Читать книгу Pferdesoldaten 1 - Vorposten am Rio Grande - Michael Schenk - Страница 5
Kapitel 3 El Perdido
ОглавлениеPresido del Norte lag rund zwanzig Meilen westlich der Einmündung des Rio Conchos in den Rio Grande. Ursprünglich war es ein indianisches Pueblo gewesen. Nicht alle Pueblo-Stämme errichteten ihre Bauten in den Felswänden versteckter Täler. Als das Presido erbaut wurde, lebten dessen Ackerbau treibenden Bewohner in Frieden und nutzten die fruchtbare Ebene am Fluss. Dann kamen die spanischen Eroberer. Die Conquistadores hatten es auf ihrer Suche nach den sieben goldenen Städten sehr eilig und so überlebten einige der Puebloindianer des Presido. Allerdings nicht sehr lange, denn nach den spanischen Invasoren kamen indianische Invasoren. Die Apachen, ursprünglich aus dem hohen Norden Alaskas stammend, erhielten ihren Namen von dem Pueblo-Wort „Apachu“, was nichts anderes als „Feind“ bedeutete. In ihrer Mordlust waren die Apachen weit gründlicher, als ihre spanischen Vorgänger. Rund zweihundert Jahre später würde man sie als die Opfer weißer Expansion darstellen und sich viel Mühe geben, ihre mörderische Rolle zu bagatellisieren. Die Pueblo-Indianer würde das nicht mehr berühren, da ihre kläglichen Reste dann längst von den Apachen ausgerottet waren.
Das Presidio del Norte war von den Chiricahua-Apachen heimgesucht worden. Zu jenem Zeitpunkt gehörte Texas noch zu Mexiko und Mexiko war um Frieden mit den kriegerischen Stämmen bemüht. Man schloss einen Friedensvertrag mit den Apachen und garantierte ihnen die Lieferung von Waren und Lebensmitteln. Als Texas zur Republik geworden war und sich die Grenze verschob, wurde der nahe Rio Grande zum Grenzfluss. Mexikos Staatsgebiet war durch den Abfall von Texas geschrumpft, die Armee hatte Verluste erlitten und der Kampf hatte ein großes Loch in den Staatshaushalt gerissen. Darunter litten die Lieferungen an die Apachen, die sich daraufhin auch ihrerseits nicht an die Verträge gebunden sahen. Es gab ein paar kleinere Gemetzel an mexikanischen Zivilisten, und Scharmützel mit der mexikanischen Armee, dann zogen sich die Indianer in die Berge zurück. Keineswegs weil sie geschlagen waren, sondern vielmehr, weil Presidio del Norte nun von noch größerer Bedeutung für Mexiko war. Der General und Staatspräsident Santa Anna war längst nicht gewillt, seine alte Provinz endgültig aufzugeben und verlegte eine starke Garnison nach Presidio. Santa Anna ahnte, dass die Staatenunion der Yankees nur darauf lauerte, einen Vorwand zu finden, um Texas zu unterstützen. Sobald mexikanische Truppen in die Republik der Aufrührer einrückten, konnte es gut sein, dass sich die U.S.A. auf die Seite der Texaner stellte. Dennoch war der Generalissimo nicht bereit, endgültig auf Texas zu verzichten. Während die mexikanischen Truppen verstärkt und auf einen Krieg vorbereitet wurden, wollte Santa Anna verhindern, dass die Texaner zur Ruhe kamen und ihre Grenze durch Forts sicherten. Das beste Mittel hierfür waren Überfälle, tief auf das texanische Gebiet, und die Aufwiegelung der verschiedenen indianischen Stämme. Letzteres war jedoch schwierig, da die Indianer mit Weißen und Mexikanern gleichermaßen schlechte Erfahrungen gesammelt hatten.
Santa Anna suchte nach einer Lösung und fand sie in El Perdido.
Eigentlich war El Perdido ein brutaler Bandit und die Geißel der kleinen mexikanischen Dörfer, doch er war nach Santa Annas Meinung der richtige Mann, einen tiefen Stachel in das texanische Fleisch zu rammen. Eine Amnestie des Banditen sowie dessen inoffizielle Ernennung zum Colonello, machten aus der starken Bande von El Perdido eine kleine Armee von Patrioten, die ihr Hauptquartier in Presidio del Norte aufschlug.
Inzwischen war aus dem Ort ein kleines Dorf geworden. Zwar überwog die Anzahl der Hühner noch die der eigentlichen Dorfbewohner, aber die hier lebenden Menschen erwirtschafteten einigen Überschuss. Die Ebene war fruchtbar und die Rinderzucht lohnend, da die Anwesenheit von El Perdido die Apachen davon abhielt, sich ein paar saftige Steaks zu besorgen.
El Perdido hatte über zweihundert Männer um sich versammelt und er sah sich tatsächlich als strahlenden Patrioten, denn er und seine Truppe mordeten, vergewaltigten und plünderten ausschließlich jenseits des Rio Grande. Er machte keinen Unterschied zwischen den weißen Texanern und jenen, die mexikanischer Abstammung waren.
