Читать книгу Der Millionär von nebenan - M.J. O'Shea - Страница 5

Kapitel 1

Оглавление

Du bist nicht mehr in Kansas, Sasha Sobieski.

Das war er wirklich nicht. Sasha lebte seit nunmehr zwei Jahren in New York, auch wenn er das an manchen Tagen immer noch nicht glauben konnte. Aber nichts rief ihm deutlicher ins Bewusstsein, dass er weit, weit weg von zu Hause war, als vor dem Ort zu stehen, von dem er träumte, seit er zweiundzwanzig war. Der Ort, der sein Schicksal werden sollte.

Harrison Kingsley – erst vor zehn Jahren gegründet und schon eine feste Größe in der Modewelt. Das Label designte moderne Mode, zeitlos und einzigartig. Außergewöhnliche Mode. Sehr exklusiv. Und es war äußerst schwer, eine Anstellung dort zu bekommen. An der Schule hatte man gemunkelt, es wäre unmöglich, die Führungsetage von Harrison Kingsley zu beeindrucken, deshalb bräuchte man es gar nicht erst zu versuchen. Schon damals hatte er beschlossen, nicht auf das Gerede zu hören.

In seinem ganzen Leben hatte Sasha noch nie etwas so sehr gewollt.

Der Hauptsitz von Harrison Kingsley war umwerfend. Das Bürogebäude in der 34th Street erfüllte alles, was man von einem Modelabel erwartete – schick, nicht modern, sondern klassisch, dabei einschüchternd und gleichzeitig einladend. Es war hell, offen und irgendwie bunt. Als würde man in den Kopf eines Modegenies hineinsehen, was ja irgendwie zutraf.

Sasha wusste, dass er sein Zuhause gefunden hatte.

Er ließ sich auf einem blassgrünen gepolsterten Stuhl im Wartebereich vor der großen, kupferfarbenen Rezeption nieder. Er war nicht nervös wegen des Vorstellungsgesprächs, auch wenn er es eigentlich sein sollte. Wenn Sasha mehr als einen kurzen Moment darüber nachdächte, wen er gleich treffen würde, bekäme er wahrscheinlich Herzflattern.

Joanne Kingsley war eine große Persönlichkeit in der Modebranche. Wirklich groß. Die Größte der Großen. Für sie zu arbeiten, wäre die ultimative Chance, auf die er wartete. Falls er den Job bekam – nein, wenn er ihn bekam. Keine negativen Gedanken. Für Joanne Kingsley zu arbeiten, schien sein Schicksal zu sein. Sasha Sobieski aus Hawk's Prairie, Kansas, frischer Parsons-Absolvent, gehörte an ihre Seite. Das konnte er tief in seinem Inneren spüren.

Trotz seiner eigenen positiven Gedanken wurde Sasha nervös, als er in Joanne Kingsleys Büro gerufen wurde. Ihm war leicht flau im Magen, während er der Rezeptionistin folgte, die ihn durch einen Flur voller Fotografien von Modenschauen aus der ganzen Welt führte. Er klammerte sich an seine uralte Umhängetasche aus Leder und betete zu den Modegöttern, dass er genau das war, was die wunderbare, starke Ms. Kingsley suchte.

Ich habe alle Vorrunden gemeistert, rief sich Sasha in Erinnerung. Nicht jeder schaffte es bis zum Gespräch mit Joanne Kingsley selbst. Er war einer von schätzungsweise höchstens fünf. Allein das war schon eine Ehre. Sasha drückte sich selbst die Daumen und richtete all seine positiven Gedanken nach oben. Ich bin der Richtige für den Job. Joanne Kingsley wird begeistert von mir sein. Sasha hatte immer an die Macht des positiven Denkens geglaubt. Er hoffte, dass sie ihn auch dieses Mal nicht im Stich ließ.

Er wusste nicht genau, was er von der geschätzten Ms. Kingsley zu erwarten hatte. Wie jeder andere hatte Sasha auf diversen Klatschseiten Fotos von ihr in der ersten Reihe bei den Shows anderer Designer überall auf der Welt gesehen – McQueen, Saint Laurent, Lhuillier, Elie Saab. Stets hatte sie wunderschön und einflussreich ausgesehen, vornehm und irgendwie unerreichbar. An der Tür zu ihrem Büro holte Sasha tief Luft und schickte ein letztes Stoßgebet gen Himmel, bevor die Tür sich leise öffnete.

Joanne Kingsley saß auf der Ecke eines großen, weißen, antiken Schreibtisches. Ihr Büro war perfekt, anders konnte man es nicht beschreiben – champagnerfarbene Holzelemente, ein dunkler Fußboden aus Teak, luxuriöse Teppiche, teure, antike Möbel, an den Wänden hingen Drucke von firmeneigenen Designs in schweren, goldenen Rahmen. Sie stand auf und kam zur Tür, um ihn zu begrüßen. Und das war etwas, womit Sasha bei jemandem wie ihr überhaupt nicht gerechnet hätte. Er verschluckte fast seine Zunge.

