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Vom Wissen
ОглавлениеWorauf Poesie folgen oder lieber vorher durchgenommen werden würde, da sie weniger zart und fein ist, aber einfacher, sinnlicher und leidenschaftlicher.
JOHN MILTON7
Revolutionärer Wandel richtet sich nicht in erster Linie gegen die repressiven Situationen, sondern gegen den Anteil des Unterdrückers, der tief in jedem von uns eingepflanzt ist und der allein mit den Taktiken des Unterdrückers vertraut ist, mit seinen Beziehungsformen.
AUDRE LORDE8
Am Anfang gab es nur den Himmel, das Meer und die Gött:innen. Olokun war die Göttin des Meeres, und Olorun war der Gott des Himmels. Eines Tages bat Obatala, der Gott der Schöpfung, den Gott des Himmels darum, Land und Lebewesen erschaffen zu dürfen, um seine Langeweile zu lindern. Olorun stimmte zu, und Obatala erschuf Ile-Ife, die große Stadt, die noch immer die Wiege der Yoruba-Zivilisation ist. Als Olokun jedoch herausfand, dass Obatala in ihrem Hoheitsgebiet Erde und Land geschaffen hatte, ohne sie zu fragen, rächte sie sich mit einer großen Flut, die die erste Stadt der Menschheit überschwemmte.
Ile-Ife wurde schließlich wiederaufgebaut und wurde zu »ondaiye (der Ort der Schöpfung), orirun (die Quelle des Lebens) und ibi oju ti nmo wa (der Ort, von dem die Sonne oder die Aufklärung aufsteigt)«, wie der bedeutende Gelehrte Stephen Adebanji Akintoye Ile-Ife in A History of the Yoruba People beschreibt. Aber in jenem neuen Ile-Ife war die leuchtende Stärke der weiblichen Weisheit aus dem Gleichgewicht geraten, und die Geschlechter waren fortan gefangen in einem endlosen Machtkampf.
Um zu gedeihen, erhielten die Menschen ogbon, was auf Wissen verweist, oder auf phronesis (praktische Weisheit). Die Gött:innen wussten jedoch, dass ogbon sowohl den Verstand als auch das Herz der Menschen erreichen musste. Also teilten sie ogbon auf in ogbon-ori und ogbon-inu, Begriffe, die wörtlich übersetzt »Wissen des Kopfes« und »Wissen des Bauches« bedeuten, mit denen jedoch jeweils geistige Intelligenz und emotionale Intelligenz gemeint ist. Nur eine Art von Wissen zu besitzen, hieß dem Yoruba-Epos zufolge, nur zum Teil weise zu sein.
So wie ogbon-ori und ogbon-inu zusammen ogbon ergeben, sind auch »Wissen des Kopfes« und »Wissen des Bauches« die zwei Seiten der Medaille des Wissens. In der gesamten Geschichte der Neuzeit herrscht jedoch die Überzeugung vor, alles wertvolle Wissen sei rational und logisch. Das verbreitete Dogma besagt, dass alle gültigen Formen des Wissens ausschließlich von den kognitiven Fähigkeiten des Denkens, der Quantifizierung und der deduktiven Untersuchung beurteilt werden. Daher werden von jungem Alter an all jene als besonders intelligent angesehen, die die besten Noten in den Fächern bekommen, die Rationalität und Logik beinhalten – Mathematik, Naturwissenschaften, und so weiter. Tatsächlich ist schon die Tradition, Kinder auf diese Art einzustufen, ein Resultat dieser Denkweise. Auch als Erwachsene fahren wir fort, Intelligenz nach bewertbaren und hierarchischen Prozessen zu beurteilen.
Die Künste und ihre Verbindung zu den Gefühlen, den Sinnen und den verkörperten Erfahrungen ermöglichen in unserer Vorstellung dagegen weder einen Zugang zum Wissen noch die Fähigkeit, es zu beurteilen. Wir assoziieren Talent mit den Künsten, nicht aber Wissen. Dabei ist die Kunst auch geeignet, die Realität zu erklären, da sie sie von innen heraus erfasst. Kunst erklärt, wer wir sind, da unsere Existenz kunstvoll ist. Wir sind nicht bloß rationale und geistige Wesen, wir sind auch physische und emotionale Wesen. Kunst ist ebenso ein Weg, die Realität zu verstehen und zu verändern, wie es quantifizierbare Informationen sind. Deshalb musste ogbon sowohl den Intellekt als auch die Emotionen ansprechen.
Geschichten verwandeln sich in Wissen, und Wissen wird zu Materie. Die dualistische Weltsicht trennt Materie von Erzählung, aber Geschichten sind die Materie, aus der wir unsere Weltsicht aufbauen, die sich wiederum in physische Objekte verwandelt: Bücher, Bauwerke, Barrikaden, und so weiter. Auch in unseren Körpern wird Wissen in Materie transformiert. So wie die erste Struktur, die sich im menschlichen Embryo formt, das Rückenmark ist, ist auch das Wissen das Rückgrat aller anderen Ideen, die unser Leben formen. Wie wir uns in der Welt bewegen und fühlen, die Luft, die wir atmen, die Gesundheit unserer Bäume, die Nahrung, die wir zu uns nehmen, die Ideologien, die wir unterstützen, wie wir tanzen und uns lieben, sind allesamt Abbilder dessen, was wir wissen.
Die Vorstellung, die Realität ließe sich nur durch kalkulierbare Logik angemessen erklären, ist eine der gefährlichsten Vorstellungen, die je geäußert wurden. Wir betrachten das Wissen mittlerweile auf eine fundamentalistisch rigide und regelgebundene Weise. Die Gesellschaft dürstet nach humanistischem Denken wie die Sahara nach Wasser. Je robotischer eine Gesellschaft wird, desto mehr soziale Probleme entstehen in ihr, was wiederum noch mehr überprüfbare Diagnostik hervorruft. Wie immer bezahlen die Ärmsten in der Gesellschaft den höchsten Preis für diese bewertungsbesessene Dynamik. In Großbritannien setzen die Kommunen immer stärker auf Algorithmen, um Entscheidungen über die Vergabe von Sozialleistungen zu treffen. Allerorts treffen festgesetzten Regeln folgende, berechenbare Methoden vermehrt wesentliche Entscheidungen über die komplexen Lebenswirklichkeiten von Menschen und überlassen damit jene, denen am dringendsten zugehört werden müsste, dem verbindlichen Urteil eines Computers.
Die Unfähigkeit, zuzuhören, führt zu einer Unterdrückung von Gefühlen, was einen toxischen Zustand erzeugt, da die Wirklichkeit dabei übersehen wird. Der Grund dafür, dass die gewalttätigsten Menschen meist männlich sind, liegt darin, dass die gesellschaftliche Erziehung Männern beibringt, ihre Gefühle zu unterdrücken. Das Unterdrücken von Gefühlen führt stets zu Gewalt, sowohl physischer als auch nichtphysischer Natur – sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber anderen.
Wir benötigen eine Herangehensweise an das Wissen, die das Imaginative und das Rationale, das Quantifizierbare und das Unermessliche, das Intellektuelle und das Emotionale synthetisiert. Ohne Gefühl wird das Wissen schal, ohne Vernunft wird es roh. Wir benötigen eine Herangehensweise, die Weisheit nicht nur an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) oder dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) bemisst, sondern auch daran, wie ethisch wir unsere Gesellschaften organisieren. Wir benötigen Wissen, das sowohl das Innere als auch das Äußere beeinflusst. Ogbon-inu und ogbon-ori. Sinnliches Wissen.
Mit sinnlich meine ich nicht sexuell. Im Englischen gibt es zwei verschiedene Begriffe für »Sinnlichkeit«: sensuality und sensuousness. Während sensuality sich auf körperliche Begierden und ausschweifendes Vergnügen die physischen Sinne (Tasten, Schmecken, Sehen, Riechen und Hören) betreffend bezieht, geht sensuousness über diese Instinkte hinaus. Wenn etwas sinnlich (sensuous) ist, wirkt es sich nicht nur auf deine Sinne aus, sondern auf dein gesamtes Wesen – deinen Geist, deinen Körper und deine Seele. Bücher etwa sind auf diese Weise sinnlich. Man kann sie sehen, anfassen und riechen. Im Audioformat kann man sie hören, und man kann ihre Worte auf der Zunge schmecken. Bücher sind greifbare Objekte von unterschiedlichster Beschaffenheit – alt, gebunden, vielleicht sogar von Hand, und so weiter. Sie regen den Geist an, wirken therapeutisch und können die eingefahrensten Denkmuster umwandeln. Sie wirken sich auf dein gesamtes Wesen aus.
Als der Dichter John Milton in seinem 1644 veröffentlichten Traktat Von der Erziehung den Begriff sensuous prägte, wollte er gerade die sexuelle Konnotation des Wortes sensual vermeiden. So beschrieb er seine Literaturgattung – die Dichtung – als »einfacher, sinnlicher [sensuous] und leidenschaftlicher«. Sinnliches Wissen ist also ein poetischer Ansatz, der emotionale Intelligenz mit intellektueller Fähigkeit verbindet. Er versteht Wissen als eine lebendige, atmende Einheit, und nicht als ein abgepacktes Produkt zum passiven Konsum. Er begegnet dem Wissen als einem Partner und nicht als einem Diener – oder auch einem Herrn. Er bedeutet, das Wissen wie etwas Kostbares zu behandeln, das uns zur Verkörperung seiner guten Eigenschaften verhilft. Sinnliches Wissen ist ein Wissen, das Verstand und Körper mit Lebendigkeit erfüllt und seine Wirkung hinterlässt wie die Duftnote eines Parfüms. Es ist ein Wissen, das biegsam ist, und nicht hart wie Stein. Sinnliches Wissen bedeutet, nach Wissen zu streben, weil dieses einen erhebt und voranbringt, und nicht aus einem Machthunger heraus.
