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VORWORT Der Berg
ОглавлениеIn einer weit entfernten Zeit lebte einmal ein Entdecker, der die Legende von einem nahe gelegenen Berg vernahm, auf dem ein solch riesiger Reichtum der Natur zu finden sei, dass er seine Stadt zur wohlhabendsten der Welt machen könnte. Unter dem Beifall der Stadtbewohner:innen machte er sich auf die Suche nach dem Berg, kehrte jedoch Monate später mit der enttäuschenden Nachricht zurück, er habe den Berg zwar gefunden, dieser sei jedoch unfruchtbar.
Der Berg geriet schließlich in Vergessenheit. Nur eine einzige Person wurde das Gefühl nicht los, dass an der Legende etwas dran sein müsse, und verließ selbst die Stadt auf der Suche nach dem legendären Berg. Als diese zweite Entdeckerin zurückkehrte, verblüffte sie alle mit ihrem Bericht, der Berg sei in der Tat bedeckt von üppiger Vegetation, hoch aufragenden Bäumen und mindestens einigen Hundert Pflanzenarten.
Verwirrt begannen die Menschen in der Stadt, einander zu beschuldigen. Sie bezichtigten den ersten Entdecker der Verschwörung mit benachbarten Städten. Auch die Integrität der zweiten Entdeckerin wurde infrage gestellt. Allerdings sagten beide Entdecker:innen die Wahrheit, sie hatten den Berg lediglich von verschiedenen Seiten gesehen.
Als schwarze* Frau afrikanischer Herkunft, die in der weiß und männlich dominierten Welt der Ideen arbeitet, bin ich wie die zweite Entdeckerin, die die andere Seite des metaphorischen Bergs erkundet hat. Wenn die universellen Konzepte – Wissen, Macht, Schönheit – in diesem Buch für den Berg stehen, habe ich aus der Perspektive der zweiten Entdeckerin über sie geschrieben, in diesem Fall aus einem afrikazentrierten schwarzen feministischen Blickwinkel anstelle der eurozentrischen und patriarchalischen Perspektive – die ich im Verlauf dieses Buchs als europatriarchalisch bezeichnen werde –, aus der wir sie zu betrachten gewohnt sind.
Aus einer afrikazentrierten schwarzen feministischen Perspektive schreibe ich allerdings nicht vorrangig, weil ich die europatriarchalische Sicht bekämpfen will. Mein Ziel besteht nicht darin, den ersten Entdecker davon zu überzeugen, dass er in Bezug auf den Berg im Unrecht ist. Das würde nur wieder ihn ins Zentrum der Geschichte stellen. Stattdessen geht es mir um die verborgene Geschichte der zweiten Entdeckerin und darum, ihre Welt ins Zentrum zu rücken.
Ich betone das Wort verborgen, da ich mit Sinnliches Wissen auch keine »neue« oder »alternative« Perspektive zur europatriarchalischen liefern möchte. Damit läge der Fokus erneut auf dem Weißsein und der Männlichkeit, da es implizierte, diese seien die Achse, um die sich alles andere drehen müsse. Mein Schwarzsein und meine Weiblichkeit sind für mich keine »neuen« oder »alternativen« Blickwinkel. Was Race und Gender angeht, sind es die einzigen Blickwinkel, die ich kenne.
Überdies sind das Schwarzsein und das Frausein zwar Eigenschaften, die mich Unterdrückung und Vorurteile wesenhaft verstehen lassen, aber sie bringen mich nicht automatisch in die Lage eines Opfers, so wie auch nicht jede weiß und männlich geborene Person automatisch ein Unterdrücker ist.
Ethnizität, Gender und Race sind Zufallsfaktoren, die allerdings aufgrund der Narrative, die unsere Gesellschaft formen, maßgeblich beeinflussen, wie wir die Welt sehen und wie die Welt uns sieht.
