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5.Schlaflosigkeit

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Er litt an Schlaflosigkeit. Die Tabletten von Mike waren zu schwach. Er wanderte im Dorf umher. Er kam sich vor wie ein Schlafwandler. Eine Weile saß er auf der Plaza, die das Zentrum der Bewohner war. Hier flanierten sie sonntags, gingen in die Kirche, oder tauschten Neuigkeiten und Tratsch aus.

Er starrte die Kathedrale an. Er hörte die Hufen eines Pferdes, Ein zahnloser Mann stieg ab und setzte sich neben den Boxer. Er trug einen Stetson Cowboy Hut.

„Es gibt mehr Tote als Lebende. Das Leben der Toten ist ruhig. Ruhiger kann es nicht werden“, sagte er.

„Bist du ein Toter?“

„Ja, ich fiel vom Pferd und eine Klapperschlange hat mich in das Handgelenk gebissen. Ich arbeite als Cowboy für Ranchers. Wir pflegen die Pferde, halfen beim Kalben, setzten Brandzeichen, flickten Zäune und bewachten Rinderherden.“

„Bist du wirklich ein Toter?“

„Klaro, dir fehlt als Toter nichts, Gringo. Nur im Leben fehlen dir immer Dinge, sei es materielle wie die Dineros oder die Liebe. Ich bin an die falschen Weiber geraten.“

„Das kenne ich.“

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

„Von wem stammt das?“

„Ein deutscher Philosoph sagte mir das. Er ist tot. Theodor Adorno heißt er. Ich rede mit ihm ab und zu. Verrückt ist Nietzsche.“

Er räusperte sich, schob Halsschleim umher: „Er sagt, Gott sei ungerecht. Er probierte eine Frau aus und schon hat’s ihn erwischt. Syphilis.“

„Wo triffst du ihn?“

„Im Reich der Toten gibt’s ‘ne Philosophen-Ecke. Ein Lagerfeuer. Whisky fließt in Strömen und du setzt dich in die Runde. Jeder ist willkommen und darf Geschichten erzählen.“

„Schön für dich. Wenn du Freunde unter den Toten gefunden hast.“

„Wann kommst du?“

„Weiß der Kuckuck.“

„Okay, ich muss weiter.“

Er tippte an die Hutkrempe. Er stieg auf das Pony und ritt in die Dunkelheit. Jep ging hoch zur Hauptstraße. Er wusste nicht, ob er das mit Reiter geträumt hatte. Er war noch nicht betrunken.

Zögernd beobachte er den Stripladen.

Er erkannte die flackernde Neonleuchte: Young chicks, cool beers.

Es dauert eine Weile, bis Jep sich entschloss, dem Schuppen einen Besuch abzustatten. Seine Kehle war trocken.

Er überquerte die Straße. Er ging hinein. Stumm sahen ihn die Gäste an. Er setzte sich. Zu einer Soulnummer tanzte ein Mädchen. Sie bewegte sich auf der Bühne um eine Stange.

Der Kellner brachte sofort ein kühles Bier. Er zeigte auf seine Schnapsbatterie: „Tequila, Sir?“

„Nein, Whisky.“

Er schwirrte ab und ging zur Theke.

Bourbon vertrug er besser. Tequila war der Drink des Teufels. Er veränderte den Trinker, den Menschen. Besser er behielt hier seine Nerven unter Kontrolle. Sein Blick schweifte.

Das Mädchen, mit dem er sich beim letzten Besuch unterhalten hatte, war nicht zu sehen.

Er wischte den Mund der Flasche ab. Er trank. Schön kalt das Zeug. Es war ein Corona. Wenn es kühl war, war es trinkbar.

Als der Kellner den Whisky servierte, fragte er ihn nach dem Mädchen.

„Sie hat Kunden. Sie ist im VIP Room“, raunte er.

Er stellte das Glas ab. Jep nahm es in die Hand. Schön schütteln. Das Eis mit dem Bourbon vermischen. Er trank einen Schluck.

Nachdem er am Morgen den Schwarzen voll erwischt hatte, war er aufgekratzt. Das baute auf. Sugar Hernandez würde er stellen und fällen. Er war noch zu langsam. An der Schnelligkeit musste er arbeiten. Noch nie hatte er Angst, wenn er den Ring gestiegen war. Sobald er im Ring war, mutierte er zur Kampfmaschine. Wer war Sugar?

Jep war sauer auf ihn. Der Mexikaner war ein Sprücheklopfer: Der Champ sei ein alter Mann, seine Zeit sei vorbei, hieß aus Kreisen von Sugar.