Die Bewohner der nordamerikanischen Staatenunion waren „Norte Americanos“ oder „Yanquis“, die von Texas „Tejanos“. Die verächtliche Bezeichnung „Gringo“ würde erst in über zehn Jahren erstmals Einzug in den Sprachgebrauch halten.
El Perdido konnte unbesorgt mit seiner ganzen Horde über den Rio Grande ziehen, denn während seiner Abwesenheit blieb Presidio geschützt. Dort waren inzwischen zweihundert Lanzenreiter der Armee, eine Kompanie Infanterie und sogar eine Kanone stationiert. Die wachsende Truppe wurde durch Wagenzüge aus Chihuahua versorgt, die zugleich wichtigen Nachschub für El Perdido lieferten: Pulver, Blei, Gussformen und Waffen.
Vor zwei Tagen war ein solcher Wagenzug eingetroffen und El Perdidos Männer seitdem dabei, ihre Ausrüstung für einen langen Ritt über die Grenze zu vervollständigen. Die Vorbereitungen waren nun abgeschlossen und El Perdido ritt zum Zeltlager der Armee hinüber, um mit dem dortigen Befehlshaber, Capitan Ruiz de Lopez, zu sprechen. El Perdido bedauerte immer wieder, dass man ihm den Rang eines Colonello nur inoffiziell zustand. Er besaß keine Befehlsgewalt über den Capitan. In seinen Augen war de Lopez ein hochnäsiger Bastard, der keine Ahnung vom Kampf hatte, da der adlige Offizier den von El Perdido bevorzugten Hinterhalt als unsoldatisch erachtete.
Das Militärlager bot einen prachtvollen geordneten Anblick. Überall waren die schmucken Uniformen der mexikanischen Armee zu sehen. Während Infanteristen und Artilleristen hohe Tschakos trugen, bestand die Kopfbedeckung der Lanzenreiter aus flachen steifen Hüten, mit relativ schmaler Krempe. Breite grüne Bänder an den Hüten sowie der grüne Besatz der grauen Hosen und kurzen grauen Jacken, wiesen auf die Regimentszugehörigkeit hin. Reiter übten mit den drei Meter langen Lanzen, die kurz hinter der nadelscharfen langen Spitze mit einem Wimpel geschmückt waren.
El Perdido hielt nichts von Lanzen. Sicher, sie waren furchteinflößend, doch war man an ihrer Spitze vorbei, war der Reiter leichte Beute. Außerdem bevorzugte der Banditenführer Waffen, die auf Distanz wirkten.
El Perdido war eine durchaus gepflegte und respektheischende Gestalt. Hochgewachsen, mit einem fein geschnittenen Gesicht, welches nicht ahnen ließ, zu welchen Grausamkeiten sein Besitzer fähig war. Er trug einen sauber gestutzten Vollbart, einen reich bestickten grünen Anzug mit Weste und grellroter Schärpe sowie einen breiten cremefarbenen Sombrero, dessen Rand mit Gold bestickt war.
Die beiden Infanteristen, welche vor dem Zelt des Capitan Wache hielten, salutierten und einer rief ins Innere, dass El Perdido eingetroffen sei. Augenblicke später trat Capitan de Lopez ins Freie. Er blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht und rückte seinen Hut zurecht.
„Ich vermute, Ihre Truppe ist nun bereit, Senor?“ Der Capitan zögerte ein wenig, bevor er den Begriff der „Truppe“ verwendete und zeigte seinem Gegenüber damit an, was er von dessen Männern hielt.
„Ich werde jetzt nach Texas abrücken“, antwortete El Perdido. Er blieb auf seinem Pferd sitzen und sah auf den Capitan hinunter. Seinerseits eine deutliche Geste, dass er den Offizier kaum respektierte. „Meine Truppe wird drei bis vier Wochen unterwegs sein. Meine Späher haben mir berichtet, dass es ein paar lohnende Ziele gibt.“
„Ich verstehe.“ De Lopez mochte den Banditenführer nicht, aber er erkannte dessen Nützlichkeit durchaus an. Die Banditen fügten den Texanern Verluste zu, stifteten Unfrieden jenseits des Rio Grande, und hatte gute Kontakte zu einigen Apachen, die sie mit nützlichen Informationen versorgten. „Dann werde ich Sie in drei bis vier Wochen zurückerwarten.“
Sie nickten sich zu, dann zog El Perdido seinen starken Hengst herum und trabte dorthin, wo sich seine Männer bereits versammelten.
Die zweihundert Reiter boten ein malerisches Bild. Manche trugen Teile von Uniformen, zivile Anzüge oder die Kleidung von Vaqueros, wieder andere die einfache Tracht der Peones, mit weißen Leinenhosen und weißem Hemd. Sie alle besaßen Ponchos und breite Sombreros. Einige Reiter waren barfüßig, doch die meisten besaßen gute Stiefel, die nicht immer ehrlich erworben waren. So bunt wie die Kleidung, war auch die Zusammenstellung der Waffen. Nahezu jeder besaß eine Machete und mindestens eine Schusswaffe. Nicht selten waren es zwei oder drei einschüssige Pistolen und dazu ein Gewehr. Glattläufige Musketen und gezogene Jagdflinten, es gab sogar ein paar Plunderbüchsen, aus deren Trichtermündungen man Metallteile und auch kleine Steine verschießen konnte.