Passiert das gerade wirklich?

Joanne war bestimmt zehn Zentimeter größer als er mit seinen ein Meter achtundsechzig, dazu sexy Kurven und wohlproportionierte Glieder. Ihr Gesicht konnte man nur als wunderschön beschreiben, mit hohen Wangenknochen, blasser Haut und grauen Augen, die von langen Wimpern umrahmt wurden und sich an den Augenwinkeln anhoben. Ihr Markenzeichen, die feuerrote Mähne, trug sie heute offen, nicht in einer modischen, einschüchternden Hochsteckfrisur wie sonst. Lediglich von einem goldenen Haarband aus ihrer Stirn gehalten, ergoss es sich in kupferfarbenen Kaskaden über ihre Schultern und ihren Rücken. Sie trug ein Kleid aus der aktuellen Kollektion ihres Labels. Es war ärmellos in einem satten, lebendigen Smaragdgrün, unter ihren vollen Brüsten gerafft, und floss in seidigen Wellen zu Boden. Das Grün ließ ihre blasse Haut leuchten und das Rot ihrer Haare wie ein Juwel schimmern.

Joanne Kingsley sah aus, als wäre ihr Platz mit einem Kelch Wein in der Hand auf der Spitze des Olymps statt auf der Erde bei den einfachen Sterblichen. Sasha konnte nicht glauben, dass er sich im selben Raum wie sie befand.

»Herzlich willkommen. Sasha, richtig?« Dann lächelte sie, freundlich und entwaffnend.

Wie soll ich darauf bloß reagieren?

»Ja. Sasha.« Er schüttelte ihre Hand und war überrascht, dass seine Stimmbänder überhaupt funktionierten.

»Sie kommen mit den besten Empfehlungen eines meiner früheren Lieblingsprofessoren. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.«

Joanne ging um ihren Schreibtisch herum und ließ sich elegant nieder. »Setzen Sie sich bitte.« Sie deutete auf einen weichen Stuhl ihr gegenüber. Es handelte sich um dasselbe Modell wie ihr eigener. Keins von diesen Spielchen, damit sich der Gast auf einem weniger erhabenen Platz kleiner fühlte. Sasha mochte sie schon jetzt.

»Danke für die Einladung. Ich bewundere Harrison Kingsley seit Jahren. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.«

Joanne Kingsley kicherte. Sie kicherte. »Wissen Sie, es überrascht mich immer noch, wenn jemand so etwas zu mir sagt, Sasha. Vielen Dank.«

Sasha lächelte zurück.

Das Vorstellungsgespräch verlief glatt. Eigentlich sogar perfekt. »Bitte nennen Sie mich Jo.« Sie war charmant, gesprächig und wollte alles über Sasha wissen. Sie war genauso, wie Sasha in zehn Jahren sein wollte. Auf den Etiketten der Kleidung mochte der Name von Harrison Kingsley stehen, er mochte derjenige sein mit dem Schloss in den Hamptons, den Zeichenbrettern, Stoffproben und den ganzen Designern, die ihm unterstellt waren, aber es war Joanne Kingsley, die die wichtigen Entscheidungen traf. Sasha wollte alles in seiner Macht Stehende tun, um ihr dabei zu helfen.

Creative Director bei einem großen Modelabel. Allein der Gedanke an diesen Titel ließ ihm einen Schauer den Rücken hinunterlaufen. Das war es, was er mehr als alles andere wollte... eines Tages. Ein Kindheitstraum. Im Moment wäre er allerdings vollauf zufrieden, wenn er nur der Assistent eines solchen werden durfte.

Joanne überflog ein weiteres Mal seinen Lebenslauf, bevor sie die Mappe zuklappte. »Eine kurze Frage, aus reiner Neugier. Hier steht, dass Sie vor Kurzem an der Parsons den Abschluss gemacht haben, aber Sie sind bereits achtundzwanzig. Ein Karrierewechsel?«

Sasha schüttelte den Kopf. »Schon als Kind wollte ich das immer tun. Zu Hause in Kansas musste ich lange kellnern, bis ich mir den Umzug nach New York und die Schule leisten konnte. Die Stadt ist nicht billig, wie Sie bestimmt wissen.« Nicht, dass das jemals ein Problem für die Kingsleys gewesen wäre. Laut ihrer Biografie waren sie in Harrison Kingsleys schlossartigem Anwesen in den Hamptons aufgewachsen, bevor Joanne sich ihr nicht weniger pompöses Appartement in der Park Avenue gekauft hatte, kurz nachdem das Label den Durchbruch geschafft hatte.