Ich möchte das Verständnis dafür, wie die Realität mit diesen Narrativen verbunden ist, nicht gegen die Illusion eintauschen, ich würde in einer farbenblinden, postfeministischen, postrassistischen und meritokratischen Fantasiewelt leben. Die unersetzliche Toni Morrison schrieb einst über die Naivität, die weißen Frauen historisch betrachtet gestattet wurde, weil Frauen mit anderem ethnischen Hintergrund sich um sie kümmerten: »Schwarze Frauen haben sich weißen Frauen gegenüber schon immer überlegen gefühlt. Nicht überlegen, was ihre Race angeht, sondern was ihre Fähigkeit angeht, gesund in der Welt zu funktionieren.«1
Mit dieser provokativen Aussage meinte sie, dass das Leben als schwarze Frau zwar eine Herausforderung sein kann, eine schwarze Frau zu sein aber dennoch ein Segen ist, nicht zuletzt, weil es das Risiko einer naiven und ambivalenten Haltung gegenüber der Realität verringert.
Wichtig an der verborgenen Perspektive der Entdeckerin ist also, dass sie das eindimensionale Denken unterbricht und zu einem lebendigeren Verständnis der Welt beiträgt. Schwarze Feministinnen haben von jeher betont, feministische Diskurse müssten antikapitalistisch und antiimperialistisch sein, da der Kapitalismus ein profitzentriertes System und der Imperialismus das Instrument ist, mit dem die Sucht nach Wachstum und Profit befriedigt wird. Es hat keinen Zweck, »das Patriarchat zu zerschlagen«, wie es viele westliche Feminismen von sich behaupten, ohne auch den Imperialismus und den Kapitalismus zu bekämpfen. Schließlich liegen in der europäischen Erde keine Diamanten. In den USA gibt es kein Coltan. Die Ressourcen, die die westlichen Patriarchate stärken, werden größtenteils auf eine unethische Weise aus dem Globalen Süden beschafft.
Grundsätzlich hat die patriarchalische Herrschaft ihre Systeme der Unterdrückung auch nach dem Vorbild der Zerstörung der Umwelt gestaltet. Im 21. Jahrhundert müssen wir dringend eine Sichtweise auf den Feminismus entwickeln, in der dieser die Menschheit und die Natur als in einer wechselwirksamen Beziehung lebend umfasst.
Die westliche feministische Bewegung ist allerdings kein Monolith, und Sinnliches Wissen ist inspiriert von der internationalen Frauenbewegung mit ihren Figuren wie der sozialistischen Revolutionärin Rosa Luxemburg, der Ökofeministin Maria Mies und den vielen westlichen Aktivistinnengruppen von den Suffragetten über die Women’s Liberation bis hin zu MeToo.
Sinnliches Wissen ist zwar im schwarzen Feminismus verwurzelt, äußert sich aber zur allgemeinen Unzufriedenheit der Gegenwart und ist für alle relevant, die glauben, dass die derzeitigen europatriarchalischen Herrschaftssysteme toxisch sind und wir Paradigmen entwickeln müssen, die stattdessen belebend wirken.
Ideen, die für den menschlichen Geist zentral sind, aus einer afrikazentrierten schwarzen feministischen Sicht neu zu denken, bedeutet nicht, zu essenzialisieren, wie afrikanische, schwarze oder weibliche Identitäten durch ein europatriarchalisches Wertesystem »verandert« wurden. Stattdessen bedeutet es, die Subjektivität in diesen Identitäten zutage zu fördern, denn wenn sie auch konstruiert sein mögen, so prägen sie doch unser Leben. Daher ist es wichtig, eine Sprache und ein Wissen zu entwickeln, die für und nicht gegen jene arbeiten, die von den Privilegien des Status quo ausgeschlossen sind.