El Perdido sah seinen Stellvertreter herangaloppieren. Der „Teniente“ Juan war ein Bulle von Mann und ein Garant für die Disziplin der Männer. Niemand legte sich mit Juan an und wer es doch riskierte, lernte auf eine sehr harte Tour, den Befehlen von El Perdido ohne Widerspruch zu folgen.
„Die Männer sind begierig darauf, dass es endlich losgeht“, meldete Juan grinsend. „Ich habe durchblicken lassen, dass uns diesmal besonders reiche Beute winkt.“
„Ein wenig Motivation kann niemals schaden“, meinte El Perdido. „Und Vorsicht ebenso wenig. Schädelschläger wartet jenseits des Rio auf uns. Angeblich hat er wertvolle Nachrichten für uns, aber du weiß ja, was man von Apachen zu halten hat.“
„Ich habe dafür gesorgt, dass wir ein paar Dinge dabei haben, die den Bastard bei Laune halten werden“, versicherte Juan.
Minuten später brach die Reiterschar auf. Die Männer waren gut gelaunt und sangen lauthals, während sie Presidio del Norte hinter sich ließen. Die Dorfbewohner sahen ihnen nach und waren größtenteils froh, dass die Reiter ihnen nun den Rücken zuwandten. Das galt vor allem für die männlichen Dorfbewohner, die kaum in der Lage waren, über Tugend oder Untugend ihrer Frauen zu wachen.
Der „Colonello“ legte keinen Wert auf eine militärische Formation. Seine Männer ritten in mehreren größeren und kleineren Gruppen, deren Mitglieder untereinander wechselten, wenn sie das Bedürfnis hatten, ein Schwätzchen zu halten. Es störte ihren Anführer nicht, solange die Wachen an den Seiten seiner Truppe aufmerksam waren. El Perdido brauchte keine Männer, die eine saubere Marschkolonne einhielten… Er benötigte Männer, die ihm gehorchten, die reiten und, vor allem, töten konnten.
Die Horde folgte dem Rio Conchos und je näher sie seiner Einmündung in den Rio Grande kam, desto mächtiger schienen die Berge vor ihnen aufzuragen. Vor ihnen und links die langgezogene Bergkette der Guadalupes und rechts die der östlichen Sierra Madre. Die Berge waren keineswegs so undurchdringlich, wie sie auf die Entfernung wirkten. Es gab eine Vielzahl von Schleichpfaden sowie eine Reihe von Pässen und Schluchten, die auch von schweren Frachtwagen genutzt werden konnten. Es gab karge Täler und solche, die eine unerwartete Vielfalt von Leben bargen. Auch entlang des Rio Grande gab es fruchtbaren Boden, auf dem keineswegs nur Kakteenfelder gediehen.
Die Truppe von El Perdido ritt gemächlich zur Einmündung des Rio Conchos. Ein kleines Stück weiter nördlich lag eine Furt, die man bequem nutzen konnte und die auch für schwere Wagen passierbar war. Bis hierher hatte der Mexikaner auf Vorsichtsmaßnahmen verzichtet. Die Indianer in dieser Gegend waren ihm wohlgesonnen, denn El Perdido hielt sie durch großzügige Geschenke gewogen. Geschenke, die sich auszahlten, denn die Indianer streiften überall umher und verrieten den Mexikanern, wo sich Weiße sehen ließen.
Nach dem durchfurten des Rio Grande wurde El Perdido jedoch vorsichtig. Er teilte Vorhut, Nachhut und dort, wo das Gelände weit genug war, auch Flankenschutz ein. In diesem Bereich streiften die Krieger der Apachen und der Comanchen umher und beide Völker waren seit jeher Feinde. So gefürchtet die Apachen selbst auch sein mochten, vor den Comanchen hatten sie großen Respekt. Während die Apachen überwiegend zu Fuß kämpften, waren ihre Gegner überragende Reiter und hatten die Apachen immer weiter in die Berge zurück gedrängt. El Perdido machte sich diese Gegnerschaft zunutze und versorgte die Apachen immer wieder mit Nachschub an Waffen.
Nun hoffte er darauf, einen der Unterhäuptlinge der Mescaleros zu treffen. Schädelschläger hatte seinen Namen nach einem Kampf erhalten, bei dem es ihm gelungen war, zwei Comanchen mit seiner Schädelkeule zu töten. Das hatte ihm seinen Namen, Ruhm und die Gefolgschaft einer Handvoll anderer Krieger eingebracht.
Grenzpatrouillen brauchten sie nicht zu fürchten. Die beiden Forts der Texaner lagen weit im Süden oder Norden. Sie überließen es gelegentlichen Patrouillen der texanischen Ranger, den Mittelteil des Flusses zu bestreifen. Da Comanchen und Apachen wieder sehr aktiv waren, ließen sich die Texaner hier wohlweislich kaum blicken. Dennoch bestand die Gefahr der Entdeckung. Nicht nur durch Indianer, sondern auch durch die wenigen Weißen, die den Mut besaßen, sich hier herumzutreiben. Pelztiere, Wildpferde und Büffel stellten für Fänger und Jäger eine große Verlockung dar. Knapp vierzig Meilen südlich, dort wo der Rio eine große Biegung machte, gab es sogar einen befestigten Handelsposten der Amerikanischen Pelzhandelsgesellschaft.