»Das ist richtig.« Joanne holte tief Luft. »Hören Sie, vermutlich sollte ich das nicht machen, aber ich werde es dennoch tun. Wann können Sie anfangen?«

»Anfangen?« Einen Moment lang war Sasha verwirrt, dann verstand er und ihm stockte der Atem. »Anfangen. Heili– ich meine, ich kann anfangen, wann immer Sie möchten. Ich habe keine anderweitigen Verpflichtungen.«

OhGottohGott. Sie hat mich gerade eingestellt. Joanne Kingsley hatte ihn gerade eingestellt. Sasha fühlte sich einer Ohnmacht nahe.

»Wie wäre es mit morgen?«

»Morgen klingt gut.« Sasha ballte die Hände zu Fäusten und grub seine Fingernägel in die Handflächen. Hoffentlich würde ihn das ein wenig runterbringen, aber es klappte nicht. Solche Dinge passierten einfach nicht. Nicht im wahren Leben. Von morgen an würde er bei seiner Traumfirma mit einem seiner größten Vorbilder arbeiten. Das konnte nicht real sein. Anders konnte man es nicht ausdrücken.

»Fantastisch«, sagte Joanne mit ihrem berühmten Lächeln. Er hatte immer angenommen, dass sie es nur für die Kamera aufsetzte. Sasha konnte nicht glauben, dass Joanne Kingsley so freundlich war. Niemand mit so viel Macht war tatsächlich derart nett, aber anscheinend war sie die Ausnahme. »Melden Sie sich in der Personalabteilung, bevor Sie gehen, und füllen Sie die notwendigen Papiere aus. Ich werde dort anrufen und Bescheid geben, dass Sie kommen.«

»Ja. Selbstverständlich.«

Joanne Kingsley stand auf. Ihr grünes Kleid floss über ihre üppigen Hüften, bis es erneut glatt herabhing. Sasha verspürte den Wunsch, den Stoff zu berühren. Er war einfach so... wunderschön. Alles in seiner neuen Welt war wunderschön und er widerstand mühevoll dem Drang, sich zu kneifen.

»Dann sehen wir uns morgen? Punkt neun Uhr?«

Sasha erlaubte sich ein Grinsen. »Ich kann's kaum erwarten.«

Sasha wartete, bis er zurück auf dem Flur war und Joannes Tür sich mit einem Klicken geschlossen hatte, bevor er sich nicht mehr halten konnte.

»Oh mein Gott...«, flüsterte er. »Oh. Mein. Gott.«

Er hatte sich Hoffnungen gemacht, selbstverständlich hatte er das, aber das war eine Sache. Was gerade passiert war, eine völlig andere. Für einen Moment ließ sich Sasha gegen die Wand sinken. »Ich bin dabei.«

»Wenn du damit meinst, dass du dabei bist, den Gang zu blockieren, dann muss ich dir recht geben«, erklang eine eher leise, aber bissige Stimme rechts von Sasha.

Sasha schaute gerade rechtzeitig auf, um mit einer großen, breiten Brust zu kollidieren – einer sehr schönen, teuer riechenden Brust in einem wundervollen Seidenhemd, die zu einem starken, bronzefarbenen Hals, schokoladefarbenem, gewelltem Haar und einem Gesicht mit vollen Lippen, die spöttisch verzogen waren, einer Hakennase, goldenen Augen und dunklen Augenbrauen gehörte.

»Heilige Scheiße.« Es war keiner von Sashas glanzvollsten Momenten, so viel war sicher. »Sie sind Harrison Kingsley.«

Und todsicher war es Harrison Kingsley. Dieses Gesicht hätte Sasha überall erkannt. Er hatte dieselben Augen wie Joanne, wenn auch von einem whiskeyfarbenen Goldton anstelle von Grau, außerdem volle Lippen, dunkles Haar, Designerkleidung und einen hochmütigen Gesichtsausdruck. Es bestand kein Zweifel. Harrison Kingsley atmete dieselbe Luft wie er. So sehr er Joanne auch verehrte, was quasi einer Heldenverehrung gleichkam, fühlte er sich von Harrisons Gegenwart wie berauscht. Er konnte kaum fassen, dass der legendäre Designer tatsächlich ein echter Mensch war.

Sasha hielt einen Moment die Luft an, um ja nicht die winzigste Kleinigkeit von diesem Tag zu vergessen, an dem er Joanne und Harrison Kingsley getroffen hatte. Was für ein Tag.

Er hatte unglaubliches Glück. Angeblich sah man den Designer, der sehr zurückgezogen lebte, im Manhattaner Büro nur, wenn man ihn auf den Bildern an den Wänden entdeckte. Sasha war, als hätte er ein Einhorn gesehen.

