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Kapitel 3 – Willkommen im Leben

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Die Wirklichkeit, mit der Luisa nun mit voller Wucht konfrontiert wurde, hatte sie so nicht erwartet.

Platsch. Oh nein.

Schon wieder Regentropfen, die sich auf dem Bett von Luisa niederließen und in das Oberbett einzogen. Luisa ballte die Fäuste.

Sie würde jetzt duschen, und trotz ihres schmalen Etats erst einmal irgendwo vernünftig frühstücken gehen. Danach würde sie ihren Einkauf erledigen und erst einmal alles sacken lassen. Schließlich war Rom auch nicht an einem Tag erbaut worden. Luisa sah auf ihren Wecker.

»Ach du liebe Zeit.«

Den Tag sacken lassen war gut. Das Frühstück konnte sie sich abschminken, dieser Tag war gerade dabei relativ zügig auf die Mittagszeit zuzugehen – also lief das Ganze wohl eher auf Brunch hinaus und selbst da musste sie sich sputen.

Eine schnelle Dusche, ein bisschen Schaum ins Haar, Lippenstift und der Tag begann mit erheblicher Verzögerung. Ein kleines Café, welches sie schon öfter aufgesucht hatte, und das nur eine Straßenecke weiter entfernt lag war wie gemacht für sie und als sie es betrat, fühlte sie sich sofort geborgen.

Das Café gehörte einer Lisa Soundso. Der Nachname der Besitzerin war Luisa entfallen, sie betrachtete es auch nicht als so wichtig. Lisa kam auf sie zu und fragte nach ihren Wünschen und Luisa orderte erst einmal einen Milchkaffee. Das Frühstücksbüffet bestand eigentlich nur noch aus Resteverwertung, doch für Luisa würde es schon reichen.

Plötzlich merkte diese wie hungrig sie war, und langte ordentlich zu. Sie ließ sich den Fruchtsalat schmecken, schmierte sich zwei Vollkornbrötchen mit Butter und leckerer Marmelade und aß alles mit großem Appetit. Danach noch ein Glas Orangensaft und die Welt sah bereits wieder ganz anders aus. Luisa hatte das Gefühl, seit Tagen nur von Wasser und Keksen gelebt zu haben.

Luisa lächelte. Sie war doch bestimmt nicht die einzige Frau auf diesem Planeten, die so etwas erlabt hatte und nach einer Scheidung in ein Lock fiel. Es musste doch Hilfe für so etwas geben, zumindest ein guter Ratschlag.

Ihr fiel gerade eine alte Schulfreundin ein mit der sie sehr lange nicht telefoniert hatte, und sie hatte mal wieder ein richtig schlechtes Gewissen. Tine war ein Stehaufmännchen, immerhin hatte sie ähnliches erlebt, sie würde Rat wissen

Komisch, heute Nacht hatte sie ganz selbstverständlich an Tine gedacht, und nun saß Luisa in dem Café, zahlte ihr Frühstück und war im Begriff Tines Nummer zu wählen. Diese war wahrscheinlich leicht angesäusert, dass sich Luisa erst in Zeiten meldete, wo es ihr schlecht ging. Doch Tine verzieh rasch und im Grunde ihres Herzens wusste Luisa, dass sie sich freuen würde wenn sie, Luisa, wieder Kontakt zu ihr aufnahm. Nun ja, zumindest hoffte sie das.

Damals, vor der Heirat hatten die beiden Freundinnen halb Hamburg unsicher gemacht. O Mann, das war abgefahren gewesen.

»Hi, Tine … ich wollte einmal hören …«

»Luisa? Was treibt dich denn in meine Leitung – kaum ist dein Sonnyboy fort, da erinnerst du dich an deine alte Freundin?«

Ein paar Sekunden herrschte Ruhe. »Woher weißt du denn …?«, meinte Luisa

»Hamburg ist ein Dorf, Luisa. Muss ich noch mehr sagen, meine Liebe?«

»Haben die Trommeln also funktioniert«, konsternierte Luisa und knirschte mit den Zähnen.

»Tine, ich brauche dich, ich muss mich tausend Mal bei dir entschuldigen und mir eingestehen, dass ich vieles falsch gemacht habe, aber hey, was soll es – ich brauche jemandem zum Reden. Hast du eine Minute für deine alte Klassenkameradin?«

»Donnerwetter, das muss ja brennen bei dir. Komm einfach vorbei. Ist besser, da können wir es uns gemütlich machen.«

Tine nannte Luisa ihre Adresse und diese nahm sich ein Taxi, da sie nicht genau wusste, wo die angegebene Adresse zu finden war.

