Читать книгу Scharade mal drei - Mila Roth - Страница 6
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Bonn, Kaiserstraße
Institut für Europäische Meinungsforschung
Donnerstag, 29. März, 16:30 Uhr
»Sie wollten mich sprechen, Walter?« Markus Neumann trat durch die Glastür in das Büro seines Vorgesetzten und hob überrascht die Augenbrauen, als er in einem der beiden blauen Besuchersessel den Leiter der Abteilung für interne Angelegenheiten erkannte. »Guten Tag, Herr Dr. Schwartz.«
»Herr Neumann.« Schwartz nickte ihm nur knapp zu.
»Setzen Sie sich, Markus.« Walter Bernstein wies auf den zweiten Sessel vor seinem Schreibtisch. Er war ein mittelgroßer Mann Mitte fünfzig von kräftiger Statur und mit dunkelbraunem Haar, das an den Schläfen langsam ergraute. Auf Außenstehende wirkte er ein wenig wie die väterliche Instanz in der Abteilung für nationale und internationale Einsätze in den Bereichen Terrorabwehr und organisiertes Verbrechen. Im Gegensatz zu ihm besaß Schwartz mit seiner schlanken, drahtigen Figur, dem militärischen Kurzhaarschnitt und dem durchdringenden Blick eine kalte und analytische Ausstrahlung.
Nachdem Markus der Aufforderung gefolgt war, fuhr Walter fort: »Wir haben einen neuen Auftrag für Sie. Er unterliegt der Geheimhaltungsstufe eins, deshalb habe ich heute Vormittag im Team-Meeting nichts davon gesagt.«
Markus richtete sich interessiert auf. »Worum geht es?«
»Um einen Karriere-Pusher«, übernahm Schwartz unvermittelt das Wort. »Sind Sie hierbei erfolgreich, können Sie in nächster Zeit für eine Beförderung in Betracht gezogen werden.«
»Ach?«
Walter verzog ein wenig gequält die Lippen und warf Dr. Schwartz einen ungehaltenen Blick zu. »Es ist so, dass die bereits seit Längerem angekündigten Umstrukturierungen des Instituts in Kürze umgesetzt werden sollen. Unserer Abteilung Sieben wird eine weitere Abteilung angegliedert. Intern heißt sie zunächst Sieben A. Es handelt sich um eine Gruppe von vier bis sechs Agenten, die hauptsächlich, aber nicht nur, auf nationaler Ebene als Sondereinsatzteam auf besonders schwierige Fälle angesetzt werden soll. Die Details sind noch in Arbeit. Grundsätzlich könnte man sagen, dass wir dieses Team überall da einsetzen wollen, wo es brennt. Auch kurzfristig.«
»Als Feuerlöscher?« Markus kräuselte die Lippen.
»So ähnlich. Wie gesagt, das ist noch in Planung, aber ich habe Sie für den Posten des Teamleiters vorgeschlagen.«
»Ich bin kein Teamplayer, Walter. Das wissen Sie.« Markus verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl ihm die Ehre durchaus schmeichelte.
»Das ist uns nur allzu bewusst«, antwortete erneut Dr. Schwartz. »Wir beobachten Sie schon lange, Herr Neumann, und nicht unbedingt immer mit wohlwollendem Blick. Sie gehen zu viele Risiken ein, wenn Sie auch meistens erfolgreich arbeiten. Erfreulicherweise hat Ihr Hang zu gefährlichen Alleingängen in den letzten acht Monaten deutlich abgenommen. Herr Bernstein hält große Stücke auf Sie, dennoch möchte ich Sie gerne noch ein Weilchen im Auge behalten, bevor ich eine Entscheidung bezüglich des offenen Postens treffe. Was die weiteren Teammitglieder angeht, die mittelfristig hinzukommen sollen, werde ich mir ebenfalls noch Zeit lassen.«
»Mittelfristig?« Überrascht hob Markus den Kopf. »Ich dachte, dieses Team soll sofort einsatzbereit sein.«
»Bestenfalls wird es das sein«, übernahm nun wieder Walter das Wort. »Wenn auch nicht gleich zu Beginn mit voller Mannstärke. Voraussichtlich werden es zunächst nur Sie und ein Partner oder eine Partnerin sein. Weitere Teammitglieder werden wir nach Bedarf und Personalverfügbarkeit hinzufügen. Leider sind uns finanziell momentan noch die Hände gebunden. Für die neue Abteilung sind bereits Gelder beim Bund beantragt, doch Sie wissen, wie langsam die Regierungsmühlen mahlen, wenn es ums liebe Geld geht. Falls Sie selbst einen Vorschlag machen möchten, mit wem Sie sich eine dauerhafte Zusammenarbeit vorstellen können, zögern Sie bitte nicht, mir oder Herrn Dr. Schwartz die betreffenden Namen zu nennen.