In dem Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken des mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Neuropsychologen Daniel Kahneman findet sich ein Argument, das an die alte Yoruba-Philosophie von ogbon erinnert. Kahneman argumentiert, dass wir Entscheidungen mithilfe zweier innerer Systeme treffen, die er als System 1 und System 2 bezeichnet.
System 1 ist ein emotionales, intuitives System und »versteht kaum etwas von Logik und Statistik«, während System 2 ein reflektierendes, schlussfolgerndes System ist, das »logisch denken« kann.9 System 1 wäre also vergleichbar mit ogbon-inu, Wissen des Bauches, System 2 dagegen mit ogbon-ori, Wissen des Kopfes.
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied. Auf die typisch dualistische Weise des europatriarchalischen Wissens (die Namen »System 1« und »System 2« sprechen hier schon Bände) sieht Kahneman die beiden Systeme als verwickelt in »ein Psychodrama mit zwei Figuren«, wobei das emotionale System 1 die weniger intelligente Figur ist als das logische System 2. Dagegen könnte man sagen, die mythologische Theorie der Yoruba sehe die beiden Systeme in einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte mit zwei verliebten Figuren.
Ich bin nicht so anmaßend, die wissenschaftliche Forschung eines mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Neuropsychologen abzutun, insbesondere da ich keine Expertin für die Dual-Prozess-Theorie (DPT) bin, das psychologische Gebiet, für das Kahnemans System 1 und 2 ein Beispiel darstellen.
Tatsächlich haben aber auch Expert:innen auf dem Gebiet der DPT Kahnemans Gedanken infrage gestellt. Beispielsweise argumentieren die Wissenschaftler Hugo Mercier und Dan Sperber in ihrem provokativen Buch mit dem Titel The Enigma of Reason: A New Theory of Human Understanding, die intellektuelle Fähigkeit, logisch zu denken, sei selbst eine Intuition – eine emotionale Funktion. Sie behaupten, die Intuition spiele, genau wie die Vernunft, eine große Rolle bei unserem Vermögen, unsere Umgebung zu verstehen. Auch der angesehene Neurowissenschaftler António Damásio hat die Idee vorgebracht, die Vernunft werde nicht, wie üblicherweise angenommen, durch Emotionen blockiert, sondern durch diese gesteuert. Laut Damásios »Hypothese der somatischen Marker« setzen emotionale Erfahrungen (oder somatische Marker) die Vernunft außer Kraft, wenn wir Entscheidungen treffen. Kurz gesagt bildet unsere emotionale Reaktion auf eine Situation die Basis für unsere rationale Entscheidung.
Es gibt noch viele weitere wichtige, wenn auch widersprüchliche Theorien über diese fundamentale Frage in der Bewusstseinsforschung, die auch bekannt ist als das Körper-Geist- oder Leib-Seele-Problem. Der Epiphänomenalismus behauptet, es gebe gar keinen Geist, nur einen Körper, der auf das Leben reagiert. Der Pantheismus am anderen Ende des Spektrums argumentiert dagegen, der Geist sei eine Art kollektives Projekt, bei dem alle von den Gedanken und Handlungen aller anderen beeinflusst werden. Baruch de Spinoza, dem die Formulierung des Pantheismus zugeschrieben wird, drückte es im siebten Lehrsatz von »Über die Natur und den Ursprung des Geistes« so aus: »Die Ordnung und Verknüpfung der Ideen ist dieselbe wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge.«10 Aber noch hat niemand eine befriedigende Lösung für das gefunden, was David Chalmers »das schwierige Problem des Bewusstseins« nennt, womit einfach ausgedrückt die Frage gemeint ist, warum Menschen Gefühle haben. Wenn man bedenkt, dass wir nur eine Hälfte unseres Wissens nutzen, ogbon-ori, dann ist es vielleicht kein Wunder, dass dies noch immer ein so schwieriges Problem darstellt!
Das wirklich schwierige Problem besteht allerdings darin, dass das fragmentierte Wissenssystem, das heute verwendet wird, keine Antworten auf die drängenden Fragen liefert, die sich der Menschheit stellen, da es die erlebte Seite der Realität vernachlässigt. Unsere Bildungssysteme sind veraltet, sie bringen uns bei, wie man das Gehirn verändert, aber nicht die Psyche, sie erklären, wie man entwickelte Gesellschaften konstruiert, aber nicht, wie man zu entwickelten Bürger:innen in ihnen wird, und sie behaupten, Gefühle – die im Leben eine so zentrale Rolle einnehmen – seien nicht in der Lage, die Realität zu erklären.
Aus diesem Grund vermögen wir – obwohl wir im Informationszeitalter leben und uns eine Fülle von Einsichten zur Verfügung steht – die drängenden Probleme wie soziale Ungerechtigkeit, Sexismus, Rassismus, Klassismus, Speziesismus, Klimawandel, Armut, Unruhe, Fragen der psychischen Gesundheit und Einsamkeit nicht zu lösen. Ganz gleich, wie gebildet oder entwickelt eine Gesellschaft auch ist, verursachen genau diese Probleme überall Verzweiflung und Spaltung. Wir müssen also einräumen, dass wir uns entweder um die falschen Probleme kümmern oder dass wir die Probleme falsch angehen. Ich halte Letzteres für zutreffend. Der Produktion des Wissens fehlt die Seele.
Ich bezeichne die rigide, regelgebundene, roboterhafte Weise, auf die wir das Wissen heutzutage hauptsächlich betrachten, als europatriarchalisches Wissen, eine auf Hierarchie fixierte Konstruktion des Wissens, die elitäre europäische Männer als Propaganda verbreiteten, um ihre eigene Weltsicht im großen Maßstab durchzusetzen.
Das Wort Propaganda stammt von propagare ab, womit ursprünglich die Fähigkeit von Pflanzen gemeint war, sich von einer Generation zur nächsten zu vermehren und auszubreiten. Es ist etymologisch treffend, da die Fähigkeit, sich von Generation zu Generation anzupassen, gerade die Größe des europatriarchalischen Wissens ausmacht, jenes Narrativs, das Bemessung und Quantifizierung als Inbegriff des Wissens in den Mittelpunkt rückt und den europäischen Phänotyp und männlichen Genotyp als besonders begabt in der Produktion des genannten Wissens darstellt.
Das europatriarchalische Wissen hat seine Wurzeln im sogenannten Zeitalter der Entdeckungen. In jener geschichtlichen Periode entsandten die europäischen Monarch:innen die ersten Entdecker auf Reisen und Vorstöße in Weltregionen, die man damals für »das Unbekannte« hielt.
Angespornt wurden sie durch ein Sprichwort: »Wissen ist Macht.« Dieselbe Wendung nutzten progressive Schwarze später als Slogan, um dem Betrug ein Ende zu setzen. Doch während die Bürgerrechtsaktivist:innen damit meinten, Wissen sei die Macht, »ihr Schicksal und ihre Identität« selbst zu bestimmen, wie die Zeitschrift Ebony 1969 in einer Sonderausgabe mit dem Titel »The Black Revolution« schrieb, meinte der im siebzehnten Jahrhundert lebende britische Philosoph Francis Bacon, der den Spruch prägte, ihn im wörtlichen Sinne. Wissen war ein Kontrollwerkzeug: Es war das gottgegebene Recht des Mannes, zu wissen und die Natur nach seinen Wünschen und Zielen zu formen.
Bacons Novum Organon aus dem Jahr 1620 trug dazu bei, die allgemeine Einstellung in Europa fortzubewegen von der im Mittelalter vorherrschenden Vorstellung, das Wissen sei etwas, das es zu bewahren gilt, und hin zu der Vorstellung, das Wissen sei etwas, das man erwerben muss, wie es in der modernen Welt nun hieß. Bacons Methode der Induktion wird typischerweise als Wegbereiterin des Wissensparadigmas angesehen, dem wir heute noch anhängen, aber ich bin der Ansicht, dass sein Beitrag dazu, das Wissen als etwas anzusehen, das wir in Konkurrenz zu anderen erwerben sollen, ebenso entscheidend ist. Erwerben bedeutet »in seinen Besitz bringen«, und genau so betrachten wir das Wissen – als etwas Quantifizierbares, das wir in großen Mengen und um jeden Preis kontrollieren und besitzen müssen. Unsere Politik, Wirtschaft, Justiz, Medien, Bildung und Regelwerke sind allesamt nach dem fundamentalen Kernprinzip des europatriarchalischen Wissens gestaltet, demzufolge die Anhäufung von Wissen letztendlich Kategorisierung, Konkurrenz und Kontrolle zum Ziel hat.
