Читать книгу Ein Kinderspiel - Mila Roth - Страница 6

Оглавление

1

A61 Richtung Kreuz Bliesheim

Donnerstag, 26. April, 14:20 Uhr

Janna setzte den Blinker und überholte eine lange LKW-Kolonne, die sich an diesem eher trüben Aprilnachmittag die Autobahn entlangquälte. Sie hatte das Radio lauter gedreht, damit die Musik das Rauschen übertönte, das vom halb geöffneten Schiebedach ihres dunkelblauen Golf V verursacht wurde. Das Lied sang sie fröhlich mit – sie liebte Shiny Happy People von R.E.M., und außerdem beruhigte die altvertraute Melodie ihre leicht angespannten Nerven.

Am Kreuz Bliesheim wechselte sie auf die A1 in Richtung Euskirchen und erreichte nur wenig später den Rastplatz Oberste Heide. Dort stellte sie ihren Wagen in die letzte Parkbucht vor der Auffahrt zur Autobahn, so wie Walter Bernstein es ihr empfohlen hatte.

Sie war ein wenig zu früh, aber auch das hatte Herr Bernstein ihr nahegelegt und ihr außerdem gesagt, sie solle sich etwas zu essen und zu trinken mitnehmen, damit sie den Eindruck erweckte, eine kleine Rast einzulegen. Also griff sie hinter sich nach der kleinen Kühltasche auf der Rückbank und holte sie nach vorne. Sie entnahm ihr eine Flasche Wasser und eine Tupperdose mit in Würfel und Streifen geschnittenen Möhren und Paprikaschoten, die noch vom gestrigen Filmabend mit ihrer Schwester Feli übrig geblieben waren.

Hunger verspürte sie nicht im Geringsten, im Gegenteil. Von Minute zu Minute wurde sie nervöser, obwohl dazu gar kein Anlass bestand. Sie sollte schließlich nur hier sitzen und warten, bis ein Mann mit dem Lieferwagen einer Elektroinstallationsfirma auf den Rastplatz fuhr und eine Papiertüte in der kleinen Baumgruppe fallen ließ, die den Rastplatz begrenzte. Sobald der Lieferwagen verschwunden war, sollte sie die Tüte an sich nehmen und ins Institut bringen. Keine große Sache. Nur ein ganz banaler Botengang.

Sie sagte sich das zwar immer wieder, aber dennoch hatte sich ihr Blutdruck auf einem leicht zu hohen Level eingependelt. Dies war ihr allererster Auftrag für den Geheimdienst, den sie ganz allein ausführte. Bisher hatte sie immer mit Markus Neumann zusammengearbeitet, dem Agenten, der sie im vergangenen Sommer mehr durch Zufall, denn aus Absicht rekrutiert hatte. Seitdem stand sie auf der Liste für zivile Hilfskräfte und hatte schon so manches aufregende und sogar gefährliche Abenteuer mit Markus erlebt. Sie hatte Verfolgungsjagden zu Land und in der Luft mitgemacht, war diversen Bomben entkommen, mehrmals entführt und von Markus wieder gerettet worden. Einmal hatte sie auch ihn befreit, als eine gefährliche Neonazi-Gruppierung ihn und seine Kollegin Alexa gekidnappt hatte. Das war an Weihnachten gewesen. Dagegen war diese kleine Mission hier geradezu Kinderkram.

Sie war überrascht gewesen, als Walter Bernstein, der Leiter der Abteilung für nationale und internationale Einsätze in den Bereichen Terrorabwehr und organisiertes Verbrechen, die oft auch einfach nur Abteilung 7 genannt wurde, sie am gestrigen Vormittag angerufen und zu einem Gespräch gebeten hatte. Zuletzt hatte sie ihn vor knapp vier Wochen getroffen, nach ihrem letzten Einsatz mit Markus in einem Landhotel im Taunus.

