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Merlin Thomas – Operation Heal (2013) 23

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Amerika hat – nein, wir haben in dem letzten Jahrzehnt der Welt nicht so gedient, wie unsere Position in der Welt, wie unsere Verantwortung für die Welt es von uns, von Amerika verlangt.

Im Gegenteil, Amerika hat – nein, wir haben in dem letzten Jahrzehnt der Welt Schaden zugefügt.

Das letzte Jahrzehnt ist vorbei. Das letzte Jahrhundert ist vorbei. Das letzte Jahrtausend ist vorbei. Wir leben in einer neuen Zeit. Einer Zeit für ein neues Amerika, ein Amerika des neuen Jahrtausends. Ein Amerika, das die Größe besitzt, der Welt zu dienen, der Welt zu helfen, die Welt zu heilen.

Wir werden – nein, Amerika wird die Welt heilen von den Wunden, die nicht nur wir ihr zugefügt haben.

Für dieses Amerika stehe ich. Dieses Amerika werde ich erschaffen. Mit Ihrer und mit Gottes Hilfe.

Aus der Antrittsrede von Präsident Ashton J. Jacobs, 20. Januar 2001.


Am dritten Tag unserer Aufklärungsfahrt durch das Operationsgebiet stießen wir auf eine Ansiedlung aus acht improvisierten Gebäuden bei den Koordinaten +2° 23' 42.2“, +42° 02' 20.9“, die um eine kleine Wasserquelle herum angeordnet waren. Wir umrundeten sie in unserem Fahrzeug. Über die Infrarotkameras konnten wir um die zwei Dutzend Individuen ausmachen, die sich zwischen ihren Blech- und Strohhütten verbargen. Eine unbekannte Zahl an Individuen war innerhalb der Hütten zu vermuten. Die Vorfallsrestbelastung lag im erwarteten Rahmen (siehe Messprotokoll im Anhang).

Gemäß den Missionsdirektiven hielten wir in sicherer Entfernung und schickten eine Gruppe in Strahlenschutzanzügen hinaus. Wie in den Durchführungsvorschriften zur Erkundungsmission im Operationsgebiet festgelegt, nahmen wir Boden- und Wasserproben im Dorf und in den verschiedenen vorgeschriebenen Entfernungen.

Wir nahmen Kontakt mit den Einwohnern auf und konnten mithilfe des mitgeführten elektronischen Übersetzers schnell in Verhandlungen eintreten. Nach der audiovisuellen Dokumentation der Auswirkungen des Vorfalls auf die Physiologie der Einwohner sowie der einvernehmlichen Entnahme verschiedener Proben (Blut, Speichel, Urin) konnten wir zwei der Einwohner überzeugen, uns zurück zum Missionszentrum für eingehende Untersuchungen zu begleiten.

Aus dem Missionsbericht von Lt. Henrik Masters, kommandierender Offizier 3rd Platoon (Deep Recon), 2nd FORECON, USMC, 14. März 2001.


„Sind wir drauf?“ Die Reporterin drückte sich die Hand gegen das rechte Ohr. Über ihr Mikrofon gebeugt schaute sie fragend knapp an der Kamera vorbei. Sie nickte bestätigend und blickte lächelnd direkt in die Kamera.

„Hallo und herzlich willkommen. Hier ist Karen Metcalf für US News Network live von der USS Abraham Lincoln.“ Sie schrie, um den Lärm der startenden Hubschrauber zu übertönen, zu denen sie jetzt deutete.

„Hinter mir sehen Sie die Hubschrauber, die seit dem Eintreffen des Trägers und seiner Begleitflotte hier am Horn von Afrika gestern Abend rund um die Uhr im Einsatz sind, um Menschen und Material an Land zu bringen.“ Sie drehte sich zurück zur Kamera und deutete zur Seite. „Schwenk mal dort rüber, Matt.“

Der Kameramann folgte ihrer Anweisung und zoomte das Land heran. Hubschrauber setzten auf, wurden entladen. Andere hoben ab, stürzten sich mit gesenkter Nase dem Flugzeugträger entgegen. Landungsboote spien Fahrzeuge aller Größen und Arten an Land. G.-I.-Ameisen wuselten durch das Lager, trugen Kisten, bauten Zelte.