Ich verwende den Begriff europatriarchalisches Wissen anstelle von beispielsweise Imperium, Supermacht oder kapitalistisches Patriarchat weißer Suprematisten, wie die schwarze feministische Gelehrte bell hooks das System, in dem wir leben, so scharfsinnig nennt, da wir in diesem Buch das Narrativ hinter der Wissensproduktion (die Rahmengeschichte oder das Metanarrativ) neu konzipieren, und nicht die Struktur, die dieses erzeugt. Beides ist aber natürlich eng miteinander verknüpft. Die strukturellen und politischen Systeme von White Supremacy, Kapitalismus, Neoliberalismus und Imperialismus stellen den Daseinszweck des europatriarchalischen Wissens dar. Dennoch möchte ich es auf diese Weise bezeichnen, um das Narrativ von den Strukturen zu unterscheiden, die es erzeugt, damit wir hoffentlich erkunden können, ob ein anderes Narrativ auch eine andere Struktur erzeugen würde. Im Wesentlichen müssen wir, um die Struktur zu verändern, als Erstes die Geschichte über die Struktur verändern.
Das ist möglich. Die MeToo-Bewegung zum Beispiel veränderte auf fundamentale Weise, wie die breite Masse über sexualisierte Gewalt spricht. Sie verschob das Narrativ vom Schweigen hin zu einer Stimme und von der Scham hin zur Schuldzuweisung. Das wiederum verändert die Strukturen sowohl in der privaten als auch in der politischen Sphäre, indem es den Schwerpunkt auf Einvernehmen und die Kriminalisierung von sexuellem Missbrauch legt. Auf ähnliche Weise müssen wir in allen unterdrückerischen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Kontexten die Erzählung verändern.
Über die Strukturen von White Supremacy, Imperialismus, Elitismus und Patriarchat lässt sich nichts Positives sagen, allerdings ist das Narrativ, das europatriarchalisches Wissen erzeugt, nicht vollkommen negativ. Die wissenschaftlichen, industriellen und informationstechnischen Revolutionen hätten nicht stattgefunden ohne einen Wettlauf um den Erwerb von Wissen. Ohne diese Revolutionen hätte es die (durchaus problematische) Aufklärung nicht gegeben und damit auch weder Enzyklopädien, Landkarten, Eisenbahnen, Flugzeuge oder moderne Universitäten noch viele andere Institutionen, die auf ihre eigene Weise unsere gemeinsame Erfahrung bereichern. Das europatriarchalische Wissen hat einige bedeutende Errungenschaften hervorgebracht, nicht zuletzt in der hochgeschätzten Entwicklung des rationalen Denkens und der Vernunft. Rationalität und Vernunft sind Phänomene, die wir in der Tat schützen sollten. Um es ganz klar zu sagen: Sinnliches Wissen soll nicht dazu führen, die Induktion oder die objektive Beurteilung aufzugeben.
Allerdings ist das europatriarchalische Wissen ironischerweise selbst gar nicht so fest in der rationalen Objektivität verwurzelt, für die es eintritt. Es ist ein konstruiertes und voreingenommenes Narrativ, das Weißsein und Männlichkeit schamlos in den Mittelpunkt stellt. Es ist ein Narrativ, das Propaganda als Wissen präsentiert. Es verhilft zu Einsichten darüber, wie Kriegen, Armut und Krankheiten ein Ende bereitet werden könnte, wendet diese jedoch nicht an. Statt blühende, aufregende und weise Gesellschaften zu gestalten, wie es Aufgabe des Wissens sein sollte, erschafft das europatriarchalische Wissen eine Welt des sozialen, politischen, psychologischen und spirituellen Leidens. Das ist kein Zufall. Solange es gesellschaftliche Probleme gibt, die gelöst werden müssen, muss auch immer mehr technisches Wissen erworben werden – Daten, Studien, Gutachten, Analysen, Fachgremien, Wirtschaftsmagazine, und so weiter. Je mehr Ressourcen in technisches Wissen gepumpt werden müssen, desto stärker wird die Vorstellung, alles Wissen sei technisch.
Trotz aller Gelehrsamkeit wird das europatriarchalische Wissen niemals das Problem des menschlichen Leidens in den Griff bekommen, da das Ende des menschlichen Leidens auch das Ende seiner Herrschaft bedeuten würde. Der Algorithmus ist eindeutig: Solange europatriarchalisches Wissen der Input ist, wird der Output stets dasselbe Denkmuster favorisieren. Um das Schicksal der Menschheit zu ändern, müssen wir den Input hinterfragen – müssen unsere Art, das Wissen zu betrachten, neu konzipieren mit einer anderen, korrigierenden Erzählung. Eine Tabula rasa.
Verändert man das herrschende Narrativ, verändert sich auch alles andere. Genau aus diesem Grund wird so viel Propaganda verbreitet, um es aufrechtzuerhalten. Das europatriarchalische Wissen zu besiegen ist daher ein schwieriger Prozess. Er erfordert eine vollkommen neue Art, zu denken und in der Welt zu existieren. Er bedeutet, Wissen nicht als etwas Statisches, sondern als ein kreatives Projekt anzusehen, etwas, das wächst und sich weiterentwickelt – eine menschliche Aktivität, ein Kunstwerk. Denn gerade das macht es lohnenswert.
Um eins klarzustellen: Auch wenn sensuousness und sensuality keine Synonyme sind, lehne ich das erotische Element nicht ab. Im Gegenteil könnte man sagen, ich plädiere für eine Erotisierung des Wissens. Das europatriarchalische Wissen eliminiert das Erotische nicht zuletzt aufgrund seiner Assoziation mit dem Femininen. Es weigert sich, das Wissen mit dem Sinnlichen zu verweben, denn es bevorzugt die karge Vorstellung, Wissen habe mit verkörperter Erfahrung nichts zu tun. Im Europatriarchat ist alles binär, entweder oder. Entweder Verstand oder Körper, entweder Vernunft oder Emotion, entweder lokal oder global, entweder angeboren oder erlernt, entweder weiblich oder männlich. Sinnliches Wissen dagegen ist kaleidoskopisch, neben und innerhalb von. Der Verstand existiert neben und innerhalb des Körpers, Vernunft neben und innerhalb des Gefühls, das Weibliche neben und innerhalb des Männlichen, und andersherum.
Das europatriarchalische Wissen schätzt das Erotische, das Feminine und das Poetische auch deshalb gering, weil sie mit der natürlichen Welt verbunden sind. Was das europatriarchalische Narrativ im Kern verteufelt, ist Innerlichkeit, ogbon-inu. Poesie ist die Sprache des Inneren oder der Seele. Natur bewohnt das Innere der Erde. Und die Sexualorgane der Frau, die poiesis (Leben, Lust und Schöpfung) in sich tragen, liegen im Inneren des Körpers. Die Vagina ist nicht nur ein feuchter, warmer und dunkler Ort, wie ein Dickicht in einem Wald, sie führt auch zu einem noch versteckteren, jedoch Leben spendenden Ort, der Gebärmutter. All diese sexuelle Innerlichkeit umgibt wie eine Ozonschicht die Klitoris, wohl das poetischste Organ, das man sich vorstellen kann.
Menschen sind die einzige Spezies, die sowohl ausdrücklich poetisch als auch erotisch ist, und diese Eigenschaften in der Wissensproduktion herabzusetzen bedeutet, Wissen seiner Menschlichkeit zu berauben und es robotisch werden zu lassen. Gedichte erklären ein Gefühl wie Verlangen in einer Form, wie es die wissenschaftliche Methode nicht vermag. Tanz beschreibt Freiheit in einer Art, wie die Mathematik es nicht kann. Innere Stille erklärt das Leben auf eine Weise, wie es Analysen nicht zustande bringen. Die Anerkennung der rohen, reinen Eigenschaft der Innerlichkeit ist wesentlich für einen bedeutenden Wandel. Wendeten wir sinnliches Wissen etwa auf die Wirtschaft an, würde es eine Art »erotische Wirtschaft« erzeugen, in der anstelle von Überschuss und Mangel Wechselseitigkeit und Unterstützung gediehen. Wendeten wir es auf die Erziehung an, würden Kinder neben Mathe und Naturwissenschaften auch Unterricht in Fächern wie Empathie und Dialog erhalten. Diese Stoffe würden sich vermischen, im Matheunterricht gäbe es eine Diskussion über Kommunikation, und im Empathieunterricht würden statistische Muster genauso analysiert wie Kunstwerke.
Eine Strophe aus einem Gedicht der während der Jin-Dynastie (266–420) lebenden chinesischen Dichterin Zi Ye, auch bekannt als »Lady Midnight«, zeigt, wie die Grenze zwischen Wissen, Poesie und Erotik verwischen kann:
Ich fand keinen Schlaf die ganze Nacht,
Da der Mondschein auf mein Bett fiel.
Ich hörte eine Stimme, die unablässig rief:
Und aus dem Nichts gab Nichts zur Antwort: »Ja«.