Der Taxifahrer fluchte, als sie einstieg und die Adresse ihrer Freundin nannte. »Mädchen, das ist hier fast um die Ecke. Da verdiene ich nichts dran, du hast doch noch junge Beine!«

»Ja, aber immer noch null Ahnung, wo ich hin muss«, konterte Luisa und schaute den Taxifahrer aus großen Augen an. Der Dackelblick zog also immer noch. Dabei hatte sie schon fast überlegt, ob sie diesen verlernt hatte.

»Na dann wollen wir mal eine Ausnahme machen«, meinte der Fahrer. Der Atem ging schon schwer, er hatte wohl schon eine Doppelschicht hinter sich – außerdem roch es in seinem Mercedes penetrant nach abgestandenem Zigarettenrauch, sodass Luisa ein leichter Ekel überkam. »Du darfst jetzt nicht wählerisch sein«, sagte sie zu sich selbst, »mach nicht jetzt schon schlapp – das ist das wahre Leben, und das hast du genauso gewollt.«

Nun war Luisa die Situation doch recht unangenehm. denn der Taxifahrer drehte in der Tat nur drei, vier Runden und hielt dann vor einem sehr gepflegten Altbau, welcher offenbar schöne Wohnungen beinhaltete. Alles sah sehr sauber und gepflegt aus, nicht zu vergleichen mit ihrer Behausung!

»So junge Dame, da wären wir schon.« Der Taxifahrer schaute sie grinsend an.

»O mein Gott, das ist mir jetzt aber doch peinlich.«

Luisa seufzte, zahlte die acht Euro fünfzig und stieg aus dem Taxi.

Ein gellender Schrei ließ den Taxifahrer zusammenzucken.

»Was ist passiert?«

»Scheiße!«, fluchte Luisa.

Der Taxifahrer lachte laut auf.

»Im wahrsten Sinne des Wortes«, meinte dieser, als er sah, was passiert war. Aber es soll ja Glück bringen … na dann, noch einen schönen Tag … trotz des Missgeschicks.«

Luisa versuchte das Unheil von ihren Schuhen zu bekommen, schimpfte über die Hundehalter im Allgemeinen und über die Ignoranz der Leute im Besonderen.

Egal! Krone richten und weiter geht's, Luisa.

Einen Teil der Hinterlassenschaften hatte Luisa von ihren Boots abkratzen können, doch es roch noch immer recht streng – sie würde die Schuhe nachher bei Tine sowieso vor der Tür ausziehen.

Luisa klingelte.

Natürlich – Dachgeschoss – wieder mal kein Fahrstuhl, war ja klar!

Sie machte sich auf den Weg in den fünften Stock, ab dem dritten Stock kroch sie mehr, als sie die Treppen erklomm.

»Luisa, lass das bitte nicht zur Gewohnheit werden. Du stinkst nach Hundekacke, zieh mal deine Schuhe aus!« Tine stand lachend auf der obersten Treppenstufe während Luisa schnaufend oben ankam.

»Na, das Training war wohl nicht so toll in den letzten Jahren – schon aus der Puste, meine Süße. Grüß dich Luisa, ich freue mich wirklich dich wiederzusehen.« Sie nahm ihre Schulfreundin in den Arm und zog Luisa an sich.

Luisa erwiderte, noch völlig außer Atem: »Nein, war mehr auf Golfplätzen und Empfängen zu finden. Beides hatte den Vorteil, dass alles ebenerdig war. »Schön dich wiederzusehen, lass dich anschauen. Du siehst aus wie ausgespuckt, Luisa, weißt du das?« Sie lachte hell auf. Ihre direkte Art hatte Luisa vermisst. »Da müssen wir schnellstens etwas dagegen unternehmen.« Tine schüttelte den Kopf.

Die beiden Freundinnen erzählten und erzählten, bis sich bereits der Abend näherte. Tine hatte eine Kerze entzündet und zwei Gläser Wein auf den Tisch gestellt.

