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Die ordentliche Buchführung zerstört Dein Unternehmen

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Seit Anbeginn aller Zeiten – oder doch direkt danach – halten Unternehmen ihre Ein- und Ausgaben im Grundsatz mit der gleichen Methode nach:

Umsatz – Kosten = Gewinn

Wenn Du Deine Zahlen so nachhältst, wie die meisten Unternehmer, dann beginnst Du beim Umsatz (Top Line) und ziehst davon die Gestehungskosten ab, die unmittelbar der Herstellung (Deines Produkts oder der Bereitstellung Deiner Dienstleistung) zuzurechnen sind. Anschließend ziehst Du alle anderen Kosten ab, die in Deinem Unternehmen entstehen – Miete, Nebenkosten, Löhne und Gehälter, [42] Büromaterial, sonstige Verwaltungskosten, Provisionen, Bewirtungskosten, Werbeauftritt, Versicherungen und so weiter. Und Du zahlst noch Deine Steuern. Und dann, erst dann, nimmst Du Dir Deinen Anteil (Inhabergehalt, Gewinnausschüttung usw.).

Wenn wir ehrlich sind, gönnen sich Unternehmer selten so etwas wie ein richtiges Gehalt. Und viel Glück dabei, wenn Du dem Staat erzählst, dass Du dieses Jahr beschlossen hast, auf die Steuer zu verzichten, damit Du Dich selbst angemessen entlohnen kannst. Und am Schluss, wenn all das gelaufen ist, erklärst Du Deinen Unternehmensgewinn. Läuft das bei Dir ähnlich wie bei den meisten Unternehmern, dann kommst Du selten zu diesem „Schluss“. Da Du auf das wartest, was übrig bleibt, bekommst Du im besten Falle die mickrigen Reste.

Dieses kaufmännische Vorgehen wurde im frühen 20. Jahrhundert standardisiert. Feinheiten werden regelmäßig nachjustiert, aber das System bleibt im Grunde das gleiche. Du beginnst mit dem Umsatz. Du ziehst die Gestehungskosten ab (jene Kosten, die unmittelbar mit der Produktion und Lieferung Deines Produkts oder Deiner Dienstleistung zusammenhängen). Du bezahlst Deine Mitarbeiter. Du ziehst die Gemeinkosten ab. Du bezahlst Steuern. Du bezahlst die Eigentümer (Ausschüttung an die Inhaber). Du behältst den Gewinn ein oder machst eine Gewinnausschüttung (Gewinn = Bottom Line). Ob Du Deine Buchhaltung nach draußen gibst oder Deine Belege in einem Schuhkarton unter Deinem Bett sammelst: Du kennst den Ablauf.

Die ordentliche Buchführung erscheint vollkommen logisch. Das Ganze geht davon aus, dass wir so viel verkaufen wie möglich, so wenig Geld ausgeben wie möglich und die Differenz in die eigene Tasche stecken. Menschen sind aber nicht logisch. (Ein Blick ins Fernsehprogramm ist der Beweis.) Und nur weil die ordentliche Buchführung völlig logisch erscheint, muss sie nicht „menschlich logisch“ sein. Diese Art der Buchführung läuft unserer Natur zuwider und lässt uns glauben, größer sei besser. Also versuchen wir, mehr Umsatz zu generieren. Wir versuchen wieder und wieder, unseren Weg zum Erfolg durch mehr und mehr Umsatz zu erreichen. Wir setzen Himmel und Hölle in Bewegung, damit die Zahl oben, die Top Line, größer wird (der Umsatz), um am Ende Geld zu haben, das, gleich in welcher Höhe, bis nach unten durchtröpfelt. Daraus entsteht ein gnadenloser Zyklus: Wir jagen allem hinterher, das verführerisch nach [43] einer Chance aussieht (für meine Fans sind das „kleine Kürbisse“ – Ihr wisst schon, wer gemeint ist).

Im Verlauf dieses willkürlichen, oft verzweifelten Wachstumsprozesses gehen unsere Ausgaben völlig unter – wir zahlen, was kommt. Schließlich sind sie alle notwendig, oder etwa nicht? Wer weiß das schon? Wir sind zu sehr damit beschäftigt, dem Umsatz hinterherzujagen und all unsere Versprechen zu halten, als dass wir uns um unsere Ausgaben kümmern könnten.

