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II Sklaverei als Form kontrollierter Arbeit 1 Der Indische Ozean oder Indik: Verdichtung eines Wirtschafts-, Handels- und Kulturraumes

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Seit Mitte der 1980er Jahre wird der Indische Ozean in der akademischen Forschung nicht mehr als ein trennendes Meer und daher unüberwindliches Hindernis begriffen, sondern konzeptionell als ein Kultur- und Zivilisationsraum verstanden, in dem ein reger Austausch an Menschen, Waren, Kapital, Glaubensformen, Ideologien und Ideen herrschte.1 Derart intensiv war der Austausch über das Meer hinweg, dass inzwischen von »highways« gesprochen wird, mit denen die transozeanischen und küstennahen Schifffahrtsrouten gemeint sind.2 Gleichwohl steht bei vielen historischen Untersuchungen zum Indik noch immer die wirtschaftliche Entwicklung im Vordergrund, und nur selten werden konventionelle Raum- und Zeitkonzepte verlassen. Dem wollte der »Blick vom Meer« entgegenwirken und den Indischen Ozean in seiner geschichtlichen Totalität erfassen, ein Anspruch, der nur bedingt eingelöst werden konnte, weil als Hauptkriterien für eine »cross-cultural interaction« lediglich »migration, commerce and conquest« aufgestellt wurden.3

Vor kurzem wurde für den Indischen Ozean die Analogie zum Mittelmeer hergestellt. Aufsätze eines Sammelbandes verließen erstmals überkommene Periodisierungen und stellten qualitative Veränderungen in den Mittelpunkt. Auch wurde erstmals das Ineinandergreifen von Meer und Land thematisiert, ohne jedoch ein einheitliches Raumkonzept zu entwickeln. Stattdessen zeichnen diverse soziale Praktiken und historische Rahmenbedingungen die Untersuchungen aus.4 Gemeinsamer Referenzpunkt aller Darstellungen zum Indischen Ozean ist Fernand Braudels Konzept der longue durée, das die klimatischen und geografischen Umweltfaktoren zur Grundlage einer langfristigen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung nimmt, während politischen Regimen eher Kurzfristigkeit beschieden und deren Einfluss daher gering eingeschätzt wird.5

Ein vielversprechender Ansatz ist, den Indischen Ozean als einen Raum zu begreifen, der sich durch die Bewegung von Menschen, Gütern und Ideen auszeichnet. Diese Bewegungen und Austauschbeziehungen über den Ozean hinweg haben die Lebens-, Denk- und Handlungsweisen der in sie involvierten Menschen nachhaltig beeinflusst. Sie generierten einen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Raum, der sich in einem sich kontinuierlich verändernden Bezugsrahmen Indischer Ozean entfaltet.6 Die neueste Forschung rückt nun Britisch-Indien als British Raj (raj = Herrschaft, Reich) von 1860 bis 1920 ins Zentrum des Indischen Ozeans, denn die Kronkolonie sei nicht nur das Juwel des Imperiums gewesen, sondern hätte in Verwaltung, Rechtsprechung und der Emigrationspolitik Maßstäbe gesetzt, die nahezu alle Anrainergebiete des Indik betrafen.7 All diese Interpretationsansätze stellen verdienstvolle erste Schritte in einer neuen Betrachtung des Indik dar.8

Weder das Mittelmeer noch der Indische Ozean waren selbstgenügsame, geschweige denn abgeschottete Wirtschafts- und Kulturregionen. Über den Landweg bestanden seit dem Altertum Handelsbeziehungen, die Waren und Menschen zwischen »Orient« und »Okzident« in Bewegung setzten; für Händler und Kaufleute ergaben solche ideologisch konstruierten Differenzierungen ohnehin wenig Sinn. Persische und arabische Kaufleute fuhren seit dem 9. Jahrhundert direkt südchinesische Hafenstädte an.9 Seit dem 12. Jahrhundert unterhielten jüdische Handelsfamilien, die in den Städten des Maghreb lebten, Handelskontakte über Alexandria und Kairo in das Rote Meer und weiter bis in das Arabische Meer hinein. Alteingesessene jüdische Familien im indischen Kozhikode (Calicut) organisierten wiederum den Handel in den indischen Küstengewässern bis zum Persischen Golf und ins Landesinnere.10