»Na ja, das war natürlich alles nicht so einfach für dich. Da hast du dir aber auch ein Exemplar ausgesucht … bei aller Gnade, meine Liebe! Hast du nicht mal im Netz recherchiert … ich meine, macht doch heute jeder. Wozu gibt's denn Facebook, Twitter und Co. Mensch, Luisa, du bist doch nicht von gestern, du bist so … wie soll ich sagen, ohne dich zu verletzen.«

»Sag es nur«, meinte Luisa, »eigentlich bin ich total phlegmatisch und gehe seit längerem den bequemsten Weg. Muss wohl daran liegen, dass ich fünf Jahre den goldenen Löffel gekostet habe. Ich brauchte nicht zu arbeiten, nicht zu denken, der Preis dafür war totale Abhängigkeit, gepaart mit Stagnation, blöden Sprüchen und durchgeknallten Nächten.«

»War eigentlich ein Superdeal! Nur mir hat es eben nicht gelangt. Kannst du das verstehen, Tine? Vielleicht hast du recht, und ich bin das bescheuertes Huhn auf dem Planeten Erde oder irgendwie falsch gepolt.«

»Nein bist du nicht, Luisa!« Tine schüttelte den Kopf.

»Ich hätte mir unser Wiedersehen irgendwie anders, schöner vorgestellt, nicht so emotionsgeladen und voll gepackt mit Problembewältigung. Luisa, du hast echt was an der Backe, das kann ich dir sagen!«

»Weiß ich selbst«, meinte Luisa pragmatisch.

»Luisa, denk einfach nicht mehr dran, okay? Los, komm, lass uns erst mal ordentlich unser Wiedersehen feiern«, meinte Tine und prostete Luisa zu.

»Ist zwar nicht die ganz große Sause, schließlich haben wir bald Monatsmitte. Du wirst sehr schnell lernen, was das bedeutet, Süße. Trotzdem, ich freue mich riesig, dich wiederzusehen.« Freudestrahlend nahm sie Luisa in den Arm.

Oh, ich weiß jetzt schon, was das Wort bedeutet. Derzeitig schwebe ich noch ein wenig in einer anderen Dimension, der Urknall kommt erst noch.

Laut sagte Luisa: »Ja, noch so was, woran ich mich wieder gewöhnen muss – meine Kohle allein zu verdienen. Von nichts, wird nichts kommen.«

»Na, wenigstens die Grundeinstellung stimmt schon mal. Zum Wohl Luisa, auf unser Wiedersehen, und auf dein neues Leben!«

»Zum Wohl, Tine!«

***

Die beiden Frauen verbrachten den restlichen Abend damit, Pläne zu schmieden. Sie surften im Internet, schauten sich alle möglichen Seiten an, doch Tine war derzeitig viel mehr an dem ehemaligen Glamourleben Luisas interessiert. Als Luisa davon zu erzählen begann, saugte Tine alles in sich auf und war ziemlich beeindruckt. Luisa erzählte auch von ihrer Schwester Katharina die für die erste Riege der Modeschöpfer auf den Laufstegen der Welt lief, und Tine schluckte schwer.

»Also irgendwas muss ich falsch gemacht haben. Bin ich irgendwo mal links abgebogen, wo ich rechts hätte abbiegen müssen?«, fragte sie Luisa nach dem dritten Glas Wein.

»Nein, Tine, du hast schon alles richtig gemacht. Ich kann mir nichts anderes für dich vorstellen, als deine Liebe zum Buch. Der Job ist schon okay für dich. Du bist Buchhändlerin mit Leib und Seele. Das passt schon!« Tine nickte eifrig.

»Hast ja recht, Luisa. Nicht nur, dass ich eine Leseratte durch und durch bin, ich verkaufe dir auch noch den letzten Schinken aus den 60er-Jahren der ganz hinten im Regal sein Dasein fristet, das kann ich wenigstens. Bücher sind mein Leben. Allein der Geruch …, aber ich schweife ab.« Sie holte noch eine Flasche Wein und etwas zu Knabbern. »Luisa, wenn wir hier vorankommen wollen, brauchen wir einen Masterplan und zwar ziemlich ratzfatz. Du wirst diese Glitzerwelt verlassen müssen, dein goldener Käfig existiert nicht mehr. Der Vogel ist flügge geworden – weißt du?«

»Ja, so bringt man es wohl am besten auf den Punkt.«

Tine hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Wie immer.

Bye-bye Gucci-Täschchen, bye-bye Armani-Anzug, bye-bye kostbare Parfümflakons und Edelboutiquen in Pöseldorf.