Markus war danach zu einem Auslandseinsatz nach Russland geschickt worden und noch immer nicht zurück. Seine letzte Kurznachricht hatte sie vor über einer Woche erhalten. Es waren nur zwei Wörter gewesen: Lebe noch. ;-)

Obwohl das nicht viel war, hatte sie sich doch sehr darüber gefreut, denn es zeigte ihr, dass ihm wirklich etwas an ihrer Freundschaft lag. Zuvor hatte er sich nach der Sache zu Weihnachten ganze drei Monate nicht bei ihr gemeldet. Dafür hatte sie ihm ordentlich den Kopf gewaschen, denn wenn er schon behauptete, sie seien Freunde, sollte er sich auch gefälligst so verhalten.

Er war beileibe kein einfacher Mensch – verschlossen, einzelgängerisch, charmant, wenn er etwas erreichen wollte, aber auch stur und zuweilen arrogant. Manchmal fragte sie sich, warum sie sich überhaupt mit ihm abgab. Doch inzwischen hatte sie hin und wieder einen Blick auf den Menschen werfen dürfen, der sich hinter einer Mauer aus innerer Abwehr verschanzt hatte, und war fest davon überzeugt, dass er es wert war, ihn näher kennenzulernen.

Dass er außerdem geradezu unverschämt gut aussah – was er leider nur allzu genau wusste – und sie ihren Herzschlag und das Flattern in ihrer Magengrube in seiner Gegenwart nur mit Mühe unter Kontrolle halten konnte, darüber dachte sie schon seit einer Weile grundsätzlich nicht mehr nach. Sie versuchte, ihre Reaktion auf ihn zu ignorieren, denn er war alles andere als ihr Typ, genau wie umgekehrt. Sich auf ihn einzulassen, falls er das überhaupt wollen würde, wäre nicht nur unvernünftig, sondern ganz sicher auch gefährlich, vor allem für ihr Herz, das in der Vergangenheit schon genügend Tiefschläge erlitten hatte. Einen weiteren wollte sie ganz sicher nicht erleben.

Freunde waren sie jedoch unbestreitbar geworden, das hatte schließlich sogar er zugegeben, und er bemühte sich auch, diese Freundschaft zu pflegen. Zumindest, soweit es ihm möglich war. Sie sah ein, dass er während eines brandgefährlichen Einsatzes nicht ständig Kontakt zu ihr halten konnte. Umso mehr freute sie sich über jedes kleine Lebenszeichen von ihm. Wie diese Kurznachricht. Sie hatte sie nicht gelöscht.

Während er fort war, kümmerte sie sich um die wenigen Grünpflanzen in seiner Wohnung und sammelte seine Post. Er hatte sie nach seiner Abreise telefonisch darum gebeten und ihr den Schlüssel zu seiner Wohnung per Kurier zukommen lassen. Das war ein Vertrauensbeweis, mit dem sie gar nicht gerechnet hatte, der sie glücklich und auch ein wenig stolz machte. Markus hatte nur wenige Freunde und noch weniger Menschen, denen er so sehr vertraute. Dass sie nun zu diesem kleinen Kreis gehörte, war schon etwas Besonderes.

Der Nachrichtenmoderator erzählte inzwischen etwas von einer zerstückelten Leiche, deren Kopf und Körperteile bis auf den Rumpf und ein Bein noch nicht aufgetaucht waren. Kopfschüttelnd ließ Janna ihren Blick über die wenigen LKW schweifen, die hier auf dem Rastplatz parkten. Neben einem hatte ein Fahrer trotz der eher kühlen zwölf Grad einen kleinen Grill aufgebaut, auf dem irgendetwas brutzelte, vermutlich Würstchen. Der Fahrer selbst war in ausgebeulte Jeans, ein ehemals weißes, mittlerweile eher graues Unterhemd und eine zerbeulte braune Strickjacke gekleidet und kratzte sich immer wieder seine umfangreiche Wampe.

Janna schüttelte sich, denn der Mann bot nicht gerade einen appetitlichen Anblick. Kurz erlaubte sie sich, an seiner Stelle das Bild von Markus heraufzubeschwören. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie er ihr einmal, als er den Personenschutz für sie hatte übernehmen und bei ihr übernachten müssen, früh morgens nur in Jeans und mit nacktem Oberkörper über den Weg gelaufen war. Auch später hatte sie bei dem einen oder anderen Einsatz Blicke auf seinen wohlgeformten und muskulösen Körper werfen dürfen. Der Unterschied zu dem Trucker war so krass, dass sie kichern musste.