Kaufleute aus Arabien ließen sich zwischen dem 10. und 16. Jahrhundert an der Malabar-Küste nieder und heirateten ortsansässige Frauen. Deren Nachfahren sowie zum Islam konvertierte Hindus werden als »Mappila« bezeichnet. Ein Teil von ihnen blieb weiterhin im Küstenhandel engagiert, der von der Malabar-Küste über Kathiawar und den Persischen Golf bis ins Rote Meer reichte. Ihr Haupthandelshafen in Malabar blieb Kozhikode. Dessen Herrscher, der Samudri Raja (wörtl.: Herrscher des Meeres, in der Literatur meist verhunzt als »Zamorin von Calicut« bezeichnet), hatte intensive symbiotische Beziehungen zu den Mappilas aufgebaut. Über diese Handelskontakte erhielten Mamluken und Venezianer den begehrten Pfeffer, der im bergigen Hinterland von Kozhikode in großen Gärten angebaut wurde und aus dessen Erträgen und Exportzöllen der Samudri seinen Staatshaushalt maßgeblich finanzierte.11

Seit dem 12. Jahrhundert wurden die Handelsrouten entlang des Roten Meeres, des Arabischen Meeres, des Persischen Golfes und der Westküste Indiens einschließlich Sri Lankas sowie der Ostküste Afrikas verstärkt erkundet, ausgeweitet und dauerhaft unterhalten. Persische und gujarati Kaufleute ließen sich langfristig in den Hafenstädten auf Sokotra, an der Somali-Küste, auf Sansibar und an der Swahili-Küste nieder. Unter den Gujarati waren besonders prominent die Baniya aus Diu und Kathiawar sowie die Canarin, die sich vor allem auf den Handel mit Luxusgütern wie Tropenhölzer, Elfenbein und Sklaven spezialisierten. Um die Handelsgeschäfte zu dirigieren, ließen sie sich flussaufwärts am Sambesi nieder. Hier lebten sie mit arabischen und portugiesischen Händlern zusammen und waren durch Einheiratung bald kaum mehr voneinander zu unterscheiden.12 Aufgrund der maritimen Fahrtrouten und dem afro-arabisch-südasiatischen Güteraustausch ist es naheliegend, von einem Dreieckshandel im westlichen Indik, dem Arabischen Meer, zu sprechen.13

Vor allem die arabischen Handelsbeziehungen schufen ein Netz von Niederlassungen, das seit dem 16. Jahrhundert allmählich den gesamten geografischen Raum des Indischen Ozeans überzog. Es reichte von Sofala, dem Exporthafen des Goldes vom Simbabwe-Plateau, über Kilwa, dem dominierenden Handelshafen, bis nach Mogadishu, dem politisch-kulturellen Zentrum an der ostafrikanischen Küste. Über die Jahrhunderte bildete sich durch Einheiratung eine afrikanisch-persisch-arabische Gesellschaft, die Swahili, heraus. Trotz ihrer neuen Wurzeln wandten sich die Händler weiterhin dem islamisch geprägten Kulturraum im Arabischen Meer zu und betrachteten das afrikanische Hinterland lediglich als Zulieferregion von Rohstoffen wie Gold, Elfenbein und Sklaven. Im zentralen Ostafrika, das von den Flüssen Rufiji im Norden und dem Sambesi im Süden sowie dem Nyasasee in Osten begrenzt wird und zwischen den großen Häfen von Sansibar und Sofala liegt, dominierten drei Gesellschaftsverbände die Region zwischen »Meer und Meer«.

Entlang des mittleren Sambesi lebten die Maravi, die eine höchst ergiebige und arbeitsintensive Landwirtschaft betrieben, weshalb sie auf überregionalen Handel angewiesen waren. Bei den Makua-Lomwe nahe des Nyasa-Sees fand eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung statt, bei der die Männer als Jäger und Sammler tätig waren und die Frauen sich um den Ackerbau kümmerten. Daneben gab es die Yao, die sowohl landwirtschaftlich als auch kommerziell tätig waren. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, bei der die Frauen die Nahrungsgrundlage bereitstellten und die Männer sich um den Fernhandel kümmerten, bildete die sozial-ökonomische Grundlage der Gesellschaft. Es war diese arbeitsteilige Organisation, die besonders die Yao in die Lage versetzten, an der seit dem 17. Jahrhundert beschleunigten Internationalisierung des Handels zu partizipieren.14

