Читать книгу Sex on the Beach - Michèle Parsons - Страница 7

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3. Kapitel

Am nächsten Morgen ließ Sibylle sich das Frühstück von Carol auf der offenen Veranda servieren. Auch wenn ihr Aufenthalt auf der Insel den Zweck hatte, ihr Manuskript fertig zu stellen, wollte sie die Zeit doch auch genießen und ein wenig das Gefühl haben, Urlaub zu machen. Sie schob den mit schlichtem weißem Porzellan gedeckten Tisch aus geflochtenem Korb näher an das Geländer der Veranda, um so von ihrem Korbsessel aus die Kolibris zu beobachten, die bereits wieder eifrig Nektar aus den violetten Hibiskusblüten sogen. Sibylle meinte, in ein dreidimensionales Kalenderblatt einzutauchen, so unwirklich schien ihr die Umgebung. Der Kontrast zu dem, was sie in New York zurückgelassen hatte, war enorm. Die Trümmer ihrer Ehe bildeten einen dicken grauen Klumpen, der hinter ihr lag, dessen Staub aber noch an ihr haftete und ihre Seele erstickte. Mit voranschreitendem Alter verlor man als Frau ohnehin schon einen Teil der jugendlichen Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Die Lebenszeit wurde endlich, und man wurde sich bewusst, dass sie wie Sand durch ein Uhrglas rann. Zumindest hatte Sibylle es in den letzten Jahren zunehmend so empfunden. Eine Scheidung war wirklich das Letzte, was sie für ihr Leben einkalkuliert hatte. Die wenigsten Ehen waren nach ein paar Jahren noch so prickelnd wie zu Beginn. Aber deswegen gleich an Scheidung denken?

Sie starrte fasziniert auf die winzigen Vögel, die emsig herumschwirrten und sich von ihr bei der Nahrungsaufnahme überhaupt nicht stören ließen. Ob sie jemals wieder in der Lage sein würde, ihr Leben so frei und unbeschwert zu genießen wie diese kleinen Geschöpfe?

«Hast du noch einen Wunsch?» Carol war unbemerkt an den Tisch getreten, räumte das leer gegessene Müslischälchen auf ein Tablett und schenkte ihr Kaffee nach.

Wenn Carol so tun wollte, als sei letzte Nacht nichts geschehen, war ihr das recht. Sibylle reckte sich genüsslich und gab dabei maunzende Geräusche von sich, die ein Lächeln ins Gesicht des Hausmädchens zauberten. «Momentan bin ich wunschlos glücklich und zufrieden. Wie die Katze, die die Milch ausgeschleckt hat.»

«Gut». Carol lächelte geheimnisvoll. «Dann fahre ich jetzt mit Dennis nach Bridgetown. Es sei denn, du brauchst Dennis.» Abwartend blieb Carol am anderen Ende der Veranda stehen. Sie lächelte noch immer.

«Fahrt nur», antwortete Sybille. Als Carol bereits von der Bildfläche verschwunden war, meinte sich Sibylle an einen provokanten Unterton in Carols Stimme zu erinnern. Wofür sollte sie Dennis brauchen? Als Chauffeur, um einen Ausflug über die Insel zu machen? Oder hatte Carol doch eine Anspielung auf die nächtlichen Aktionen machen wollen? Entschlossen verdrängte sie diesen Gedanken. Sie schwor sich, Dennis lediglich als Chauffeur zu nutzen. Für Liebesspiele war er ihr entschieden zu gut gebaut.

Im Bewusstsein, allein im Haus zu sein, streifte sie kurz darauf durch die Räume und ertappte sich trotzdem dabei, wie sie verstohlen wie ein Dieb durch die Zimmer schlich.

