Читать книгу Touch only - Michel Faucon - Страница 5

Оглавление

Von: boe@oettingerundpartner.de

Betreff: Re-4: Achtung, Geständnis!

Datum: 15. Mai 2011 20:04:16 EDT

An: bigapple


Sorry, dass ich Dich einen ganzen Tag lang warten ließ. Ich musste mir erst noch einmal in Ruhe überlegen, ob ich Dir das wirklich antun soll. Aber Du willst es ja anscheinend nicht anders. Dann wollen wir mal.

Ja.

Ja, ich hab’s getan.

Nicht nur das, was Du denkst, beziehungsweise unbedingt wissen willst, sondern auch etwas, von dem Du wohl niemals gedacht hast, dass ich es jemals tun würde. Schließlich habe ich mich immer lustig gemacht über die, die so etwas tun.

Ich habe versucht, Frauen im Internet kennenzulernen. In einem dieser Flirtforen. Lovefinder. Blöder Name, ich weiß, aber glaub mir, es gibt welche, die heißen noch viel dämlicher. Ich hab mir ein Profil dort angelegt und rumgeflirtet, als wäre ich der Mailer-Daemon persönlich.

Und jetzt kann ich mir Dein Grinsen vorstellen. Aber wie.

Ich könnte nun sagen, ich wollte mir nur selbst einmal bewiesen, wie unsinnig das ist, dieses Matchen und Chatten in der Anonymität, in der ewigen Gesichtslosigkeit – denn was sind die merkwürdigen Fotos, die man da angeblich von sich einstellt, schon wert. Entweder zeigt sich frau in ihrer Maienblüte, die lange vorbei ist, oder so vorteilhaft ausgeleuchtet, wie frau sich in der Realität niemals präsentieren könnte, oder sie hat sich in Photoshop aufpoliert oder lediglich ein Bild von der Person eingestellt, die sie gerne wäre.

Aber ich will ehrlich sein: Auch wenn ich übers Internetflirten bislang immer nur abgelästert habe – natürlich hoffte auch ich kleine, dumme, naive, verlorene und vor allem geile Seele auf ein erotisches Abenteuer, auf die eine attraktive Frau, die den Weg über die Anonymität im Internet geht, obwohl sie nur einmal über die Straße gehen müsste, um ein Heer von Verehrern um sich zu scharen. Ich hoffte auf den Sechser im Lotto.

Warum hätte ich mich auch nicht darauf einlassen sollen? Mit Worten und behaupteten Identitäten zu spielen, ist für mich doch kein Problem. Vor allem ist es zunächst einmal total ungefährlich, schließlich kann man selbst bestimmen, wie lange man im Schatten bleibt, sich in der Anonymität versteckt, ehe man sich zu einem Date verabredet. Wozu es im Übrigen seltener kommt, als viele glauben, die noch nie im Internet geflirtet haben.

Außerdem, und jetzt wirst Du wieder grinsen, ist es auch für mich nicht mehr so ganz einfach, draußen in der freien Wildbahn jemanden kennenzulernen. Jünger werde ich schließlich nicht, und nach fünf Jahren mit Dir bin ich ein wenig aus der Übung, was Flirten in Kneipen und Cafés angeht. Und einfach eine der frisch getrennten Seelen anzubaggern, die bei uns ihren nächsten Single-Zwischenstopp sucht, verbiete ich mir, aber das habe ich Dir ja schon erklärt – und das übrigens nicht im Suff.

Zunächst sah ich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Viele, die sich im Netz rumtreiben, hat das Leben zwischen Mikrowelle und PC so wunderlich gemacht, dass ihnen die Internetflirterei längst genug ist, dass sie sich mit dem Gedankenaustausch, manchmal auch ein wenig Dirty Talk sowie dem Spiel mit den Möglichkeiten bereits zufriedengeben und gar nicht mehr daran denken, mit ihrem „Flirt“ physisch in Kontakt zu treten. Andere suchen so verzweifelt nach der großen Beziehungsendlösung, dass sie etwaige Interessenten schon von vorneherein abschrecken. Wenn man sich tatsächlich mit ihnen verabredet, muss man fürchten, beim Abschiedskuss an der Haustür chloroformiert, ins Haus gezerrt und im Keller angekettet zu werden.

Wieder andere – wahrscheinlich die wenigen wirklich attraktiven Jungs und Mädels, die im Netz unterwegs sind, oder auch nur die, die sich dafür halten – sind so arrogant, dass sie zwischen ihren Kandidaten wählen wollen wie zwischen fettarmen Joghurts im Supermarkt. Denen muss man erst mal aussagekräftige Fotos von sich schicken, ihnen versichern, dass diese auch aktuell sind und dass vor allem die Angaben zum eigenen Körpergewicht der Wahrheit entsprechen, sie wollen aber auch charmant und kultiviert unterhalten werden, das heißt, Du musst ihnen geistreiche, humorvolle und dennoch tiefgründige Mails schreiben, während sie nur uninspirierte Oneliner zustande bringen. Denn angeblich sind sie ja nicht nur auf Äußerlichkeiten fixiert, diese Top-Frauen. Vor allem aber muss man ständig und regelmäßig in ihrer Mailbox präsent sein, damit sie sehen, dass du es auch ernst meinst, und du darfst niemals den Eindruck erwecken, dass du zeitgleich auch andere im Forum beflirtest, das geht natürlich gar nicht. Und irgendwann brechen sie den Kontakt dann einfach so ab, antworten einfach nicht mehr auf das Gesülze, das du in ihre Mailbox geseiert hast.