Das »Ja« in dem Gedicht könnte einem natürlichen Verlangen entsprechen, eine Antwort auf eine Frage zu bekommen, vielleicht auf einen spirituellen Zweifel. Ebenso könnte es ein »Ja« zur Berührung eines Liebhabers oder einer Liebhaberin sein. Das Mondlicht evoziert sowohl Klarheit als auch Geheimnis, und die schlaflosen Nächte könnten von Leidenschaft oder aber von tiefen Gedanken ausgelöst worden sein. Wenn das »Ja« erscheint, wirkt es erhellend und erotisch zugleich. Wir können jedoch auch spüren, dass dieses »Ja« die Dichterin mit Angst erfüllt. Wenn man sozialisiert ist, »Nein« zu denken, dann kommt das »Ja« »aus dem Nichts« und erschreckt einen wie ein Gespenst. Oder, in Audre Lordes Worten: »Wir sind dazu erzogen worden, das Ja in uns selbst […] zu fürchten.«11
In ihrem Essay »Vom Nutzen der Erotik« argumentierte Lorde, das Erotische sei eine Ressource, die »einer zutiefst weiblichen und spirituellen Ebene angehört«. Ihre Unterdrückung sei die Unterdrückung einer »Quelle von Macht und Wissen in unserem Leben«, schrieb sie.12 In einem anderen Essay mit dem Titel »Dichten ist kein Luxus« argumentierte Lorde, das Dichten sei eine »Lebensnotwendigkeit« im Dasein von Frauen, da wir durch Dichtung eine »Sprache[, die] noch nicht existiert«, gestalten.13 Die Verschmelzung von dem, was Lorde als »europäische […] Art«14 des Wissens bezeichnet – was ich europatriarchalisches Wissen nenne –, die sich auf Probleme und Lösungen konzentriert, mit der »nicht-europäischen Sicht des Lebens«15, die den Schwerpunkt auf die Interaktion mit dem wirklichen Leben legt, war ihrer Ansicht nach der »Schlüssel zu unserem Überleben«16 und werde am besten durch Dichtung erreicht. Dichten als Luxus zu bezeichnen heiße daher, zu verwerfen, »was wir zum Träumen brauchen«17. Damit vernachlässigen wir gerade das, was wir benötigen, »um unseren Geist unmittelbar auf die Verheißung hin und durch sie zu bewegen«18. Im Wesentlichen behaupten wir damit, unser »Frausein« selbst sei ein Luxus.
Eins der frühesten im alten Ägypten anonym verfassten Gedichte von ca. 2000–1100 vor unserer Zeit veranschaulicht ebenfalls diese Nähe von Wissen und Eros:
Deine Liebe hat alles in mir durchdrungen
Wie in Wasser getauchter Honig,
Wie ein Duft, der Gewürze durchdringt,
Wenn man Saft untermischt.
Die Dichterin oder der Dichter spricht wahrscheinlich vom Entzücken (»in Wasser getauchter Honig«) einer Transformation, die durch eine spirituelle Erleuchtung hervorgerufen wird, aber die Sprache evoziert den Liebesakt. Der französisch-marokkanische Philosoph Alain Badiou sagt in Lob der Liebe, Liebe werde nicht allein durch den Verstand kultiviert, sondern auch durch »eine transzendente Macht«. In diesem Gedicht könnte die transzendente Macht ebenso gut ein Liebhaber wie das Wissen sein.
Jene, die den Fortschritt zerstören wollen – Fundamentalist:innen, Imperialist:innen, Sexist:innen, korrupte Regierungen, weiße Suprematist:innen, Militärs, gierige Konzerne, und so weiter –, treten einer sinnlichen Herangehensweise an das Wissen entgegen, da Tyrannen schon immer verstanden haben, dass Menschen umso leichter manipuliert werden können, je roboterhafter sie sind. Aus diesem Grund haben Kolonisatoren indigene Kunst beschlagnahmt. Aus diesem Grund haben organisierte Religionen Zeugnisse der Göttinnenverehrung zerstört und die Taliban die antike Kunst Afghanistans in die Luft gejagt. Deshalb haben Fundamentalisten in Timbuktu Bibliotheken verbrannt. Das ist es, was Hitler gegen die Nazis gerichtete Kunst und Literatur aus Deutschland verbannen ließ, und es ist der Grund dafür, dass das türkische Militär kurdische Denkmäler zerstörte. Diese brutalen Autokraten sind sich bewusst, je mehr sie eine Erfahrung von Wissen als lebendig und sich entwickelnd verhindern, desto besser sind ihre eigenen Chancen, an der Macht zu bleiben. Sie verstehen, dass ein verängstigter, fragmentierter und frustrierter Verstand sich kaum der Unterdrückung widersetzt und sie mit höchster Wahrscheinlichkeit aufrechterhält. Jene, die den Status quo bewahren wollen, werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Transformation von Wissen zu verhindern. Sie wissen, dass ein Mensch, der nicht für sich selbst denken kann, ein Mensch ist, der für sie denken kann.
Wenn es eine Gruppe gibt, die die Prämisse des europatriarchalischen Wissens schon immer infrage gestellt hat, dann sind es die schwarzen Feministinnen. Aufgrund unserer Position außerhalb des Machtzentrums im Hinblick auf Race, Gender und oftmals auch Klasse bietet schwarzer Feminismus nicht die einzige, aber die umfassendste Kritik am europatriarchalischen Wissen. Schwarze Feministinnen haben stets betont, der Kampf könne sich nicht allein gegen das Patriarchat richten, wie weiße Feministinnen behaupteten. Er darf auch nicht nur die Klassendiskriminierung aufheben, wie von Sozialist:innen angestrebt. Er kann nicht nur Rassismus und Imperialismus angreifen, wie von den Black Radicals gefordert. Und er darf sich auch nicht nur um die Umweltzerstörung drehen, wie von Umweltaktivist:innen proklamiert.
Aus diesem Grund bietet der schwarze Feminismus für alle eine relevante gegenkulturelle Perspektive, die sich gegen das Wissenssystem richtet, das unsere Welt beherrscht. Keine andere Ideologie – weder der Sozialismus noch der Marxismus, der schwarze Radikalismus oder der weiße westliche Feminismus – hat in ihrem Kern Befreiungstheorien entwickelt, die Diskriminierung aufgrund von Klasse, Gender und Race gemeinsam angehen. Während die schwarze Befreiungsbewegung einen wichtigen Beitrag zum Beenden des Imperialismus geleistet hat, weiße Feministinnen Fortschritte in Richtung einer Auflösung des Patriarchats bewirkt und Sozialist:innen sich kritisch mit Klassenunterschieden auseinandergesetzt haben, finden wir lediglich im schwarzen (und Women-of-Color-) Feminismus einen konsequenten Widerstand gegen all diese Unterdrückungsmechanismen, die, wie immer mehr Menschen immer deutlicher erkennen, miteinander verbunden sind.
Wie es in der klassischen Erklärung des schwarzen Feminismus, »Ein Schwarzes feministisches Statement« des Combahee River Collective, steht: »Wenn Schwarze Frauen frei wären, würde dies bedeuten, dass alle anderen auch frei sein müssten, da unsere Freiheit die Zerstörung aller Unterdrückungssysteme erfordert.«19
Schwarze Feministinnen haben auch von Anfang an ganz grundsätzlich verstanden, dass wir neue Wege finden müssen, um das in Begriffe zu fassen, was wir wissen. Wieder und wieder haben schwarze Feministinnen argumentiert, das herrschende System sei ein seelenloses, weshalb die Lösung eine Form des Wissens sei, die Dichtung und Kunst einbezieht, die Sprache der Liebe.
Dementsprechend weisen schwarze Feministinnen darauf hin, dass kreativer Ausdruck eine wesentliche Form der Wissensproduktion sei, da er helfe, emotionale Intelligenz zu entwickeln. Als Gruppe, der in der Geschichte der Zugang zu Bildung verwehrt wurde, überlebten schwarze Frauen, indem sie sich auf das tiefgründige, intuitive und poetische Wissen des kreativen Ausdrucks stützten, und zwar nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch, um kritische Einsichten zu erlangen.
Beispielsweise versteckte Miriam Makeba in ihrem Lied »Beware, Verwoerd« eine Antiapartheidsbotschaft im Refrain, der schwarze Menschen zum Widerstand gegen die Apartheid aufrief, indem er den weißen Militär Verwoerd vor einem schwarzen Aufstand warnte – eine Zeile, die später zum Protestslogan wurde. In »Four Women« betonte Nina Simone die einzelnen Namen »Aunt Sarah«, »Saffronia«, »Sweet Thing« und »Peaches«, um gegen eine Kultur vorzugehen, die schwarze Frauen auslöscht und sie zum Schweigen bringt. Beides ist schwarze feministische Wissensproduktion.
Wenn Beyoncé sich auf ihrem Album Lemonade darüber ausließ, sie sei keine »average bitch«, und wenn ihr Liebhaber sie nicht genügend wertschätze, werde sie bald weitergehen zum »next dick«, dann war das eine schwarze feministische Botschaft, dass Frauen kein schlechtes Benehmen von Männern akzeptieren sollten.
Als Sansibar 1897 die Sklaverei abschaffte, begannen die zuvor versklavten Frauen eine Mode, die sie kanga nannten. Sie nähten die Tücher zusammen, die von portugiesischen Händlern in die Häfen Sansibars gebracht wurden, und verwendeten sie, um damit ihre Freiheit zum Ausdruck zu bringen. Diese Wissenspraxis trug dazu bei, die historische Trennung nicht nur zwischen Sklav:innen und freien Menschen, sondern auch zwischen Araber:innen und schwarzen Afrikaner:innen sowie zwischen Frauen und Männern zu überwinden.
Schwarze feministische Theorien, wie etwa die »Ethik der Fürsorge« der Soziologin Patricia Hill Collins, führen dieses Wissen näher aus. Hill Collins zufolge verleiht der psychologische Effekt einer geteilten Erfahrung von Klassismus, Sexismus und Rassismus dem Leben von schwarzen und afrikanischen Frauen auf der ganzen Welt eine einzigartige Veranlagung, die sie als eine Ethik der Fürsorge bezeichnet. Gegründet auf drei Säulen umfasst die Ethik der Fürsorge erstens den Wert, der auf individuellen Ausdruck gelegt wird, zweitens den Wert der Emotionen und drittens die Fähigkeit zur Empathie. Hill Collins argumentiert, dass afrikanische humanistische und feministische Prinzipien die Wissensformen schwarzer Frauen beeinflussen. Der Zugang sowohl zu afrozentrischen als auch zu feministischen Standpunkten unterscheidet den schwarzen Feminismus vom weißen Feminismus, nicht etwa, weil letzterer keinen Wert auf den kreativen Ausdruck von Frauen legte, sondern weil er ihn nicht als eine Form des Wissens anerkennt.