Arabische Händlergemeinschaften existierten auch im Indonesischen Archipel. Hier nahmen die Händler aus dem jemenitischen Hadramaut eine zentrale Stellung ein. Bis ins 20. Jahrhundert bildeten sie eine umtriebige Händlerdiaspora aus, mit Schwerpunkten in Acheh und Pelambang auf Sumatra, in Surabaya auf Java und schließlich im Freihafen von Singapur. Zusammen mit anderen muslimischen Händlerfamilien etablierten sie im Laufe von Jahrhunderten eine Art islamische Ökumene. Allerdings entstand kein staatlich-islamisches Handelsimperium, dazu waren die politisch-ideologischen Differenzen allein zwischen dem Osmanischen und dem Safawiden-Reich zu gravierend. Vielmehr scheinen die kleinen muslimischen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans generell muslimische Händler gefördert zu haben, indem sie ihnen Steuernachlässe oder -exemptionen gewährten und über dieses Instrument ein Gefühl der Zusammengehörigkeit förderten.15

Ein sehr weit gespanntes Handelsnetzwerk, das über den Indik hinausging, bauten armenische Kaufleute auf. Getragen von lokalen Vereinigungen und Händlergemeinschaften reichte es im 18. Jahrhundert von London bis nach Manila. Ideelles Zentrum des eurasischen Handelsnetzes war das Stadtviertel Neu-Julfa in Isfahan, in dem Shah Abbas im 17. Jahrhundert armenische Händlerfamilien zwangsweise angesiedelt hatte. Armenische Niederlassungen gab es in Amsterdam, Marseille, Sevilla, in Madras, Calcutta und Dhaka sowie in Tibet, Birma und Java und schließlich in Canton. Liefen auch in Neu-Julfa zahlreiche Informationsstränge zusammen, befand sich hier jedoch keineswegs die logistische Geschäftszentrale. Charakteristikum des Netzwerkes war nämlich dessen dezentrale Struktur, die es lokalen Armeniergemeinschaften erlaubte, ihren Handel an den örtlichen Bedürfnissen auszurichten und eigenständig mit anderen armenischen Mitgliedern der Händlerdiaspora oder europäischen und asiatischen Kaufmannschaften zu kommunizieren. Dadurch war das Netz höchst flexibel, selbst in Zeiten, in denen das Zentrum geringe Handlungsmöglichkeiten besaß.16

Handel um und im Indik fand einerseits über Karavanenrouten statt, andererseits über eine Kombination von Land- und Seewegen oder über direkte Seeverbindungen. Über Handel und Verkehr bestand ein ständiger Austausch auch jenseits der geografischen Grenzen des Indischen Ozeans. Zentralasien, das Mittelmeer und Teile des ostafrikanischen Küstenlandes, der Malayisch-Indonesische Archipel und das Südchinesische Meer waren auf diese Art und Weise miteinander verwoben. Familienunternehmen wie die Fugger in Mitteleuropa17 oder die Jagat Seth in Bengalen,18 aber auch gemeinsame Unternehmungen verschiedener Kaufleute, in Europa als »compania« bezeichtet (Lat.: cum-pane = Brot teilende Gemeinschaft), die durchaus mit heutigen »joint ventures« zu vergleichen sind und oft staatlich gefördert wurden, bildeten die Grundstruktur solch kommerzieller Beziehungen. Der sozio-kulturelle Hintergrund in den Anrainerstaaten des Indik bestimmte dabei die Organisationsformen des Handels, dessen »Warenkorb« sowie die innerhalb von Familien- oder Clanunternehmen gewachsenen Traditionen. Über solch gewachsene Strukturen konnte die sich ändernde Nachfrage an Konsum- und Luxusgütern stets neu ausgerichtet werden.19

Mit der Expansion und der Intensivierung des Handels nahm auch die Bedeutung von Zahlungsmitteln zu, nachdem der Tauschhandel zugunsten von Währungseinheiten allmählich zurückgegangen war. Als überregionales Zahlungsmittel fand die Kauri-Schnecke breite Anerkennung. Kauris kommen fast ausschließlich auf den Malediven vor, deren Sultane aktiv die Gewinnung und den Vertrieb des Zahlungsmittels förderten. Seit dem 14. Jahrhundert tauchen Kauris an der Westküste Afrikas, im Kongobecken und im Nigerdelta auf, und am Ende des Jahrhunderts in Mauretanien. Mit Kauris wurden Waren einschließlich Sklaven in China, in Südostasien, an den Küsten Südasiens und rund um Afrika bezahlt. Lange vor dem neuzeitlichen Sklavenhandel als Zahlungsmittel im lokalen und interkontinentalen Handel als Währung akzeptiert, nahm der Export der weißen Schnecke im 18. Jahrhundert zusammen mit dem expandierenden Sklavenhandel zu. Abgesehen von ihrer Bedeutung als Handelswährung fanden Kauri-Schnecke in vielen der genannten Regionen auch als Schmuck, Dekorationsmittel und als kultischer Gegenstand Verwendung.