»Ja. Danke für den Hinweis. Da wäre ich sicherlich nie von allein draufgekommen«, blaffte Harrison. Ein Einhorn, das ebenso schön war wie seine Schwester, aber offensichtlich nicht annähernd so nett.

Kingsley rümpfte die Nase, als würde er einen unangenehmen Geruch wahrnehmen. Vielleicht hatte die obere Schicht der Gesellschaft einen besseren Geruchssinn als Sasha. »Ist das etwa... Ralph Lauren, was du da trägst?«

»Ähm. Ja.«

Und damit verschwand jedes Gefühl von Staunen. Ein herablassender Blick des Mannes, von dem er seit der Modeschule fasziniert war, und der gesamte unglaubliche Morgen löste sich in Luft auf.

Ja, sein Hemd stammte von Ralph Lauren, verdammt. Das bedeutete nicht, dass er den abschätzigen Blick von Harrison Kingsley verdient hatte. Es kam schließlich aus der Purple Label Collection und er hatte es vor fast einem Jahr im Ausverkauf ergattert. Außerdem war es eines seiner besten Hemden. Dass er sich in den letzten Jahren in der Fashionszene bewegt hatte, hatte Sashas Geldbeutel nicht gerade gutgetan, denn dort wollte einfach kein Geld nachwachsen, weshalb er sich selten etwas leisten konnte, was er wirklich wollte.

»Diese Farbe würde ich noch einmal überdenken, wenn ich du wäre«, murmelte Harrison. »Jedenfalls, wenn du hier weiterhin arbeiten willst.« Dann drängte er sich an Sasha vorbei und setzte seinen Weg fort, wobei er weiter vor sich hin grummelte.

Sasha war sprachlos. Ihm gefiel das zarte Lila. Außerdem war es zwanzig Dollar günstiger gewesen als die Standardfarben Blau oder Weiß.

»Ich werde daran denken«, murmelte er mehr zu sich selbst. Harrison Kingsley mochte brillant sein und ausgesprochen gut aussehen, aber er war auch unhöflich und arrogant. Das war in der Modewelt keine wirkliche Überraschung. All die Ehrfurcht, all seine blinde Verehrung verschmolzen in Sashas Magen zu einem sauren, klebrigen Knoten. Wo Joanne Kingsley freundlich, liebenswert und noch vieles mehr war, das man nicht von ihr erwartete, war Harrison Kingsley... grauenhaft. Plötzlich war Sasha unglaublich dankbar, dass er für Joanne in der Stadt arbeiten und mit dem zurückgezogen lebenden Harrison kaum Kontakt haben würde.

Auch wenn er wunderschön war, wäre Sasha sehr froh, wenn er Harrison Kingsley niemals wiedersehen müsste.

***

Zwei Jahre später...

»Jo, das kannst du mir nicht antun. Ich werde sterben.«

Sasha ließ sich auf Joannes neueste Errungenschaft fallen – einen lavendelfarbenen, verzierten Diwan mit vergoldeten Beinen, den sie in einer Ecke ihres Büros platziert hatte. Der Diwan war viel höher und bei Weitem nicht so weich wie ihre üblichen Bürostühle aus weißem Wildleder. Aus diesen konnte die im siebten Monat schwangere Joanne kaum noch selbst aufstehen. Sasha hatte eine gute Wahl getroffen, als er den Diwan ausgesucht hatte, denn er war das einzige Möbelstück, auf dem Joanne noch bequem sitzen konnte. Joanne legte eine Hand unter ihren runden Bauch und ließ sich neben Sasha nieder. In seinen Augen war sie immer noch die schönste Frau der Welt, doch sie schien vollkommen erschöpft zu sein. Das lag wahrscheinlich an ihrer Weigerung, mit dem Arbeiten aufzuhören, bis ihre Familie und ihr Arzt sie dazu gezwungen hatten. Und dieser Tag war heute gekommen.

»Werde bloß nicht schwanger, Sash.« Sie legte die Hand auf seine Schulter und schloss die Augen. Joanne sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Bisher hatte sie sich gut gehalten, aber es war an der Zeit, sich von ihrem stressigen Job zu verabschieden. Zumindest für ein paar Monate.

Sasha wusste nicht, was er ohne sie tun sollte. In den letzten beiden Jahren waren sie von Chefin und Angestelltem zu Freunden geworden, oder wenigstens zu engen Bekannten. Den Großteil des Tages verbrachte er mit Joanne. Einmal waren sie sogar zusammen in den Urlaub gefahren – ein Urlaub, den sich Sasha niemals selbst hätte leisten können. Es würden einige lange Monate werden, bis sie aus dem Mutterschaftsurlaub zurück in die Welt der Mode kam.

