen roten Mann, der in der Uniform des Südens kämpft. Wahrhaftig, meine Brüder, dies sind ungewöhnliche Zeiten.“

Black Bear wartete bis die Pfeife rundging, bevor er sich erneut an Wide Eyes wandte. „Es ist immer eine ernste Sache, Soldaten zum Feind zu haben. Blaue Soldaten oder graue Soldaten… es macht keinen Unterschied. Doch sage uns, Wide Eyes, was führt dazu, dass dieser graue Soldat unser Feind ist? Manche behaupten, die Soldaten des Südens seien wohlwollend gegenüber dem roten Volk.“

„Er ist Cherokee“, antwortete der Späher mit fester Stimme. „Die Cherokee waren nie unsere Freunde. Dieser rote Soldat führt viele andere Soldaten nach Norden. Sehr viele Soldaten und wenn Soldaten marschieren, so tun sie dies niemals in friedvoller Absicht.“

„Graue Soldaten kämpfen gegen blaue Soldaten“, wandte einer der Ältesten ein. „Ihr Krieg geht uns nichts an.“

Black Bear musterte erneut den Gefangenen. „Ich schätze es nicht, zu ihm aufzusehen.“

Ein Tritt von Bearclaw beförderte den Cherokee auf den Boden. Der Mann erhob sich und erwiderte den Blick der anderen. Sein Stolz war nicht zu übersehen und er rechnete nicht mit Gnade. Zu oft waren sich ihre Stämme in Feindschaft begegnet.

„Sage uns, warum trägst du die Uniform der grauen Soldaten?“ Black Bear rechnete nicht mit einer Antwort. Sie wäre ein Zeichen mangelnden Mutes gewesen und kein Gefangener sprach ohne zwingende Not, wollte er sein Gesicht und den Stolz seines Stammes bewahren.

Thundering Words sah die Anwesenden ernst an. „Er wird schweigen. Doch wir müssen erfahren, was er weiß und was die vielen Soldaten des Südens hier oben im Norden wollen.“

Black Bear nickte. „So ist es und so werden wir ihn befragen.“

Bearclaw führte den Gefangenen zu einem abgelegenen Teil des Lagers und begann mit seiner Befragung. Es war jene nachdrückliche Form, die gleichermaßen von Weißen und Roten angewandt wurde und beruhte auf der Erkenntnis, dass Schmerz letztlich jede Zunge löste. Die Befragung währte nicht besonders lange. Manche Weiße behaupteten, Indianer würden keinen Schmerz kennen, doch dies war eine Legende. Ja, es gab Krieger, die starben, bevor sie sprachen. Meist, weil die Mittel der Befragung ein wenig zu nachdrücklich und forsch angewandt wurden. Es war eine besondere Fertigkeit, den Schmerz zu steigern, bis er die Zunge löste, noch bevor der Gequälte das Bewusstsein oder Leben verlor. Bearclaw besaß die erforderlichen Kenntnisse und er hatte nichts dagegen, dass etliche der Krieger und Jugendlichen seinen Handlungen beiwohnten.

Schließlich kehrte Bearclaw zu der kleinen Versammlung vor dem Langhaus des Häuptlings zurück und berichtete, was er in Erfahrung gebracht hatte. Man hörte ihm schweigend zu. Nur gelegentlich war ein leiser Laut der Überraschung zu hören. Als er endete stellten Black Bear und Thundering Words ein paar Fragen, denn was sie gehört hatten, betraf nicht nur den weißen Mann, sondern in erheblichem Umfang auch das rote Volk.

„Langmesser, Marschiereviel und Wagenkanonen und das in großer Zahl“, fasste Thundering Word zusammen. „Sie kommen nach Norden um den Krieg zu den blauen Soldaten zu bringen und sie kommen um Unfrieden unter den indianischen Völkern zu säen.“

„Der Krieg der Blauen und der Grauen geht uns nichts an“, meinte Black Bear nachdenklich, „doch der Unfrieden unter den Stämmen sehr wohl. Der Westmann Kit Carson sagte, dass rote Krieger für ihn kämpfen und nun wissen wir, dass andere rote Krieger für die Feinde der Blauen in den Krieg ziehen. Das scheint uns zunächst nicht zu berühren, doch wir müssen an die Zukunft denken. Besiegen die grauen Soldaten die blauen Soldaten, und haben die Cherokees für sie gekämpft, so kann es sein, dass die grauen Soldaten mit den Cherokees gegen die Völker der Sioux kämpfen. Wir fürchten die Cherokees nicht, doch wenn sie in Zukunft mit den Waffen der Weißen kämpfen und vielleicht sogar ihre Wagenkanonen besitzen, dann könnten wir in Bedrängnis geraten.“ Sein Blick traf Thundering Words. „Sage mir, großer Medizinmann, glaubst du, dass die grauen Soldaten uns besser behandeln würden, als die blauen Soldaten?“

