Читать книгу Pferdesoldaten 1 - Vorposten am Rio Grande - Michael Schenk - Страница 4
Kapitel 2 Auf Befehl
ОглавлениеCamp Mason lag auf einem flachen Hügel inmitten einer weiten Ebene. Im Westen und Süden erhoben sich ausgedehnte Wälder. Major Mason, der Befehlshaber, wusste nicht, wie lange der Stützpunkt wohl bestehen würde. Im vergangenen Jahr hatte man das gesamte Regiment nach Fort Leavenworth ins Winterquartier zurückbefohlen. Erst im Frühjahr war es wieder ausgerückt. Für den Major war es höchst unbefriedigend, seine Dragoner für Monate von ihrem Einsatzgebiet fernzuhalten und er hoffte, ein solider Stützpunkt werde das Oberkommando dazu bewegen, seine Truppe auch während der kalten Jahreszeit an der Grenze zu belassen. Aus diesem Grund hatte er Befehl gegeben, das Camp bestmöglich auszubauen.
Ununterbrochen waren Arbeitskommandos unterwegs, um in den Wäldern Holz zu schlagen. Wie ernst es Mason mit einer dauerhaften Anlage war, bewies der Umstand, dass er jeden Stamm sorgfältig entrinden ließ, damit das Holz vor Käferbefall geschützt wurde und nicht so rasch verwitterte. Fuhrwerke pendelten und brachten das Holz ins Camp, wo es weiter zu Pfählen, Pfosten, Bohlen, Brettern und Dachschindeln verarbeitet wurde.
Ein anderes Arbeitskommando war dabei, einen tiefen Brunnenschacht auszuheben. Derzeit musste man das Wasser noch von einem nahen Fluss herbeiholen. Die hier stationierten fünf Kompanien, ihre Pferde und der dazugehörenden Tross benötigten eine Menge Wasser und es war fraglich, ob ein einzelner Brunnen den Bedarf stillen konnte. Aber es war ein Anfang und die meisten Truppen sollten ja zu Patrouillen oder Einsätzen ausrücken.
Richard B. Mason war Soldat und Reiter und nach diesen Kriterien trieb er den Aufbau voran. Zuerst war inmitten des Zeltlagers der hohe Flaggenmast für das Sternenbanner aufgerichtet worden, dann folgten die Palisaden mit dem Wehrgang. Diese waren noch in Arbeit und sobald der äußere Schutz fertiggestellt war, würden die Stallungen für die Pferde folgen. Unterkünfte der Offiziere und Mannschaften standen als Letztes auf der Arbeitsliste.
Corporal Friedrich Schmitt und seine kleine Gruppe hörten das Hornsignal zum Arbeitsdienst, noch bevor sie das Camp erblickten. Das vertraute Signal verhieß einen sicheren Schlafplatz und eine warme Mahlzeit, und sie trieben die Pferde zum schnellen Trab.
Während sie sich dem Camp näherten, ertönte rechts von ihnen das Ankunftssignal, mit dem der Hornist einer Abteilung die Ankunft am Camp ankündigte. Schmitt und die anderen blickten in die Richtung und sahen eine Kolonne Dragoner hinter dem Schutz der Bäume hervorkommen. Über der Kompanie flatterte der rot-weiße Wimpel. 104 Zentimeter lang, 68 Zentimeter hoch und hinten 38 Zentimeter tief eingeschnitten, zeigte er in der oberen roten Hälfte die Buchstaben „U.S.“ und den etwas kleineren Schriftzug „Dragoons“. In der unteren weißen Hälfte trug das Feldzeichen den roten Buchstaben „G“.
Dragoner Perkins stieß Schmitt an. „Kompanie G? Die sind doch am Missouri stationiert. Was machen die denn hier?“
„Werden wir schon noch erfahren“, antwortete Schmitt. Er berechnete die Geschwindigkeit der heranreitenden Kolonne und seiner eigenen Gruppe, und trieb seine Männer zum Galopp, damit sie das offene Tor nicht zeitgleich erreichten. Der Corporal hatte keine Lust, vor dem Tor zu warten, bis das Ankunftszeremoniell für die neue Kompanie vollzogen war.
Die Gruppe preschte zum offenen Haupttor, verfiel wieder in langsamen Trab und ritt dann gemächlich in den Innenhof des halbfertigen Palisadengevierts.