Nachdem ich diese Erfahrungen gesammelt hatte, überlegte ich eigentlich schon, mich von dieser freudlosen Flirterei wieder zu verabschieden. Doch dann wurde ich doch einmal positiv überrascht, als ich mich abends einloggte: Jemand hatte mich angeschrieben. Das kommt eher selten vor, dass die Damen den ersten Schritt machen, mir war es bis dahin noch gar nicht passiert. Denn so hip diese Internetflirterinnen auch sein wollen, in dieser Beziehung funktionieren sie erzkonservativ: Er hat die Initiative zu ergreifen.

Sie sprach mich auf eine Antwort an, die ich in meinem Profil gegeben hatte. Zu Deinem Verständnis: Im Profil befindet sich ein Fragenkatalog, an dessen mehr oder weniger geistreichen Antworten andere erkennen sollen, ob du interessant für sie bist. „Worüber lachen Sie am liebsten?“, heißt es da unter anderem.

Ich hatte mir vorher natürlich angesehen, was andere da geschrieben hatten. Die meisten zählten irgendwelche Komiker auf, Filme oder Bücher, manche schrieben einen kurzen Witz hin („Kommt ein Mann zum Arzt ...), und etliche versuchten es mit: „Ich lache am liebsten über mich selbst.“

„Wer so etwas schreibt, ist ein gnadenloser Schleimer“, schrieb ich in meiner Antwort, „ich lache am liebsten über andere.“

„Wenigstens sind Sie ehrlich“, stand in der ersten Mail, die ich von „Meretseger“ bekam – ich selbst hatte mir übrigens den Nick „Sundowner“ verpasst. Sie schrieb selten mehr als ein oder zwei Sätze, die aber waren immer sehr präzise auf den Punkt formuliert. Ich antwortete: „Ehrlich währt eben am längsten.“ Sie schrieb zurück: „Muss für Sie denn immer alles lange währen?“ Das klang, also ob da jemand auf ein schnelles Abenteuer aus war, was mir nur recht sein konnte. Ich antwortete: „Wenn’s schön ist, schon – doch wie lange ist lange?“ Sie schrieb: „Auf jeden Fall nicht ewig.“ Damit zählte sie schon mal nicht zur verzweifeltsten Lovefinder-Fraktion – zu denen, die noch an die ewige Liebe glauben. Die Sache versprach, interessant zu werden.

So ging es eine Weile weiter. Wir tauschten mehr oder weniger hintergründige Einzeiler aus. Sie verlangte nie ein Bild von mir, hatte allerdings auch keines von sich in ihr Profil gestellt. Das lässt eigentlich nichts Gutes erwarten, regt aber enorm die Phantasie an, das kann ich Dir sagen. Stets vermittelte sie den Eindruck einer Frau, die weiß, was sie will, und die sich nimmt, was sie will. Das inspirierte mein Kopfkino erst recht – was ihr wiederum in jeder Sekunde bewusst zu sein schien.

Bald wechselten wir aus dem Forum ins normale E-Mail-Programm, behielten aber unsere Nicks bei. Sie fragte mich nie nach meinem richtigen Vornamen, also tat ich es auch nicht – das ist ebenfalls sehr ungewöhnlich bei solchen Internetflirts, wenn sie sich weiterentwickeln sollen. Nach einiger Zeit fragte ich endlich nach, wie es wohl mal mit einem Treffen aussähe, und sie antwortete: „Fürchten Sie denn nicht, damit Ihre Vorstellung von mir zu zerstören?“

Das deutete auf eine abstoßend hässliche Schabracke hin, die sich zwar gut auszudrücken verstand, sich aber in der Gesichtslosigkeit des Internets bewegte, weil in der Realität jeder sofort das Weite suchte, der mit ihr zu tun bekam. Ich konnte und wollte dies aber nicht glauben, dazu hatte sie meine Phantasie einfach schon zu stark angeheizt. Ich schrieb zurück: „Ich gedenke eigentlich, mit einer Begegnung meine Vorstellung von Ihnen zu vervollkommnen.“ Wir waren, auch das ist im Netz total unüblich, immer noch per Sie.

Ihre Antwort: „Eine vollkommene Vorstellung von jemandem zu haben – ist das denn so erstrebenswert? Und: Ergibt diese Formulierung überhaupt Sinn? Bedeutet denn, eine Vorstellung zu haben, nicht etwas Ungefähres, etwas nicht oder nicht hundertprozentig Erfassbares? Und wenn diese Vorstellung schön ist, warum soll man dann riskieren, sie durch das, was Sie Vervollkommnung nennen, zu zerstören?“ Das war bis dato einer der längsten Posts, die ich von ihr bekommen hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf zurückphilosophieren sollte, also fragte ich so direkt, wie ich konnte, ohne unverschämt zu werden:

„Haben Sie denn so wenig Vertrauen in Ihre physische Präsenz?“

Zurück kam: „Das finde ich interessant: Sie schreiben von physischer Präsenz, nicht von optischer Erscheinung. Dabei wollen Sie doch eigentlich nur wissen, ob ich für Sie attraktiv genug bin. Sie verstehen es wirklich, sich auszudrücken. Soeben haben Sie ganz entscheidend gepunktet.“ Für ihre Verhältnisse ein weiterer halber Roman.

