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Prolog

Planetengrab

Im Alkoven drehte sich das zerbrechlich wirkende Mädchen vom Rücken auf die Seite, als hätte eine unerwartete Erschütterung seinen Schlaf gestört. Die Lider zuckten. Lange, weiße Haare rieben über das dunkle Kissen. Der zufriedene Ausdruck auf dem Gesicht verschwand, als schöbe sich ein Wolkenband vor eine Sonne.

Das warme, helle Gleißen, das Chariklis Kavali im Schlaf umgab wie eine Decke aus Zuversicht, verlor seine Kraft. Eine Erinnerung stieg auf, quoll der Wahrnehmung entgegen gleich einer Luftblase, die vom algenübersäten Grund eines Teichs der Oberfläche zustrebte. Im ersten Impuls versuchte Chariklis mental nach dieser Luftblase zu greifen, doch wie eine Luftblase, die man mit der Hand einfangen will, glitt sie davon, rutschte durch die Finger.

Das Erinnern ließ sich nicht aufhalten. Unerbittlich näherte es sich dem Wasserspiegel.

Die Blase erreichte die Oberfläche, durchbrach sie.

Chariklis zuckte zusammen, griff im Schlaf nach dem Kissen, das sie im Alkoven begleitete und mit dem sie mehr Zeit verbrachte als mit ihrem Erbvater. Ihre Hände gruben sich hinein, drückten zu. Das schmale Kindergesicht verzog sich, als litte Chariklis Schmerzen.

Die geborgene, vertraue Welt war verschwunden. Chariklis lag nicht mehr im Alkoven. Ihre Gedanken hatten Lichtjahre zurückgelegt, schneller als jedes Transitionstriebwerk. Sie hatten den Körper zurückgelassen, schlüpften in etwas Neues. Sie war ein Planet, eine fremde Welt, schrecklich weit entfernt. Wärme strömte aus, versickerte wie Blut in der Finsternis des Alls. Ein unfassbares Unglück war geschehen – oder war es mehr gewesen als das? Ein Anschlag auf die Kristallbaronien?

Hinter diesem Leid steckte eine bösartige Kraft. Ihr Nachhall war noch da; durchdrang die Erinnerung wie eine Hintergrundstrahlung.

Eisige Kälte läutete das Ende ein. Der Planet drehte sich dem Untergang entgegen. Er würde sterben.

Dies war mehr war als ein Traum. Chariklis Kavali erinnerte sich an das, was kommen würde, an die Zukunft. Es war ihre Bürde, die sie zu tragen hatte. Der kosmische Hauch umwehte sie, zeigte ihr, was kam. Nun musste sie heraus aus dieser Vision, aufwachen, Atlan da Gonozal warnen ... Es kam auf jede Minute an!

Sie trennte sich von der fremden Welt, die sich wie ihr Körper anfühlte, flog einem Falken gleich davon, schneller und leichter als jede Rakete. Sie jagte in die sonnenlose Dunkelheit. Unter ihr lag eine Metropole, die rasch kleiner wurde. Die Stadt war in Aufruhr. Zehn Millionen Bewohner fürchteten um ihr Leben.

Es gab Plätze, die Chariklis kannte oder von denen sie gehört hatte. Gebäude, die wichtig waren. Eine Zitadelle. Die Akademie ... Wie hieß sie noch gleich? Der Name wollte Chariklis nicht einfallen. Sie versuchte, Details zu erhaschen, doch sie war schon fort, ehe sie die Stadt wirklich gesehen hatte.

Welche Welt war es, die da im Sterben lag? Wen würde es treffen? Wann? Und vor allem: wie? Was genau würde geschehen, dass ein kompletter Planet vernichtet werden sollte?

Chariklis wollte helfen. Sie musste wissen, was vor sich ging. Je mehr sie herausfand, desto mehr konnte sie Atlan sagen.

Sie durchstieß den Orbit, ließ ihn hinter sich. Aufmerksam betrachtete sie die Sternbilder, versuchte zu verstehen, wo genau sie war. Das Bild flackerte. In der Dunkelheit erschienen ferne Sonnen, verschwanden wieder. Erst nach einigen Sekunden kehrten sie zurück, als hätte das Bild einen Wackelkontakt, der es aus- und wieder eingeschaltet hatte. Eine Konstellation dreier Gestirnhaufen in weiter Ferne fiel Chariklis auf, die charakteristische Spiralarme bildeten. Sie war erst sehr nahe, dann unendlich weit fort. Konnte das ...

Der Gedanke zerfaserte. Wärme kehrte in ihren Körper zurück, das helle Gleißen, das sie wie ein Mantel schützte, schloss sich um sie. Die fernen, flackernden Sonnen verblassten.

Nein!

Chariklis wusste, was die Veränderung bedeutete: Ihr Körper drohte tiefer zu schlafen. Wenn sie nachgab, würde sie vielleicht erst in Tagen aufwachen – Tage, die vergehen würden, ereignislos, ohne Hilfe für die zum Tode verurteilte Welt.

Es war Chariklis, die das Schicksal kannte. Niemand außer ihr konnte eingreifen.

Aufwachen! Wach auf! Es ist wichtig!

Aber sie wachte nicht auf. Tiefer, immer tiefer sank sie in Wärme und Geborgenheit, bis sie fest und traumlos schlief, mit einem Lächeln auf den weichen, rosigen Lippen. Die Verkrampfung der Finger löste sich, das Kissen glitt aus den Händen, das weiße Haar lag still. Was immer kommen würde – es musste warten, bis die Erbtochter ausgeschlafen hatte.

Perry Rhodan 3085: Der verurteilte Planet

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