Wer nicht auf Patrouille oder einem Arbeitskommando zugeteilt war, der wurde gedrillt. Draußen, jenseits der Palisaden, in den Formationen zu Pferde, drinnen in denen zu Fuß oder im Umgang mit den Waffen. Gleich mehrere Gruppen übten sich im Umgang mit dem Säbel. Langsame Übungen der einzelnen Bewegungen, dann die ersten behutsamen Fechtübungen gegeneinander. Stets unter den wachsamen Augen und lautstarken Stimmen der Unteroffiziere. Solange man nicht den Stoß übte, sondern nur den Hieb, konnte dabei nicht allzu viel passieren, denn Säbel durften niemals geschärft werden. Ein Usus, der bis zur Abschaffung dieser Waffe beibehalten wurde.
Die Viergruppe erreichte die Gruppe der großen Wallzelte, die den Offizieren vorbehalten waren. Vor dem des Majors stand ein Ehrenposten, der Schmitts Gruppe zusah, während diese absaß. Der Corporal klopfte sich den gröbsten Staub von der Jacke. „Melde dem Major, dass wir den Meldereiter gefunden haben.“
Der Dragoner wandte sich halb um, doch da trat Major Mason bereits aus seinem Zelt.
Richard B. Mason war ein hochgewachsener und schlanker Offizier mit glattrasiertem Gesicht. Er war noch dabei, seine lange Uniformjacke mit den beiden goldenen Fransenepauletten zuzuknöpfen. „Sie haben den Melder entdeckt, Corporal?“
„Ja, Sir.“ Schmitt grüßte vorschriftsmäßig, wartete die Erwiderung seines Kommandeurs ab und zog dann den Riemen der Meldetasche über die Schulter. „Vier Tagesritte von hier. Hat sich zu Tode gestürzt, Sir. Bestattung vorgenommen und Tasche mitgebracht.“
„Gute Arbeit, Corporal. Geben Sie die Tasche meinem Adjutanten und dann gönnen Sie sich und Ihren Männern eine Rast. Ich muss unsere Verstärkungen begrüßen und lasse Sie später zum genauen Rapport rufen.“
„Sir.“ Ein nochmaliger kurzer Ehrensalut.
Während der Major seinen Tschako aufsetzte und das Koppel umschnallte, trat hinter ihm sein Adjutant hervor und nahm Schmitt die Meldetasche ab. Brevet-Second-Lieutenant Holmes rümpfte ein wenig die Nase, als er Schmitts Gruppe zunickte und dann die Leinenklappe der Tasche öffnete.
So neugierig Schmitt und seine Männer auch sein mochten, ihnen verlangte es nun eher nach einer Erfrischung. Doch erst waren ihre Pferde an der Reihe.
„Wir sollten uns beeilen“, knurrte Perkins mit einem Seitenblick auf die G-Kompanie, die jetzt erst das Tor erreichte. Wieder war ein Hornsignal zu hören, die Wache präsentierte die Säbel und der Offizier vom Dienst eilte geschäftig heran, um die Ankömmlinge zu begrüßen und sie dann dem Major zu melden. Neugierige Blicke galten der Kompanie, bis Sergeants und Corporals ihre Schutzbefohlenen erneut zu Arbeit oder Drill antrieben.
Perkins spuckte in den Staub. „Das sind fast siebzig Mann, die jetzt ebenfalls auf eine Erfrischung erpicht sind. Wenn wir uns nicht ranhalten, dann räumen die die Marketenderei vor uns aus.“
Sie tränkten die Pferde, nahmen die Sättel herunter und rieben die Pferde ab. Schmitt rief einen anderen Dragoner herbei, der die Tiere auf die Außenkoppel hinaus führte, während er und seine Männer sich zum großen Zelt der Marketenderei begaben.
Die Marketenderei bot dem Soldaten nicht nur jene bescheidenen Vergnügen, die er sich von den schmalen Überbleibseln seines Soldes leisten konnte. Im Grunde war sie ein Depot, in dem es alles gab, was der Soldat benötigte, denn viele Dinge des täglichen Lebens wurden ihm nicht von der Armee gestellt, sondern mussten vom Sold gekauft werden. Da die Marketenderei zu diesen Zeiten von der Armee betrieben wurde, war dies kein schlechtes Geschäft – für die Armee. Waren die beiden Sockenpaare vor der Zeit durchgelaufen, die der Dragoner mit der Uniform erhielt, dann musste er sich den Ersatz in der Marketenderei kaufen. Immerhin führte der zuständige Lieutenant sehr genau Buch, denn Ausrüstungsteile, die im Einsatz oder durch Feindeinwirkung verloren gingen, gingen zu Lasten der Armee.