Man denke auch an Alice Walkers »Auf der Suche nach den Gärten unserer Mütter«, den Essay, in dem ein Garten zum Symbol für die Wissensproduktion wird. Walker führt an, schwarze Frauen seien nicht in der Lage gewesen, Wissen aufzuzeichnen, da man ihnen im Verlauf der Geschichte jene »Last aufgebürdet [hat], die sich alle anderen – alle anderen – zu tragen geweigert haben«.20 Als Folge, argumentiert Walker, haben sie Wissen durch Kreativität übermittelt – haben Quilts hergestellt, Geschichten erzählt und Gärten gepflegt. Über den Garten ihrer eigenen Mutter schreibt Walker: »[J]edes schäbige Haus, in dem wir zu wohnen gezwungen waren, […] [verwandelte meine Mutter i]n einen Garten, der so farbenprächtig war, so originell angelegt, so strotzend von Leben und Kreativität«.21 In dieser Form des Ausdrucks, argumentiert sie, wussten schwarze Mütter traditionell und intuitiv, wie sie ihren Töchtern Freiheiten beibringen konnten, auch wenn sie selbst nie das Glück hatten, diese zu genießen.
Bell hooks argumentiert in ihrem Essay »Theory as Liberatory Practice«, die theoretische »Arbeit von Women of Color und marginalisierten Gruppen weißer Frauen (zum Beispiel Lesben, Sexradikale)«22 sei die befreiendste Form von akademischem Wissen, da sie das Persönliche untermischt. In dem für sie so typischen klaren, mitfühlenden Stil, der geprägt ist von einer christlichen Erziehung und einer buddhistischen Praxis, fügt sie in ihrem Buch Teaching to Transgress hinzu, kreative Arbeit, geschaffen »aus einem Ort des Schmerzes und Kampfes heraus, […] wird im akademischen Umfeld oftmals nicht anerkannt«23, obwohl sie genau die Art von Wissen darstellt, die Menschen befreien kann.
In ihrer Nobelpreisrede von 1993 erzählte Toni Morrison die Geschichte von einer Gruppe Jugendlicher, die eine alte, blinde Hellseherin als Betrügerin entlarven wollten. »Alte Frau«, sagten sie, »in meiner Hand halte ich einen Vogel. Sag mir, ist er lebendig oder tot.« Die Frau blieb eine lange Weile stumm, bis die Jugendlichen frech über sie lachten. Dann sagte sie plötzlich: »Ich weiß nicht, ob der Vogel in deiner Hand tot oder lebendig ist, aber ich weiß, dass du ihn in Händen hältst. Du hast es in der Hand.«24 Wenn der Vogel für ein Narrativ steht, dann lautet die Botschaft der alten Frau, dass am Ende nicht zählt, was genau in diesem Augenblick die Geschichte ist. Es kommt darauf an, dass es in den Händen der Jugendlichen liegt, sie zu erzählen. »Unterdrückende Sprache ist nicht nur ein Zeichen von Gewalt, sie ist Gewalt. Sie repräsentiert nicht nur Grenzen des Wissens, sie setzt dem Wissen Grenzen«, fuhr Morrison fort. »Sexistische Sprache, rassistische Sprache, fundamentalistische Sprache – alle sind typische, maßregelnde Herrschaftssprachen, die keine neuen Gedanken aufnehmen, keinen Austausch neuer Ideen fördern können.«25 Kurz gesagt argumentierte Morrison, so wie auch ich, dass unsere Wahrnehmung des Wissens unsere Wirklichkeit formt.
Die Romanautorin und Feministin Chimamanda Ngozi Adichie bringt in ihrem TED-Talk »Die Gefahr einer einzigen Geschichte« eine ähnliche Botschaft zum Ausdruck. »Es gibt ein Wort«, sagt sie, »ein Igbo-Wort, an das ich immer denke, wenn ich über die Machtstruktur der Welt nachdenke. Es heißt ›nkali‹. Es ist ein Substantiv, das in etwa übersetzt werden kann als ›größer sein als ein anderer‹. Wie unsere Wirtschafts- und politischen Welten«, argumentiert Adichie, »definieren sich auch Geschichten durch das Prinzip von nkali. Wie sie erzählt werden, wer sie erzählt, wann sie erzählt werden, wie viele Geschichten erzählt werden, wird wirklich durch Macht bestimmt.«26
Auf den Begriff »sinnliches Wissen« kam ich bei einem Besuch der Singularity University im Ames Research Center der NASA im Silicon Valley, wo ich einen Vortrag halten sollte. Während einer meiner täglichen Schwimmrunden im Pool des Centers tauchte er auf. Ich schwimme grundsätzlich gern, aber in diesen Pool einzutauchen fühlte sich an, als würde ich mich in eine weiche blaue Samtdecke wickeln. Später begriff ich, dass der Pool für mich symbolisch Innerlichkeit repräsentierte, sowohl aufgrund seiner Lage im Inneren des Forschungszentrums als auch, weil er sich wie der sichere Hafen einer Gebärmutter anfühlte.
Zu jener Zeit arbeitete ich an einem Projekt mit dem Titel »Große Ideen verändern die Welt« für die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth. Ich interessierte mich dafür, feministische Theorie mit Gedanken zu Technologie, Global Governance und Climate Engineering zu verbinden, und die Singularity University war ein spannender Ort, um meine kritischen Argumente zu schärfen.
Der Hauptredner bei der Veranstaltung war Ray Kurzweil, jener Futurist, der die Idee von der Singularität prägte – die Hypothese, dass Mensch und Maschine sich in der Zukunft annähern werden. Alle erwarteten Kurzweils Vortrag mit Spannung, mich eingeschlossen. Ich ging davon aus, dass er meine Recherche bereichern würde. Und da lag ich auch nicht falsch, denn seine Präsentation war faszinierend und erkenntnisreich. Er sprach überraschend bescheiden und leise, was ich erfrischend fand nach einem Tag voller Vorträge, die auf jene typisch amerikanisch-maskuline Weise abgehalten wurden, bei der die Redner wichtigtuerisch über die Bühne stolzieren.
Mehrere Diskussionen in jener Woche stimulierten und berührten mich auf diese Art. Ich war davon ausgegangen, meine Zeit dort mit roboterhaften Tech-Bros und Silicon-Valley-Fanatiker:innen zu verbringen. Stattdessen fand ich mich in Gesellschaft von Menschen wieder, die sich zum großen Teil mit ehrlicher Leidenschaft für Ideen interessierten, die etwas verändern könnten. Wir sprachen über die vier großen Technologien der Zukunft – Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft (die NBICs). Wir betrachteten die Schnittpunkte von Technologie und Bewusstsein und sahen uns einen unglaublichen Clip an, in dem ein kleines Mädchen ein Spielzeugauto mit ihren Gedanken kontrolliert. Zwischen den Diskussionen gab es Yogakurse und gesunde Mahlzeiten. Kurz gesagt, die Reise hatte sich gelohnt.
Der Besuch bot mir jedoch auch einen besorgniserregenden Blick in eine Zukunft, die utopisch sein könnte – in der die Probleme des Gesundheitswesens, Armut, soziale Ungleichheit und die Klimakrise gelöst wären –, die unsere gegenwärtige Denkweise jedoch niemals verwirklichen würde.
Ich erinnere mich an ein beunruhigendes Gespräch mit einer Gruppe von Leuten, allesamt wohlhabend, weiß und männlich, die in aller Ernsthaftigkeit erwarteten, dank lebensverlängernder Technologien (Reverse Aging, epigenetische Verjüngung, Anti-Aging-Nahrungsergänzungen, und so weiter) mindestens hundertfünfzig zu werden. Sie waren etwa in meinem Alter, sprachen jedoch mit der Gewissheit, noch ein weiteres Jahrhundert zu leben. Ich konnte das Entsetzen nicht verbergen, das ich verspürte, als diese sowohl durch ihre Race als auch durch ihre Klasse privilegierten Männer aufgeregt über ihre Zukunft sprachen. Es war keine Zukunft, von der ich oder die meisten Menschen auf unserem Planeten auch nur träumen können.
Dabei hatte ich keine moralischen Bedenken gegenüber lebensverlängernden Technologien an sich. Ich bin nicht dagegen, zu erforschen, wie die Wissenschaft das Leben verbessern und verlängern kann. Aber ich bin dagegen, neue Technologien gedankenlos in die falsche Richtung zu entwickeln. Ich bin dagegen, Menschen dazu zu ermutigen, sich zu verhalten, als lebten sie auf einer einsamen Insel, wo ihre Entscheidungen keinerlei Auswirkungen auf andere haben. Ich bin gegen die unfassbare Ungleichheit zwischen jenen, die schon Glück haben, wenn sie eine Handvoll Jahrzehnte überleben, und jenen, die bereits planen, bis weit in ihr zweites Jahrhundert hinein am Leben zu bleiben. Ich bin gegen die immer engeren Beziehungen zwischen wissenschaftlicher Forschung und profit-orientierten Unternehmen, die so viele Aspekte im Leben der Menschen kontrollieren können. Es ist kein Zufall, dass einige der bedeutendsten Investoren in lebensverlängernde Technologien die Gründer von Unternehmen wie Google, PayPal und AstraZeneca sind.