»Du schläfst heute Nacht erst mal bei mir«, darüber diskutierte Tine gar nicht weiter. Und Luisa hatte wahrlich nicht die Absicht Protest einzulegen. Im Gegenteil, sie war froh endlich einmal in einem halbwegs vernünftigen und vor allem trockenen Bett zu schlafen. Diese Wohnung war behaglich eingerichtet, die beiden Freundinnen hatten sich auf das Sofa gekuschelt und eine dicke Decke über ihre Beine gelegt.

»Los, lass uns die Betten beziehen«, sagte Tine plötzlich. »Mitternacht ist schon vorbei.« Tine war schon immer die praktisch Veranlagtere gewesen.

Luisa merkte bald, dass sie ihre Freundin unterschätzt hatte. Diese war keine Heulsuse – im Gegenteil. Tine stand mitten im Leben und bemitleidete weder sich selbst noch andere. Tine packte zu und nahm kein Blatt vor den Mund.

Alsbald begann Tine loszulegen. »Hör zu Luisa – erstens, du musst dein neues Leben aus eigener Kraft hinkriegen nur dann bist du wirklich frei. Es gibt keinen Mark mehr und sollte der Typ noch in deinen Hirnwindungen rumkriechen, verscheuche ihn. Solltest du Schiffbruch erleiden, ist es dein Ding, klaro? Ordne dein Leben. Hattest du irgendwo in einem vergessenen Hinterstübchen die ganz leise Absicht gehabt im Fall der Fälle bei den Sartors ›betteln‹ zu gehen, vergiss es. Du würdest nie frei sein! So geht Leben, Luisa!«

»Tine, du wäscht mir ordentlich den Kopf, doch das brauchte ich wohl um mich endlich mit den Gegebenheiten abzufinden – ich ziehe hier die Elendsnummer durch und warte auf den nächsten Morgen. Bäh! Du bist ein richtiger Schatz, ein Goldschatz sozusagen.«

Tine nahm sie einfach in den Arm und hielt sie ganz fest.

»Alles gut, Luisa, alles gut.«

Einige Zeit später hörte man von den beiden Nachteulen ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen. Die Freundinnen waren auf dem Sofa eingeschlafen.

***

Am nächsten Morgenschlief Luisa fast bis zum Mittag. Nicht, dass dieser Umstand bald zur Routine wurde.

Kein tropf, tropf, keine Kälte die durch die Ritzen zog.

Hier war es ruhig, angenehm warm und sie hatte nach der Aussprache den Schlaf wohl auch gebraucht. Vieles hatte sich Luisa gestern Abend von der Seele geredet und sie hatte es als sehr befreiend empfunden.

Tine indes war bereits früh aufgestanden. Sie hatte Brötchen und vor allem jede Menge Zeitungen aus allen Regionen der Republik besorgt – natürlich, sie wollten die Stellenanzeigen durchforsten. Tine hielt fiel von der traditionellen Form der Zeitungen und bei Stellenanzeigen ging nichts über das gedruckte Exemplar einer Zeitung.

»He, Schlafmütze aufwachen! Wir schreiten jetzt zur Tat!« Tine zog Luisa einfach die Decke weg und Luisa blickte sie verschlafen an.

»Wie spät ist es denn?«

»Och.« Tine sah in gespielter Verzweiflung auf ihre Armbanduhr. »Zu spät, Süße. Es ist mittlerweile bereits dreizehn Uhr fünfzehn.«

»Waaas? Das kann doch gar nicht sein dass ich so lange geschlafen habe, o Gott!« Luisa war entsetzt.

Sie schämte sich, weil Tine bereits Brötchen geholt, Kaffee gekocht, alles so zauberhaft dekoriert hatte, selbst ein frischer Blumenstrauß stand auf dem Tisch.

»Gib mir fünf Minuten!«, sagte Luisa. »Dann bin ich bei dir.«

»Na, nun ist es auch schon egal!« Tine ganz pragmatisch. »Wir werden jetzt in Ruhe frühstücken und dann Zeitung lesen.«

»Zeitung lesen?«

»Aber ja, wir werden heute eine Stelle für dich finden, so war ich Tine Klink heiße.«

Luisa war plötzlich ganz aufgeregt. Endlich roch es zumindest im Anflug nach Neuanfang. »Okay. Dann mal los.«

Als diese aus dem Bad herauskam, lagen dort die Süddeutsche, die ZEIT, irgendeine Zeitung aus dem Allgäu, die Sylter Rundschau und der Tagesspiegel.

»Und die willst du alle durcharbeiten!« Luisa schluckte schwer.