« Auffordernd sah er Markus an, lächelte dann aber leicht, als keine Antwort kam. »Lassen Sie sich Zeit, darüber nachzudenken. Noch ist ja nichts in trockenen Tüchern. Zunächst bat mich Herr Dr. Schwartz darum, Sie auf den aktuellen Fall anzusetzen, dessen Tragweite bereits in das Profil der zukünftig für die neue Abteilung geplanten Einsätze passt. Hier vor Ort werden Ihnen Melanie Teubner sowie zwei bis drei Leute aus der IT-Abteilung zur Seite stehen, die jedoch nicht über den gesamten Fall informiert werden, sondern nur über die Bereiche, die zwingend notwendig sind. Thomas Wörner und ein Spezialteam werden außerdem die Peripherieüberwachung übernehmen, ebenfalls auf Need-to-know-Basis.«
»Und worum geht es genau?«
»Um eine Agentin, die seit knapp zwei Jahren undercover gegen die Firma Guttensen & Bräuchner ermittelt.«
»Gegen die Rüstungsfirma?«
»Ebendie.« Schwartz nickte ernst. »Wir hegen schon seit Langem den Verdacht, dass jemand in der Firma Staatsgeheimnisse verkauft und unserem Land damit immensen Schaden zufügt, sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Kai wurde von uns dort eingeschleust, um die Täter dingfest zu machen.«
»Kai?«
»Das ist der Deckname der Agentin«, erklärte Walter. »Sie hat sich über einen toten Briefkasten im Internet bei uns gemeldet und darum gebeten, sie heimzuholen. Offenbar wird ihr Einsatz zu gefährlich. Außerdem gehen wir davon aus, dass sie mittlerweile genügend belastendes Material zusammengetragen hat, um Anklage gegen den oder die Täter zu erheben. Um Kais Leben zu schützen, müssen wir äußerst vorsichtig vorgehen, denn die Zielpersonen sind gut vernetzt, vor allem in Geheimdienst- und Regierungskreisen. Wir dürfen keinerlei Risiko eingehen.«
»Was soll ich also tun?« Fragend blickte Markus zwischen seinen beiden Vorgesetzten hin und her. »Diese Kai irgendwo abholen und zu einem sicheren Haus bringen?«
»Im Großen und Ganzen ist das der Auftrag, ja.« Walter faltete die Hände auf der Schreibtischplatte. »Es gibt einen Treffpunkt, einen Zeitraum, in dem sie Kontakt aufzunehmen wünscht, sowie einen Erkennungscode.«
»Ein Blind Date also?«
»Die Parisienne-Version.«
»Das klingt zwar nicht einfach, aber auch nicht wesentlich schwieriger als meine sonstigen Einsätze«, befand Markus und entspannte sich ein wenig. »Wann und wo soll die Sache stattfinden?«
»Beginn des Einsatzes ist bereits morgen Nachmittag.« Walter räusperte sich. »Allerdings ist dies kein Soloauftrag. Sie müssen zwingend mit einer Partnerin arbeiten.«
»Warum zwingend?«
»Der vereinbarte Treffpunkt ist ein Landhotel im Taunus, sehr schön gelegen übrigens. Herr Dr. Schwartz schlug vor, dass Sie mit Alexa Baumgartz zusammenarbeiten.«
»Mit Alexa?« Skeptisch verzog Markus die Lippen. »Als was, Ehepaar?«
»Nicht ganz.« Erneut räusperte sich Walter. »Das Hotel ist zum fraglichen Zeitraum, also von Freitag bis Dienstag, voll ausgebucht. Dort findet nämlich ein Ehevorbereitungsseminar der ökumenischen Stiftung Lebensschwingen statt.«
»Ein was?« Mit leichtem Entsetzten starrte Markus seinen Chef an. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Mein voller Ernst, Markus.«
»Und wir müssen an dem Seminarzirkus womöglich auch noch teilnehmen?«
»Um Ihre Tarnung zu sichern, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, fürchte ich.«
»Dann nicht Alexa.«
»Wie bitte?« Überrascht richtete Schwartz sich auf. »Was ist an Frau Baumgartz auszusetzen? Sie haben in der Vergangenheit schon mir ihr zusammengearbeitet.«
»Eben deswegen.« Markus fuhr sich durch sein kurzes braunes Haar. »Alexa ist nicht der Typ für so eine Rolle. Ganz abgesehen davon, dass es in der Vergangenheit, nun ja, ein paar persönliche Verwicklungen zwischen uns gab. Die Sache ist beendet, aber ...«