Zu den Vergnügungen, welche der Soldat hier erwerben konnte, gehörten Tabak, Rum und Whiskey. Doch mehr als einen Schluck pro Tag gab es nicht. Es sei denn, man kannte einen der Abstinenzler, der seine Ration abtrat. Die Hoffnung, durch das Einbinden zahlreicher Abstinenzler einen Rausch zu erlangen, erfüllte sich allerdings nie. So groß ein Camp für fünf Kompanien auch zu sein schien, die Marketender bewiesen ein schier unmenschliches Gedächtnis und wussten, wer den Alkohol schätzte, und wer nicht.
Schmitt gab seinen Männern einen Rum aus. Er war preiswerter als Whiskey. Mit neun Dollar und fünfzig Cent, die er als Monatssold eines Corporal verdiente, kam er so gerade über die Runden. Er selbst trank einen Glas Wasser, welches durch Zitrone etwas Geschmack erhielt. Das Getränk wurde den Dragonern oft ausgeschenkt, denn es beugte Skorbut vor. Der Major hatte angekündigt, er werde Schmitt später zum Rapport holen lassen und der Corporal hatte nicht die Absicht, dem Offizier mit einer Alkoholfahne gegenüber zu treten.
Während seine Männer an dem einfachen Holztisch saßen, schlenderte Schmitt durch die aufgestellten Regale und kaufte schließlich eine kleine Dose mit Wagenfett. Es war preiswerter als Lederfett und würde gleich mehrere Dienste leisten. Das Lederzeug geschmeidig halten, wunde Stellen seines Pferdes schützen und, wenn man die Socken gut damit einrieb, Druckstellen an den Füßen verhindern.
Die Marketenderei begann sich mit anderen Soldaten zu füllen. Schmitt blickte zur provisorischen Kommandantur. Eben setzte ein Hornist sein Horn an und blies den Offiziersruf. Der Corporal stieß ein missmutiges Knurren aus. Offensichtlich versammelte der Major erst die Offiziere. Wahrscheinlich wollte er den Inhalt der Depeschen mit ihnen besprechen. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er Schmitt zu sich beorderte.
Die anwesenden Offiziere strömten zum Zelt des Majors und es dauerte eine gute Stunde, bis sich die dortige Versammlung wieder auflöste. Inzwischen wurde es Zeit für den Abendappell. Die Arbeitskommandos rückten ein, die Soldaten überprüften ihre Uniformen und folgten dann dem Signal zum Antreten. Nachdem das Sternenbanner eingeholt worden war, kam ein Sergeant zu Schmitt und teilte ihm mit, dass der Major ihn nun erwarte.
Friedrich überprüfte nochmals die eigene Uniform und trat dann zum Zelt des Kommandeurs. Der Posten stampfte kurz mit dem Stiefel auf und von drinnen kam die Aufforderung einzutreten.
Zu Schmitts Überraschung saßen nicht nur der Major und Adjutant Holmes an dem kleinen Kartentisch, sondern auch Schmitts Kompanie-Führer Captain Dunhill und der Captain der neu eingetroffenen Kompanie.
Schmitt machte seine Meldung, wobei sich der Major vor allem für einen einzigen Umstand interessierte. „Sie sind sich sicher, Corporal, dass der Meldereiter durch einen Unfall ums Leben kam?“
„Ja, Sir. Hat sich den Hals gebrochen, als der Gaul stürzte.“
„Es gab definitiv keine Anzeichen äußerer Einwirkung?“
„Äh, nein, Sir. Keine erkennbaren Wunden, Sir. Sofern sich das beim Zustand des Toten noch feststellen ließ.“
„Verstehe. Danke, Corporal. Das wäre es. Sie können wegtreten.“
„Sir.“
Schmitt trat ab und Major Mason wartete, bis sich die Schritte des Corporals entfernt hatten. Dann lehnte er sich in seinem Klappstuhl zurück und schien einen Moment zu überlegen, bevor er das Wort an die anderen Offiziere wandte.