Eine weibliche Hand ließ sich bei der Einrichtung nicht leugnen. Im Hauptraum überwogen die Farben Lindgrün und Beige. Kontraste wurden durch das dunkle Holz der einzelnen Sessel im Plantagenstil gesetzt, die so zusammengestellt waren, dass sie ein dick gepolstertes Sofa bildeten. An den Wänden hingen Gemälde im naiven Stil. Auf dem einen war in grellbunten Tönen ein buntes Marktgewimmel gezeichnet, auf dem anderen standen vor hohen Kokospalmen zwei typische bunte Häuschen. Im Vordergrund bot eine dicke Frau im Schatten eines giftgrünen Sonnenschirms Kokosnüsse feil. Als Schirmständer diente ein umfunktioniertes Ölfass, vor dem ein Junge mit zurückgeneigtem Kopf stand und den Saft aus einer aufgeschlagenen Kokosnuss trank. «Coconut Wonder», las Sibylle in der linken Ecke des Gemäldes neben der Signatur Jil Sherman. Sie fragte sich, ob Jil Sherman vielleicht mit Aaron Sherman verwandt war. Doch dann sagte sie sich tadelnd, dass Sherman kein seltener Name war. Warum dachte sie ausgerechnet an Aaron? Warum vergaß sie seine Bemerkung, unter ihrer zur Schau getragenen Kälte schlummere ein Vulkan, nicht einfach? Es sollte ihr egal sein, was ein dahergelaufener Aaron Sherman von ihr dachte. Sie hoffte, seine vorschnelle Meinung über sie hatte in der vergangenen Nacht eine Änderung erfahren. Früher hatte sie die Meinung anderer wenig interessiert. Aber früher, das war die Zeit vor Tom und Deborah, gestand sie sich ein. Plötzlich konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten, die ihr jetzt wie kleine Bäche nach der Schneeschmelze die Wangen herabliefen. Und so, wie sich im Frühjahr in den Bächen Geröll mit Schneewasser mischte, waren es nun zum Teil Tränen der Trauer, gemischt mit denen der ohnmächtigen Wut, die Sibylle vergoss.

«Reiß dich zusammen, Billie. Geh schwimmen, und danach setz dich endlich an dein Manuskript.» Emmas tadelnde Stimme dröhnte so laut in Sibylles Kopf, als stünde die Cousine direkt neben ihr. Tief durchatmend gehorchte sie. Sie schlüpfte in ihrem Zimmer in den neuen Badeanzug, den sie sich wie im Rausch mit mindestens zwanzig anderen Artikeln zum Trost gekauft hatte, bevor sie in die Karibik aufgebrochen war. Sie warf Sonnencreme, einen kleinen Hut, Handtuch und Strandsandaletten in die kleine, ebenfalls neue Basttasche, griff sich in der Bibliothek im Vorbeigehen ein Taschenbuch und nahm dann denselben Weg zum Strand, den sie bereits in der vergangenen Nacht genommen hatte.

Sie hatte den kleinen Privatstrand für sich allein. Offensichtlich waren die übrigen Hausbesitzer oder Gäste der Anlage nicht in Strandlaune. So schob sie eine der bequemen Strandliegen an die schönste Stelle am Strand und ließ sich darauf nieder. Bevor sie sich dem Taschenbuch oder dem Ritual des Eincremens widmen würde, wollte sie für einen Augenblick nur den Blick auf das smaragdgrüne Meer genießen. Weit draußen am Horizont meinte sie eine leichte Brandung auszumachen und schloss daraufhin auf ein vorgelagertes Riff. Zwei Windsurfer schnitten durchs Wasser, ganz in ihre Passion versunken. Sibylle hatte ein einziges Mal versucht, auf so einem Surfbrett zu stehen. Sie scheiterte kläglich und war Toms Spott ausgesetzt, weil sie keine weiteren Versuche unternahm, sich auf der glatten Fläche des Brettes zu halten. Tom warf ihr vor, sie wolle immer in allem gleich perfekt sein.

«Du hast es doch noch nie versucht, wie kannst du gleich nach dem ersten Mal aufgeben?» Dann hatte er herzhaft gelacht. «Obwohl ich sagen muss, dass du ausgesprochen blöd geguckt hast, als du ins Wasser fielst. Du bist und bleibst eben unsportlich.» Er hatte keine Geduld mit ihr und sich, entgegen seiner klugen Reden, nicht länger um ihre Anfangsschwierigkeiten gekümmert und war wieder allein gesurft.

«Hast du an den Sonnenschutz gedacht?»

Sibylle schreckte aus ihren Erinnerungen hoch, beschirmte die grünen Augen, die die Farbe des Meeres hatten, mit der Hand und erkannte Aaron, der sich neben sie in den Sand fallen ließ.

«Habe ich.» Sie winkte ihm mit der Tube Sonnencreme zu.

«Dann ist es ja gut», murmelte er, streckte sich, scheinbar nicht weiter an einem Gespräch interessiert, auf seinem Strandtuch aus und schloss die Augen.

Sibylle wischte irritiert ein paar Sandkörner von ihrem Bein und betrachtete dabei verstohlen den männlichen Körper neben sich. Er trug eine knapp sitzende Badehose, deren Ausbuchtung zwischen seinen dunkel behaarten Schenkeln ihre Phantasie weckte. Eigentlich neigte sie nicht zu solchen Gedanken. Wie oft hatte Emma sie schon auf den einen oder anderen attraktiven Mann aufmerksam gemacht, der im Restaurant am Nachbartisch saß oder sie im Fahrstuhl mit den Augen vermaß. Nie fielen ihr diese Männer auf, geschweige denn, dass sie auch nur einen Gedanken daran verschwendete, ob es sich bei den Typen um gute oder schlechte Liebhaber handelte. Emma phantasierte gern in diese Richtung und ließ die Cousine gelegentlich an ihren gedanklichen Ausschweifungen teilhaben. Doch Sibylle hatte sich nie dafür interessiert.