Ich schrieb: „Nun ja, nach meinem Verständnis schließt die physische Präsenz das rein optische Erscheinungsbild mit ein – das, was man mit hübsch oder hässlich bezeichnet. Die Optik ist jedoch nur ein Bestandteil dessen, was ich physische Präsenz nenne. Denn sie ist nicht alles. Zur physischen Präsenz kommt nämlich noch Ausstrahlung. Auch ein nach den objektiven Maßstäben für menschliche Schönheit nicht makelloser Mensch kann eine enorme Wirkung auf andere entfalten.“

Ich wollte damit eigentlich nur sagen: Auch wenn Du Dich nicht schön findest, tun’s andere vielleicht dennoch. Das soll es ja hin und wieder auch geben. Aber ehrlich gesagt, schwand sogar mir hoffnungslosem Träumer in diesen Sekunden jede Hoffnung, es hier mit einer wirklich begehrenswerten Frau zu tun zu haben. Wer so herumdruckste, der hatte etwas zu verbergen. Wahrscheinlich sich selbst.

„Und eben das glaube ich nicht“, antwortete sie. „Warum soll die optische Erscheinung, das oberflächlich Sichtbare also, ein wesentlicher Bestandteil der physischen Präsenz sein? Nimmt sie nicht viel mehr den Dingen ihr letztes Geheimnis? Haben Sie denn den Kleinen Prinzen nicht gelesen? Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Gestatten Sie mir, Sie zu überzeugen.“

Ich fragte, wie sie sich das denn nun vorstelle.

Daraufhin schlug sie ein Treffen vor. Allerdings in einem vollständig verdunkelten Raum.

Okay, ich hatte schon einmal von solchen Darkrooms gehört. Sie waren mir allerdings nur aus der Schwulenszene bekannt, mittlerweile mochte es sie auch in einigen ausgefallenen Swingerclubs geben. Soweit ich wusste, trafen sich in diesen Darkrooms zwei Menschen zum Sex, die anonym bleiben wollten, weil es ihnen so leichter fiel, ihre Phantasien auszuleben. Das verhieß also nichts Gutes.

Ich überlegte daher, den Kontakt an dieser Stelle einfach zu abzubrechen. Wie durchgeknallt war dieses Weib denn? Beziehungsweise wie arm dran?

Mit dem vermeintlich letzten Rest Neugier fragte ich: „Und dann?“

„Werden wir uns kennenlernen. Oder sagen wir lieber: Einander erfahren.“

„Was heißt das? Wir trinken im Dunkeln einen Kaffee und plaudern ein wenig?“

„Nein. Wir reden nicht, wir sehen uns nicht. Wir berühren uns nur.“

„Wir berühren uns nur? Wie denn?“

„Wie Sie wollen. Wir berühren uns mit den Fingern, den Lippen, der Zunge und was Ihnen sonst noch so einfällt.“

Mein Verstand sagte mir immer noch, dass mich unter diesen Vorzeichen doch eigentlich nur ein Alptraum erwarten konnte, doch meine Lust auf ein aufregendes Abenteuer wollte sich trotz aller offenkundigen Fallstricke einfach nicht besiegen lassen.

„Was ist, wenn ich irgendetwas ertaste oder fühle, was mir nicht behagt? Darf ich dann einfach gehen?“ Ich stellte mir vor, wie meine Hände über fettes, runzliges oder vielleicht sogar verbranntes oder faules Fleisch gleiten, mich Panik erfasst, Brechreiz übermannt, ich aus einem vollkommen nachtschwarzen Raum zu fliehen versuche, einen Türgriff ertaste, diesen drücke, die Tür aber abgeschlossen ist ...

„Selbstverständlich dürfen Sie gehen. Jederzeit.“

Darauf antwortete ich nicht mehr. Ich wusste nicht, was ich zurückschreiben sollte: Ja oder nein? Etwa eine Stunde später schickte sie noch eine Mail.

„Münsterstraße 8. 19. Stock. Vom Lift aus den Gang hinunter, letzte Tür rechts. Morgen, 21 Uhr.“

Das war’s dann, und ich wusste nur zu gut, dass von nun an auch nichts mehr kommen sollte – egal, wie oft ich noch nachfragte. Dazu konnte ich „Meretseger“ mittlerweile gut genug einschätzen, doch was hieß das schon: „gut genug“, das würde bei ihr niemals „wirklich gut“ bedeuten. Sie hatte gerade genug Worte gesetzt, um mich so anzufeuern, dass ich die Nacht nicht schlafen konnte, meine Phantasie so angefixt, dass sie meinem Verstand bis in den Morgen gnadenlos zusetzte. Entsprechend angeschlagen startete der dann in den nächsten Tag.

Wer anders als Quasimodos Schwester persönlich konnte mich in diesem total abgedunkelten Raum erwarten?

Oder würde vielleicht, wenn ich, vor Aufregung und Geilheit sabbernd, in der Schwärze stand, plötzlich das Licht angehen – und ich würde einer giggelnden Schar pickliger Psychologiestudentinnen gegenüberstehen, die sich, mit Videokamera und Diktiergeräten bewaffnet, vor Lachen ausschütteten und einander beglückwünschten, was für großartige Ergebnisse ihnen diese Art der Feldforschung für ihre Seminararbeit doch bescherte?