„Nun, Gentlemen, diese Depeschen haben uns ein paar überraschende Neuigkeiten beschert. Zunächst zu der Erfreulichen: Ab sofort sind wir offiziell das First Regiment of United States Dragoons. Was bedeutet, dass der Kongress endlich die Aufstellung des zweiten Dragoner-Regiments bewilligt hat. Die Rekrutierungen und Ausbildungen in Leavenworth laufen bereits.“
„Bravo“, sagte Captain Dunhill erfreut.
Mason sah ihn seufzend an. „Nicht unbedingt ein Grund zur Freude, Matt. Leavenworth schreit händeringend nach erfahrenen Offizieren und Unteroffizieren, um ein stützendes Korsett für das neue Regiment zu bilden.“
„Verdammt“, brummte Dunhill prompt. Er zwirbelte eine Spitze seines schneidigen Dragonerbärtchens. „Wir haben doch selbst kaum genug Leute. Das Fieber im letzten Jahr hat uns mächtig zugesetzt. Dazu die Verluste dieses Jahres. Wir sind noch längst nicht auf Sollstärke. Meine B-Kompanie hat gerade Mal siebenundfünfzig Mann, alle Offiziere eingeschlossen. Das sind vierzehn Mann, die mir fehlen, Sir.“
„Jammern nutzt uns nichts, Matt. Es geht allen Kompanien so.“ Mason wandte den Blick zu der schweigsamen Ordonanz im Hintergrund. Ein verlässlicher Dragoner, der über alles, was er hörte oder sah, strengstes Stillschweigen bewahren würde. „Joe, seien Sie so freundlich und schenken Sie den Gentlemen und mir einen Port ein.“
Mason schätzte auch harte Drinks, aber bei dem, was sie zu besprechen hatten, galt es klaren Kopf zu bewahren und so schenkte die Ordonanz einen leichten Portwein ein.
„Also, es gibt ein zweites Regiment, das aber wohl erst im kommenden Jahr einsatzbereit sein dürfte. Bis dahin liegt es an uns, die Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Siedlertrecks und Frachtzüge eskortieren, marodierende Banditen und Indianer im Zaum halten und den Frieden mit den anderen Stämmen zu gewährleisten. Dazu Streifendienst und das Kartografieren unseres Bereiches. Eine Menge Arbeit für unsere geschwächten Kompanien. B, C, D, H und I haben wir hier im Camp, A ist im Hauptquartier in Leavenworth und bildet die Männer der Zweiten aus, E und F sind am Mississippi und K in unserem alten Stützpunkt, Fort Gibson. Von dort kommt ja G zu uns, die man dankenswerterweise zu uns abgestellt hat.“
Captain Walters, Befehlshaber der neu eingetroffenen G-Kompanie nickte mit einem freundlichen Lächeln. „Ist mir eine Ehre, Sir.“
Dunhill hob eine Augenbraue und versuchte den anderen Captain einzuschätzen. War dieser einfach nur höflich oder versuchte er guten Wind beim Major zu machen? Aber für so etwas war Mason nicht empfänglich. Der war ein Gentleman und ein harter, aber sehr gerechter Vorgesetzter.