„Weniger als eine Meile von uns entfernt liegt das ehemalige Somalia, die Wunde in der Welt, wie Präsident Jacobs es nannte, die Wunde, die Operation Heal schließen wird“, erläuterte die Stimme der Frau aus dem Off. „Bleiben Sie dran, nach einer kurzen Unterbrechung melden wir uns aus dem entstehenden Basislager Port Bush wieder.“

Beginn der 24/7-Liveberichterstattung über Operation Heal durch US News Network, 19. September 2001.


Tom Hoyt, Barkeeper: „Ja, den Kerl kenne ich. Voll der Schaumschläger. Der war öfter hier. Vorgestern? Ja, ja, vorgestern auch. Da hatte ihn so ne Tussi angebaggert und er hat richtig vom Leder gezogen. Von seinem Einsatz in der Wunde. So ein Spinner. Hat erzählt, er hat mit seinem Platoon da ein Mutantendorf dem Erdboden gleichgemacht. So richtig rambomäßig, mit MG und Flammenwerfer und so. Dabei weiß doch jeder, dass unsere Jungs für den Wiederaufbau drüben sind. Aber die Tussi stand voll drauf. Die sind dann hinten raus zusammen. Die trug so ein Leopardenfummel und High Heels. Wie? Nee, die war zum ersten Mal hier. An die hätte ich mich auf jeden Fall erinnert. Andere Auffälligkeiten? Mal überlegen. Hm, wissen Sie, was komisch war? Kurz nach den beiden sind noch zwei Typen hinten raus. Die haben mir einen Zwanziger liegen lassen, aber deren Bierflaschen waren noch ganz voll. So Schnösel in Poloshirts.“

Auszug aus den Augenzeugenaussagen zum Verschwinden von Henrik Masters, aufgenommen von Detective Cathrine Grant, Los Angeles Police Department am 05. Februar 2002, aus Gründen der nationalen Sicherheit zur Verschlusssache erklärt.


„Nehmen Sie doch Platz, Colonel.“ Der Mann im Laborkittel deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Der Uniformierte hängte seine Mütze an den Haken neben der Tür, machte einen halben Schritt in die Bürokammer hinein und ließ sich nieder. Der Wissenschaftler setzte sich ebenfalls. „Was kann ich für Sie tun?“

„Meine Vorgesetzten möchten über Ihre Fortschritte informiert werden, Doktor Shepard. Bitte …“

„Aber ich schicke doch regelmäßig meine Berichte!“ Shepard stützte sich auf den Schreibtisch auf. „Und im Computernetz sind die Daten jederzeit stundenaktuell abrufbar! Warum lasst ihr uns nicht einfach unsere Arbeit machen!“

Der Offizier warf seinem Gesprächspartner einen strengen Blick zu und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich wieder zu setzen.

„Doktor, lassen Sie mich doch bitte ausreden.“ Der Wissenschaftler sank zurück.

„Also, Doktor, natürlich bekommt das Hauptquartier Ihre Berichte. Aber, nun ja, wir verstehen sie nicht ganz. Deshalb bin ich hier. Bitte erklären Sie mir in einfachen, nicht-wissenschaftlichen Worten, wo wir mit dem Projekt stehen.“

„Ach so. Ah.“ Shepard strich sich durch das lichte Haar und rieb sich Augen und Nasenwurzel. „Also, es läuft gut. Besser als wir erwartet haben. Die von unseren Unterstützungsmannschaften ausgebrachten Nanobots graben sich durch das Erdreich und absorbieren zum einen die Strahlung und gewinnen daraus ihre Betriebs- und Reproduktionsenergie.“

Der Colonel nickte.