Aber diese wohldosierten, mysteriösen Worte wollten mir einfach keine Ruhe lassen: Einander erfahren, berühren mit was auch immer, den Dingen nicht ihr letztes Geheimnis lassen. Da sprach keine picklige Psychologiestudentin, sondern jemand, der wusste, was er tat.

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Konnten das nicht doch die Worte einer wunderbar geheimnisvollen Schönen – wohlgemerkt: Schönen – sein, die auch sich selbst nur eine erotische Phantasie verwirklichen wollte? Doch dazu hätten sie doch wenigstens die Eckdaten meiner körperlichen Beschaffenheit interessieren müssen. Quasimodos Schwester würde es sicher nichts ausmachen, im Dunkeln Quasimodos Profil zu ertasten, doch eine Schönheit, die sich eine erotische Phantasie erfüllte, musste sich doch ein wenig mehr Gewissheit verschaffen, dass ich ihrer Phantasie wenigstens einigermaßen gerecht werden konnte.

Sicher, meine Größe und mein Gewicht hatte ich in meinem Lovefinder-Profil angegeben, somit verfügte sie zumindest über Basisangaben. Andererseits: So naiv, diese Angaben einfach zu glauben, konnte sie doch nicht sein. Diese Zahlen schönte sich ja wohl jeder Lovefinder-Kunde zu seinen Gunsten, die einen weniger, die anderen mehr.

Oder war sie vielleicht ein VIP, eine Frau in hoher gesellschaftlicher oder beruflicher Position, eine „Dame von Rang“, wie es in einem Roman des 19. Jahrhunderts heißen würde – eine Frau, die ein erotisches Abenteuer wollte, ohne dass jemand ihr Gesicht erkannte?

Ich weiß: Die aufregendste aller Möglichkeiten, doch gegenüber den vorangegangenen die mit weitem Abstand unwahrscheinlichste. Abgesehen davon hätten es für die „Dame von Rang“ doch auch Masken getan, oder? Ich vielleicht als Arnold Schwarzenegger, sie als Miss Piggy ...

Ich brachte den ganzen langen Tag über keinen klaren Gedanken zusammen. Am Vormittag stammelte ich mich vollkommen unkonzentriert durch zwei Besichtigungstermine, dabei konnte ich froh sein, endlich mal wieder welche zu haben, und dann auch noch gleich zwei hintereinander. Am frühen Nachmittag machte ich Feierabend, leistete mir sogar den Luxus, einen weiteren Besichtigungstermin abzusagen, fuhr nach Hause und schaute den Zeigern der Küchenuhr zu. Ticktackticktack ...

Was soll ich sagen? Um 20.30 Uhr streife ich mir die kurze Lederjacke über, in der ich mich besonders verwegen fühle, und ziehe los. Und, nicht lachen: Ich stecke mir dieses Klappmesser mit feststeckbarer Klinge ein, das uns mal vor Weihnachten als Werbegeschenk ins Haus flatterte, keine Ahnung mehr, von wem.

Den giggelnden Psychologiestudentinnen, so sie mir denn begegnen, werde ich einfach ganz frech ins Gesicht lachen, wenn das Licht angeht, nehme ich mir vor. Als hätte ich mit nichts anderem gerechnet als einem Scherz.

Auf der Fahrt versuche ich mir zu beweisen, dass ich noch alle sieben Sinne beisammen habe. Ich achte peinlich genau darauf, nicht zu schnell zu fahren, bemühe mich, kein Schild, keine Ampel zu übersehen – und verschulde dennoch ums Haar mindestens drei Unfälle. Auf einer Strecke von nicht einmal vier Kilometern.

Im Parkhaus suche ich nach einem Schild mit Öffnungszeiten. Nicht alle öffnen ja die ganze Nacht hindurch ... verflucht, rechne ich jetzt schon ernsthaft damit, bis zum nächsten Morgen zu bleiben? Wer weiß, vielleicht dringt dann durch irgendeine Ritze ein Lichtstrahl in die abgedunkelte Wohnung und meine mysteriöse Gastgeberin zerfällt zu Staub ...

Münsterstraße 8 ... eines von nur wenigen Hochhäusern in der City. Wohnt sie da wirklich, die geheimnisvolle Meretseger? Würde ihr gar nicht ähnlich sehen, in ihre Privatgemächer zu bitten, auch wenn ich sie nicht zu sehen bekomme ... aber was eigentlich würde ihr überhaupt ähnlich sehen?

Am Hauseingang streifen meine Augen flugs über die Namen an der gigantischen Klingeltafel, die neben der Aufschrift „19. Stock“ stehen. Sedlacek, Virnes, Sabato, Kieffer, Helldahl ... und ein Kästchen ohne Namen. Da soll ich bestimmt hin ... obwohl: „Virnes“ – wär doch kein schlechter Name für eine geheimnisvolle Schöne, oder?

Doch, Moment mal: Wer soll mir die Haustür eigentlich öffnen? Wo soll ich klingeln?