Für sie wie für ihn.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Schwangerschaft für mich nicht zur Debatte steht, Darling.« Er verdrehte die Augen. Sasha wollte nicht übers Schwangerwerden reden oder über ihr übliches Thema, wann er endlich einen festen Freund finden würde. Er wollte über die Bombe reden, die Joanne vor ein paar Sekunden hatte platzen lassen.

Joanne kicherte. »Sag niemals nie. Die Wissenschaft erzielt jeden Tag neue Durchbrüche.«

Sasha war innerlich so weit davon entfernt, auch nur an Ehe und Kinder zu denken, dass er schon bei der Vorstellung davon würgen musste, wenn auch nicht annähernd so heftig wie bei dem Gedanken daran, mit Harrison zusammenarbeiten zu müssen. Den ganzen Sommer über. In den gottverdammten Hamptons. Was anscheinend genau das war, was ihm bevorstand.

Joanne hatte ihm soeben eröffnet, dass er Harrison assistieren sollte, solange sie sich im Mutterschaftsurlaub befand. Harrison. Harrison, der ihn mit der sprichwörtlichen Glut von tausend Sonnen hasste. Daran hatte sich in den letzten zwei Jahren nichts geändert. Sasha musste sich beeilen, wenn er Joanne eine bessere Alternative präsentieren wollte, bevor er sich mitten im Berufsverkehr im Bus in die Hamptons wiederfand.

»Verbannst du mich wirklich aufs Land? Ich kann dir helfen, dein Reich von deinem Loft aus zu regieren. Wäre das nicht besser, als mich zur Schlachtbank zu führen?«

Jetzt war es an Joanne, die Augen zu verdrehen. »Du benimmst dich, als würde ich dich in den Krieg schicken.«

»Tust du das denn nicht?« Den ganzen Sommer lang mit Harrison arbeiten zu müssen, fühlte sich für ihn an wie Krieg.

Joanne wollte offensichtlich nichts davon hören. »Wenn du eine der prestigeträchtigsten Adressen in East Hampton als Kriegsfront betrachtest, dann schicke ich dich wohl wirklich in den Krieg. Ich denke, du übertreibst, was sonst überhaupt nicht deine Art ist.« Sie versuchte sich aufzusetzen, schien dann jedoch aufzugeben und ließ sich wieder an Sashas Schulter sinken. »Sash. Alles wird gut gehen. Sogar fantastisch werden.«

Sasha dachte an die Gelegenheiten, bei denen er in den letzten beiden Jahren direkten Kontakt mit Harrison gehabt hatte. Für gewöhnlich vergaß der Mann seinen Namen, stauchte ihn zusammen, behandelte ihn wie einen Leibeigenen und ignorierte alles, was er sagte, nur um nach einigen endlosen, frustrierenden Minuten nach Joanne zu verlangen. Theoretisch war Sasha mehr als qualifiziert, für Harrison zu arbeiten, sogar überqualifiziert, aber das bedeutete nicht, dass der Idiot ihn nicht trotzdem behandelte, als hätte er keine Ahnung und als ob man sich nicht darauf verlassen konnte, dass er auch nur eine einzige Aufgabe, die man ihm stellte, korrekt ausführen konnte.

»Ja. Es wird fantastisch werden.« Sashas Stimme triefte vor Sarkasmus. »Harrison und ich werden gemeinsam Wunder bewirken. Am Ende des Sommers werden wir beste Freunde sein und zusammen die Welt erobern. Du wirst schon sehen.«

Joanne streckte die Hand aus und wuschelte ihm durchs Haar. »Ich wusste doch, dass du Vernunft annimmst.«

Joanne Kingsley war weder dumm noch ahnungslos. Sie ignorierte seinen sarkastischen Unterton mit Absicht.

»Kannst du mich für die nächsten Monate denn nirgendwo sonst hinschicken?« Am liebsten würde er weiter für Joanne arbeiten, aber sie musste Stress unter allen Umständen vermeiden. »Ich könnte in L.A. nach neuen Talenten suchen. Dort muss es doch haufenweise Modestudenten geben, die darauf brennen, im Herbst Teil deines Teams zu werden. Alternativ erscheint mir die Postabteilung recht verheißungsvoll zu sein.«

Joanne prustete los. »Du bist ein kleiner Witzbold.«

Kleiner Witzbold? »Hat dir beim Mittagessen jemand etwas in den Saft geschüttet?«, wollte Sasha wissen und verzog das Gesicht. »Ich könnte wirklich dabei helfen, neue Talente zu finden. Das war nicht als Scherz gemeint.«

Das Label war tatsächlich im Wachstum. Joanne verfolgte große Ziele. Sie brauchte neue Leute und Sasha wäre perfekt geeignet, welche für sie zu finden. Das wäre besser als...