Teniente Juan kam an El Perdidos Seite geritten. „Was meinst du, Jefe, ob wir uns die Pelzjäger diesmal vorknöpfen können?“
El Perdido schätzte die Bezeichnung „Jefe“ nicht. Er war nicht der Boss einer wilden Horde, sondern der Colonello einer tapferen Patrioten-Truppe. Er ließ es Juan diesmal durchgehen, denn er dachte ebenfalls an den Handelsposten. „Eine lohnende Beute, ja. Aber dort treiben sich meist dreißig oder sogar vierzig der verdammten Jäger herum. Du weißt, diese Kerle schießen mit ihren weit tragenden Gewehren wie die Teufel.“ Er spuckte aus. „Und der verdammte Handelsposten ist gut befestigt. Die Tejanos würden viele unserer Hombres aus den Sätteln schießen. Ja, wenn ein guter Teil dieser Bastardos auf einem Jagdzug ist, dann lohnt sich das Risiko, mein Freund. Aber um das zu wissen, müssten wir den Posten über viele Wochen beobachten.“
„Wir sollten unseren Freund Schädelschläger fragen. Er weiß sicher etwas, denn seine Krieger treiben sich dort in der Gegend herum.“
„Er würde gerne die Schädel der Weißen einschlagen, aber auch er fürchtet ihre Gewehre. Sie haben schreckliche Gewehre, die über zweihundert oder sogar dreihundert Meter treffen können. Gute Gewehre mit gezogenen Läufen, mein Freund. Wir haben nur zwei oder drei solcher Waffen, die meisten taugen für kaum mehr als hundert Meter. Rechne dir aus, wie da unsere Chancen wären. Nein, die Jäger überwältigen wir nur aus dem Hinterhalt und wenn wir blitzschnell zuschlagen.“
„Verdammt.“ Juan nahm ein paar Schlucke aus seiner Feldflasche. „Und wohin reiten wir dann?“
„Falls unser indianischer Freund nichts Lohnendes weiß, dann reiten wir nach Südosten. Inzwischen trauen sich die ersten Siedler der Tejanos bis in die Sierra Madre hinein. Wir werden schon etwas finden.“
Der Fluss lag jetzt hinter ihnen. Sie bewegten sich auf einer hügeligen Ebene, rechts und links die aufragenden Berge neben sich. Einer der Flankenreiter schwenkte seinen Sombrero auf eine ganz bestimmte Weise und stieß dazu einen gellenden Pfiff aus.
„Endlich“, knurrte El Perdido. „Ich dachte schon, dieser verfluchte Apache taucht überhaupt nicht mehr auf.“
Die beiden Männer ritten zu dem Hügel, auf dem der Flankenreiter wartete, gefolgt von einer Schar Männer, die ihre Waffen bereithielten.
Ein Stück unterhalb des Hügels stand ein einzelner Apache. Bis auf seinen Lendenschurz und die typischen Apachen-Mokassins mit den nach oben gebogenen Spitzen, war er nackt. In einer seiner Hände hielt er einen beeindruckenden Schädelbrecher. Ein langer hölzerner Schaft, an dem ein schwerer Stein befestigt war. Schwer genug, um sogar den massiven Brustpanzer eines spanischen Conquistadore zu zertrümmern. Er trug ein schmuckloses Stirnband. Um den Hals hing ein Lederriemen mit einem kleinen Beutel und einer spanischen Dublone. Vorne im Gurt des Lendenschurzes steckten ein Messer und eine Steinschloßpistole. Die Haut besaß einen dunklen kupferbraunen Teint. Das Alter des Mannes war schwer einzuschätzen.
„Er ist alleine“, meldete der Flankenreiter.
„Idiot“, knurrte Juan. „Die anderen siehst du nur nicht.“
El Perdido und sein Stellvertreter wussten, dass sich mindestens ein Dutzend Apachen vor ihren Blicken verbarg. Wahrscheinlich in unmittelbarer Nähe, dennoch war nichts von ihnen zu entdecken, so aufmerksam sich die Mexikaner auch umsahen. Sie mussten neidlos anerkennen, wie perfekt sich die Indianer ihrer Umgebung anpassten.
„Hallo, Schädelschläger, mein Freund, mein Bruder.“ El Perdido breitete theatralisch die Arme aus und lächelte breit. „Es tut gut, dich zu sehen.“ Er senkte die Stimme. „Unser Freund sieht recht übellaunig aus.“
„Unser Freund sieht immer übellaunig aus“, raunte Juan ebenso leise. „Soll ich die Geschenke holen?“
„Ja, wenn der Bastard sieht, was wir für ihn haben, wird er sicher zugänglicher.“ Erneut hob El Perdido seine Stimme. „Ich habe Geschenke für meinen guten Freund Schädelschläger mitgebracht. Sie werden dein Herz erfreuen. Vorwärts, Juan, lass unserem Freund die Geschenke bringen.“
Juan machte ein paar Gesten in Richtung der Haupttruppe und zwei Männer trieben zwei Packtiere heran.