Ein Großteil des »Muschelgeldes« wurde auf maledivischen Schiffen nach Bengalen transportiert, um dort Reis einzukaufen. In Bengalen, dem angrenzenden Assam und in Zentralindien gewann die Kauri als Kleingeld zur Bezahlung von Steuern und im alltäglichen Handel schnell große Bedeutung. Andere Zielorte des Kauri-Handels waren das Rote Meer, von wo die Kauri ihren Weg durch die Sahara nach Westafrika fand, die Malabar-Küste, an der Westseite der indischen Halbinsel, und Sri Lanka. Der Vertrieb blieb stets in den Händen der maledivischen Sultane und nur sporadisch gelang es Portugiesen und Holländern im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts, einen Teil des Kauri-Handels zu kontrollieren. Um am Indik-Handel zu partizipieren und von ihm zu profitieren, mussten auch die europäischen Handelspartner die Kauri-Währung benutzen – das importierte Silber allein reichte nicht aus.


Maritime Handelswege im Indischen Ozean

An die begehrten Kauris kamen die Holländer über ihre Handelsstützpunkte auf Sri Lanka, wie sie das heutige Sri Lanka nannten, wo die maledivischen Händler Reis und Gewürze kauften; Briten und Franzosen über ihre Niederlassungen in Bengalen. Die Ostindiengesellschaften exportierten das »Muschelgeld« auch nach Europa, wo es auf den jährlichen Auktionen in London und Amsterdam versteigert wurde. In Amsterdam waren auch Vertreter der französischen, dänischen und britischen Westindiengesellschaften anwesend, um Kauris für den westafrikanischen Sklavenhandel und die Sklavenmärkte in der Karibik zu erwerben. Mit Abschaffung des Sklavenhandels nach den 1830er Jahren nahm allmählich auch der Bedarf an Kauris ab, wenngleich sie in einigen Regionen Südasiens bis weit ins 20. Jahrhundert noch als Zahlungsmittel vor allem für den Fiskus dienten.20


Haupthandelswege in Zentral-, West- und Südasien bis 1750

Der Seehandel respektive die Seefahrt im Indik hingen entscheidend von den klimatischen Bedingungen ab. Im Unterschied zum Mittelmeer und zum Atlantischen Ozean, wo verschiedene Windverhältnisse herrschen, wird der Indische Ozean von zwei regelmäßigen aber gegenläufigen Windsystemen beherrscht, die als Monsun (arab.: maussim: Jahreszeit) bezeichnet werden. Von den Tropen über die afrikanische Ostküste bis nach Japan wehen ab März die Winde permanent in nordöstliche Richtung. Ab Oktober drehen sie dann auf eine anhaltend südwestliche Richtung. Für die Handelsschifffahrt bedeuteten diese konstanten, aber gegenläufigen Windverhältnisse, dass Schiffe, die die afrikanische Ostküste anlaufen wollten, spätestens im September die Hafenstädte in Indien und Indonesien verlassen mussten. Umgekehrt galt für Schiffe, die von Afrika aus den Indik überqueren wollten, dass sie spätestens Anfang Januar aufbrechen mussten.21 Abgesehen vom »Monsun« weht zwischen dem 20. und 40. südlichen Breitengrad ganzjährig der »Südostpassat«, in seinem südlichsten Abschnitt auch als »Roaring Fourties« (40ster Breitengrad) bekannt.22 Vor allem die VOC nutzte diese heftigen, aber nasskalten Winde, um auf dem kürzesten Seeweg in den östlichen Indik zu gelangen.

Gute nautische Kenntnisse und navigatorische Fähigkeiten waren die Voraussetzung, um mit den Verhältnissen von Wind und Wasser zurecht zu kommen. Vasco da Gama gelang 1498 die Überquerung des Arabischen Meeres vom afrikanischen Malindi an der Swahili-Küste ins süd-indische Kozhikhode nur, weil er einen Lotsen aus Gujarat an Bord nehmen konnte, der ihm den Seeweg wies.23 Der Hochseehandel im Indischen Ozean scheint bis ins 16. Jahrhundert ohne den Versuch zur politischen Beherrschung des Meeres organisiert gewesen zu sein. Das Meer galt als ein Raum des freien Warenverkehrs, als mare liberum. Zölle waren lediglich in den Hafenstädten fällig, und zu hohe Zollforderungen führten dazu, dass ein Hafen gemieden wurde.