„Die Verstärkung durch G kommt gerade rechtzeitig“, fuhr der Major fort. „Mit den Depeschen kam auch ein Befehl, der uns eine zusätzliche Aufgabe einbringt. Noch dazu eine recht, äh, heikle Aufgabe. Wie Sie wissen, Gentlemen, ist Texas in diesem Jahr unabhängig geworden. Die Texaner unter Sam Houston haben den mexikanischen Generalissimo de Santa Anna am San Jacinto Fluss geschlagen und eine Republik gegründet.“
„Ja, da war doch diese Schlacht um diese alte Mission, Sir, die das Ganze ausgelöst hat.“
„Alamo, Matt. Nun, jedenfalls ist Texas jetzt eine Republik und die Mexikaner sind darüber nicht sehr glücklich. Sie starten immer wieder Überfälle auf texanisches Gebiet. Sam Houston und etliche texanische Politiker wissen, wie schwierig es wird, den Mexikanern auf Dauer zu widerstehen, denn Santa Anna rüstet mächtig auf. Daher gibt es in Texas Bestrebungen, sich der Staatenunion der U.S.A. anzuschließen.“ Der Major vernahm das überraschte Murmeln der Offiziere und lächelte. „Und damit beginnt unser Problem, Gentlemen. Die Union ist dem Ansinnen von Texas durchaus nicht abgeneigt, aber so ein Prozedere kann sich sehr lange hinziehen und, ganz offen gesagt, ist nicht jeder Texaner für einen Anschluss an die Union. Viele meinen, sie könnten sich den Mexikanern auch weiterhin aus eigenen Kräften, zum Beispiel ihren Rangern, widersetzen. Wie dem auch sei, die Union ist gewillt, eine politische und militärische Geste zu vollziehen. Eine Geste, für die ich lieber drei Kompanien einsetzen würde, für die ich aber lediglich eine zur Verfügung habe.“ Er sah Dunhill ernst an. „Ihre B-Kompanie, Matt.“
Der hob nun beide Augenbrauen an. „Ich weiß zwar noch nicht, um was es geht, Richard, aber ich erinnere vorsichtshalber daran, dass mir ein paar Leute fehlen.“
„Das habe ich nicht vergessen, Matt. Daher wird Captain Walters so freundlich sein, ein paar von seinen Dragonern zu deiner Kompanie abzustellen.“
Nun rutschte eine von Walters Augenbrauen hoch, doch dann nickte der Offiziere. „Selbstverständlich, Sir.“
„Die Männer werden dankend angenommen“, brummte Dunhill. „Aber um was geht es überhaupt?“
„Gut, dass Sie fragen, Matt“, sagte Major Mason ironisch. „Sie werden mit der B-Kompanie nämlich nach Texas marschieren. Wie Sie alle schon gehört haben dürften, bildet der Rio Grande die westliche Grenze zwischen der Republik Texas und Mexiko. Eine Grenze, die von Mexiko offiziell widerstrebend akzeptiert wird, die jedoch immer wieder von den Mexikanern überschritten wird. Dabei befindet sich Santa Anna durchaus in einer Zwickmühle. Er will Texas zurück, ahnt aber sicher, dass Texas enge Verbindungen und den Anschluss an die Union wünscht. Um diesen Beitritt in die Union nicht zu beschleunigen und keinen Krieg mit uns zu provozieren, wendet er einen schmutzigen Trick an. Er schickt keine regulären Truppen über den Rio Grande, sondern Gruppen marodierender Banditen. Texas hat sechs Kompanien berittener texanischer Ranger aufgestellt, die damit aber nicht fertig werden, da die Indianer ein weiteres Problem sind.“
„Sir, entschuldigen, wenn ich nun doch eine Frage stellen muss.“ Matt Dunhill nahm einen Schluck Port, um seine Stimmbänder ein wenig zu ölen. „Wir sind eine reguläre Truppe der U.S.-Army. Texas ist hingegen eine unabhängige Republik. Da können wir doch offiziell gar nicht in Texas operieren, oder? Wenigstens nicht, ohne diesen Santa Anna erheblich zu provozieren.“
„Da haben Sie recht, Matt. Daher ist es ihre offizielle Aufgabe, eine Art Forschungsexpedition nach Texas zu führen, mit dem Ziel, das Gebiet des Rio Grande exakt zu kartieren. Sie haben keine militärischen Vollmachten, abgesehen von der Tatsache, dass Sie sich bei einem Angriff natürlich wehren dürfen.“
„Na, schönen Dank auch, Sir.“
Mason lachte. „Keine Sorge, Matt, Sie werden nicht auf sich alleine gestellt sein. Offiziell werden Sie von einer Kompanie der Texas Rangers begleitet werden.“ Er sah den Zweifel im Gesicht der anderen. „Ich weiß, im Allgemeinen taugen die Kerle nicht viel, aber es gibt auch gute Leute unter ihnen. Denken Sie daran, dass unser Regimentskommandeur, Colonel Dodge, ursprünglich auch bei den Rangern war.“