Wissenschaft ist selbstverständlich der verlässlichste Weg, um Hypothesen zu überprüfen. Wissenschaft wurde jedoch auch benutzt, um Verbrechen zu rechtfertigen – vom transatlantischen Sklav:innenhandel bis zum Holocaust oder dem Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Leben. Die Welt der Wissenschaft ist noch immer voller Rassisten und Sexisten, die »Wissenschaft« benutzen, um ihre Vorurteile zu bestätigen. Kaum ein Monat vergeht ohne irgendeinen neuen Skandal im Zusammenhang mit einem Missbrauch der wissenschaftlichen Methode. Ich muss etwa an Satoshi Kanazawa denken, einen Evolutionsbiologen an der London School of Economics, der 2011 einen »wissenschaftlichen« Artikel veröffentlichte, in dem er behauptete: »Schwarze Frauen sind weniger attraktiv als andere Frauen.« Mich überkommt ein unwirkliches Gefühl, wenn ich daran denke, dass die seriöse Plattform Psychology Today diese beleidigenden Worte auf ihrem Blog veröffentlichte. Am meisten beunruhigt mich dabei gar nicht Kanazawas Rassismus, der so transparent wie trivial ist, sondern dass seine Worte in unserer Zeit noch immer ernst genommen werden konnten. Wie der Anthropologe Jonathan Marks in seiner Streitschrift Is Science Racist? ausführt: »Nahezulegen, eine wissenschaftliche Studie über Race könne sich irgendwie gegen Kultur oder Politik abschirmen oder immunisieren, ist selbst eine zutiefst politische Heuchelei.«27
Zu argumentieren, wissenschaftliche Ergebnisse sollten ebenso kritisch betrachtet werden, wie man etwa Literaturkritik oder Kunstkritik betreiben mag, birgt die Gefahr, als wissenschaftsfeindlich oder antiintellektuell bezeichnet zu werden. Wissenschaft ist die Religion des modernen Europatriarchats, und wie jeder Glaube geht auch dieser davon aus, unstrittig zu sein. Eine inhärente Neutralität in der wissenschaftlichen Wissensproduktion infrage zu stellen, hat Auswirkungen. Es als schwarze Frau zu tun, noch dazu in einem Kapitel über das Wissen, lädt zu Anschuldigungen ein, bestenfalls uninformiert zu sein. Und ja, ich bin mir meiner begrenzten Einsichten in die akademischen Debatten zur Erkenntnistheorie, also der Erforschung des Wissens, bewusst. Diese Diskussionen werden in einer abstrakten Sprache geführt, mit der weder ich noch, wie ich mir vorstelle, die meisten meiner Leser:innen ausreichend vertraut sind. Ich kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass mit Ausnahme der feministischen und postkolonialen Wissenschaften, die die Wissensproduktion grundlegend verändert haben, die Debatte sich noch immer überwiegend auf Philosophen der Aufklärung beruft, die das europatriarchalische Wissen etablierten, indem sie dem Gebiet der Wissenschaft ihre Vorurteile einschrieben. Die Welt leidet aufgrund der Vorurteile des Wissens. Die noch tiefere Ursache für Ungleichheit ist allerdings, dass unsere Konzeptualisierung von Wissen uns nur durch Vorurteile erlaubt, Zugang zu ihm zu finden.
Mein Besuch im NASA-Forschungszentrum war auch nicht das einzige Mal, dass mir ein Mangel an Rücksichtnahme, Empathie und Sensibilität gegenüber der Zukunft der Menschheit schlaflose Nächte bereitete. Meine gesamte Arbeit entspringt der Verzweiflung über die Unterdrückung von Frauen und die daraus resultierende Diskreditierung von Eigenschaften, die als weiblich angesehen werden, wie etwa die oben genannten, obwohl sie von grundlegender Bedeutung sind für erfolgreiche Bildung, Politik, Kultur, Wirtschaft, soziale Beziehungen und Wissenschaft.
Die Erfahrung verdeutlichte für mich jedoch die Dringlichkeit, europatriarchalische Vorurteile gerade auch auf dem Gebiet der Wissenschaft zu untersuchen, da die neuen Technologien dieselben alten Denkmodelle reproduzieren. Ich meine nicht nur, wie das Wissen geprägt wird von Gender, Race, Klasse, und so weiter, sondern auch, welche moralischen und ethischen Fragen die wissenschaftliche Methode untermauern. Welche Weltsicht hat uns zu unserer gegenwärtigen Gesellschaft geführt? Und wie können wir sie verändern? Denn wenn die Wissensproduktion in der Gegenwart unethisch ist, dann wird auch das produzierte Wissen in der Zukunft unethisch sein.
Dass die Wissenschaft trotz entscheidender Beweise für das Gegenteil ihre umfassende Reputation als von Natur aus objektiv aufrechterhalten kann, reicht zurück bis zu der Wahrnehmung von Wissen als etwas zu Erwerbendem, geprägt von frühen Europatriarchen wie Francis Bacon. Nur wenige Menschen stellen dieses besondere Element der voreingenommenen Wissensproduktion infrage, dabei ist es die Wurzel, die den Status quo am Leben erhält. Denn wenn man sich Wissen als etwas zu Erwerbendes vorstellt, muss man es sich zunächst als Res extensa vorstellen, etwas von einem selbst Abgetrenntes. Schließlich kann man nicht erwerben, was man bereits besitzt. Diese Unterscheidung wiederum erfordert, dass man Wissen als etwas wahrnimmt, das sich von selbst manifestiert, was bedeutet, dass man Wissen als neutral ansehen muss. Weiterhin muss man das Wissen, um es als neutral anzusehen, von den Denkmustern und gesellschaftlichen Bedingungen abtrennen, die es erzeugt haben. Um den Glauben an diesen Prozess aufrechtzuerhalten, muss man propagieren, die gültigste Form des Wissens sei jene, die sich messen lässt. Letztlich funktioniert auf diese Weise der Prozess des europatriarchalischen Wissens. Wissen um jeden Preis zu erwerben, entfernt es aus seinem Kontext und befördert Vorurteile.
Als ich sechs Jahre alt war, veröffentlichte Audre Lorde ihren vielbeachteten Essay »Du kannst nicht das Haus des Herren mit dem Handwerkszeug des Herren abreißen«. Ich las ihn natürlich erst viel später, an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich eine Karriere im Marketing hinter mir gelassen und einen feministischen Blog mit dem Titel MsAfropolitan gestartet hatte, der nun rasant wuchs. Ich wollte einen Master in Gender Studies machen, um meine Texte von jenem für scharfe Beobachtungen erforderlichen Verständnis zu erfüllen. Ich entschied mich für die School of Oriental and African Studies, wo ich mich auf schwarze und afrikanische feministische Perspektiven auf Gender konzentrieren konnte. Zur Vorbereitung las ich viel Sachliteratur von schwarzen Feministinnen, darunter auch Lordes Sister Outsider, das mich zutiefst berührte. Wenn sie sagte: »Du kannst nicht das Haus des Herren mit dem Handwerkszeug des Herren abreißen«, war es, als spräche sie direkt zu mir. Ich wollte sie fragen: »Mit welchem Handwerkszeug denn dann?«
Ich war nicht die Einzige, die sich über diese Frage den Kopf zerbrach. Seit der Veröffentlichung des Textes im Jahr 1984 wollten viele Menschen wissen, welches Handwerkszeug Lorde genau meinte. In Kommentaren, Essays, Workshops, Dissertationen, Protestslogans, Panels, und so weiter stellten alle dieselbe Frage: welches Handwerkszeug? Alle Menschen mit einem starken Interesse an der Befreiung von Frauen, Nichtweißen, Armen, indigenen Menschen und der Umwelt, alle, die sich an gegenkulturellem Denken beteiligen, sehnen sich danach, das Handwerkszeug des Herren zu identifizieren.
Die meisten Analysen kommen zu dem Schluss, das Handwerkszeug des Herren seien Systeme wie der Kapitalismus, der Kolonialismus oder das Denken der Aufklärung. Eine Studie, auf die ich gestoßen bin, argumentierte überzeugend, Gesetze, die das Saatgut regulieren, seien ein Handwerkszeug des Herren. Andere vertreten (etwas konservativer) die Ansicht, das Handwerkszeug des Herren seien Hilfsmittel wie Gerissenheit, Taktik und Hinterhältigkeit. Für solche Gesprächspartner:innen ist »ein Werkzeug ein Werkzeug«, und gäbe es denn einen besseren Weg, das Haus des Herren zu zerstören, als mit dessen eigenen Mitteln?
Die Diskussionen sind endlos, übersehen aber ein wesentliches Element: Um zu entscheiden, welche Werkzeuge wir verwerfen sollten, müssen wir uns auf das Objekt konzentrieren, das diese erbaut haben – das Haus des Herren. So viel Betonung liegt auf dem Wort Handwerkszeug, dass wir die Bedeutung des Wortes Haus übersehen haben.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf das metaphorische Haus des Herren verlagern, werden wir sehen, dass es eine Täuschung ist. Es ist ein Gefängnis, das aussehen soll wie ein Zuhause, ein Kerker, der sich als Palast tarnt, ein trauriger Ort, der vorgibt, ein glücklicher zu sein. Sogar das Wort Haus, wie wir es heute verstehen, bezeichnet nicht länger einen Ort der Geborgenheit und Wärme, sondern einen des Marktwerts, der Privatisierung und der Erweiterung des Egos.