Ich denke kurz nach, drücke dann etwa zwölf Knöpfe gleichzeitig, warte die ersten Rückmeldungen aus der Freisprechanlage ab und erkläre: „Werbung. Darf ich mal kurz an die Briefkästen?“ Schon ist der Türsummer zu hören. Voilà. Dass ich derart banale Tricks beherrsche, hat Meretseger wohl ganz einfach vorausgesetzt.

Der Fahrstuhl kommt ewig nicht, endlich höre ich, wie er näher kommt, quietschend und entsetzlich langsam. Eine hässliche alte Frau zwängt sich vor mir aus dem Lift. Na, die ist es schon mal nicht. Ich ächze nach oben in dieser ungemütlichen, ramponierten Zelle. Die Rückwand ist verspiegelt. Ich betrachte mich kurz in dem aschfahlen, schäbigen Neonlicht. Hübsches Kerlchen, denke ich, obwohl das Spiegelglas gesprungen ist und mir eine grausliche Narbe quer durchs Gesicht zieht. Was spielt das heute Abend schon für eine Rolle ...

Verflucht, jetzt fängt mir doch das Herz an zu pochen.

19. Stock. Die Tür öffnet sich. Ich trete heraus, taste nach einem Lichtschalter. Ich starre in einen engen Flur, die Wände könnten dringend mal wieder einen Anstrich vertragen. Hoffentlich hole ich mir hier nichts. Ich schreite den Gang hinunter. So entschlossen ich kann. Klappt ganz gut. Wär ja auch noch schöner, wenn mir jetzt auch noch die Knie schlotterten.

Letzte Tür rechts. Kein Name an der Klingel. Die Tür ist angelehnt. Das ist nicht weiter überraschend: Würde sie mir die Tür öffnen, könnte ihr ja das Licht aus dem Flur übers Gesicht huschen. Hinter der Tür ist ein schwerer Vorhang, einer, der eigentlich keine Wärme aus der Wohnung entweichen lassen soll, der aber auch genauso kein Licht hinein- oder hinauslässt.

Ich trete ein – und schließe die Tür. Doch, wenn ich schon erscheine, will ich mich auch an die Spielregeln halten. Dunkel soll es sein, also bleibt es dunkel. Ich suche nach dem Spalt im Vorhang, finde ihn wie vermutet exakt in der Mitte, mache einen Schritt hindurch.

Dunkelheit. Nichts als Nacht um mich herum. Rabenschwärze. Abgrundtief.

Verdammt, wie nur bekommt man einen Raum so was von dunkel? Irgendein Fenster muss diese Wohnung doch haben. Dass es so dicht schließende Jalousien überhaupt gibt – oder hat sie die Fensteröffnungen vielleicht zugemauert?

Ich bleibe erst einmal stehen. Warte, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Nach einer Weile sehe ich zwar immer noch nicht einmal eine Andeutung von Nichts, doch hat sich mein Herz ein wenig beruhigt. Ich höre meinen Atem.

Und noch einen anderen.

Ihren.

Ich schlucke. Mein Mund trocknet aus.

Ich halte die Luft an, um sie besser atmen zu hören. Sie atmet total ruhig. Ganz sanft. Jetzt kann ich ihren Atem sogar spüren. Als leichten Luftzug auf meinem Hals.

Sie steht unmittelbar vor mir.

Wir verharren lange so. Keiner bewegt sich. Sie will nicht. Ich kann nicht. Wenn es nicht so gottverdammt dunkel wäre ...

Warum rührt sie sich denn nicht? Beobachten kann sie mich ja schlecht. Oder hat sie Infrarotaugen – wie der Terminator?

Plötzlich fährt mir ein Blitz durch den Körper.

Mein Gesicht wird berührt. Mir bleibt das Herz stehen. Ich kann auch nicht zurückweichen, nicht einmal instinktiv. Bin starr vor Schreck.

Es sind Finger. Zarte Finger, schlanke Finger, schöne Finger. Ich meine natürlich: Bestimmt sind sie schön. Sie fühlen sich jedenfalls wunderschön an.

Eine ganze Weile bleiben sie ruhig auf meinen Wangen liegen. Geben mir Zeit, mich zu entspannen.

Sie streichen an meinem Gesicht hinunter, unendlich langsam. Bis ich die Daumenkuppen oberhalb meines Kehlkopfes spüre. Ganz sanft. Sie reiben meinen Adamsapfel. Sie könnten jetzt zudrücken, wenn sie wollten. Aber sie tun es nicht. Es ist wunderbar.

Endlich werde auch ich mutiger. Ich hebe die Hände, suche vorsichtig nach ihrem Gesicht, um ihr gleichzutun.

Da ist es. Sie ist einen halben Kopf kleiner als ich, um die einssiebzig also. Ich berühre mit den Fingerkuppen beider Hände ihre Wangenknochen, links und rechts, und streiche dann an ihrem Gesicht hinunter, so langsam, wie sie es bei mir getan hat.

Nein, das ist kein fleischiges Gesicht, kein runzliges, bestimmt auch kein entstelltes. Es ist schmal, ebenmäßig und zart. Wunderschön. Ich weiß, ich muss mich wieder korrigieren: Es muss wunderschön sein. Doch kann man denn Schönheit nur mit den Augen erfassen? Wer sagt das eigentlich? Langsam verstehe ich, von was sie mich überzeugen will.