„Was für Geschenke?“ Die Stimme des Apachen klang abweisend, aber El Perdido war klar, dass dies zur Verhandlungstaktik des Unterhäuptlings gehörte. Dieser würde so tun, als seien die Waren nichts wert, um so noch mehr herauszuschlagen. El Perdido wusste, wie er seinen Verhandlungspartner anpacken musste.
„Geschenke, die eines großen Kriegers würdig sind“, versicherte der Banditen-Führer.
Die Packtiere waren heran und El Perdido gab einem der Männer einen herrischen Wink, der daraufhin hastig eine der Lasten öffnete und ein Gewehr herausnahm. Es war ein ausgezeichnetes Kentucky-Gewehr und der Mexikaner hätte es selber gerne behalten, doch die Informationen des Apachen waren noch weit wertvoller.
Schädelschläger trat näher und obwohl er sich um ein ausdrucksloses Gesicht bemühte, war die Gier in seinen Augen nicht zu übersehen. Er nahm die Waffe entgegen und untersuchte sie sorgfältig. Dann hob er sie mit einer Hand über den Kopf und stieß einen halblauten Schrei aus.
El Perdido und seine Begleiter zuckten zusammen, als unmittelbar vor ihnen drei Dutzend Krieger aus dem Boden zu wachsen schienen. Hände griffen erschrocken zu den Waffen, Pferde scheuten und der Colonello machte hastig beschwichtigende Zeichen zu seinen Männern.
„Nur ein Gewehr für viele Worte?“, fragte Schädelschläger.
El Perdido grinste erfreut. Viele Worte bedeuteten, dass der Apache viel zu erzählen hatte. Da ein Krieger wie Schädelschläger nicht viele Worte verschwendete, durfte der „Colonello“ davon ausgehen, dass sein Gesprächspartner ein paar wichtige Beobachtungen gemacht hatte. „Ich habe noch zwei andere Gewehre für meinen Freund. Nicht so gut, wie dieses hier, aber du weißt selbst, wie schwer es ist, eine so gute Waffe zu bekommen. Aber ich habe noch Stangenblei, Gussformen für das Kugelgießen und Pulver dabei. Auch ein paar schöne Wolldecken für eure Weiber und andere feine Sachen. Du wirst zufrieden sein, mein Freund, sehr zufrieden.“
El Perdido wusste, mit was man Apachenherzen erfreuen konnte und die Geschenke waren eine gute Investition. Es gab keine besseren Kundschafter, als die Apachen. Von den Comanchen vielleicht abgesehen, doch El Perdido war klug genug, es mit diesen gar nicht erst zu versuchen. Er war zudem klug genug, keinen Schnaps mitzuführen. Zum Einen duldete er es nicht, wenn sich seine eigenen Männer während eines Beutezuges betranken, und zum Anderen hatte er schon erlebt, wie unberechenbar betrunkene Indianer wurden.
Gegen Ende der Gespräche deutete El Perdido mit einer ausholenden Geste über die Gruppe der Apachen. „Der Ruhm von Schädelschläger mehrt sich, wie ich sehe. Meinem roten Freund schließen sich immer mehr Krieger an.“
Der Apache nickte. „Schädelschläger ist schlau. Vor ein paar Tagen haben wir eine Gruppe der Comanchen besiegt.“
„Eine Tat, die dir weiteren Ruhm bringen wird“, lobte der Mexikaner. Innerlich fluchte er jedoch. Wenn die Apachen ein paar ihrer Gegner getötet hatten, dann würden diese nun wie die Hornissen ausschwärmen, um Rache zu üben. Es konnte durchaus sein, dass El Perdidos Gruppe dabei zwischen die Fronten geriet. Waren die Comanchen auf Blut aus, interessierte es sie nur wenig, von wem es stammte.
„Ich habe ebenfalls ein Geschenk“, eröffnete Schädelschläger zum Abschied. Er gab einem seiner Krieger einen Wink, der ein Deckenbündel vor El Perdido legte.
Dieser schlug es auf und blinzelte überrascht. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. „Mein roter Freund und Bruder ist in der Tat sehr schlau.“
Der Mexikaner schloss das Bündel rasch wieder, bevor einer seiner Männer einen Blick auf den Inhalt werfen konnte. Lediglich Juan erkannte, was die Decke verbarg und sah seinen Anführer fragend an, ohne jedoch ernstlich eine Antwort zu erwarten. Er ahnte jedoch, welches Kapital El Perdido daraus schlagen konnte.
Nach einer knappen Stunde trennten sich beide Gruppen und El Perdido war höchst zufrieden über das, was er in Erfahrung gebracht hatte.
„Schön es wird diesmal wieder nichts mit dem Handelsposten“, stellte er fest und grinste breit. „Aber ich denke, die Beute, die uns nun winkt, ist noch bedeutend größer.“
„Wenn das stimmt, was Schädelschläger behauptet“, schränkte Juan ein.
Die Banditentruppe lagerte während der größten Mittagshitze. Die meisten Männer dösten und warteten gespannt auf die Befehle des Anführers. Rund zwei dutzend Reiter hielten Wache. El Perdido und Juan hockten an einem kleinen Feuer, auf dem Kaffee kochte. Der Anführer hatte eine Stelle am Boden glattgestrichen und zog mit einem kleinen Stock Markierungen ins Erdreich.