„Außerdem“, fuhr der Doktor fort, „entziehen die Nanobots den Radionukliden direkt die überzähligen Nukleonen, um die Halbwertzeit deutlich zu reduzieren. Dies geschieht …“

„Doktor, die Grundprinzipien sind mir klar. Wie weit sind Sie?“

„Äh, ja. Ja, natürlich.“ Er rief einige Daten auf seinem Laptop ab. „Der erste Nanobotdurchlauf hat bislang ein Drittel der uns zugewiesenen Fläche bearbeitet und die Strahlung dort um zwanzig Prozent reduziert. Den zweiten Durchlauf konnten wir somit drei Wochen vor dem geplanten Zeitpunkt starten. Die Strahlung wurde damit auf bislang fünf Prozent der Fläche auf insgesamt die Hälfte der Ausgangsdosis reduziert. Wenn es so weitergeht, werden wir noch vor Jahresende den letzten Durchlauf und in einem Jahr die Revitalisierung in Angriff nehmen.“

„Na also. Das heißt, wir werden rechtzeitig fertig?“

„Nun, wenn sich an den zu berücksichtigenden Parametern keine unvorhergesehenen Änd…“

Der Offizier räusperte sich.

„Ja.“ Shepard blinzelte. „Ja, wir werden rechtzeitig fertig.“

„Gut.“ Er stand auf, nahm seinen Hut. „Schreiben Sie das beim nächsten Mal doch einfach in Ihren Bericht. Dann kann ich mir den Weg hier heraus sparen.“ Er öffnete die Tür.

„Warum haben Sie denn nicht einfach angerufen?“

Colonel Wurtz hielt kurz inne, drehte sich aber nicht um. „Feiern Sie schön. Ich lasse Kuchen hier.“ Er ging hinaus und schloss die Tür.

Aufzeichnung der audiovisuellen Büroüberwachung, Office 01/04, Treatment Center 17, 03. Juli 2002.


Carla, mein Liebling,

ich muss hier raus. Ich muss weg. Es ist unbeschreiblich, was hier passiert. Wenn wir wirklich hier sind, um dem Land zu helfen, dann weiß ich nicht, was das für eine Hilfe sein soll. Ich habe Angst. Ich will hier weg.

Am Wochenende darf ich nach Bushville. Ich werde versuchen, mich auf ein Schiff zu schleichen und mich irgendwo hin abzusetzen, vielleicht nach Europa. Versuch, ein Visum zu bekommen, dann treffen wir uns da. In Rom. Du wolltest doch schon immer nach Rom. Wenn ich erzähle, was hier passiert, bekommen wir bestimmt Asyl.

Ich liebe dich

Mike.

Handgeschriebener Brief von Private Michael Durst, USMC, gefunden im Gepäck von Private Tom Beck, USMC, bei der routinemäßigen Durchsuchung vor Antritt des Heimaturlaubs, Port Bush, 14. Oktober 2002.


+++ EILMELDUNG: UN-Vollversammlung hebt sämtliche Sanktionen gegen die USA auf. +++ Generalsekretär Kim spricht von „Rehabilitation vor den Völkern der Erde“. +++ Präsident Jacobs wird heute Abend eine Fernsehansprache an die Nation halten +++ DOW JONES steigt um 11 % +++ EILMELDUNG: UN-Vollversammlung hebt …

Laufbandeinblendung auf US News Network, 19. Dezember 2002.


Geehrte Mrs. Beck,

wir bedauern zutiefst, Ihnen als im Notfall zu benachrichtigender Person mitteilen zu müssen, dass Private Tom Beck am 15. Dezember 2002 bei einem Autounfall während seiner Dienstzeit im Rahmen der Operation Heal ums Leben gekommen ist.

Da der Unfall unter Alkoholeinfluss während eines Urlaubstages von dem Verstorbenen selbst verschuldet wurde, können wir leider keine Weiterzahlung der Bezüge genehmigen.

Auf eigenen Wunsch wurde der Verstorbene vor Ort bestattet.

Die persönliche Habe des Verstorbenen wird Ihnen in den nächsten Monaten gegen Erstattung der Unkosten zugestellt werden.

Bitte sehen Sie von Anfragen zu diesem Vorgang ab, da wir keine weiteren Auskünfte geben können.

Mit tiefem Bedauern über den Verlust Ihres Ehemannes / Sohnes / Bruders / sonstigen Angehörigen.

i. A. Novack, Department of Defence.


Schreiben des United States Department of Defence an Francine Beck, 17. Februar 2003.


Geehrte Mrs. Durst,

wir bedauern zutiefst, Ihnen als im Notfall zu benachrichtigender Person mitteilen zu müssen, dass Private Michael Durst am 15. Dezember 2002 bei einem Autounfall während seiner Dienstzeit im Rahmen der Operation Heal ums Leben gekommen ist.