Gott, jeder war Biomasse. Jeder Körper veränderte sich. Aber wenn er von der Bühne ging, das würde er selbst entscheiden. Nicht ein mexikanischer Lümmel.

Er redete in Gedanken mit sich selbst. Zwiesprache. Blöde, musste sie einen Freier haben?

Er dachte über Liebe nach: Liebe kann zur Falle werden. Sie lockt dich mit ihrer Sinnlichkeit. Mit den Augen, mit den Gesten und mit dem Körper. Der Bazillus dringt in dein Wesen. Er verändert einen. Du wirst besessen. Frauen sind gute Schauspieler.

Noch ein Schluck. Er setzte den Tumbler an den Lippen an, schluckte den bernsteinfarbenen Alkohol.

Frauen würde er nie begreifen, war der Kampf nicht wichtiger als eine Frau?

Eine Asiatin setzte sich zu ihm. Sie war zierlich, mädchenhaft. Sie trug eine pinkfarbene halblange Perücke.

„Na, Fremder, Stranger.“

„Nichts na. Ich bin ein Toter.“

„Klaro!“

„Ja, ich traf gerade einen Toten.“

„Gruselig. Bist du ein Zombie?“

„Ja, ein Tequila Zombie. Einen Mescal für die Dame und mich!“, rief Jep, der wenn er zu trinken begann, nicht aufhören konnte.

Der Kellner stand an der Theke.

Er kam. Er schleppte einen Metall- Eimer, in dem Schnapsflaschen auf Eis lagerten.

Er schenkte ein.

Der Champ musste auf Touren kommen. Er war schüchtern mit Frauen, besonders wenn er eine mochte. Dann war er gehemmt.

Er umarmte sie. Sie erhoben die Gläser. Sie tranken, schüttelnden sich. Der Schnaps brannte im Mund.

„Du redest nicht viel.“

„Kommt auf den Tag an.“

„Heute bist du der Schweiger. Erzähl was von dir.“

„Ich war mal in den Bergen. Zum Jagen. Und ein Hirsch sah mich an. Genau in meine Augen. Und als ich anlegte, fing er an zu reden: „Ich bin ein Wesen wie du.“ Ich zitterte. Ich konnte den Hahn nicht durchdrücken. „Siehst du, ihr müsst uns nicht töten.“

„Schwer zu verstehen“, flüsterte die Asiatin in sein Ohr.

„Ich erzähl immer blöde Geschichten.“

Sie lächelte.

„Nein. Ehrlich gesagt mein Fiffi redet auch mit mir. Er ist ein kleiner Pinscher. Ein Straßenköter. Er kann reden.“

„Das kann ich bestätigen. Ich hatte einen Labrador. Er hieß Mao. Und der war eine Quasselstrippe. Leider sprach er chinesisch.“

„Das ist witzig.“

„Manche Leute denken, ich wäre verrückt.“

„Kein Problem. Es ist egal, was Menschen über dich denken.“

Er umarmte sie.

„Komm wir gehen nach oben. Ich heiße Lee. Und du?“

„Jep!“

Er stand auf, ging mit ihr nach oben.

In ihrer Bude glühten Lichterketten.

Es sah aus wie an Weihnachten.

Er streifte Cowboystiefel, Levis Jean und kariertes Hemd ab. Er legte sich hin. Sie stieg auf sein steifes Glied. Sie hielt ihn an den Händen. Sie wippte vor und zurück, als sei er eine Schaukel auf der Kirmes. Sie war jung und schnell feucht. Junge Frauen riechen anders. Sie schien ihren Job zu lieben.. Sie ritt und ritt. Er war ihr Pferdchen. Er spritze ab. Seine Spermien wärmten ihre Vagina. Sie bäumte sich auf. Sie lachte: „War ich gut?“

„Willst du meine Frau werden?“

„Warum nicht. Bist du Amerikaner?“

„Yes!“

„Ich will die Green Card, Chief.“

„Du heiratest mich. Dann hast du die Papiere.“

Sie lachte, jauchzte vor Freude. Er war ihr Volltreffer, wie ein Sechser im Lotto. Sie wollten alle nach Norden. In die Staaten.

Jep war betrunken. Später würde er vielleicht seine Worte bereuen. Als er sie auf den Mund küssen wollte, wehrte sie seine Lippen ab.

Jep zündete eine Zigarre an. Er paffte. Das war ‘ne gute Nacht, eine Nacht der Freude, der Sinnlichkeit, ein Moment des Glücks, der Wollust. Der Erregung. Der Emotion. Er legte noch Huni drauf und durfte hier schlafen.

Boxer sterben nicht

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