„Die Loon-Quelle liegt ungefähr hier. Das sind rund hundertzwanzig Meilen in nordöstlicher Richtung.“
Juan wiegte den Kopf. „Da müssen wir ziemlich tief nach Texas hinein. Das könnte gefährlich werden. Die Quelle liegt in der Nähe der großen Büffelherden und der Wildpferde. Dort schwärmen sicher die Comanchen herum.“
„Ja, es ist tief nach Texas hinein“, gab El Perdio zu. „Dort fühlen sich die Tejanos vor uns sicher. Gerade deshalb wird es dort reiche Beute geben. Wenn Schädelschläger behauptet, dass dort ein paar Familien siedeln und mit ein paar Vaqueros eine Pferdezucht aufziehen, dann stimmt das auch.“
„Ja, Pferde sind gut.“ Juans Augen blitzten interessiert. „Die lassen sich gut verkaufen.“
„Aber nicht in Presidio del Norte, mein Freund. Der verdammte Capitan de Lopez würde sie für die Armee beschlagnahmen. Nein, mein Freund, wir werden die Pferde ein wenig weiter treiben, dorthin, wo sie gutes Gold bringen.“ Der Colonello tippte auf die Stelle, an der sich die kleine Siedlung befinden sollte. „Aber das Beste ist, dass unser Apache meint, dass die Büffeljäger unterwegs sind. Die werden eine Menge Büffelfelle auf ihren Wagen haben, wenn sie wieder zum Handelsposten fahren. Und sie werden sicher an der neuen Siedlung Halt machen, da dort die Loon-Quelle ist. Wir werden zwei Fliegen mit einem einzigen Schlag erledigen, mein Freund.“
„Ein paar Siedler zu überfallen, das ist eine Sache, Jefe, aber es werden sicher zwanzig oder mehr Büffeljäger sein. Du weißt, was für Flinten sie haben. Du hast selbst darüber gesprochen.“
„Die Gewehre werden ihnen nichts nützen, wenn wir eine schlaue Falle stellen.“
„Und wie willst du sie in die Falle locken?“
„Ich habe da so meinen Plan, mein Freund, ich habe da so meinen Plan. Verlass dich ganz auf El Perdido.“
Sie benötigten drei Tage für ihren Ritt, der sie in die Nähe der Quelle brachte.
El Perdido ließ drei Männer weit vorausreiten, die sicherstellen sollten, dass sich nicht zufällig jemand näherte, der auf die große Reiterschar stoßen könnte. Solange man ihn rechtzeitig töten konnte, mochte das kein Problem sein, doch wenn er entkam, dann konnte er die Siedlung warnen oder vielleicht sogar Hilfe herbeiholen.
Die Stimmung der Männer schwankte zwischen Erwartung und Nervosität. Man befand sich nun tief auf texanischem Gebiet. Selbst wenn man die Tejanos vielleicht nicht zu fürchten brauchte, so bestand doch ständig die Gefahr, kriegerischen Indianern zu begegnen. Das war besonders auf dem Rückweg nach Mexiko gefährlich, wenn das Vorankommen durch die Beute verlangsamt wurde. Keinem würde es gefallen, die erkämpfte Beute zurücklassen zu müssen.
El Perdidos Männer lagerten nun zehn Meilen vor der neuen Siedlung. Sie war Realität, denn man konnte die Feuer der Kochstellen aus der großen Senke aufsteigen sehen, wo die Bewohner dabei waren, ihre Häuser zu errichten.
„Narren, diese Tejanos“, meinte Juan. „Bauen ihre Siedlung in eine Senke, statt sie oben auf einem Hügel zu errichten.“
„Sie wähnen sich sicher.“ El Perdido lächelte. „Das macht sie bequem. Unten in der Senke ist die Quelle. Warum Wasser den Hang hinauf schleppen, wenn man auch dort unten bauen kann und sich so die Mühe erspart? Genau diese Bequemlichkeit wird nun zum Untergang dieser Siedler führen.“
„Unsere Späher müssten bald zurück sein.“ Juan blinzelte zur Sonne empor. „Wenn es geht, so sollten wir noch in dieser Nacht angreifen. Je länger wir warten, desto größer wird die Gefahr der Entdeckung.“
„Ah, ich weiß, mein Freund. Aber ein guter Colonello lässt seine Männer nicht blindlings ins Feuer laufen. Die Späher werden uns berichten, wie viele Gewehre wir zu erwarten haben und wie wir die Tejanos am leichtesten packen.“
Juan zupfte einen Grashalm und begann zu kauen. Die Männer ringsum prüften zum wiederholten Male ihre Waffen.