Wir sprechen häufig von Wissen, als wäre es ein neutraler Begriff – als wäre die männliche Perspektive auf Schönheit übereinstimmend mit der weiblichen Perspektive. Oder als könnte Macht für schwarze Menschen als Gruppe tatsächlich dasselbe meinen wie für weiße Menschen als Gruppe. Und natürlich ist Wissen an sich weder weiblich noch männlich, schwarz oder weiß. Aber weil wir die Wissensproduktion typischerweise mit einer weißen und männlichen Voreingenommenheit interpretieren, haben Frauen und Männer und Menschen verschiedener Races und Ethnizitäten jeweils unterschiedliche Beziehungen dazu. Um noch einmal Morrison zu zitieren: »Eines der Mittel zur Gestaltung von Wissen ist die Erzählung.«2
Das Narrativ, durch das wir das Wissen betrachten, ist sowohl der Samen als auch die Frucht der Kultur, die es produziert. Um nahrhafte Früchte zu produzieren, müssen wir eine vortreffliche Saat aussäen.
Und doch versuchen wir typischerweise, eine reichere Ernte zu erzeugen, indem wir dasselbe alte Unkraut verwenden. Wir drängen dem Leben von Frauen männliche Normen auf und jeder Gesellschaft den amerikanischen Traum. Wir erziehen Mädchen dazu, mehr wie Männer zu werden, wenn sie groß sind, nicht aber Jungen dazu, mehr wie Frauen zu werden. Wir müssen uns fragen, weshalb das Frausein trotz aller feministischen Arbeit noch immer so stark abgewertet wird. Wieso ärgert es Frauen bis heute, wenn ihnen jemand (meistens ein Mann) sagt, sie verhielten sich wie Frauen? Und umgekehrt, warum sind sie stolz darauf, wenn ihnen jemand sagt, sie verhielten sich »wie Männer«? Wer anstrebt, wie Männer zu werden und den Vorstellungen von Männlichkeit zu entsprechen, legt die Messlatte ehrlich gesagt ziemlich niedrig. Männer sind ebenso versklavt von der Gesellschaftsordnung – die sie jedoch zu kritisieren zögern, da sie sie in ihrer Illusion darüber bestärkt, wer sie sind. Tatsächlich quälen Männer frustrierte Sehnsüchte, sie sind gefangen im Konkurrenzkampf des Hamsterrads, sie sind sexuell bedürftig, sie neigen in verstörend hoher Zahl zum Selbstmord, und sie besitzen ein unstillbares Verlangen nach Macht. Sowohl Frauen als auch Männer sollten diese einschränkende Definition von Männlichkeit ablehnen.
Ich behaupte nicht, Männer seien durch jene Illusionen von Macht nicht privilegiert. Aufgrund der gängigen Definition von Macht wird ein Mann in ein System hineingeboren, das sein eigenes biologisches Geschlecht als allen anderen überlegen ansieht. Doch Männer sind auch Opfer dessen, was wir als das Superman-Syndrom bezeichnen könnten, eine kognitive Dissonanz, die sie fälschlicherweise glauben lässt, weil die Gitter ihrer Gefängniszelle golden sind, sei es nicht länger ein Gefängnis. Das goldene Gefängnis der Maskulinität verurteilt Männer zu einem Leben in Konformität.
Ich möchte auch nicht nahelegen, es sei nicht wertvoll, für die Gleichstellung der Geschlechter zu kämpfen. Aber diese Gleichstellung sollte nicht auf Kosten der gelebten Erfahrung von Frauen erfolgen oder auch des von der feministischen Philosophin Sandra Harding so genannten »sozial situierten Wissens«. Damit ist gemeint, dass wir Wege entwickeln müssen, die Welt mit dem Leben und den Beschäftigungen von Frauen im Zentrum zu betrachten, woraus folgt, dass das Frausein darin die Norm ist.
Es gibt nicht die eine »weibliche Art des Wissens«, aber eins ist sicher: Ein im Frausein sozial situiertes Wissen ist antipatriarchalisch. Und so lässt es sich offensichtlich nicht vermeiden, mit den Auswirkungen von Dominanz zu ringen, wenn man über schwarz-, weiblich- und afrikazentrierte Welten schreibt.