Du kannst im Haus des Herren Bilder aufhängen. Du kannst seine Mauern mit Slogans über Freiheit besprühen. Du kannst in seinem Garten Altäre für die Gleichberechtigung aufstellen. Dennoch wird das Haus des Herren weiterhin ein Gefängnis für alle sein, mit Ausnahme des Herren selbst. Welchen Preis müssen wir dafür zahlen, im metaphorischen Haus des Herren zu bleiben? Warum sollten wir für einen Platz an seinem Tisch kämpfen? Weshalb feiern wir unkritisch Blackface-Positionen in imperialistischen Strukturen oder »Woman-face«-Patriarchen? Wir können nur frei sein, wenn wir das Haus des Herren verlassen.
Ich will damit nicht sagen, dass wir bei den Feen im Wald leben sollen, sondern dass wir die Wände des Hauses abreißen müssen, um hineinblicken zu können. Die Illusion des Hauses des Herren zu durchschauen bedeutet zugleich, es abzureißen, denn nur, wenn wir die Realität klar erkennen, können wir sie verändern. Sinnliches Wissen hilft uns, die Wirklichkeit deutlich, vollkommen und mit all unseren Fähigkeiten zu sehen.
Was das Handwerkszeug des Herren angeht, all dies hier gehört nicht dazu: Die Werkzeuge des Herren sind nicht Poesie, Verspieltheit, Eros, Grenzenlosigkeit, Gewissenhaftigkeit, Dialog, Intuition, Lebensfreude, Stille, Wärme, Leidenschaft, Schönheit, Mitgefühl, Geheimnis, Weisheit, Ehrlichkeit, Weiblichkeit, Innerlichkeit, Sinnlichkeit, ogbon-inu.
Afrikanische Wissenssysteme sind schon seit Langem eine Fundgrube für Narrative, die feministische Vorstellungen von Wissen prägen. Mit den ältesten Zivilisationen der Welt verfügt Afrika auch über einige der ältesten Patriarchate, weshalb wir auf dem afrikanischen Kontinent ebenfalls einige der ältesten protofeministischen Narrative finden.
In der traditionellen afrikanischen Gesellschaft waren Frauen keine ans Haus gebundenen Ehefrauen. Sie waren Händlerinnen, Politikerinnen, Bäuerinnen, Künstlerinnen und Schamaninnen. Sie waren Göttinnen, Hexen, Prophetinnen, Königinnenmütter, Regenköniginnen, Pharaoninnen und Geistermedien.
In den afrikanischen Schöpfungsmythen gibt es keinen übergeordneten höchsten männlichen Gott. Wenn überhaupt, weisen historische Spuren darauf hin, dass einst alle Afrikaner:innen eine Muttergöttin verehrten. Das soll nicht heißen, dass im Pantheon der Göttinnen und Götter stets Harmonie zwischen den Geschlechtern herrschte. Wohl kaum! Unter den Gött:innen sorgen die Geschlechter genau wie bei den Menschen für einigen Wirbel, und zwar gerade, um uns vorzuführen, was passieren kann, wenn wir Harmonie nicht zumindest anstreben.
Überdies sind die zugrundeliegenden Mythen egalitär in Bezug auf die Natur und andere Spezies. Wie viele ihrer Pendants in anderen afrikanischen religiösen Systemen (die Erdgöttin Asase Yaa in Ghana, Dzivaguru in Simbabwe, Mamlambo in Südafrika) sind die Yoruba-Gött:innen anthropomorphe Naturgewalten. Daher behandelt ein Mensch, der sich mit afrikanischer Spiritualität beschäftigt, die Natur mitfühlend. Ähnlich werden auch Tiere nicht als den Menschen unterlegen angesehen, da wir alle auf gleiche Weise vom Leben abhängen. In den afrikanischen Mythen sind Tiere Gefährt:innen, die sogar gelegentlich Menschen heiraten und mit ihnen Kinder zeugen können, die Mensch und Tier zugleich sind. Tiere sind auch Lehrer:innen, jedes mit einer besonderen Lektion, die es uns beibringen kann. Die Schildkröte etwa führt vor, wie man sich vor unehrlichem und boshaftem Verhalten in Acht nimmt, da sie dieses selbst an den Tag legt. Anansi, die Spinne aus der gleichnamigen ghanaischen Geschichte, lehrt auf ähnliche Weise etwas über Dummheit, indem sie selbst Dummheiten macht. Doch nicht nur in Mythen teilen sich Afrikaner:innen ihren Lebensraum mit den Tieren. Die Massai, die nur sehr selten Fleisch essen, leben seit Jahrhunderten mit wilden Tieren zusammen – Giraffen, Zebras, Löwen, Leoparden und Hyänen –, ohne sich vor ihnen zu fürchten. Im Gegensatz zum europatriarchalischen Wissen betonen historische afrikanische – wie auch andere indigene – Wissenssysteme den Wert von Harmonie nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit der Natur und anderen fühlenden Wesen. Afrikanische Philosophie ist eine Philosophie des »Interseins«.
Anders als manche organisierten Religionen kennen afrikanische spirituelle Philosophien weder Himmel noch Hölle, da sie im Allgemeinen nicht daran glauben, dass etwas wie der Tod existiert. Die Seelen der Verstorbenen werden nicht von einem manichäischen Teufel in der Hölle für ihre Sünden bestraft. Afrikanischer Spiritualität zufolge »leben« die Toten in wiedergeborener Form oder auf nicht-physikalischen Ebenen des Kosmos. Laut der Yoruba-Kultur hat die menschliche Seele drei Ebenen: Kraft oder Atem, Schatten und Geist (emi, ojiji und ori). Die Zulu haben eine ähnliche Triade: idlozi (Schutzgeist), umoya (Atem) und isithunzi (Schatten), und für die Igbo besteht die menschliche Seele aus uwa (sichtbare Welt) und ani mmo (geistige Welt). Für die alten Ägypter:innen waren es ba, ka und akh, Komponenten der Seele, die jeweils die Lebenskraft, die Geisteskraft sowie die Einheit der beiden repräsentieren, die über diese Welt hinausgeht und bis in die nächste reicht. Daraus folgend ist Wissen nicht etwas, das man während des Lebens erwerben und horten muss, da Weisheit und Existenz endlos und unsterblich sind.
Bezeichnenderweise unterstützen afrikanische Philosophien kreativen Ausdruck (Kunst, Tanz, Rituale, Bildhauerei, und so fort) als höchste Form des Wissens. Rituale spiegeln nicht nur Spiritualität wider, sondern auch das Teilen von Wissen. Gottheiten sind nicht einfach göttliche Energien, sondern repräsentieren auch die Philosophie. Jede Göttin und jeder Gott ist die Ausformulierung eines Konzepts. So ist etwa Shango, die spirituelle Verkörperung des Donners, auch eine historische Lesart einer afrikanischen Philosophie der sozialen Gerechtigkeit. Oya, Göttin der Tornados und Beschützerin der Frauen, bietet eine Interpretation des Feminismus im antiken Afrika.
In ihrem letzten Buch Socrates and Òrúnmìlà: The Two Patrons of Classical Philosophy aus dem Jahr 2014 zog die verstorbene nigerianische feministische Philosophin Professor Sophie Bosede Oluwole einen bahnbrechenden Vergleich zwischen Sokrates, dem Begründer der westlichen Philosophie, und Orunmila, dem Verfasser der Wissenssammlung der Yoruba, die bekannt ist als Ifa. Der Ifa-Textkorpus, der mittlerweile größtenteils auch in schriftlicher Form existiert, ist ein geomantisches System aus 256 Zeichen, zu denen Tausende Verse gehören. Er wurde über Jahrtausende im Gedächtnis der traditionellen Yoruba-Philosoph:innen namens Mamalawos und Babalawos (Mütter beziehungsweise Väter des esoterischen Wissens) aufbewahrt, die das Ifa vierzehn Jahre lang studieren mussten, ehe sie seine Weisheit weitergeben durften.
Oluwole fragte sich, weshalb Sokrates, der keine schriftlichen Werke hervorgebracht hat, als Vater der westlichen Philosophie gelten darf, nicht jedoch Orunmila, der ebenfalls seine Ideen an seine Schüler:innen weitergab, ohne sie niederzuschreiben. Wo Sokrates den berühmten Satz sagte: »Ein unerforschtes Leben ist nicht lebenswert«, erklärte Orunmila: »Ein Sprichwort ist ein konzeptuelles Analysewerkzeug.« Wo Sokrates sagte: »Die höchste Wahrheit ist die ewige und unveränderliche«, bemerkte Orunmila: »Wahrheit ist das Wort, das niemals korrumpiert werden kann.« Wo Sokrates sagte: »Gott allein ist weise«, sprach auch Orunmila in folgender Aussage die Grenzen des menschlichen Wissens an: »Kein kluger Mensch kennt die Anzahl der Sandkörner.« Oluwole drängte die Afrikaner:innen dazu, sich ihr philosophisches Erbe zurückzuholen, und argumentierte, der Wissensfundus, den sie in der Yoruba-Tradition entdeckt habe, sei so reich und komplex wie jeder, der sich im Westen finden lässt.