„Jetzt bin ich erst so richtig gespannt, um was es überhaupt geht.“ Dunhill lächelte halbherzig. „Wenn wir derartige Unterstützung bekommen, muss es ja wirklich wichtig sein.“
„Das ist es in der Tat, Matt. Das Gebiet entlang des Rio Grande ist der unruhigste Teil von ganz Texas. Die gesamte westliche Grenze verläuft ja entlang dieses Flusses. Mexikanische Banden kommen immer wieder über den Rio Grande. Sie überfallen Siedlungen, Ranches, Farmen und die Forts der Handelsgesellschaften. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln mit den Rangern. Nun spekulieren die Politiker in Houston und Washington darauf, dass die Präsenz einer regulären amerikanischen Truppe die Mexikaner abschreckt.“
Die Begeisterung von Dunhill und Walters hielt sich in überschaubaren Grenzen. „Selbst mit der Verstärkung durch eine Hundertschaft der Ranger kann eine einzelne Kompanie keine Grenze sichern, die hunderte von Meilen lang ist“, stellte Dunhill fest. „Ich denke eher, dass Washington uns den Wölfen zum Fraß vorwerfen will und auf einen Vorwand wartet, gegen Mexiko vorzugehen.“
Masons Gesichtsaudruck wurde undurchdringlich. „Was auch immer dahinter stecken mag, Matt… Wir sind Soldaten und keine Politiker. Wir haben unsere Befehle und die werden wir auch ausführen.“
„Und wo genau, Sir?“
Vor dem Zelt war ein Hüsteln zu vernehmen. Mason blickte auf. „Ah, genau im rechten Augenblick. Kommen Sie herein, Gentlemen.“
Dunhill kannte die beiden Eintretenden, doch Walters war ihnen noch nicht begegnet. Mason übernahm die Vorstellung. „Dies sind Mister Rivers und Senor Santiago, Captain. Die beiden besten Scouts, die man sich nur wünschen kann. Mister Rivers war viele Jahre Pelztierjäger, bevor er sich uns anschloss und Senor Santiago kämpfte mit General Houston bei San Jacinto gegen Santa Annas Truppen. Ich brauche sicher nicht zu betonen, dass beide Männer in höchstem Maße vertrauenswürdig und zuverlässig sind.“
Rivers war ein hochgewachsener Texaner mit dichtem Bartwuchs. Er trug Lederkleidung, Mokassins und eine Pelzkappe, die er nun höflich abnahm. Der grauhaarige Santiago war hingegen ein eher kleiner Mexikaner, der einen typischen spanischen Anzug mit kurzer Jacke, eine braune Schärpe um die Hüften und einen breitkrempigen Sombrero aus bestem Wollstoff trug. Der Scout verzichtete allerdings auf jenen blinkenden Zierrat, der bei seinem Volk ansonsten so beliebt war. Auch er nahm die Kopfbedeckung ab, hielt sie in beiden Händen und deutete eine Verbeugung an. „Senores.“
„Nehmen Sie Platz, Gentlemen.“ Major Mason ließ sich von der Ordonanz eine zusammengerollte Karte reichen und breitete sie auf dem Tisch aus. Sie war aus altem Pergament und die Männer mussten ihre Kanten beschweren, damit sie sich nicht wieder aufrollte.
Dunhill und Walters betrachteten die Karte mit besonderem Interesse, da sie ihnen neu war. Sie war sorgfältig gezeichnet und mit Farben versehen worden. Alte, ausgeblichene Markierungen und neue bewiesen, dass die Karte schon mehrfach ergänzt und verbessert worden war. Sie zeigten die Republik Texas, doch Dunhill fiel sofort auf, dass die Proportionen nicht sehr genau waren. „Spanische Karte?“
„In der Tat, Matt. Das Allerbeste, was spanische Phantasie aufbieten kann.“ Mason lachte und schlug spielerisch auf das Pergament. „Unglücklicherweise ist Texas noch immer nicht sorgfältig kartiert worden und wir müssen mit dem Vorlieb nehmen, was uns verfügbar ist. Nun, Ihre Expedition soll das ja endlich ändern. Wenigstens konnten wir diese Karte nach den Informationen von Mister Rivers und Senor Santiago deutlich verbessern.“
Die beiden Scouts nickten unisono und lächelten. Jeder Offizier und jeder Scout war angehalten, dass Gebiet, welches er bestreifte, nach besten Möglichkeiten zu vermessen und zu kartieren. Dies trug entscheidend dazu bei, die weißen Flecken auf der nordamerikanischen Karte allmählich verschwinden zu lassen und die bislang eher phantasievollen Gestaltungen durch realistische Angaben zu ersetzen.