Sie knabberte an einem Stück Möhre und überlegte gerade, ob es wohl erlaubt war, ein wenig draußen auf und ab zu gehen. Denn auch wenn die Sonne sich heute noch nicht durch die Wolken gekämpft hatte, wäre sie gern an der frischen Luft gewesen. Wenn sie nicht hier auf den Kurier hätte warten müssen, wäre sie heute in ihren Garten gegangen und hätte sich damit beschäftigt, die Beete für die bald anstehende Bepflanzung mit Gemüse und Salat vorzubereiten.

Ihr Blick wurde von einem dunkelblauen Lieferwagen angezogen, der in diesem Augenblick auf den Rastplatz geschossen kam und mit Schwung in eine der Parkbuchten nicht weit von ihr einscherte. Auf dem Wagen stand Elektrotechnik Pietrowski und darunter eine Adresse aus Chemnitz. Auch das Kennzeichen verriet, dass der Wagen aus Ostdeutschland kam.

Das musste er sein. Beinahe hätte Janna sich verschluckt. Hastig legte sie die angeknabberte Möhre zurück in die Tupperdose und schloss den Deckel, öffnete ihn jedoch gleich wieder und entnahm ihr wahllos einen gelben Paprikastreifen. Sie durfte sich nichts anmerken lassen. Ohne etwas zu schmecken, aß sie das Gemüse und tat, als suche sie sich mit besonderer Sorgfalt das nächste in der Dose aus. Dabei beobachtete sie aus den Augenwinkeln, wie der Fahrer des Lieferwagens, ein schmaler blonder Mann mit Brille und Vollbart, eine braune Papiertüte von Burger King hinüber zur Baumgrenze trug, neben einem Busch auf dem Boden abstellte, zur Seite trat und sich an einem Baumstamm erleichterte. Danach kehrte er langsam zu seinem Wagen zurück, ließ die Tüte aber, wo sie war.

Janna erschrak, als er sie direkt ansah und mit dem Kinn in Richtung Autobahn deutete. Sie blickte dorthin, dann wieder zu ihm. Er schüttelte leicht den Kopf und formte mit den Lippen ein paar Worte, die sie zunächst nicht verstand. Erst als er sie wiederholte, meinte sie Beeilung und Gefahr zu erkennen. Er warf noch einen kurzen Blick zurück zur Tüte, dann machte er eine abwehrende Geste mit der Hand, stieg in den Lieferwagen und fuhr mit Vollgas zurück auf die Autobahn.

Im selben Moment kam ein Motorrad auf den Rastplatz gebraust, hielt aber ganz am anderen Ende. Ihm folgte ein grüner VW Beetle, in dem jedoch nur ein älteres Paar saß, das sich heftig gestikulierend unterhielt. Sie parkten direkt neben Jannas Golf, stiegen aus und setzten ihre hitzige Diskussion draußen fort, während der Mann einen Korb mit Proviant vom Rücksitz nahm und vor der Motorhaube auf dem Boden abstellte. Die Frau begann sofort, darin zu wühlen, und reichte ihm ein Butterbrot, ohne auch nur einen Moment mit ihrer Tirade aufzuhören.

Noch zwei Autos näherten sich nun und parkten in unterschiedlichem Abstand zu Janna. Das eine war eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben, das andere ein grauer Van, beide mit ausländischen Kennzeichen. Auch ein weiterer LKW hatte eine Parkbucht angesteuert.

Verunsichert sah Janna sich nach den Autos um. Was hatte der Mann im Lieferwagen gemeint? War er verfolgt worden? Und wenn ja, wer waren die Verfolger? Konnten sie ihr gefährlich werden? Sollte sie Herrn Bernstein anrufen?

Ein weiteres Auto steuerte den Rastplatz an. Wieder eine schwarze Limousine, diesmal aber, wie sie durch leichtes Verrenken ihres Halses erkennen konnte, mit Kölner Kennzeichen.