Ich lasse meine Hände an ihrem Gesicht hinuntergleiten, auf ihre Schultern. Ihre Finger haben sich mittlerweile um meinen Hals geschlossen, die Kuppen erforschen sanft meinen Nacken, wühlen sich dann in mein Haar.

Meine Daumen streifen derweil links und rechts über ihre Schlüsselbeine. Ich spüre nur Haut. Sie ist nackt. Etwa ganz? Ich nehme mir vor, nein, ich zwinge mich, mir damit, diese Vermutung zu bestätigen, viel Zeit zu lassen. Ganz viel Zeit.

Ich lasse meine Hände an ihren Oberarmen hinuntergleiten, bis zum Ellbogen. Sie Richtung Brüste zu bewegen, erscheint mir ungehörig. Viel zu früh, viel zu billig. Würde viel zu viel zu schnell zerstören. Ich schiebe meine Hände unter ihre Arme lasse sie auf ihre Hüften gleiten, verweile ein wenig. Zum Becken hin wölben sie sich sanft, laden mich ein, zum Hintern weiterzuwandern. Ich folge, so langsam und beherrscht ich kann. Mir ist, als wäre jede hastige, kräftigere Bewegung ein Fehler, der alles zerstört und niemals wiedergutzumachen wäre.

Sie ist tatsächlich nackt. Ganz nackt. Vorsichtig kralle ich meine Finger in ihre Pobacken. Sie sind fest, aber nicht übermäßig muskulös. Sie fühlen sich an wie der Rest des Körpers, den ich bislang kennengelernt habe: wie der Körper einer Frau, die figurbewusst lebt, aber die sich dafür nicht exzessiv schindet, die eben Frau bleiben will. Zart, weich und warm.

Sie immer noch am Po fassend, ziehe ich sie zu mir heran. Ihr nacktes Becken drückt sich fest gegen meine Jeans, die sich mittlerweile stark spannt. Ihr Gesicht bleibt jedoch zurück: Sie hat sich nach hinten gebogen, als ich sie an mich presste. Ich gleite mit der Linken hinauf, zwischen ihre Schulterblätter, um ihre Wirbelsäule wieder zu begradigen, ihren Kopf an meinen zu führen, endlich ihre Lippen zu spüren. Fast gelingt es: Für einen winzigen Augenblick, eine herrliche, wunderbare Millisekunde lang, berühren sich unsere Lippen, doch dann dreht sie sich von mir weg und entwindet sich meinen Griff. Flink, aber nicht ruckartig, bestimmt, aber nicht grob.

Sie hat sich umgedreht. Ihre linke Hand greift nach meiner rechten. Sie zieht mich weiter, tiefer hinein in die Dunkelheit. Ich folge, gespannt auf alles, was kommt, aber auch unsicher. Einfach so einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne sehen zu können, wohin man tritt, das ist gar nicht so ohne.

Schließlich bleiben wir stehen. Sie zieht mich herab. Ich ertaste den Rand eines Bettes, setze mich. Es ist kein sehr weiches Bett, keine Ahnung, wie groß es ist. Wir sitzen eine Weile nebeneinander, einander zugewandt, spüren uns nur. Ihre Hände legen sich auf meine Schultern. Jetzt, endlich, zieht sie mich zu sich heran. Küsst mich. Sie hat warme, geschmeidige, fast ein wenig zu trockene Lippen. Ich erwidere den Kuss vorsichtig.

Sie zieht den Reißverschluss meiner Lederjacke bis auf Höhe meines Bauchnabels herunter. Dann schiebt sie mir die Jacke über die Schultern, nur ein Stück, auf den Rest muss ich selber kommen: Gut, dass ich nicht schwer von Begriff bin. Blitzschnell schäle ich mich aus der Jacke. Wir küssen uns wieder, dann knöpfe ich mich aus dem Hemd, so schnell ich kann. Ein, zwei Knöpfe verabschieden sich und springen auf den Boden, Parkett anscheinend. Es sind nur winzige Knöpfe, bei mir zu Hause würde ich sie kaum fallen hören, doch hier, in dieser zauberhaften Stille, schneidet mir ihr Klimpern ins Ohr, dass ich es kaum ertragen kann. Was für ein Missklang. Ich war zu hektisch, zu gierig.

Sie tut jedoch, als sei nichts geschehen. Dem Himmel sei Dank.

Ich sitze nun mit nacktem Oberkörper neben ihr, ihr zugewandt. Sie streicht mit den Handflächen über meinen Brustkorb. Hoffentlich hat sie nichts Unbehaartes erwartet, oder gar was ordentlich Muskulöses. Doch sie scheint ganz zufrieden zu sein mit dem, was ihre Hände entdecken.

Von der Hose zieht sie mir lediglich den Gürtel aus der Schlaufe, um mir zu bedeuten, dass ich mich nun auch von ihr befreien soll. Ich gehorche erneut mit einem Affenzahn. Die Schuhe streife ich mir mit den Füßen ab. Diesmal gibt es nur ein kurzes Geräusch, als meine Hosen auf dem Boden landen. Die Gürtelschnalle.