»Nee!« Tine schaute sie frontal an. »Du arbeitest die Presse durch, meine Süße, denn du suchst eine Stelle! Nicht ich.«

»Tiiine!«

»Willkommen in der Realität, meine Süße.«

Tine lachte. »Tja, Luisa, nicht mal eben vor den Scheidungsrichter, sondern jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt!«

»Eye, Eye, Captain, aber erst mal eine Tasse Kaffee.«

Nachdem Luisa zwei Stunden in die Zeitungen geschaut hatte, fühlte sie sich erschöpft und ausgelauft. Sie donnerte eine Zeitung mit einer ziemlichen Wucht in die nächste Ecke. »Ich schaff das nicht, Tine, ich bin zu blöd für alles!«

Tine, die merkte, dass es ihrer Freundin schwer fiel, sich mit den Gegebenheiten des nun beginnenden Alltags abzufinden, sagte ganz profan: »Überleg mal Luisa, was kannst du besonders gut – außer Glamourgirl zu sein – was hast du schon mal besonders gut hinbekommen – oder den Eindruck gehabt, hey, das war gar nicht so schlecht!«

Luisa musste lange überlegen, bis sie mit einer Story um die Ecke kam, die Tine gar nicht so schlecht fand.

»Marc und ich, wir sind mal um die Alster gegangen, und da kam uns ein älteres Ehepaar entgegen, dem war der Hund weggelaufen – ein Beagle, die büxen ja gern mal aus. Wir boten unsere Hilfe an, doch das ältere Ehepaar sagte: Den kriegen Sie nie, Maxi hört einfach nicht! Der Hund blieb einfach nicht stehen, und dann habe ich ganz laut gepfiffen. Ich habe nicht geschrien, bin nicht hinter dem Hund hinterhergerannt, sondern ganz ruhig in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Und was soll ich dir sagen – der Hund kam! Kam zu mir und schlabberte mir die Hand ab.« Sie wartete eine Sekunden, musste lächeln. Das war wirklich eine der wenigen, schönen Episoden aus ihrer Ehe. »Da dachte ich: - Hey, ziemlich cool, irgendwie hast du offensichtlich einen Draht zu Hunden. Das Ehepaar selbst war völlig von den Socken und bedankte sich überschwänglich bei mir. Ich hatte noch zwei, drei Begegnungen mit ausgebüxten Hunden, einem Rottweiler und einem kleinen Rauhaardackel, allesamt eher von der knurrigen und muffeligen Sorte, doch irgendwie reagierten sie auf mich.« Sie musste trocken schlucken. »Meinst du, sowas geht?«

»Na, klar.« Tine nickte. »Hat ja nicht jeder einen Draht zu Hunden. Viele Leute laufen ja sogar weg, wenn ein Hund auf sie zugerannt kommt - sieh mal zu, dass du das vertiefst, kauf dir Literatur und lass dich da mal beraten … zumindest wäre es ein Ansatzpunkt.«

Plötzlich lachte Tine hell auf und sagte: »Mensch, Luisa, schau dir das mal an. Das gibt's doch gar nicht.«

Sie reichte ihr eine Zeitung rüber, und Luisa las, was da in der Sylter Rundschau geschrieben stand:

Das Aurora-Luxus-Hotel in List auf Sylt sucht zum nächstmögl. Termin Dog-Sitter/in zum Ausführen und Beschäftigen ihrer vierbeinigen Gäste. Sie sollten stressresistent sein, Wind und Wetter trotzen und ein heiteres Gemüt mitbringen.

Spaß und Freude am Umgang mit Hunden Bedingung, alles Weitere unter Handynummer …

»Oh, Tine, das ist ja der Hammer! Gibt es doch noch Wunder auf dieser Welt – gerade erzähle ich dir diese Story und – also eigentlich glaube ich ja nicht an Überirdisches, aber hier scheint gerade so was abzulaufen.«

»Wunder gibt es immer wieder!«, trällerte Tine los.

Luisa warf sich in Tines Arme und wirbelte einmal mit ihr durch die ganze Wohnung.

»O Mann, Tine, jetzt hab ich richtig Hunger bekommen. Lass uns frühstücken, und danach rufe ich auf Sylt an. Die Suppe versalzt mir keiner.«

»Luisa, mir graut vor dir. Du zeigst ja mal richtig Elan. Wow!«, meinte Tina lächelnd.

Beide Frauen umarmten sich, und Luisa bemerkte so etwas wie Aufbruchstimmung.

Endlich, nach viel zu langer Dunkelheit, ein wenig Licht.

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