Da der Unfall unter Alkoholeinfluss während eines Urlaubstages von dem Verstorbenen selbst verschuldet wurde, können wir leider keine Weiterzahlung der Bezüge genehmigen.

Auf eigenen Wunsch wurde der Verstorbene vor Ort bestattet.

Die persönliche Habe des Verstorbenen wird Ihnen in den nächsten Monaten gegen Erstattung der Unkosten zugestellt werden.

Bitte sehen Sie von Anfragen zu diesem Vorgang ab, da wir keine weiteren Auskünfte geben können.

Mit tiefem Bedauern über den Verlust Ihres Ehemannes / Sohnes / Bruders / sonstigen Angehörigen.

i. A. Stinson, Department of Defence.

Schreiben des United States Department of Defence an Carla Durst, 19. März 2003.


Wir werden nicht weiterhin tatenlos zusehen, was ihr unserem Volk antut. Unser Land habt ihr schon getötet, nun kommt ihr her und behauptet, ihr wollt Wiedergutmachung leisten. Wiedergutmachung! Dabei vollendet ihr nur, was ihr vor zehn Jahren begonnen habt. Nach unserem Land tötet ihr nun die Söhne und Töchter unseres Volkes. Schickt sie hinaus in die Strahlung, ungeschützt, mit dem Versprechen einer besseren Zukunft für ihre Kinder, um eure Wundermittel zu verteilen, und wenn sie sterben, verscharrt ihr sie mit euren Baggern und Planierraupen in dem Dreck, der einst ihre Heimat war.

Wenn ihr in unser Land kommt, um unser Volk zu töten, dann kommen wir in euer Land, um euer Volk zu töten. Wir haben es getan und wir werden es wieder tun. Wir werden es so lange tun, bis euer Land und euer Volk genauso tot sind wie unser Land und unser Volk. Das ist die heilige Aufgabe, die Allah uns aufgetragen hat.

Aus dem Bekennervideo der Somali Vengeance Force zu den Selbstmordanschlägen in San Francisco, Dallas und Chicago, 09. November 2003.


Das Norwegische Nobelkomitee hat sich entschieden, den Friedensnobelpreis des Jahres 2003 zu vergeben an Ashton Julian Jacobs für seine andauernden Bemühungen und Fortschritte, die „Wunden der Welt zu heilen“. Jacobs hat im wahren Sinne seine Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet. Er hat seine Soldaten in die Welt hinausgeschickt, aber nicht als Krieger, als Eroberer oder Unterdrücker, sondern als demütige Helfer, als unermüdliche Verbesserer, als Freunde. Diesem weisen und umsichtigen Einsatz großer Macht gebührt die Anerkennung und Wertschätzung der gesamten Menschheit, die das Komitee mit der Vergabe des Preises stellvertretend zum Ausdruck bringen möchte.

Aus der Ansprache des Vorsitzenden des Norwegischen Nobelkomitees zur Vergabe des Friedensnobelpreises, 10. Dezember 2003.


Somit kann also festgestellt werden, dass die Felderprobung unserer technologischen Fortschritte in den Bereichen der Chemie, Biologie und Nanotechnologie zur Dekontamination radioaktiv verstrahlter Gebiete im Rahmen der Operation Heal als voller Erfolg anzusehen ist. Innerhalb von zwei Jahren war es möglich, das durch den Blackburn-Vorfall seit 1993 menscheninkompatible Gebiet soweit zu regenerieren, dass der Einsatz periodisch abzulösender Facharbeits- und Sicherungsmannschaften sowie die dauerhafte Ansiedlung lokaler Subjekte zur Verrichtung grundlegender Arbeiten möglich sind.

Dadurch erweitert sich das operative Arsenal der Vereinigten Staaten im Konflikt um staatstragende Ressourcen um die Option lokal begrenzter taktischer Nuklearschläge zur Vorbereitung Ressourcen sichernder Operationen.

Aus dem streng geheimen Abschlussbericht des Befehlshabers der Operation Heal, Lieutenant General Nicholas K. Talbot, 13. Dezember 2003.

Zwielicht Classic 13

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