»Nein, das überlasse ich Padma. Das ist die beste Entscheidung. Harry hatte seit Jahren keinen richtigen Assistenten mehr. Er braucht jemanden wie dich, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.«

Er brauchte mehr als das.

»Ich bin kein Designer, wollte nie Designer werden. Ich will auch nicht für einen Designer arbeiten. Ich will für dich arbeiten.«

Sasha und Joanne wussten beide, dass diese Diskussion zu nichts führen würde.

Tatsächlich wäre jemand wie er in der Werkstatt in den Hamptons von Nutzen. Harrison brauchte nicht noch einen weiteren Designer mit den Händen voller farbiger Stifte und dem Kopf in den Wolken. Davon hatte er schon ein ganzes Atelier voll.

Er brauchte jemanden, der seine Arbeit von der ausgefallenen Avantgarde weglenkte, hin zu der eleganten und doch frischen Mode für jeden Anlass, für die Harrison Kingsley stand. Harrison brauchte Joanne. Oder, na ja, Sasha. Das Problem war, dass er nie im Leben auf Sasha hören würde, egal wie viel Erfahrung Sasha mittlerweile auch gesammelt hatte. Das hatte er oft genug bewiesen. Sasha wollte nicht den Rest des Sommers damit verbringen, noch weitere Beweise zu erbringen.

Joanne schaute Sasha lange an. »Du hast den besten Blick in der Branche und dies ist deine Chance, es zu beweisen. Du musst mich in meiner Abwesenheit vertreten. Außerdem werde ich Harry sagen, er soll auf dich hören, sonst bekommt er es mit mir zu tun.«

Der Gedanke, Harrison Kingsley Harry zu nennen, brachte Sasha fast zum Lachen. Er hatte es bisher nur Joanne sagen hören, niemanden sonst. Kein anderer würde es wagen. Zumindest niemand, den Sasha kannte.

Sasha unternahm einen letzten Versuch. »Er wird nicht auf mich hören, egal wie sehr du ihn als große Schwester maßregelst.« Joannes Gesichtsausdruck verriet ihm, dass er den Bogen überspannt hatte. Ihre Augen verengten sich und ihre Kiefermuskeln spannten sich an.

»Hör mal. Wenn du eines Tages Creative Director eines Labels sein willst, dann musst du wissen, wie du temperamentvollen Designer-Divas deinen Willen aufzwingen kannst.« Sasha wollte schon protestieren, aber sie hob die Hand. »Ja, mir ist bewusst, dass du dann einen anderen Titel als Assistent tragen wirst, aber es gibt keinen besseren Weg, das zu lernen, als bei meinem Bruder. Er ist stur, er ist fordernd und meistens eine Nervensäge. Aber er wird dir alles beibringen, was du wissen musst, um mit schwierigen Künstlern umzugehen. Eine bessere Übung kannst du dir nicht wünschen.«

Sasha wusste, dass er keine Chance hatte, und ihm war ebenfalls bewusst, dass Joanne recht hatte. Ihm stand eine Feuerprobe bevor und er konnte nur hoffen, dass er sie bestehen würde. »Du hast recht, Jo. Ich kann viel von Harrison lernen.«

»Ich habe immer recht, Süßer. Wann wirst du das endlich begreifen?« Sie zwinkerte ihm zu, damit er wusste, dass es als Scherz gemeint war. Ein halber.

»Das habe ich schon an dem Tag begriffen, als ich dieses Büro zum ersten Mal betreten habe.« Sasha stand auf und reichte Joanne die Hände. »Besorgen wir dir und Baby Kingsley Mittagessen, bevor ich mich auf den Weg mache, um zu packen. Ich nehme an, ich muss am Montag anfangen?«

Joanne zuckte zusammen. »Eigentlich braucht Harry dich schon heute Abend.«

Es machte keinen Sinn zu protestieren. Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass es in diesem Job keine geregelten Arbeitszeiten geben würde – es glich eher einem Vierundzwanzig-Stunden-Job. Sasha hielt es für das Beste, einfach zu nicken. Ihm stand ein langer, langer Nachmittag bevor.

In der U-Bahn war es stickig und überfüllt.

So war es immer von Mitte April an und es wurde noch stinkender und unangenehmer, je weiter der Frühling in den Sommer überging. Sasha bevorzugte es, stehen zu bleiben, anstatt auf einer Sitzbank mit zahllosen Menschen von ihren Taschen, Gerüchen und Gesprächen in die Ecke gedrängt zu werden. Das bedeutete aber nicht, dass er nicht trotzdem bedrängt wurde. Selbst stehend fühlte man sich während der Rush Hour in der U-Bahn wie eine Ölsardine.