Wir versuchen, weniger Geld auszugeben, ohne Investitionen gegen die Ausgaben zu rechnen. Wir denken gar nicht darüber nach, wie wir unsere Ausgaben als Hebel nutzen könnten, um mit weniger mehr zu erreichen. Das können wir gar nicht. Je mehr unterschiedlichen Kram wir verkaufen, umso mehr Kosten entstehen in unserer Firma. Man sagt, dass man Geld braucht, um Geld zu verdienen. Doch niemand sagt uns, was das wirklich bedeutet: Man braucht mehr Geld, um weniger Geld zu verdienen.

Während unser Monster wächst, verlieren wir die Kontrolle über seinen Appetit. Plötzlich sehen wir uns den Kosten für mehr Angestellte gegenüber, mehr Kram, mehr von allem. Das Monster wächst. Und wächst. Und wächst. Und wir kämpfen immer noch mit den gleichen Problemen – nur größer: mehr leere Bankkonten, höhere Stapel an Kreditkartenabrechnungen, größere Kredite und eine beständig wachsende Aufstellung fälliger Rechnungen. Kommt Dir das bekannt vor, Dr. Frankenstein?

Das eigentliche Problem mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung liegt darin, dass sie der menschlichen Natur zuwiderläuft. Unabhängig davon, wie viel Einkommen wir generieren – wir werden immer einen Weg finden, es auszugeben – komplett. Wir haben gute Gründe dafür. Alle Ausgaben sind gerechtfertigt. Egal, wie viel Geld wir auf dem Konto hatten, es verdunstet, während wir dafür kämpfen, all diese „notwendigen“ Kosten zu decken. Und so finden wir uns in der Überlebensfalle wieder.

Der zweite Nachteil der ordnungsgemäßen Buchführung ist: Sie bringt uns dazu, uns in erster Linie auf Umsatz und Kosten zu konzentrieren. Und auch das ist gegen unsere Natur, die uns dazu bringt, genau dort Wachstum zu kreieren, wo unser Fokus liegt. Man nennt es den Primacy-Effekt (mehr dazu im nächsten Kapitel): Wir konzentrieren uns auf das, was zuerst kommt (Umsatz und Kosten) und wir [44] werden blind für das, was am Schluss steht. Genau: Die ordentliche Buchführung macht uns blind für unseren Gewinn.

Man sagt: „Was gemessen wird, wird gemacht.“ Die Buchführung zwingt uns, zunächst Umsatz (die Top Line steht nun einmal ganz oben) zu erfassen. Deshalb versuchen wir, wie verrückt Umsatz zu generieren, während wir die Ausgaben als notwendiges Übel verstehen, das sein muss, um – Du hast es schon vermutet – mehr Umsatz zu generieren. Wir geben alles aus, was wir haben, weil wir glauben, dass das so sein muss. Und wir benutzen Worte wie „reinvestieren“ und „Privateinlage“, um uns damit gut zu fühlen. Gewinn? Inhabergehalt? Nicht so wichtig. Überreste.

Ein weiteres Problem mit der Buchführung ist ihre überwältigende Komplexität. Du brauchst einen Buchhalter, um alles ordentlich zu buchen. Und wenn Du nach Details der BWA fragst, ist es gut möglich, dass er durcheinander kommt. Das System verändert sich laufend und lässt Spielraum für Interpretationen. Und wir können Spielchen spielen: Schiebe ein paar Zahlen von hier nach dort, verbuche sie auf unterschiedlichen Konten und das Ergebnis sieht anders aus. Frag mal bei Enron nach, die 2001 aufgrund ihrer „innovativen“ Bilanzen einen der größten Skandale in der Unternehmensgeschichte der USA auslösten: Die konnten sogar Gewinne ausweisen, während sie in die Insolvenz gingen. Pfui!

Bevor wir auch nur einen Schritt weitergehen möchte ich sichergehen, dass wir beide, Du und ich, genau wissen, was ich meine, wenn ich von Gewinn spreche. Weil sich das sehr von dem unterscheiden kann, was Buchhalter für Gewinn halten.

Hier ist, was ich meine: Ein paar Jahre bevor ich den Klopapier-Unternehmer schrieb, saß ich im Büro meines Buchhalters und beobachtete ihn, wie er ein paar Notizen auf einem Collegeblock machte. Er radierte etwas aus, dann schrieb er noch etwas auf. Dann schaute er auf seinen Computer, drückte ein paar Tasten und der Nadeldrucker spuckte einen Bericht aus.