»Sie fürchten, das könnte ein falsches Signal senden?« Walter lächelte leicht. »Es freut mich, dass Sie so ehrlich sind, Markus. Was Ihre persönlichen Verwicklungen angeht, wie Sie es nennen, möchte ich mich nicht einmischen, aber ich teile Ihre Einschätzung, was Alexas Tauglichkeit für die Rolle der Verlobten angeht.« Er wandte sich an den Leiter der Abteilung für interne Angelegenheiten. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Dr. Schwartz, Frau Baumgartz ist eine hervorragende Agentin. Aber sie hat ein ausgesprochen einnehmendes Wesen, will ich mal vorsichtig formulieren. Wenn es sich um einen kurzen Einsatz handeln würde, bei dem sie mit Markus für einen Abend als Paar aufzutreten hat, würde ich sofort zustimmen. Aber einen Einsatz, der sich möglicherweise über mehrere Tage hinzieht, halte ich für schwierig. Sie ist nicht der Typ Frau, den man auf so einem Seminar treffen würde. Dazu ist ihre Persönlichkeit zu ... schillernd.«
Markus hustete, denn die Umschreibung war noch untertrieben. Alexa war ein blonder Vamp und versuchte permanent, ihren Willen durchzusetzen, ganz gleich, worum es ging. In letzter Zeit hatte sie es hauptsächlich darauf abgesehen, ihn zurück in ihr Bett zu locken. Einen Ort, den er allerdings mittlerweile mied wie der Teufel das Weihwasser. Sie war einfach zu besitzergreifend und abgesehen davon auch zu anspruchsvoll und anstrengend für seinen Geschmack. Das Abenteuer mit ihr vor etwas mehr als drei Jahren hätte Markus inzwischen liebend gerne rückgängig gemacht.
Etwas anderes jedoch stieß ihm an Walters Worten ungut auf. »Wollen Sie damit sagen, dass ich der Typ für so einen Eheseminar-Humbug bin?« Er runzelte die Stirn.
»Ehevorbereitungsseminar«, korrigierte Walter lächelnd. »Auf den ersten Blick vielleicht nicht, da haben Sie recht. Nein, im Grunde würde es mich sehr wundern, wenn ich Sie jemals wirklich bei so etwas antreffen würde. Aber mit der richtigen Partnerin könnten Sie die Rolle durchaus glaubhaft spielen, davon bin ich überzeugt.«
»Danke für die Blumen.«
»Wen schlagen Sie also vor?« Schwartz wippte ungeduldig mit dem rechten Fuß.
Walter warf Markus einen langen, bedeutsamen Blick zu, woraufhin der überrascht den Kopf hob und dann innerlich zusammenzuckte, als er begriff, worauf sein Vorgesetzter hinauswollte.
»Janna Berg?«
»Sie haben vor einigen Monaten sehr erfolgreich ein frisch verheiratetes Paar gemimt.«
»Sie ist keine ausgebildete Agentin.«
»Wir haben nicht behauptet, dass das notwendig ist, um den Einsatz durchzuführen.«
»Moment mal, Janna Berg? Ist das die zivile Hilfskraft, die Ihnen Weihnachten geholfen hat?« Schwartz verzog ein wenig unwillig die Lippen. »Halten Sie das für klug, Herr Bernstein? Der Einsatz ist nicht ungefährlich. Und wie gesagt, es handelt sich um die höchste Geheimhaltungsstufe. Ist die Frau vertrauenswürdig genug?«
»Hundertprozentig. Das hat sie bereits mehrfach bewiesen. Nicht wahr, Markus?«
Widerwillig nickte Markus. »Sie ist vertrauenswürdig.« Und im Gegensatz zu Alexa würde er sie geradezu mit Kusshand als Partnerin annehmen. »Aber woher wollen Sie wissen, ob sie so einfach dabei mitmacht?«
»Morgen beginnen die Osterferien.«
»Vielleicht fährt sie ja mit den Kindern in Urlaub.«
»Tut sie nicht, das habe ich bereits überprüft. Und Sie wüssten es ebenfalls, wenn Sie mit ihr in Kontakt stünden.« Walter legte den Kopf ein wenig schräg. »Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen?«
Markus zuckte die Schultern. »Am zweiten Weihnachtsfeiertag.«
»Also vor drei Monaten? Markus, Sie müssen nicht nur an Ihrer Teamfähigkeit arbeiten, sondern auch an Ihrem Sozialverhalten.« Walter schmunzelte. »Ich dachte, Sie verstehen sich mittlerweile recht gut mit ihr.«
»Und?«
»Rufen Sie sie an. Nein, fahren Sie hin und überreden Sie Janna Berg. Ich halte sie für die beste Option im Hinblick auf eine funktionierende Tarnung in diesem Fall. Sie nicht auch, Markus?«
Leichtes Unbehagen stieg in ihm auf. »Wie Sie meinen.«