Gewehre und Pistolen waren Steinschloßwaffen und mussten sorgsam gepflegt werden. Zwar konnte man die meist glattläufigen Waffen laden, sie aber nicht uneingeschränkt schussbereit halten. Um eine solche Waffe abzufeuern, musste man Pulver auf eine Zündpfanne geben. Zog man den Abzug, schnellte der Hahn nach vorne. Der Hahn hielt einen Feuerstein, der an der Reibfläche der Pulverpfanne entlang glitt, dabei Funken schlug und somit das Pulver in der Pfanne entzündete. Dessen Flamme schlug durch den Zündkanal in die Treibladung im Lauf, die dann ebenfalls zündete und das Geschoss heraus schleuderte. Der gesamte Vorgang nahm eine gewisse Zeit in Anspruch. Es mochte nur eine Sekunde sein, doch während dieser Spanne sollte sich ein Ziel möglichst wenig bewegen. Das besagte Steinschloss verhinderte auch, dass die Waffe, wie schon erwähnt, stets schussbereit gehalten werden konnte. Die Pulverpfannen waren nicht wirklich Wasserdicht und schon die Feuchtigkeit von Morgentau konnte das Pulver verkleben und unbrauchbar machen. Die Bewegungen eines Reiters beim Ritt konnten den Feuerstein in seiner Halterung lockern und dies wiederum konnte zur Folge haben, dass er keine Funken schlug oder sogar aus der Halterung heraus fiel. Die Männer taten also gut daran, ihre Waffen zu überprüfen.
El Perdido blickte auf, als er Hufschlag vernahm. Einer der Späher kehrte zurück, erkannte seinen Anführer und kam heran. Mit hastigen Worten begann er zu berichten, was er und die beiden anderen beobachtet hatten.
„Eine Handvoll fertiger Häuser, Colonello. Fünf weitere sind im Bau. Es sieht eher nach einem großen Rancho aus, als nach einem Dorf. Wir haben insgesamt zwanzig Männer gesehen. Fünf eingerechnet, die im Westen bei einer großen Pferdeherde sind. Es gibt eine Handvoll Halbwüchsige und Kinder.“
Juan grinste. „Und sicher auch ein paar Frauen, nicht wahr?“
Der Späher nickte. „Oh ja, Teniente, auch ein paar Weiber. Ein paar sind recht ansehnlich.“
„Das ist erfreulich. Nach der Arbeit haben sich die Männer ein wenig Vergnügen verdient.“ El Perdido überlegte. „Vielleicht lassen sich ein paar der Weiber und Kinder verkaufen. Juan, schärfe den Männern ein, dass ich die Frauen und Kinder lebend haben will. Wenigstens vorerst und sofern sie sich ordentlich benehmen.“
„Natürlich, Jefe.“
„Merk dir endlich, dass das Colonello heißt, verdammt.“ El Perdido starrte seinen Stellvertreter für einen Moment grimmig an, bevor er wieder lächelte. „Wir werden in dieser Nacht zuschlagen. Zehn gute Männer, um die Wachen auszuschalten. Männer, die mit dem Messer oder der Machete umgehen können.“
„Unterführer Emilio und seine Leute sind sehr gut im Kehleaufschlitzen.“
„Also Emilio und seine Gruppe. Die Gringos werden ihre Pferde auch in der Nacht bewachen. Stell zwanzig Reiter ab, die sich um die Wachen kümmern. Aber erst, wenn die Schießerei im Ort losgeht. Das musst du den Männern einschärfen. Ich will nicht, dass die Tejanos im Ort noch zu ihren Waffen greifen können. Daher werde ich mich mit fünfzig Männern an die Häuser heranschleichen, sobald die Wachen ausgeschaltet sind.“ El Perdido sah den Späher an. „Habt ihr Hunde beobachtet?“
„Nur ein paar Hühner.“
„Nun, die werden nachts wohl im Stall sein“, vermutete El Perdido. „Die übrigen Männer bleiben hier bei den Pferden und bilden unsere Reserve. Nur für den Fall, das irgendetwas schiefgeht. Wir schlagen im Morgenrauen los. Dann, wenn die Tejanos und ihre Chicas tief und fest schlafen.“
Es gab kein Feuer für die Männer. Wer Schlaf fand, der rollte sich in seinen Poncho und seine Decke und wer dabei zu schnarchen begann, der wurde unsanft geweckt, denn die Unterführer duldeten nicht den geringsten Laut. Um Mitternacht brach Emilios Gruppe von Halsabschneidern auf. Sie würden Zeit benötigen, um die Positionen der Wachen herauszufinden und sich lautlos an sie heranzuschleichen.
El Perdidos Männer mochten gelegentlich eine wilde Horde sein, doch bei ihren Beutezügen waren sie so diszipliniert wie Soldaten. In den vergangenen Jahren hatten sie auf die harte Weise gelernt, wie wichtig dies für ihr Überleben sein konnte. So lauerten die eingeteilten Männer schweigend, und warteten ebenso wie jene, die mit den Pferden zurückbleiben mussten.
El Perdido wartete mit seinen fünfzig Männern eine knappe Meile außerhalb der kleinen Siedlung. Der Sternklare Himmel erschwerte das unbemerkte Heranschleichen. Der Colonello hatte die Silhouetten der Gebäude sorgfältig mit seinem Teleskop abgesucht und keine Wachen auf den Dächern entdeckt. Die Siedler schienen ihre Wachen ausschließlich auf dem Boden postiert zu haben. Ein tödlicher Leichtsinn.