Jetzt sind wir beide nackt. Sie drückt mich sanft auf die Matratze. Ich soll also auf dem Rücken liegen. Und nicht allzu viel mit den eigenen Händen machen, denn sie packt mich an den Handgelenken und drückt mir die Arme hinter den Kopf. Dann streift sie mit den Handflächen meine Arme hinunter, auf den Brustkorb zurück, erforscht nun, wie er sich anfühlt, wenn er gespannt ist, lässt sich lange Zeit, bis sie ihre Forschungsreise in die Region unterhalb der Gürtellinie fortsetzt. Dann massiert sie mich zwischen den Beinen, aber sehr zurückhaltend, damit ich nicht zu früh explodiere.

Sie weiß, was sie tut.

Irgendwann hört sie auf, legt sich neben mich. Ihr Zeichen, dass nun ich aktiv werden soll. Auch ich beginne nun das Spiel mit den Händen, aber ich kann es längst nicht ausdauernd, so langsam, so beherrscht wie sie. Ich berühre nun auch zum ersten Mal ihre Brüste. Sie sind wunderbar natürlich, warm und weich, nicht übermäßig ausladend, verfügen über kleine, feste Nippel mit anscheinend nur wenig Vorhof. Ich knete sie einen Moment, dann ihren Bauch, dann lasse ich meine Hand zwischen ihre Beine gleiten.

Als ich spüre, wie feucht sie ist, halte ich es nicht mehr aus. Ich rolle mich auf sie, streiche noch einmal mit der Rechten über ihr Gesicht, dringe in sie ein. Im letzten Moment kann ich mich aber gegen die Nullachtfünfzehn-Position entscheiden, die soll es nicht sein, nicht beim ersten Mal. Ich reiße sie in die Höhe, in die Hocke, pfähle sie auf meinen Schoß, presse sie an mich und drücke mein Gesicht an ihrem Hals. Warte, bis sie mit ihren Bewegungen beginnt. Doch damit lässt sie sich erst einmal Zeit. Viel Zeit. Wir verharren erst einmal ineinander, ich sitzend, sie in meinem Schoß kniend.

Dann, endlich, die erste Bewegung ihres Beckens. Zunächst ist es nur eine kurze Auf- und Abwärtsbewegung. Nach einer Pause folgt eine weitere, intensivere, dann die nächste. Die Intervalle werden kürzer. Sie richtet sich während ihrer Bewegungen sogar ein wenig auf. Ich versuche, meinen Atem zu kontrollieren, mich ihrem Rhythmus anzupassen.

Und?

Wie viel genauer willst Du’s noch?

Da Du ja auch von mir verlangst, dass ich mir die Frage „War er besser als ich?“ verkneife, will ich mich ab hier zurückhalten und auch keine Vergleiche mit Dir anstellen. Ich will Dir nur sagen: Es war die intensivste sexuelle Erfahrung meines Lebens.

Denk aber nicht, dass ich das jetzt sage, um Dich zu verletzen. Auch mit Dir war es immer wunderschön. Was es mit ihr so großartig machte, war vielleicht ja noch nicht einmal sie selbst – eigentlich waren es die Umstände, die sie geschaffen hatte, die Inszenierung, verstehst Du? Ich habe keine Ahnung, ob sie Dir das Wasser reichen könnte, wenn sie für mich ein Mensch mit einem Gesicht und einer Stimme wäre: Im Grunde war es genau dieses Keine-Ahnung-Haben, was sie und die Begegnung mit ihr so aufregend machte.

Irgendwann bin ich übrigens eingeschlafen. Und auch wieder aufgewacht. Allein. Immer noch war alles schwarz um mich. Ich tastete nach meinen Kleidern. Daran, nun auch in Ruhe mal diesen Raum zu erforschen, dabei eventuell auch einen Lichtschalter zu finden, dachte ich nur kurz. Ich verbat es mir sofort. Es wäre Betrug gewesen.

Sodele.

Ich denke, das ist die längste E-Mail, die ich je geschrieben habe. Während ich das tat, habe ich mich langsam, aber sicher betrunken, mit dem Frühburgunder, unserem Frühburgunder, wenn Du Dich erinnerst – das war vielleicht nicht sehr charmant, es gerade zu tun, während ich Dir von einem Abenteuer mit einer anderen Frau berichte, aber das wird mir erst jetzt bewusst. Sorry. Ich werde mich jetzt in die Kiste schaffen, bevor mich der Schlaf am Computer übermannt, ich will schließlich nicht enden wie ein erbärmlicher Nerd.

Schönen Abend noch für Dich. Und immer dran denken: Du warst es, die’s unbedingt wissen wollte.

Von: bigapple

Betreff: Puuh!

Datum: 16. Mai 2011 12:03:13 MESZ

An: boe@oettingerundpartner.de


Mein lieber Scholli! Da schlägt man morgens die Augen auf, schaltet seine Apfelmaschine ein und findet ein solches Epos in der Mailbox.

Bruno, alter Schwede!

Schickst Du mir so etwas jetzt öfter?

Wenn ja, würd ich’s gern schon abends vor dem Zubettgehen lesen. Damit ich die Eindrücke in meinen Träumen verarbeiten kann. Sag bitte auch schnell Bescheid, wie oft Du so etwas zu liefern imstande bist, denn dann brauch ich mir auch kein Pay TV zu organisieren.

Ich muss jetzt los. Melde mich heute Abend wieder. Über Tag werde ich mir ein paar Gedanken zu Deiner Geschichte machen. Hoffentlich kann ich mich heute überhaupt auf irgendwas anderes konzentrieren. Was für eine Geschichte!