Was also, zum Teufel, hatte Aaron Sherman an sich, dass sie seit ihrer Ankunft auf Bajan Dreams so oft an ihn dachte? Warum genügte seine Anwesenheit, dass sie ein sanftes Kribbeln im Bauch spürte, das sich langsam abwärts zwischen ihre Schenkel bewegte und sich in ihr feucht werdendes Nest einkuschelte? Er war ein guter Liebhaber. Einer, der sich Zeit ließ und sich der Frau widmete, mit der er zusammen war. Er war ein einfühlsamer, zärtlicher, sanfter Mann, der im richtigen Augenblick Stärke zeigte und seine Geliebte in den gemeinsamen Orgasmus mitriss. Das dachte sie immerzu. Sibylle spürte, wie sie die Erinnerung an die vergangene Nacht erröten ließ und sich die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln weiter ausbreitete.

«Du grübelst zu viel», murmelte Aaron, ohne zunächst die Augen zu öffnen. Dann richtete er sich doch auf, stützte sich rücklings auf die Ellenbogen und lächelte sie spitzbübisch an.

«Was du alles zu wissen glaubst.» Sibylle setzte ihren abweisendsten Blick auf und hoffte inständig, dass sie nicht wieder rot wurde.

«Hast du dich nicht gefragt, was ich nach der letzten Nacht von dir halte», fuhr er unbeirrt fort, «und fragst du dich nicht gerade jetzt, ob es wirklich so eine gute Idee war, nach Barbados zu fliegen? Du versuchst, der Vergangenheit zu entfliehen. Aber dass das niemandem gelingt, weißt du natürlich, mein Schatz.» Mit einem geschmeidigen Satz schnellte Aaron hoch, griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich über den Strand zum Wasser. «Hör auf zu grübeln. Genieß einfach, was das Leben hier für dich bereithält.» Er machte mit dem rechten Arm eine umfassende Geste. «Atme den Duft des Meeres, schwimm im warmen Wasser, genieß Carols hervorragende Kochkünste, tanz zur Musik der Steelbands die Nächte durch. Lebe! Und liebe. Mich zum Beispiel.» Wohl in der Annahme, dass Sibylle ihm folgen würde, ließ er überraschend ihre Hand los, warf sich mit gestrecktem Körper ins Meer und kraulte mit kräftigen Zügen hinaus.

«Ich wusste gar nicht, dass du auch als Lebensberater unterwegs bist», rief sie ihm wütend nach. Ihre Stimme überschlug sich vor Wut. Was bildete sich dieser Kerl bloß ein? Sie stapfte zu ihrer Liege, griff im Vorbeigehen ihre Strandtasche und machte sich auf den Weg zurück zur Villa. Er hatte sie «mein Schatz» genannt. Gegen ihren Willen hatte sie das aufgewühlt und durcheinander gebracht. Was wollte er? Oder sollte sie sich besser fragen, was sie selbst wollte und wünschte?

Da ihr ein ruhiger Vormittag am Meer nicht vergönnt war, würde sie sich wohl oder übel an die Arbeit machen. Hoffentlich würde ihr das gelingen. Aaron Sherman blockierte jeden ihrer Gedanken, der sich nicht mit Sex befasste. Das begann langsam peinlich zu werden.

Kurz darauf stellte sie ihr Notebook im Arbeitszimmer ihres mysteriösen Gastgebers auf den Schreibtisch, startete das Programm und hoffte beim Lesen des bereits fertigen Textes in Verbindung mit ihrem neuen Konzept auf die zündende Idee, wie sie den Faden weiterspinnen konnte. Wer würde wen als Nächsten ermorden? Wer hatte das letzte Werk Angelicas verschwinden lassen?

Doch ihre Gedanken fanden unweigerlich den Weg zur vergangenen Nacht zurück.

Aaron hatte Carol und Dennis zu Statisten degradiert, um sich ihr allein zu widmen. Die beiden hatten das nicht weiter übel genommen und sich sogleich miteinander vergnügt. Aaron war blitzschnell in seine Kleidungsstücke geschlüpft und hatte Sibylle zu einem nächtlichen Spaziergang am Strand mitgenommen. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinanderher gelaufen waren, hatten sie sich auf einer Liege niedergelassen, die zu einem der Nachbarhotels gehörte.