Keiner der Fahrer stieg aus, was Janna noch mehr beunruhigte. Schon wollte sie ihr Handy hervorholen, überlegte es sich dann aber doch anders und atmete tief durch. Herr Bernstein wollte, dass sie die Papiertüte ins Institut brachte, also würde sie das tun. Sie stieg entschlossen aus und tat, als strecke und recke sie sich ausgiebig. Dann nahm sie ihre Umhängetasche, hängte sie sich lässig über die Schulter und ging ein wenig auf und ab, streckte sich erneut und trat dann wie zufällig neben den Busch. Dort öffnete sie ihre Tasche, tat, als suchte sie etwas darin, stellte sie schließlich auf dem Boden ab und wühlte weiter. Sie war nun teilweise von dem Busch und teilweise von einem Mülleimer verdeckt. Rasch schnappte sie sich die Papiertüte und stopfte sie in die Tasche, zog ihr Handy hervor und gab vor, eine Nummer zu wählen.

Ohne besondere Eile, jedoch mit wild klopfendem Herzen schlenderte sie zum Golf zurück und sprach irgendwelche zusammenhanglosen Sätze in ihr Smartphone, die sich, wie sie hoffte, anhörten, als spräche sie mit ihrer Mutter. Sie setzte sich zurück ins Auto, warf das Handy auf den Beifahrersitz und fuhr zügig los.

Als sie etwa einen Kilometer zurückgelegt hatte, atmete sie auf. Es war alles gutgegangen. Keine Gefahr. Sie würde am besten bei der nächsten Abfahrt in die entgegengesetzte Richtung zurückfahren, um so schnell wie möglich Bonn zu erreichen.

Als ihr Blick in den Rückspiegel fiel, erstarrte sie. Da war wieder der grüne VW Beetle, ganz zweifellos, und dahinter eine der schwarzen Limousinen. Sie war nahe genug, dass Janna das Kölner Kennzeichen erkennen konnte. Zufall?

Das erschien ihr immer unwahrscheinlicher, als auch noch der Motorradfahrer hinter ihr auftauchte. Zumindest glaubte sie, dass es derselbe war wie auf dem Rastplatz. Den blauen Helm und die ebenfalls blaue Montur des Fahrers erkannte sie sofort wieder.

Erschrocken biss sie sich auf die Unterlippe. Was sollte sie jetzt tun? Fahrig nahm sie ihr Handy und klemmte es mit leicht zitternden Fingern in die Halterung der Freisprecheinrichtung. Dann wählte sie die Nummer des Instituts.

»Institut für Europäische Meinungsforschung, Birkner am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«

Janna atmete auf. »Guten Tag, Frau Birkner, hier ist Janna Berg. Das Passwort ist, äh ...« Sie stockte kurz und hatte für einen Moment das Kennwort vergessen. »Brillenputztuch.« Sie atmete tief durch. »Ich muss dringend mit Herrn Bernstein sprechen.«

»Einen Augenblick, Frau Berg, ich verbinde Sie.«

Es erklang ein Knacken und dann Warteschleifenmusik. Eine jazzige Version von Fools Gardens Lemon Tree. Manchmal wunderte sich Janna, woher das Institut diese Musik wohl nahm. Sie wechselte ständig je nach Jahres- und manchmal auch Uhrzeit.

Es dauert nur Sekunden, bis die Stimme des Abteilungsleiters sich meldete. »Janna? Gibt es ein Problem? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Äh, ja, hallo Herr Bernstein. Ich weiß nicht, ob alles in Ordnung ist.« Sie warf immer wieder Blicke in den Rückspiegel. Das Motorrad klebte mittlerweile ganz dicht an ihr, Beetle und Limousine waren etwas zurückgefallen, aber nach wie vor in Sichtweite. »Ich habe die Papiertüte an mich genommen, so wie vereinbart, aber jetzt werde ich, glaube ich, verfolgt. Der Kurier hat mich schon so komisch angeschaut und Zeichen gemacht, dass etwas nicht stimmt, und ich glaube, er hat etwas von Gefahr gesagt. Also nicht laut, sondern mit den Lippen geformt, in meine Richtung. Wir haben ja nicht miteinander gesprochen, sondern ich saß im Auto und er war draußen und hat die Tüte abgestellt und ist dann zu seinem Lieferwagen zurückgegangen. Dann war er weg und es kamen mehrere Autos auf den Rastplatz. Ein älteres Ehepaar in einem grünen VW Beetle, die haben sich aber dauernd gestritten und dabei gegessen, und ich dachte nicht, dass sie gefährlich sein könnten. Aber dann kamen auch noch ein Motorrad und zwei schwarze Autos und ein grauer Van ...«