Dieses Ringen hat keine Schreibblockade zur Folge, sondern ein entsprechendes Gefühl, das ich als Schreibkummer bezeichne. Schreibkummer verspürt man, wenn man sich des beständigen, schreienden Widerspruchs in den eigenen Worten schonungslos bewusst wird. Man verspürt ihn, wenn man sich wünscht, man könnte genauso über Trivialitäten schreiben, wie es weißen männlichen Autoren erlaubt ist. Oder man könnte so cool und unbefangen über Gender schreiben, wie schwarze männliche Autoren es vermögen. Anders als weiße Feministinnen kann man nicht einmal unbeirrbar über ein klassisches feministisches Thema wie den Gender-Pay-Gap schreiben, ohne dass jenes andere Thema seine Rs und As und Cs und Es über die Seiten schüttet.
Schreibkummer ähnelt dem, was der afroamerikanische Soziologe und Schriftsteller W. E. B. Du Bois als »Double Consciousness« bezeichnete, wenn er über Race-Fragen in den Vereinigten Staaten sprach. Er schrieb, Double Consciousness sei »dieses Gefühl, sich selbst immer nur durch die Augen anderer wahrzunehmen, der eigenen Seele den Maßstab einer Welt anzulegen, die nur Spott und Mitleid für einen übrig hat«.3 Aufgrund des institutionellen Sexismus und Rassismus lernen so viele von uns, die Welt auf diese Weise zu betrachten. Wir werden zu einer Figur im Hintergrund unseres eigenen Lebens und betrachten die Welt niemals aus unserem eigenen Blickwinkel. Sich selbst (so konstruiert dieses Selbst auch sein mag) niemals ins Zentrum der eigenen Weltsicht zu stellen, ist für eine schwarze Frau jedoch die gefährlichste Art und Weise, zu leben. Sogar für mich selbst bleibe ich so die »Andere«.
Als Folge dieser Verdrängung fühlen sich schwarze Frauen in der Welt der Ideen wie Eindringlinge. Sich an Gesprächen über die bedeutendsten Themen der Welt zu beteiligen, kann sich anfühlen, als sähe man sich einen Film erst ab der zweiten Hälfte an. Irgendwann reimt man sich den Plot wahrscheinlich zusammen, aber man bleibt verwundert über die Entscheidungen, die die Figuren treffen. Wieso hatte die Frau eine Affäre? Warum hat die Polizei das Gebäude in die Luft gejagt? Wer zum Teufel war der Typ mit den Superkräften, der am Ende auftauchte? In Wahrheit waren viele gesellschaftliche Debatten nie auf Inklusion ausgelegt. Wie die brillante und außergewöhnliche feministische Autorin bell hooks 2006 in einem Interview auf der mittlerweile stillgelegten Black Academics Platform sagte: »Jede Frau, die eine Intellektuelle sein, Sachbücher schreiben, sich mit Theorie auseinandersetzen möchte, begegnet einer Menge an Diskriminierung und vielleicht sogar Selbstzweifeln, weil es nicht viele gibt, die diesen Weg vor ihr gegangen sind. Und ich denke, dass es unser machtvollstes Werkzeug ist, uns Klarheit über unsere Absichten zu verschaffen. Zu wissen, was genau wir tun wollen, statt in eine Institution zu gehen mit der Hoffnung, diese werde es für uns formulieren.«
Hooks’ Zitat weist darauf hin, weshalb ich trotz allem nicht unter Schreibkummer litt, während ich dieses Buch schrieb. Meine Absicht war klar: Ich wollte kein Buch des Protests schreiben, ich wollte ein Buch des Fortschritts schreiben. Mit Fortschritt meine ich alle drei Bedeutungen des Wortes: erstens etwas noch nicht Abgeschlossenes, zweitens eine Vorwärtsbewegung und drittens eine Steigerung des Bewusstseins.