Kauri-Schnecken: Zahlungsmittel im Indik bis ins 20. Jahrhundert

Mit dem Auftauchen der Portugiesen änderte sich das allmählich. Aus dem Mittelmeer exportierten sie die seit der römischen Antike praktizierte bewaffnete Handelsseefahrt in den Indischen Ozean. Portugiesische Handelsschiffe glichen schwimmenden Festungen, die von ihren Stützpunkten aus gegen die Hafenstädte im Indik zum Einsatz gebracht wurden. Binnen eines halben Jahrhunderts errichteten sie den Estado da India, ein auf Stützpunkten aus Festungen, Forts und Schiffen basierendes Kontrollsystem im Indischen Ozean. Schlüsselpositionen besaßen für Ostafrika Mosambik, für das Rote Meer die Insel Socotra, für den Persischen Golf Hormuz und für den Indonesischen Archipel Melaka.24 Doch stießen die Portugiesen im Arabischen Meer schnell auf den Widerstand des Osmanischen Reiches, das 1538 mit einer gewaltigen Flotte versuchte, dem portugiesischen Vordringen Einhalt zu gebieten, jedoch vergeblich.25 Trotz ihrer maritimen Vormachtstellung gelang es den Portugiesen nicht, den Indik im 16. Jahrhundert zu kontrollieren.26

Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert veränderten die europäischen Händler und Kaufleute die Zusammensetzung des »asiatischen Warenkorbes« substanziell. Hatten sich die Portugiesen noch auf Luxuswaren wie Gewürze und Seide konzentriert, dem die Holländer im Wesentlichen folgten, waren es die Briten, die ihr Warensortiment zunehmend auf Konsumgüter wie Baumwollstoffe und Tee umstellten und damit letztlich ihre europäischen Konkurrenten aus dem Feld schlugen. Die Waren bedienten in Europa eine wachsende Nachfrage an billigen und einfach zu pflegenden Baumwollstoffen, die schnell Leinen und Wolle ablösten und nachhaltig die Mode bestimmten.27 Grobe Baumwolltextilien hingegen dienten in Westafrika als Handelsware und waren Tauschmittel beim Sklavenhandel, sofern nicht mit Kauris, Alkohol (Wein), Tabak, und Handfeuerwaffen bezahlt wurde. Auch in die Karibik und die Amerikas wurden die groben Baumwollstoffe exportiert, um den Textilbedarf der wachsenden Sklavenbevölkerung zu decken. Meist waren die Sklaven jedoch in europäisches Leinen gekleidet, ganz prominent darunter »Osnabrucker«, grobe im westfälischen Osnabrück gewobene Leinentextilien, die explizit für den karibisch-amerikanischen Sklavenbekleidungsbedarf gefertigt wurden.28

Solche Warenketten verweisen auf eine frühe transkontinentale Vernetzung, die auch über den Sklavenhandel auf den Weg gebracht wurde. Insgesamt betrachtet bedeuteten das 17. und ganz besonders das 18. Jahrhundert für den Handel im Indischen Ozean dessen Anbindung an ein expandierendes globales Handelsnetzwerk, darüber hinaus aber auch dessen allmähliche Transformation in eine zunehmend abhängiger werdende Wirtschaftsregion innerhalb eines kapitalistisch ausgerichteten Weltwirtschaftssystems. Integraler Bestandteil und pars pro toto dessen war die Sklaverei und der daran hängende Sklavenhandel.

Trotz fortschreitender Integration war der Indische Ozean kein einheitlicher oder homogener Kultur- und Handelsraum, ganz im Gegenteil. Aufgrund der geografischen Besonderheiten und der auch daraus über lange Zeit entstandenen gesellschaftlich-kulturell unterschiedlichen Entwicklungen lassen sich einzelne Groß-Regionen und Subzonen unterscheiden. Diese sind freilich nicht isoliert entstanden, doch haben sie klar abgrenzbare Charakteristika ausgebildet. Neben »Zonen des Austauschs« entstanden »Zonen der Verdichtung«. Darüber hinaus können die folgenden Makro-, Meso- und Mikro-Regionen im Indik unterschieden werden, wobei es durchaus zu »Schnittmengen« kommen konnte. Diese Regionen sind auch für den Sklavenhandel von großer Bedeutung:

Zum einen der westliche und der östliche Indik, geografisch auch als Arabisches Meer und als Golf von Bengalen bekannt. Bezieht man den Malayisch-Indonesischen Archipel ein, so würden die ihn umgebenden Wassermassen eine dritte Makro-Region bilden. Erst mit dem europäischen Vordringen in den Indik erhielt dessen südlicher Teil größere Bedeutung, allerdings weniger als Handelsraum, denn vielmehr als Schifffahrtsroute entlang der bereits erwähnten »Roaring Fourties«. Entlang der ostafrikanischen Küste bildeten sich mehrere Meso-Regionen heraus: Im südlichen Abschnitt die Maskarenen, Madagaskar und die dahinter liegende Festlandküste bis nach Kilwa, gefolgt vom Küstenabschnitt Ostafrikas in Höhe von Sansibar und schließlich dem Roten Meer. Entlang des asiatischen Kontinents ist zweifelsohne der Persische Golf eine markante Subregion, gefolgt von den Küstenabschnitten Makran-Kathiawar-Gujarat, der Konkan- und der Malabar-Küste.

Im östlichen Indik stellte die Straße von Melaka eine der wichtigsten Meso-Zonen des Indik überhaupt dar, bildete sie doch das Nadelöhr des arabisch-indischen und des chinesisch-malayischen Handels- und Kulturaustausches. Und die Zulu-See dürfte die danach wohl wichtigste Meso-Zone darstellen. Micro-Regionen könnten zahlreiche aufgelistet werden, daher sollen hier nur ein paar markante Beispiele genannt werden.


Wind- und Strömungsverhältnisse im Indik und Atlantik

Aden-Sokotra beherrschte nicht nur den Eingang zum Roten Meer, sondern auch die Austauschrouten entlang der Arabischen Halbinsel bis hinunter nach Sansibar. Der Golf von Khambhat nördlich von Mumbai wie auch die Perlenfischer-Küste und die Palk-Street zwischen Südindien und Sri Lanka bilden weitere lokale Räume intensiver Austauschbeziehungen.

Zu diesen lokalen, regionalen, trans-regionalen und inter-kontinentalen Handelsnetzwerken gehörte nicht erst seit dem 15. Jahrhundert der Handel mit Sklaven. Generell waren Sklaven und Sklavinnen »Luxusgüter«, so wie Seide und Elfenbein, weshalb sie in nur geringer Anzahl zu Wasser transportiert wurden. »Massentransporte«, wie sie für den Atlantik bekannt sind, stellten stets die Ausnahme dar. Sklaverei und der Sklavenhandel waren kein »Massenphänomen«, weder im Atlantik noch im Indik, denn dahinter standen Millionen einzelner Schicksale von Gefangennahme, Verschleppung, Vergewaltigung, Verstörung, Erniedrigung und Ausgrenzung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Sklaverei in vielen Anrainerregionen des Indik derart in gesellschaftliche Strukturen integriert gewesen sein konnte, dass sie für (europäische) Außenstehende und lokale Sklavenhalter wie ein soziales System erscheinen konnte bzw. sollte.


Haupthandelsgüter (Exporte) bis 1750

Im folgenden Abschnitt wird zunächst die Institution der Sklaverei in den einzelnen Anrainerregionen des Indik dargestellt. Ausgegangen wird von normativen Rechtstexten, die die gesellschaftliche und kulturelle Akzeptanz reflektieren, ohne freilich etwas über die tatsächlichen Formen der Sklaverei auszusagen, um sodann die rekonstruierbare Praxis der Sklaverei zu schildern. Das anschließende Kapitel ist dem Sklavenhandel gewidmet, ebenfalls nach Regionen unterteilt, wobei jeweils von der südlichen Küste Afrikas in einem nördlich gerichteten Halbkreis bis nach Südostasien vorangeschritten wird. Gleiches gilt für die Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels. Einem solchen Vorgehen liegt eine gewisse inhaltliche wie geografische Schematik zugrunde, wobei stets versucht wird, diese zu durchbrechen, um auf Interdependenzen eines so entstehenden Raumes zu verweisen. Dass es bei der Darstellung zu Unausgewogenheiten kommen kann, ist dem derzeitigen Forschungsstand geschuldet. In keinem Fall wird mit den folgenden Ausführungen Vollständigkeit, wohl aber Zugang zum Thema angestrebt.

Sahibs, Sklaven und Soldaten

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