Vielleicht würde er sich irgendwann an die vielen Menschen auf so engem Raum gewöhnen, auch wenn es etwas vollkommen anderes war als die sechs Hektar Land an einer Landstraße, die seine Familie in einem Ort von der Größe einer Briefmarke besaß. Sasha mochte es da, wo er herkam – das tat er wirklich. Aber mitten im Nirgendwo in Kansas konnte er nicht den Job machen, den er wollte, daher New York. Größtenteils gefiel ihm die Stadt, auch dass die U-Bahn ihn überall hinbrachte, aber an die Züge selbst würde er sich nie gewöhnen können.

Er kämpfte sich durch die Massen aus der U-Bahn-Station hinaus und machte sich auf den Weg zu seinem winzigen Appartement im dritten Stock in Alphabet City, das er sich mit seinem Freund Mateo teilte, um Miete zu sparen. Vermutlich hätten sie auch nach Brooklyn oder Queens ziehen können, um günstiger zu wohnen, aber keiner von ihnen wollte Manhattan verlassen. Sasha träumte davon, eines Tages in einem Loft wie dem von Joanne zu leben. Das konnte passieren.

Nein, es würde passieren.

Er würde nicht für immer ein Assistent bleiben.

Im Moment war er zufrieden damit, mit dem besten Freund, den man sich wünschen konnte, in einem Appartement zusammengepfercht zu sein. Zumindest für einen letzten Nachmittag.

Sasha hatte Mateo während seines ersten Monats bei Harrison Kingsley bei einem Fotoshooting kennengelernt, das in einem Appartement in einem umgebauten Lagerhaus stattgefunden hatte und vermutlich mehr kostete, als er in seinem ganzen Leben je verdienen würde. Sasha war umhergeeilt, um wie üblich sicherzustellen, dass alles glattlief. Normalerweise war Joanne bei Shootings nicht anwesend, aber falls sie doch erschien, musste alles perfekt sein.

Mateo war an diesem Tag für das Make-up zuständig gewesen. Sasha und er waren ins Gespräch gekommen, hatten Telefonnummern ausgetauscht und nach ein paar platonischen Verabredungen zum Kaffee festgestellt, dass sie dazu bestimmt waren, beste Freunde zu werden. Anfangs hatte Sasha geglaubt, dass mehr zwischen ihnen entstehen könnte, aber das hatte sich schnell geändert. Mateo war wie ein Bruder für ihn.

»Schnuckelchen, ich bin zu Hause!«, rief Sasha, als er die Tür öffnete. Die Fenster waren geöffnet und es roch nach Schokoladenkeksen. Mateo war zu Hause und er musste unter Stress stehen. Er hatte einmal erzählt, dass er schon sein ganzes Leben lang ein Stress-Bäcker war, eine Angewohnheit, die er von seiner Großmutter übernommen hatte. »Was ist los, Matty?«

Mateo streckte den Kopf aus seinem Schlafzimmer – wenn man den Raum denn so bezeichnen konnte. Beide Schlafzimmer waren gerade groß genug für ein Bett und etwas Platz, damit man sich um das Bett herum zum Kleiderschrank durchmogeln konnte. Dafür hatten sie ein gemütliches, helles Wohnzimmer und eine richtige Küche. Das war es wert. Mateos dichtes, dunkelbraunes Haar war wirr, als wäre er mehrmals mit den Händen hindurchgefahren, und seine Augen waren weit aufgerissen. Er sah aus wie... na ja, Sasha wusste nicht genau, wie er aussah. Verwirrt. Fassungslos. Als wäre sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt worden. Sasha kannte das Gefühl.

»Ich habe den Job«, sagte er. Seine Stimme war leise, nur ein Hauch. Perplex.

»Den Job? Den Job?« Sashas Mund klappte auf.

Mateo nickte und Sasha eilte durch den Raum, um ihn zu umarmen.

»Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert«, murmelte Mateo. »Ich... ziehe um. Nach Kanada.«

Sasha kicherte, überspielte damit aber nur seine größte Angst – dass Mateo ihn eines Tages verlassen würde.

»Aber nur für ein paar Monate. Du kommst doch zurück, oder?«

Der Gedanke, Mateo dauerhaft an ein Filmset in Vancouver zu verlieren, ließ Sashas Herz stolpern. Er war nie gut mit Trennungen zurechtgekommen, wie sehr er sich für seinen besten Freund auch freute.