„Jap, genau wie ich dachte, Mike“, sagte Keith und schaute mich über seine John-Lennon-Brille hinweg an.

„Was?“, fragte ich.

„Du hast dieses Jahr 15.000 US-Dollar Gewinn. Glückwunsch. Das ist gar nicht schlecht.“

Eine Sekunde lang war ich stolz. Schau an, da ist ein Gewinn. Ich klopfte mir selbst auf die Schulter. Dann hatte ich ein merkwürdiges [45] Gefühl. Wo war das Geld? Da war nicht ein Cent in der Unternehmensschatulle oder gar in meiner Tasche.

Dann fragte ich und es war mir peinlich, weil ich es nicht wusste: „Hey, Keith, wo ist dieser Gewinn?“

Er deutete auf den Bericht, den der Drucker gerade ausgespuckt hatte. Er markierte eine Zahl auf dem Papier mit seinem superschicken Nummer-2-Bleistift.

„Ja, Keith, auf dem Papier kann ich den Gewinn sehen. Aber wo ist das Geld? Ich möchte es abheben und ein bisschen feiern. Ich möchte diesen Gewinn selbst haben.“

Es gab einen Moment unangenehmer Stille. Keith tat sein Bestes, um mich meine Dummheit nicht spüren zu lassen. Er starrte mich an. Dann sagte er: „Dies ist ein buchhalterischer Gewinn. Du hast dieses Geld bereits auf die eine oder andere Art ausgegeben. Es bedeutet nicht, dass jetzt tatsächlich irgendwo Geld ist. Um ehrlich zu sein: In diesem Fall ist es bereits weg. Es ist bloß die buchhalterische Dokumentation dessen, was bereits passiert ist.“

„Du sagst also, dass ich Gewinn gemacht habe. Aber dass nichts auf dem Konto ist, das ich im Augenblick als Gewinn abheben könnte?“

„Genau“, sagte das John-Lennon-Double.

„Verdammt! Das ist Mist!“

„Vielleicht nächstes Jahr“, sagte Keith.

Nächstes Jahr? Warum nächstes Jahr? Warum nicht ab morgen? Dachte ich.

Buchhalter definieren Gewinn anders als Unternehmer. Sie deuten auf eine fiktive Zahl am Ende eines Berichts. Unsere Definition von Gewinn ist schlicht: Geld auf dem Konto. Einfach. Hartes. Geld. Für uns.

Am Ende eines Tages und am Anfang des neuen Tages und in jeder Sekunde dazwischen zählt nur Deine Barschaft: Cash. Es ist das Lebenselixir Deines Unternehmens. Hast Duʼs oder nicht? Wenn nicht, hast Du ein Problem. Wenn doch, dann ist alles gut.

Die Buchhaltung ist nicht eingeführt worden, um bloß Liquidität zu verwalten. Es ist ein System, das alle Elemente Deines Unternehmens verständlich machen soll, und besteht aus drei Schlüsselberichten: der Gewinn- und Verlustrechnung, der Liquiditätsanalyse und der Bilanz. Fraglos musst Du diese Dokumente verstehen (oder mit einem Buchhalter und Steuerberater zusammenarbeiten, die das tun), [46] denn sie ermöglichen Dir einen umfassenden Blick auf Dein Unternehmen. Sie sind machtvolle und nützliche Instrumente. Doch das Wesentliche daran (Umsatz – Kosten = Gewinn) ist furchtbar verdreht. Diese Formel erschafft Monster. Das ist die Frankenstein-Formel.

Um ein rentables Unternehmen erfolgreich zu führen, brauchen wir ein ganz einfaches System, um unsere Barmittel zu managen. Eines, das wir ohne Hilfe von Buchhaltern verstehen können, eines, das für Menschen gemacht ist, nicht für Mr. Spock.

Ein System ist nötig, das uns sofort Auskunft über die gesundheitliche Situation unserer Firma geben kann. Eines, bei dem wir auf den ersten Blick sehen, was wir tun müssen, um gesund zu werden und zu bleiben. Ein System, das uns sagt, wie viel wir wirklich ausgeben dürfen und was wir in Reserve behalten müssen. Ein System, das nicht von uns verlangt, dass wir uns ändern, sondern das im Einklang mit unserer Natur automatisch funktioniert.

Dieses System ist Profit First.

Profit First

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