«Hat dich erschreckt, was du gesehen hast?»

«Ich bin heute einem Flugzeug entstiegen, nicht aus dem schützenden Elfenbeinturm entflohen.»

Aaron lachte.

«In letzter Zeit scheine ich eine ganz besondere Begabung zu entwickeln, in, sagen wir mal, heikle Situationen zu platzen.»

«Heißt das, so etwas passiert dir häufiger?»

«Mmh. Und glaube mir, wenn man selbst betroffen ist und jemanden in flagranti erwischt, obwohl man das gar nicht will, haut es einen um.»

«Du hast deinen Mann erwischt?»

«Leider. Hat wehgetan.» Aaron hatte über ihren nackten Arm gestrichen und damit eine Gänsehaut ausgelöst, die über ihren gesamten Körper gekrochen war.

Bislang hatte sie auf das Meer geschaut, das im dunklen Silbergrau schimmerte und vom Mond beschienen wurde. Es sah romantisch aus, hatte aber auch etwas Unheimliches. Jetzt hatte sie Aaron ihr Gesicht zugewandt. «Was ich vorhin gesehen habe ...»

«Ja?»

«Also», sie hatte gezögert, fasste sich dann aber ein Herz, «was ich gesehen habe, ich meine euch drei, das hat mich sehr berührt.»

«Du fandest es aufregend. Hab ich Recht?»

«Ja.»

«Und du hast darauf reagiert?»

Sie war nicht darauf gefasst gewesen, dass er aufreizend über ihre Schenkel strich und dann seine Hand dazwischen schob und sich so gefährlich ihrer nassen Spalte näherte. Es gefiel ihr, und es fehlte nicht mehr viel, dann hätte sie ihn aufgefordert weiterzumachen. Hastig war sie aufgesprungen. «Ja, verdammt. Warum sollte ich nicht zugeben, dass es mich angemacht hat? Sehr sogar. Ich bin nicht aus Eis.»

«Ich weiß. In dir brodelt ein Vulkan. Das habe ich gleich gesehen.»

«Wehe, du verrätst mich», hatte sie gefaucht und dann über sich selbst lachen müssen. «Und kein Wort davon zu Emma, die du ja angeblich so gut kennst. Dann wäre mein mühsam aufgebautes Image dahin.»

Er hatte zum Schwur die Finger gehoben. «Heiliges Pfadfinderehrenwort. Ich verrate nichts.»

Hand in Hand, wie ein Liebespaar, waren sie später gemächlich zurückgeschlendert. Aaron hatte über Barbados und die Geschichte der Insel gesprochen, über Zuckerrohrernten und die Rumbrennereien, über Sklavenarbeit und die Zeit, als Barbados noch zu Großbritannien gehörte.

«Auf Martinique sagen die Alten im Hinblick auf die jahrhundertelange Fron als Sklaven in den Zuckerrohrfeldern, dass das Zuckerrohr von einem Schweinehund erschaffen wurde. Und sollte Gott es erfunden haben, dann ist Gott eben ein Schweinehund. Und noch eins sagen die Einheimischen: Das Gute am Rum ist, dass er dir nicht die Leber zerstört — er frisst vorher dein Gehirn auf.» Er hatte über Sibylles erstaunten Gesichtsausdruck herzlich lachen müssen. «In der nächsten Woche werde ich mit dir eine Rumbrennerei besichtigen. Du kannst ja nicht den ganzen Tag nur schreiben.»

Sibylle hatte das Prickeln im Nacken genossen, das Aarons Stimme bei ihr auslöste, und freudig zugestimmt. Er hatte es ganz leicht geschafft, ihre Befangenheit aufzulösen und dafür eine vertrauliche Nähe zwischen ihnen beiden aufzubauen, aus der mehr entstehen konnte.

Schließlich waren sie zur Bajan Dreams zurückgekehrt. Auf der hölzernen Veranda waren zwei große Windlichter entzündet worden und tauchten Tisch und Stühle in warmes Licht. Von Carol und Dennis war nichts zu sehen und zu hören gewesen.

«Die sind wohl schlafen gegangen», hatte Sibylle vermutet.

«Wer weiß», war seine Antwort gewesen. Er hatte ihr eine gute Nacht gewünscht, einen Kuss auf die Wange gegeben. Danach hatte er sie auf der Veranda stehen lassen und war im Dunkel des Gartens verschwunden. Alles irgendwie sehr romantisch. Vor lauter Aufregung und Anregung hatte sie im Anschluss die halbe Nacht am Konzept ihres Romans gebastelt und war erstaunlich gut vorangekommen.

Sex on the Beach

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