Der Unterschied zwischen Protest und Fortschritt (»protest« und »progress«) ist in diesem Kontext subtiler, als es zunächst erscheinen mag. Allerdings unterscheiden sie sich in einem wesentlichen Punkt. Während ein Buch des Protests sich darauf konzentrieren würde, für eine Hauptrolle in dem Film zu kämpfen – um das Beispiel von oben fortzuführen –, ist ein Buch des Fortschritts mehr daran interessiert, sich einen Film auszumalen, der von Beginn an inklusiv und aufregend ist. Was mich im Wesentlichen dazu motiviert hat, dieses Buch zu schreiben, war der Wunsch, zu erforschen, wie sich Konzepte, die das prägen, was wir als Wissen wahrnehmen, verändern, wenn man beim Nachdenken über sie weibliche Wissensformen, schwarze feministische Theorie und afrikanische Wissenssysteme in den Mittelpunkt stellt.
In Of Africa schrieb der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, das Afrika, wie wir es heute kennen, »bleibt die monumentale Erfindung europäischer Kreativität«. Doch »wenn es eine Gabe gibt, die untätig darauf wartet, die Welt mit einem bahnbrechenden Humanismus zu erleuchten, dann ist es die ›unsichtbare‹ Religion auf dem afrikanischen Kontinent«.4 Es ist an der Zeit, die Welt mit den tiefen Einsichten aus Afrikas Wissenssystemen und der von ihnen abstammenden schwarzen Kultur in der Diaspora zu erleuchten. Viel zu lange wurden diese Einsichten von einer europatriarchalischen Weltsicht abgewertet, die sie als alles Mögliche bezeichnet hat, um sie herabzuwürdigen: primitiv, tribal, urban, Street, Slang, Dritte Welt – um nur einige zu nennen.
Wir Frauen dagegen »finden uns herabgesetzt oder werden weich durch scheinbar harmlose Vorwürfe, wir seien kindisch, es mangele uns an Universalität, wir seien selbstbezogen und sinnlich«5, schrieb die schwarze feministische lesbische Dichterin Audre Lorde in »Dichten ist kein Luxus«. Wir werden einer Gehirnwäsche unterzogen, damit wir unseren Formen des Wissens misstrauen, die als feminin kategorisiert werden können, weil das Wort feminin so stark missbraucht worden ist. In ihren Texten bezog sich Lorde häufig auf die »schwarze Mutter« als eine verkörperte weibliche Weisheit, eine Quelle »jener dunklen und wahren Tiefe, der das Verständnis dient, seine Aufwartung macht und die es durch die Sprache uns selbst und anderen zugänglich macht«.6
Afrikanische feministische Wissenssysteme durchdringen den Feminismus mit dem Wissen der metaphorischen schwarzen Mutter. Sie führen eine Liebe für die Seele ein, wie die Schriftstellerin Alice Walker sagte, als sie ihre einflussreiche Theorie des Womanism definierte. Seele hat für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen. Ich verwende den Begriff, um ein individuelles und kollektives inneres Wesen zu beschreiben, das unseren Charakter, unsere Stimmungen, Überzeugungen, Erinnerungen und Haltungen ausmacht. Wissen mit Seele zu durchdringen bedeutet also, die Künste, den Tanz, Sprichwörter, rituelle Texte, Versepen, musikalische Traditionen, Schöpfungsmythen, Lebensgeschichten, Frauentraditionen und Utopien, all jene Dinge, von denen man sagen könnte, dass sie etwas mit der Seele zu tun haben, als Quellen der Erkenntnis anzusehen.