Nach einer knappen Stunde huschte einer von Emilios Männern heran und berichtete, dass die Wachen ausgeschaltet seien. Nun musste es schnell gehen, denn niemand wusste, wann die Toten abgelöst werden sollten.
El Perdido gab das Zeichen und seine Männer hasteten auf die Häuser zu, so schnell und lautlos, wie es ihnen nur möglich war. Die Zündpfannen der Waffen waren mit frischem Pulver versehen, die Pfannen aber geschlossen und kein Hahn gespannt. Es sollte keine Feuchtigkeit eindringen. Dennoch würde es Zündversager geben. So hielten die Männer neben ihren Schusswaffen auch ihre Messer und Macheten bereit.
Der Überfall gelang überraschend leicht.
Sie drangen in die Häuser ein. Nur wenige Schüsse hallten durch das einsetzende Geschrei. Das blutige Morden wurde überwiegend durch blanken Stahl vollzogen und in ihrem einsetzenden Blutrausch hielt mancher Mann sich nicht an El Perdidos Befehl, die Frauen und Kinder vorerst zu verschonen.
Die wenigen Wachen bei der Pferdeherde wurden förmlich überrannt. Die Mexikaner machten sich sofort daran, die kostbare Herde zusammenzuhalten.
Das Gemetzel hatte kaum zehn Minuten gedauert und noch vor dem ersten Morgengrauen sichtete El Perdido die wenigen Überlebenden. Drei der Frauen waren recht ansehnlich. Er reservierte eine von ihnen für seine eigenen Bedürfnisse und überließ die anderen seinen Männern. Dann rief er Juan zu sich.
„Du hast eine Stunde, mein Freund“, mahnte er seinen Stellvertreter. „In einer Stunde darf nichts mehr auf den Überfall hinweisen. Wir wissen nicht, wann die Büffeljäger hier vorbeikommen.“
„Ich habe ein paar Reiter ausgeschickt“, beruhigte Juan. „Sie halten Ausschau in die Richtung, aus der die Jäger kommen müssen. Wir hätten übrigens ein paar der Tejanos leben lassen sollen. Die Jäger werden vielleicht misstrauisch, wenn sie hier nur Mexikaner sehen.“
„Oh, sie werden Tejanos sehen, mein Freund. Ein paar unserer Männer sollen sich Sachen der Siedler anziehen.“ El Perdido lachte. „Und suche drei oder vier aus, die zierlich und ohne Bart sind. Männer, denen Frauensachen passen.“
Es gab Gelächter und grobe Scherze, als vier der Männer in die Kleider der Ermordeten schlüpften. Für die Mexikaner war es ein großer Spaß, zumal all dies einem Hinterhalt diente, der ihre Beute beträchtlich vergrößern sollte.
Das Warten auf die Büffeljäger wurde für die Bande zu einem kleinen Martyrium. Sie warteten den ganzen Tag und die anschließende Nacht, doch ihre Beute kam nicht in Sicht. Die Unterführer mussten die ungeduldigen Männer beruhigen. Die Weidegründe der Büffel lagen viele Meilen entfernt und man wusste nicht, wann die Jäger genügend Häute gesammelt hatten, um den Heimweg zum Handelsposten am Rio Grande anzutreten. Man wusste nur, dass sie hier vorbeikommen würden, denn die Jäger und ihre Tiere brauchten Wasser und hier war die einzige Quelle in größerem Umkreis.
Gegen Mittag des darauffolgenden Tages kamen die Späher herangaloppiert.
Die Jäger waren endlich in Sicht.
Rasch wurde alles so hergerichtet, dass nichts auf ein ungewöhnliches Ereignis hinwies. Die Männer in den Frauenkleidern taten, als versorgten sie die Hühner oder hingen Wäsche auf. Ihnen war eingeschärft worden, sich in die Häuser zurückzuziehen, bevor die Jäger zu nahe heran waren, um die Täuschung zu erkennen.
Es waren fünfundzwanzig Büffeljäger zu Pferde, die vier große Wagen mit sich führten. Die schweren Kastenwagen waren hoch mit Büffelhäuten beladen. Die Jäger ritten in eine tödliche Falle. El Perdido verlor trotzdem sechs seiner Männer, doch die erbeuteten weittragenden Gewehre und die kostbaren Häute glichen diese Verluste mehr als aus.
Diesmal machte man sich nicht die Mühe, die Spuren des Mordens zu verwischen. Im Gegenteil. Nun kam der Inhalt jenes Deckenbündels zur Anwendung, welches El Perdido von Schädelschläger erhalten hatte. Ein Dutzend Pfeile, zwei Federn und ein Messer, alles mit dem Stammeszeichen der Comanchen versehen. Juan sorgte dafür, dass die Toten entsprechend verstümmelt und skalpiert wurden.
El Perdido war sehr zufrieden. Sie hatten große Beute gemacht. Der Rückmarsch würde lange dauern, denn sie führten nun die schweren Wagen und die Pferdeherde mit sich. Die überlebenden Frauen würden ihm und seinen Männern die Nächte versüßen. Es war bislang ein äußerst lohnender Beutezug gewesen. Nun galt es, alles in die Sicherheit jenseits des Rio Grande zu bringen.