Ich stehe einigen Elementen des afrikanischen spirituellen Lebens ebenso kritisch gegenüber wie allen anderen Formen von Religion. Besonders kritisch bin ich gegenüber der patriarchalischen, autoritären und gerontokratischen (Herrschaft der Ältesten) Denkweise in vielen afrikanischen Philosophietraditionen. Selbst wenn Frauen im antiken Afrika spirituelle Macht besaßen, wurde die Misogynie nicht von den Europäern importiert. Aus Europa kam vielleicht die Misogynie, wie wir sie kennen – die sexuelle Objektifizierung von Frauen, und so weiter. Aber es gibt zu viele historische Belege für Misogynie als Modus Operandi im präkolonialen Afrika, um sie allein mit der Kolonisation in Verbindung zu bringen. Tatsächlich war die spirituelle Macht, über die Frauen im präkolonialen Afrika verfügten, oftmals eine Gegenreaktion auf die patriarchalische Unterdrückung. Auch wenn einige Frauen Zugang zu Macht hatten, war das »Subjekt« in der afrikanischen Gesellschaft ebenfalls männlich.
Außerdem bin ich gegen alle Formen des abergläubischen Denkens als Wissensmethode, da diese sich auf Angst gründen. Die fatalistische Vorstellung, Zeichen und Symbole könnten den Ausgang des eigenen Lebens bestimmen, lenkt davon ab, die Verantwortung zu übernehmen für das eigene Wissen und die eigene Fähigkeit, Lebenserfahrungen zu gestalten.
Europatriarchalisches Wissen mag das größte Hindernis für das Wohlergehen des Planeten und seiner Bewohner:innen darstellen, aber es ist nicht das einzige. Ebenso wenig ist europatriarchalisches Wissen gleichbedeutend mit weißen Männern. Man könnte sagen, romantische Philosophen, Dichter und Künstler wie Ralph Waldo Emerson, D. H. Lawrence und Caspar David Friedrich beförderten etwas ähnliches zu dem, was ich als sinnliches Wissen bezeichne, zumindest was den poetischen und den emotionalen Blickwinkel angeht (sicherlich nicht den afrozentrischen schwarzen feministischen). Nehmen wir als Beispiel Kreidefelsen auf Rügen, von Friedrich gemalt als eine emotionale Reaktion auf die natürliche Welt. Auf dem Gemälde sehen wir Friedrich und seine frischgebackene Ehefrau eine wundervolle Aussicht auf die Kreidefelsen genießen, die heute im deutschen Nationalpark Jasmund liegen. Das Werk evoziert in seinen Betrachter:innen eine beseligende Würdigung der Schönheit der Natur.
In den 1920er-Jahren waren die Felsen durch Erosion bedroht, aber die Proteste für ihre Bewahrung waren erfolgreich, und die Aussicht ist heute noch so magisch wie damals. Man stelle sich eine Welt vor, in der die Kreidefelsen nicht mehr existieren. Nicht nur hätten wir die Möglichkeit verloren, eine kunstvolle Aussicht zu betrachten, uns wäre auch eine Gelegenheit genommen worden, die Kunst in uns selbst zu sehen, da wir selbst ein Teil der Natur sind. Darauf spielte auch Friedrich an, als er sagte: »Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.«
Der Punkt ist: Genauso wie die griechische Mythologie und Philosophie über Jahrhunderte genutzt wurden, um ihre Einsichten auf das gegenwärtige europäische Leben anzuwenden – sei es in der Kunst, der Politik, der Literatur, der Philosophie oder den Geschlechterbeziehungen –, ist auch die Tiefe, die sich aus afrikanischen Mythen und afrikanischer Philosophie ziehen lässt, relevant für das gesamte Weltwissen.
Wir vergessen nur selten Ideen, die unsere Sinne anregen – historische Ereignisse wie Martin Luther Kings »Ich habe einen Traum«-Rede oder Nelson Mandelas erhobene Faust beim Verlassen von Robben Island oder die Anerkennung der Rechte der Natur in der ecuadorianischen Verfassung oder wie der Komponist Ludovico Einaudi sein eindringlich berührendes Musikstück »Elegy for the Arctic« auf einem schmelzenden Gletscher in Norwegen spielte. Diese Augenblicke sind exemplarisch, da sie sich auf uns als Ganzes auswirken – intellektuell, emotional, körperlich und geistig.
Dasselbe gilt für alle guten Ideen. Wie eine Idee uns empfinden lässt, ist ebenso wichtig wie das Wissen, das sie uns vermittelt. Man könnte sagen, gute Ideen sind wie gute Songs. Mit den richtigen Elementen – wenn die Worte eine Melodie haben, wenn die Stimme Schönheit und Leidenschaft besitzt, wenn der »Rhythmus« der Idee im Einklang ist mit dem Zeitgeist – zünden sie und wirken bis in die Mainstream-Kultur. Wie der Autor und Fotograf Teju Cole in einem Interview mit dem Journalisten Ryan Kohls auf dessen renommierter Website What I Wanna Know sagt: »Tief in uns ist etwas, das auf eine sorgfältig gepflegte Sprache reagiert, ob es sich nun um Literatur, Gedichte oder wirklich gute Songtexte handelt.«
Gleichwohl beende ich dieses Kapitel mit der Betonung, dass sinnliches Wissen keine quasimystische Sechster-Sinn-Methode des Wissens ist. Es hat nichts damit zu tun, dass jemand in dem Augenblick anruft, in dem man an diese Person denkt. Es geht nicht darum, durch Magie und Mystizismus dem Selbst zu entfliehen oder es zu überhöhen. Die Theorie, die ich vorstelle, mag poetisch klingen, sie wird jedoch geprägt durch eine dringende politische Sorge. Gerade weil wir Grund haben, für so viele Einsichten dankbar zu sein, müssen wir unser Verständnis von Wissen erweitern. Denn je mehr wir das Wissen mit starren und engen Begriffen definieren, desto roboterhafter und damit unfähig, Wissen tatsächlich aufzunehmen, werden die Menschen.
Die Idee, dass das Wissen ein aktiver, verkörperter Prozess ist, ist auch nicht einfach aus der Luft gegriffen. Sogar eine wachsende Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten stützt diese Hypothese. Wie in einem Artikel in der New York Times mit dem Titel »Tales of African-American History Found in DNA« berichtet, zeigen Untersuchungen der afroamerikanischen genetischen Geschichte, dass Erinnerungen in Genen weitergegeben werden können. Die DNA der heutigen Afroamerikaner:innen spiegelt die Geschichte des Lebens in einer Apartheidgesellschaft über Generationen wider. Wie The Conversation in einem Artikel mit dem Titel »Racism Impacts Your Health« berichtet, wirkt sich Rassismus auf schwarze Menschen nicht nur psychosozial, sondern auch körperlich aus. Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass schwarze Menschen, die häufig Diskriminierung erleben, einen höheren systolischen Blutdruck haben als jene, die nur sehr wenig Diskriminierung wahrnehmen. Eine weitere Studie offenbarte, dass schwarze Frauen, die eine hohe Anzahl an erlebten Erfahrungen mit Rassismus machten, häufiger Brustkrebs bekamen, und dies traf insbesondere auf junge schwarze Frauen zu. Biolog:innen entdecken gerade, dass Genome eine größere Wirkung haben, als zuvor gedacht. Wir werden vom europatriarchalischen Wissen nicht nur politisch und gesellschaftlich entrechtet, wir sind davon auch körperlich gezeichnet.
Je mehr wir das Wissen als ein Ökosystem verstehen, das Intersein widerspiegelt und dann gedeiht, wenn unsere Beziehungen gedeihen – ob es sich nun um Beziehungen zu Fakten, zur Natur oder zu anderen Menschen handelt –, desto weiter dehnt sich unsere Welt aus. Je stärker wir uns mit dem Sinnlichen verbinden, desto besser können wir nötige politische, ökonomische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen identifizieren.
Nie zuvor haben wir daran geglaubt, dass Wissen das Beste aus uns herausholen könnte. Wir sind nie besonders gut zueinander gewesen – und auch nicht zu uns selbst oder zu unserer Umwelt. Wenn wir diese Wahrheit begreifen, beginnt der wirkliche Wandel. Wir haben enorme wirtschaftliche, wissenschaftliche und technologische Fortschritte gemacht, doch ohne einen entsprechenden psychologischen und gesellschaftlichen Fortschritt haben uns jene Fortschritte lediglich an den Punkt gebracht, an dem wir uns heute befinden – auf dem Weg in ein ökologisches, politisches und soziales Desaster von bislang unvorstellbaren Ausmaßen.
Ein anderer Wissensansatz würde uns auf einen neuen Weg führen, der uns sowohl innerlich als auch äußerlich erleuchtet. Einen Weg, bei dem die Erkenntnis nicht nur geprägt ist von geschlossenen Hierarchien, Indizes und Messungen, sondern auch von den nichtlinearen und innerlichen Eigenschaften des Unermesslichen. Vielleicht klingt es unrealistisch, dass wir einen universellen Wissensansatz befördern werden, aber etwas, das realistisch klingt, hat noch nie die alten Strukturen verändert! In den Worten der Revolutionärin und Aktivistin Angela Davis: »Du musst handeln, als wäre es möglich, die Welt radikal zu verändern. Und du musst es jeden Tag tun.«
Letztendlich werden wir nicht gleichgestellt sein, solange wir keine Subjekte sind. Und wir können keine Subjekte werden, wenn wir weiterhin nur eurozentrische, maskulinistische Ansätze der Erkenntnis und des Wissens gelten lassen.