Indem ich das Feminine und das Maskuline, das Messbare und das Unermessliche, Natur und Technologie, Geschichte und Futurismus, das Lokale und das Globale, die Intimität der Poesie und die Leidenschaftslosigkeit der Wissenschaft, die Schubkraft der politischen Realität und die Zartheit der Künste, das intuitive Wissen der Mythologie und das kritische Denken des Intellektualismus auf eine interdisziplinäre Weise miteinander verflechte, die aus einer ganzen Reihe von Traditionen, Ideologien und Gedankenströmungen schöpft, biete ich Sinnliches Wissen als meinen bescheidenen Versuch an, einen Samen einzupflanzen, der aufblühen könnte in einer hoffentlich anregenden afrikazentrierten, frauenzentrierten und schwarzen feministischen Synthese innerhalb der Ernte universeller Ideen.
Als die zweite Entdeckerin von ihrer Reise auf den Berg heimkehrte, begeisterte ihre Version des Berichts die Menschen in der Stadt. Ihre Augen leuchteten vor Liebe, wenn sie über diesen vor Üppigkeit strotzenden Berg sprachen. Sie wollten den Berg beschützen, da er ein Teil ihrer kollektiven Identität wurde. Jahrhunderte später, als der Anstieg der Kohlendioxidemissionen die Flora des Berges bedrohte, zögerten die Stadtbewohner:innen nicht, seiner Bewahrung oberste Priorität einzuräumen. Welche Spaltungen zwischen ihnen auch entstanden sein mochten, sie waren nun belanglos, da sie sich in dem Bemühen zusammentaten, ihren geliebten Berg zu retten. Weil sie den Berg als Ganzes gesehen hatten, aus allen Blickwinkeln, wussten sie, dass abweichende Ansichten zwar eine Herausforderung darstellten, jedoch auch ein tieferes Verständnis der Welt erzeugten.
Die nun folgenden Kapitel sind Schilderungen von der anderen Seite des Berges. Als solche sollen sie keine endgültigen Aussagen über die darin angesprochenen Themen treffen. Stattdessen sollen sie eine Untersuchung von Ideen darstellen, die hoffentlich Leser:innen inspirieren wird, über ihre eigenen Ansichten nachzudenken und diese auszuformulieren.
Wir werden unsere Erkundung beginnen, indem wir von der alten Yoruba-Zivilisation in Ile-Ife ins Silicon Valley und wieder zurück reisen, auf der Suche nach einer neuen Interpretation von Wissen. Als Nächstes erkunden wir mit der Hilfe von Künstler:innen, Mystiker:innen und Revolutionär:innen die Befreiung. Mit Rudern aus ererbtem feministischem Wissen werden wir die Ufer der Dekolonisierung ansteuern. Wir werden Identität als Kompass und als Gemeingut betrachten. Wir werden Griots, Wissenschaftler:innen und Göttinnen willkommen heißen, die aus vergangenen Epochen gereist kommen, um uns Geschichten über das Schwarzsein und das Frausein zu erzählen. Wir werden uns durch Geografien bewegen und im Bergland von Fouta Djallon, im alten Ägypten, in Südafrika und im Yorubaland nach »Blautönen« suchen, und wir werden zurückkehren mit einer neuen Bedeutung für den feministischen Grundsatz »Schwesternschaft ist mächtig«. Wir werden drei Flüsse befahren – den Jangtse, die Themse und den Niger –, um ein ermächtigendes Verständnis von Macht zu entdecken und zu erfahren, wie historische Begegnungen entlang von Flüssen die heutigen Machtverhältnisse geprägt haben. Schließlich werden wir unsere Reise damit beenden, dass wir regionen- und generationenübergreifend die Vorstellung von Schönheit erkunden.
Ja, wir werden die europatriarchalische Voreingenommenheit des Wissens infrage stellen, aber nicht auf Kosten der Seele – das heißt, des Wunders, der Freude, der Verkörperung, der Poesie und des Spiels, oder dessen, was wir schlicht als das Sinnliche bezeichnen können.
*Anm. d. Ü.: In Absprache mit der Autorin und ihrer Schreibweise im Englischen folgend, verzichten wir auf die im Deutschen heute auch gebräuchliche Großschreibung von »schwarz«.