„Der Major hatte schon so eine Ahnung, dass man uns früher oder später nach Texas schicken würde“, erklärte Rivers in seinem breiten texanischen Slang. „In den letzten Monaten waren Juan und ich öfters in der Gegend am Rio Grande, um uns dort umzusehen. War gelegentlich recht haarig, Gentlemen. Aber wir konnten eine Menge Informationen zusammentragen. Auch durch Händler und Jäger, denen wir begegnet sind. Wir haben eine Stelle gefunden, die wir Ihnen empfehlen würden, Major. Genau hier, am Zufluss des Rio Conchos in den Rio Grande.“
Die Offiziere beugten sich vor. „Da mündet noch ein anderer Fluss in den Grande.“
„Der Rio Pecos“, erklärte Santiago lächelnd. „Ein Stück unterhalb der Einmündung des Rio Conchos macht der Rio Grande eine Biegung und etliche Meilen weiter mündet dann der Rio Pecos in ihn. Der Pecos fließt fast parallel zum Grande.“ Der Scout zählte sich zu den Texanern und nicht zu den Mexikanern. Viele seiner Landsleute hatten für die Republik gekämpft.
„Eine günstige Stelle“, fand Dunhill. „Allerdings im Gebiet der Lipan-Apachen und dicht dabei sind die Mescaleros.“
Rivers grinste. „Die werden ihnen kaum Probleme machen. Derzeit sind die Comanchen in dem Gebiet aktiv und die Apachen fürchten die Comanchen, wie der Teufel das Weihwasser.“
„Nun, wir werden sehen“, meinte Mason. „Dunhill, Sie sollten auf jeden Fall ein paar Tauschwaren mitführen, um die Comanchen zu besänftigen, denen Sie begegnen. Vielleicht können Sie sogar ein paar Comanchen-Späher anwerben.“
Rivers stieß ein zweifelndes Grunzen aus. „Die Launen von Indianern sind schwer einzuschätzen, Sir. Ich würde davon abraten. Verhandeln und Frieden halten, ja, aber die Burschen sollten uns nicht zu tief in die Karten schauen.“
„Wir werden sehen“, wiederholte Dunhill, der sich alle Optionen offen halten wollte.
„Jedenfalls sollten wir Auseinandersetzungen mit den Comanchen meiden“, setzte Rivers nach. „Die Apachen kämpfen zu Fuß, aber die Comanchen sind ein Reitervolk und sie sind verdammt gut. Wesentlich besser als Ihre Dragoner, Major, nichts für ungut. Ihre Leute haben drei Schüsse, ein Comanche seine Lanze und dreißig bis vierzig Pfeile im Köcher. Was meinen Sie, warum die texanischen Ranger so gerne Reißaus nehmen, wenn sie einer Horde Comanchen begegnen?“
„Ich werde das bedenken, Sam“, versicherte Dunhill. „Zudem bin ich nicht so borniert, Ihren Rat zu ignorieren.“ Er sah Mason wieder an. „Was werden meine genauen Befehle sein?“
„Das dortige Gebiet bestreifen und möglichst genau kartieren. Sie wissen, wie wichtig exaktes Kartenmaterial ist, Matt.“
Jeder Offizier wusste, wie wichtig Karten für militärische Operationen waren. Captain Dunhill hatte eine unheilvolle Ahnung bei der Vorstellung, warum die Staatenunion plötzlich Wert auf exakte Karten des Grenzgebietes legte.