„Es sind dieselben weißen Männer“, erwiderte der Angesprochene. „Sie tragen nur andere Kleider.“

„Ja, das fürchte ich ebenfalls. Die Gier nach unserem Land und die Verachtung für unsere Völker sind bei beiden gleich.“

„Es sind zu viele, um gegen sie zu kämpfen.“ Der Sprecher seufzte missmutig. „Es fehlt unserem Volk nicht an Mut, doch der Kampf gegen Tausende von Langmessern, Marschiereviel und Wagenkanonen, darunter viele Cherokee-Soldaten, ist für uns nicht zu gewinnen.“

„Wir sollten die Weißen in Ruhe gegeneinander kämpfen lassen.“ Der Sprecher, der älteste Krieger des Stammes, lächelte. „Danach werden sie zu schwach sein, um noch in unser Land einzudringen.“

Black Bear nahm die Pfeife entgegen, machte zwei genussvolle Züge und reichte sie dann weiter. „Ja, wir lassen sie gegeneinander kämpfen“, stimmte er zu und lächelte ebenfalls. „So, wie die grauen Weißen es auch vorhaben, wenn die Worte des Cherokee wahr sind.“

„Sie sind wahr“, bekräftigte Bearclaw. „Er ist in Ehre zu seinen Vorfahren gegangen.“

Thundering Words stieß seinen Medizinstab auf den Boden, so dass die Glöckchen erneut leise klingelten. „Ein Stück im Norden bin ich auf meiner Wanderung einem anderen Westmann der Weißen begegnet. Jonessy.“

Wide Eyes hob eine Augenbraue. „Jener Jonessy, den wir True Tongue, gerade Zunge, nennen?“

„Genau dieser“, bestätigte der Medizinmann. „Ein Weißer, den wir kennen und von dem wir wissen, dass man seinem Wort vertrauen kann.“

Die Anwesenden nickten beifällig. „Wild Bill“ Jonessy war einst Trapper gewesen und von den Hunkpapa-Sioux gefangen genommen worden. Man hatte ihm die Chance geboten um sein Leben zu laufen, ihm einen geringen Vorsprung gegeben und dann die besten Krieger zur Verfolgung aufgeboten. Jonessy war ihnen entkommen und die Sioux waren davon ausgegangen, ihn nie wieder zu sehen. Doch nur wenige Wochen später kehrte er in ihr Lager zurück. Alleine und mit zahlreichen Geschenken. Der unbestreitbare Mut des Weißen fand die Anerkennung der Sioux und Jonessy wurde einer der Wenigen, die in den Stamm aufgenommen wurden.

„Bruder, was hat Running Feet mit den grauen Soldaten und Cherokee zu schaffen?“

„Running Feet hat manches Mal zwischen dem roten und dem weißen Mann vermittelt. Er ist ein Freund unseres Volkes und auch ein Freund der Langmessersoldaten. Mancher Frieden wurde durch ihn erhalten.“ Thundering Words stieß den Medizinstab abermals auf den Boden. „Wir sollten ihm sagen, was wir in Erfahrung gebracht haben.“

„Wozu das?“

„Weil er die blauen Soldaten gegen die grauen Soldaten und ihre Cherokees führen wird“, kam die ruhige Erwiderung.

Zustimmendes Gemurmel erhob sich ringsum.

Black Bear erhob sich. „Jonessy und Carson mögen die grauen Soldaten nicht. Wenn Running Feet nicht selbst gegen die Grauen kämpft, so wird Carson dies tun. In jedem Fall wird sich einer von ihnen gegen die Bedrohung durch die Männer des Südens und die Cherokees wenden und der Frieden unseres Volkes bleibt bewahrt.“

„Wer soll Running Feet unsere Worte überbringen?“, erkundigte sich Wide Eyes.

Black Bear lächelte. „Kann es einen Zweifel daran geben, dass dies unser bester Späher sein wird?“

Pferdesoldaten 07 - Unter zwei Flaggen

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