Hab übrigens viel gesehen am Wochenende. Obwohl ich die öffentlichen Verkehrsmittel immer noch meide. Darin fühle ich mich immer noch unwohl, zu laut, zu überfüllt, außerdem habe ich Angst, nicht nach Hause zurückzufinden, wenn ich mich von ihnen weiter in diesen dampfenden, scheppernden Moloch ziehen lasse, ich weiß, ist Unsinn, Klein-Vera ist nicht blöd und würde schon die U-Bahn in die andere Richtung erwischen, aber das sind halt so Bauchgefühle, wie sie sich hoffentlich bald legen.

Noch macht mir die Stadt Angst, noch will sich das Downtown-Feeling nicht einstellen. Vielleicht bin ich nach meinem ersten Abenteuer auch ein wenig eingeschüchtert. Mark mit dem schönen Mund hat sich nämlich nicht mehr gemeldet. War anscheinend nur auf einen One-Night-Stand aus. Und ich? Wollte ja eigentlich auch nicht mehr. Sollte also zufrieden sein. Aber wie’s halt so ist. Ein bisschen mehr als das hatte ich halt doch gewollt.

When you’re alone and life is making you lonely you can always go downtown ...

Tatsächlich? Ich fühle mich auch Downtown noch allein ...

When you’ve got worries all the noise and the hurry seems to help I know ...

Mir hilft er nicht.

Just listen to the music of the traffic in the city ...

Also, für mich ist das noch lange keine Musik. Nur ohrenbetäubender Krach, der einfach nie verstummt. Hat Petula also gelogen? Ich hoffe nicht. Ich brauche nur ein wenig Zeit.

Immerhin: Ich hab zu Fuß den Battery Park erkundet. Hab ihn zum Anlaufpunkt für meine Joggingstrecke genommen, die ich mir nun jeden Morgen vornehmen werde, oder sagen wir lieber: drei Mal die Woche, mindestens. Einfach, um rauszukommen, aber auch, um fit zu bleiben. Wär vielleicht auch nicht schlecht, mal ein paar Pfund zu verlieren, denn hier scheinen geschätzte 85 Prozent aller Frauen unter vierzig Models zu sein oder in ihrer Freizeit zu modeln oder es einfach nur irgendwie zu schaffen, den Schönheitsidealen zu entsprechen, die Heidi, Naomi und Co. vorgeben – wie, weiß ich nicht. Noch nicht. Hätte jedenfalls nicht gedacht, dass ich mit meiner Figur mal irgendwo Minderwertigkeitskomplexe bekommen würde. Wenigstens bin ich naturblond, was allerdings auch kaum ein Vorteil ist, weil Männer ohnehin nicht unterscheiden können, welches Blond Natur und welches künstlich ist.

Gestern habe ich dann vom Battery Park aus die Fähre zur Freiheitsstatue genommen. Nicht gerade originell, aber zwischen lauter Touris fühle ich mich halt am wenigsten allein. Ab und zu hörte ich sogar jemand German speaken. Und Lady Liberty? Ist sehr groß und sehr grün.

P.S.: Für den Fall, dass wir wieder zusammenkommen, wenn wir uns in einem Jahr wiedersehen, verspreche ich Dir, dass wir es als Erstes mit verbundenen Augen treiben.

Heb Dir diese Mail gut auf, als Beleg, um dieses Versprechen einfordern zu können.

Von: boe@oettingerundpartner.de

Betreff: Re.: Puuh!

Datum: 16. Mai 2011 06:43:52 EDT

An: bigapple


Keine Angst, von einem erotischen Abenteuer dieser Güte wirst Du so bald nicht mehr lesen, zumindest nicht aus meiner Feder. Die geheimnisvolle Schöne verschenkt ihre Gunst anscheinend immer nur einmal pro Nase. Vielleicht habe ich sie auch mit irgendetwas verärgert, keine Ahnung, mit was, aber bei ihr hat man nie so richtig Ahnung von irgendetwas.

Jedenfalls hat sie den Kontakt zu mir abgebrochen.

Das fand ich zunächst natürlich schade, aber mittlerweile denke ich, das ist schon in Ordnung so. Ein solches Erlebnis kann man wohl nur einmal im Leben haben. Ab dem zweiten Mal würde es wahrscheinlich schon an Faszination verlieren. Von Beileidsbekundungen bitte ich daher Abstand zu nehmen.

P.S.: Mich von Dir mit verbundenen Augen vernaschen zu lassen, ist eine sehr reizvolle Vorstellung. Aber, mit Verlaub: Es wäre nicht dasselbe, da ich Dich ja vorher schon gesehen habe. Dein Bild bliebe also auch in meinem Kopf, wenn ich mir die Augen verbinde. Aber wenn es gar kein Bild gibt von der Frau, mit der Du zusammen bist, dann ist das einfach ... unvorstellbar.

Beziehungsweise: Du kannst Dir alles vorstellen. Und weißt nichts. Und eben das ist es, was „es“ so ungeheuerlich macht.

Von: meretseger

Betreff:

Datum: 16. Mai 2012 17:07:28 MESZ

An: sundowner


Heute Abend. Selbe Zeit. Selber Ort.

Touch only

Подняться наверх