»Janna, immer mit der Ruhe! Sprechen Sie bitte langsamer, sonst verstehe ich kein Wort.«

»Oh, entschuldigen Sie bitte.« Mit einiger Mühe versuchte Janna, sich zu bremsen, und zupfte nervös an einer ihrer kupferroten Locken herum. »Ich rede wie ein Wasserfall. Das passiert mir, wenn ich nervös bin oder Angst habe. Tut mir wirklich leid. Markus habe ich damit schon oft beinahe um den Verstand gebracht.«

»Schon gut, Janna. Jetzt noch einmal ganz in Ruhe. Wer verfolgt Sie und wo befinden Sie sich im Moment?«

»Ich bin auf der A1 in Richtung Euskirchen und hinter mir ist das Motorrad vom Rastplatz, der VW Beetle und eine der schwarzen Limousinen. Sie hat ein Kölner Kennzeichen und das vom Beetle ist«, sie blickte erneut in den Rückspiegel, »aus Bonn. Das ist seltsam. Die beiden älteren Leute hatten jede Menge Proviant dabei, und es sah so aus, als wären sie auf den Rastplatz gefahren, um Pause auf einer längeren Fahrt zu machen. Aber wenn sie aus Bonn kommen, sind sie ja wohl noch nicht lange unterwegs. Außer sie kommen von irgendwo und sind auf dem Heimweg, aber dann müssten sie doch so kurz vor dem Ziel keine Rast mehr einlegen, oder?«

»Gut beobachtet, Janna. Sie glauben also, dass das Motorrad und die beiden Autos sie verfolgen?«

»Ja. Oder ... ich weiß nicht. Das Motorrad klebt ganz schön dicht an mir dran.«

»Fahren Sie an der nächsten Abfahrt von der Autobahn herunter und warten Sie ab, ob ihnen tatsächlich jemand folgt.«

»Okay.« Da die Abfahrt Euskirchen in diesem Moment in Sichtweite kam, setzte Janna den Blinker und verließ die Autobahn.

Mit unendlicher Erleichterung beobachtete sie im Rückspiegel, wie der Motorradfahrer Gas gab und mit Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn davonschoss. »Das Motorrad ist weg, Herr Bernstein.«

»Gut. Ist eines der anderen verdächtigen Fahrzeuge noch hinter Ihnen?«

»Ich weiß noch nicht, hier ist viel Verkehr.« Sie fuhr am Lidl vorbei in Richtung Stadtmitte und musste schließlich an einer großen Kreuzung halten. Ein Stück weit hinter sich erkannte sie die schwarze Limousine, den Beetle und ... war das etwa auch der graue Van? »Ich glaube, es sind drei Autos. Das schwarze mit der Kölner Nummer, der Beetle und noch ein grauer Van. Den hatte ich aber auf der Autobahn nicht gesehen. Vielleicht ist es also auch ein anderer als der vom Rastplatz.« Sie versuchte sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu beruhigen. »Was soll ich denn jetzt machen?« Sie runzelte die Stirn. »Herr Bernstein? Hallo? Sind Sie noch dran?«

Es knackte und rauschte in der Leitung, dann piepste es und schließlich erklang das Besetztzeichen.

»Mist.« Mit zitternden Fingern wählte sie erneut die Nummer des Instituts. Diesmal dauerte es deutlich länger, bis der Anruf entgegengenommen wurde.

»Guten Tag. Sie sind mit dem Institut für Europäische Meinungsforschung verbunden. Leider sind im Augenblick alle Leitungen besetzt. Bitte haben Sie einen Moment Geduld oder versuchen Sie es in ein paar Minuten erneut. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.« Auf die Ansage der Computerstimme folgte die Warteschleifenmusik von zuvor.