Major Masons Finger glitten über die Karte. „Sie werden sich mit der Kompanie der Texas Rangers treffen. Wahrscheinlich hier, im Gebiet der Sierras. „Sie werden mit dem Captain der Ranger kooperieren, Matt. Sie haben keine Befugnisse gegenüber den Rangern. Offiziell ist es eine Forschungsexpedition und Sie und Ihre Männer sind, äh, durchreisende Gäste. Inoffiziell werden Sie die Ranger nach Kräften unterstützen. Was bedeutet, Sie werden, während Sie die erforderlichen Karten erstellen, Durchreisende schützen und solche, die siedeln wollen, daran hindern. Das ist übrigens der ausdrückliche Wunsch der texanischen Regierung. Da man einen erneuten Konflikt mit Mexiko befürchtet, will man nicht auch noch gleichzeitig gegen die Indianer kämpfen müssen. Sie werden im Bereich der Einmündung des Rio Conchos ein Lager errichten. Eine gute Basis, um den Rio Grande in beide Richtungen zu erkunden und festzustellen, wo sich die einzelnen Furten befinden. Mister Rivers sagt, dass Sie sich dabei hauptsächlich im Gebiet der Comanchen befinden werden. Wenn ich richtig informiert bin, haben die Comanchen nichts gegen Durchreisende. Richtig, Rivers?“
„Völlig korrekt, Sir. Wobei die roten Burschen manchmal sehr übellaunig werden, wenn man ihnen keinen Wegezoll entrichtet. Mehl, Zucker, Salz, Tabak. Besonders beliebt sind Pulver, Blei und Waffen.“
„Danke, Mister Rivers. Ich glaube, die Texaner würden es uns nicht danken, wenn wir die Indianer mit Waffen beschenken“, brummte Mason. „Im Übrigen, Matt, sollen Sie natürlich gegen Banditen vorgehen und Grenzverletzungen durch die mexikanischen Truppen unterbinden. Sofern die texanischen Ranger Sie um Ihre Unterstützung bitten.“
Matt Dunhill grinste. „Kein Problem. Geben Sie mir noch drei Regimenter Infanterie und ein oder zwei Batterien Artillerie und ich werde alles bestens erledigen.”
„Sie sollen keinen Krieg mit Santa Anna provozieren“, hielt der Major lächelnd dagegen. „Auch wenn ich denke, dass es früher oder später dazu kommen wird, möchte ich nicht unbedingt jener Stein sein, der die Sache ins Rollen bringt.“
Matt Dunhill erwiderte nichts. Die Situation mit Mexiko war schwierig genug und der Major stellte ihn vor eine schier unlösbare Aufgabe. Nun ja, es war ja eigentlich nicht der Major. Aber Sam Houston und der Kongress der Vereinigten Staaten hielten ihren Kopf ja am Rio Grande nicht in die Schusslinie.
„Haben die Herren Politiker eine Vorstellung, wie lange ich in dem dortigen Gebiet mit unserer Fahne wedeln soll?“
„Hm, nein, haben sie nicht“, gestand Mason. „Colonel Dodge geht von einem halben Jahr aus. Wenn es aber zu einem Beitritt von Texas in die Union kommt, dann wird die Army sicher ein paar feste Garnisonen am Rio Grande einrichten. Ihr dortiges Lager könnte dann eine der ersten sein, wenn sich Ihre Kompanie dort bewährt.“
Wenn sich Ihre Kompanie dort bewährt… Captain Matt Dunhill verzichtete erneut auf eine Erwiderung. Nicht weil er feige war, sondern weil der Major auch nichts an den Befehlen ändern konnte. „Ich werde eine Menge Vorräte mitnehmen müssen. Proviant, Pulver und Blei sowie Zelte und dergleichen.“
„Und Wasser, Captain“, warf Santiago ein. Er fuhr mit dem Finger über die Karte. „Wahrhaftig, Capitan, wir werden an vielen Flüssen und Quellen vorbeikommen, aber es gibt auch Streckenabschnitte, bei denen wir auf das Wasser angewiesen sind, dass wir mitführen. Und die Männer und Tiere werden bei der Hitze eine Menge Wasser benötigen.“
„Ist ein verdammt weiter und beschwerlicher Weg.“ Rivers wippte leicht auf den Fersen. Schätzungsweise siebenhundert Meilen, hier vom Arkansas River zum Rio Grande. Wir werden recht langsam vorankommen. Ich schätze, wir werden sechs oder sogar sieben Wochen für die Strecke benötigen, und das auch nur, weil wir die Wege kennen und bestehende Trails nutzen können.“
„Sie nehmen zehn der schweren Frachtwagen mit, Matt. Den Rest verstauen Sie auf Packtieren. Fahrer und Treiber werden bei Ihrer Truppe verbleiben und erst mit Ihrer Kompanie ins Camp zurückkehren“, entschied der Major.
Dunhill verlangsamte seinen Marsch nur ungern durch die schwerfälligen Fahrzeuge, doch in diesem Fall gab es keine andere Möglichkeit. Zudem ließen sich die Wagen durchaus als wirksame Barrikade verwenden und der Captain ahnte, dass seine Truppe jeden Vorteil werde nutzen müssen, wenn sie den Rio Grande erreichen und, vor allem, wieder lebend zurückkehren sollte.