»Was soll das denn jetzt?« Leicht verzweifelt unterbrach Janna das Gespräch und wählte noch einmal, jedoch kam die gleiche Ansage erneut.

»Bitte gehen Sie dran, Frau Birkner!« Sie hatte noch nie erlebt, dass die Leitung zum Institut besetzt war.

Inzwischen war sie nach links auf die B266 in Richtung Rheinbach abgebogen, ebenso wie der Beetle, die schwarze Limousine und der Van. Letzterer bog jedoch gleich darauf in eine Seitenstraße ab. Sie atmete auf. Es waren also nur noch zwei Verfolger.

Zwei Verfolger! Und sie bekam im Institut niemanden an den Apparat. Leider besaß sie auch nicht die Handynummer von Walter Bernstein oder einem der anderen Agenten. Und Markus war noch in Russland. Ihn anzurufen verbot sich selbstverständlich. Außerdem hätte er ihr auf die Entfernung ja doch nicht helfen können.

Sie ließ die Warteschleifenmusik über sich ergehen und hoffte, dass die Leitung irgendwann wieder frei sein würde. Während sie durch Euskirchen fuhr, überlegte sie fieberhaft, was sie jetzt tun sollte. Am besten fand sie wohl erst einmal heraus, ob die beiden Autos sie tatsächlich verfolgten oder doch nur zufällig den gleichen Weg eingeschlagen hatten. Also bog sie bei nächster Gelegenheit rechts ab, dann wieder rechts und fuhr kreuz und quer durch Euskirchen.

Nach kurzer Zeit verlor sie die Limousine aus den Augen, den Beetle jedoch nicht. Er hatte sich zurückfallen lassen, doch er folgte ihr ganz eindeutig.

Ob sie es schaffen würde, das Paar abzuhängen? Warum folgten die beiden ihr überhaupt? Waren das etwa auch Agenten, und falls ja, für wen arbeiteten sie? Sie hatte keinen Schimmer, was für Informationen sich in der Papiertüte befanden. Es war ihr auch nicht erlaubt, sie näher anzusehen. Sie hatte lediglich den Auftrag, sie heil ins Institut zu bringen.

Bei ihrem nächsten Blick in den Rückspiegel stellte sie fest, dass der Beetle wieder nähergekommen war. Also bog sie entschlossen wieder auf die B266 ab und gab etwas mehr Gas. Der Wagen blieb hinter ihr und sie erschrak, als wenige Augenblicke später die schwarze Limousine aus einer Seitenstraße hinter ihr einscherte. Offenbar hatte der Fahrer nur auf sie gewartet. Nein, es waren sogar zwei Männer, wie sie jetzt, da das Auto so dicht hinter ihr fuhr, erkennen konnte. Zwei Männer mit dunklen Sonnenbrillen, was bei dem eher diesigen Wetter heute extrem auffällig wirkte.

Ihr Herzschlag wollte sich gar nicht mehr beruhigen, doch sie zwang sich, den Blick auf den Verkehr vor ihr zu richten. Sie musste die Verfolger irgendwie loswerden. Wer wusste schon, was die vorhatten? Womöglich waren sie sogar bewaffnet und würden sie zum Anhalten zwingen oder auf ihr Auto schießen. Nicht hier in der Stadt, das glaubte sie weniger, aber auf der Landstraße?

Sie hielt sich, als sie Euskirchen verließ, gerade so an das Geschwindigkeitslimit, überholte einen Traktor und zwei Motorroller und hatte nicht viel später Rheinbach erreicht. Ihre beiden Verfolger waren noch immer hinter ihr, jedoch etwas entfernt. Da sie sich in ihrer Heimatstadt bestens auskannte, bog sie bei nächster Gelegenheit links ab, dann wieder rechts und fuhr im Zickzack durch den Ort. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der noch immer die Warteschleifenmusik dudelte, passierte sie die Shell-Tankstelle und bog, einer Eingebung folgend, einen Moment später auf den Parkplatz vor dem HIT Markt ab. Dort fuhr sie in eine Parklücke nahe beim Eingang, schnappte sich Umhängetasche und Handy und rannte, so schnell sie konnte, in den Supermarkt.

Ein Kinderspiel

Подняться наверх