»Ja. Natürlich komme ich zurück, Babe. Ich würde dich nie verlassen.« Mateo gab ihm einen feuchten Schmatzer auf die Wange. »Aber ich muss eine Wohnung dort finden und packen und...« Jetzt wirkte er wieder gestresst und überwältigt. Mateo tendierte dazu, in ihrer Wohnung im Kreis umherzulaufen, wenn er unter Stress stand. Backen und Laufen, das waren seine Stressbewältigungsmethoden. Sasha war schon nervös genug aufgrund seiner eigenen Situation, da konnte er Mateos Auf-und-ab-Gehen nicht auch noch ertragen.

»Du bist nicht der Einzige, der packen muss«, meinte er ruhig. Er hatte es immer noch nicht realisiert – er würde den Sommer in purem Luxus verbringen, auch bekannt als der letzte Ort auf der Welt, an dem er sein wollte.

»Was meinst du damit?«, wollte Mateo wissen. Immerhin war er stehen geblieben.

Sasha verdrehte die Augen. »Ich ziehe den Sommer über ebenfalls um. In die Hamptons.« Seiner Stimme war anzuhören, wie sehr es ihn aufregte, mit Harrison arbeiten zu müssen.

Mateo gab vor, in Ohnmacht zu fallen. »Oh, du Armer musst den Sommer in den Hamptons verbringen. Was für eine Qual! Ich weiß nicht, ob du das überstehen wirst.«

Sasha gab ihm einen leichten Schubs und kicherte. »Du würdest es auch als Nervenprobe empfinden, wenn du dort hinmüsstest, um für Bruder Kingsley, das Arschloch, zu arbeiten.«

»Er sieht so toll aus«, hauchte Mateo. »Und er ist schwul.«

»Aber Matty, ich hasse ihn.«

»Genau. Du hasst ihn so sehr, dass du ständig über ihn redest. Weißt du eigentlich, wie viele unserer Gespräche sich in den letzten zwei Jahren um Harrison Kingsley gedreht haben?«

Sasha hasste ihn wirklich, egal was Matty, dieser Verräter, andeuten wollte.

Er hasste es, wie er sich fühlte, wenn Harrison mal wieder ungeduldig am Telefon war, er hasste dessen snobistische Art, wenn er Sasha Sam oder Seth nannte, weil er sich anscheinend nie seinen richtigen Namen merken konnte. Aber am meisten hasste er die lästigen Schmetterlinge, die er jedes Mal in seinem Bauch spürte, wenn er Harrisons nervenaufreibende, tiefe, zart schmelzende Stimme hörte. Sasha wollte nicht hören, dass hinter seinem Hass möglicherweise etwas ganz anderes steckte.

»Hast du nicht mitbekommen, dass der Typ ein totaler Idiot ist? Oder vergessen, was passiert ist, als ich in den letzten beiden Jahren mit ihm zu tun hatte?« Was zum Glück weniger oft aufgetreten war, als er befürchtet hatte, aber dennoch denkwürdig. Wenn Joanne die Schöne war, dann war Harrison das Biest. Heiß, ja. Anziehend und charismatisch, auf jeden Fall. Grüblerisch, herablassend und unmöglich im Umgang mit anderen Menschen – das vervollständigte das Paket. Sashas Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen, den ganzen Sommer über Harrisons Launen ausgesetzt zu sein. In den letzten Stunden hatte er versucht, möglichst nicht darüber nachzudenken.

»Wie könnte ich das vergessen? Du erinnerst mich doch regelmäßig an seine schlechten Eigenschaften«, lachte Mateo.

»Du bist blöd.« Sasha beugte sich trotzdem zu ihm herüber und gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange, denn schließlich würde es Monate dauern, bis er dies wieder tun konnte.

»Was hast du mit Lancelot vor, während du den Sommer in den Hamptons zusammen mit Beyoncé und Jay Z verbringst?«, fragte Mateo.

Eine seltsame erste Frage, aber eine berechtigte.

Besagter Lancelot musste seinen Namen gehört haben, denn aus Sashas Zimmer tapste ein winziges, verschlafenes, schwarzes Fellknäuel und blinzelte sie mit großen, grünen Augen an.

In diesem Moment schmolz Sasha wohl zum tausendsten Mal dahin, seit er ein Katzenvater geworden war. Die Katze ihrer Nachbarn eine Etage tiefer hatte vor zwei Monaten Junge bekommen und Sasha hatte die Kätzchen jeden Tag nach der Arbeit besucht, egal wie müde er war. Es war keine große Überraschung gewesen, als er vor ein paar Tagen das kleinste mit nach Hause gebracht hatte. Und so war Lancelot ein Teil der Familie geworden.

Sasha würde nie im Leben ohne ihn gehen, denn er liebte Lancelot mehr als alles andere auf der Welt, obwohl er Joanne noch nicht mal von ihm erzählt hatte. Sasha beugte sich vor und nahm das Kätzchen hoch. »Du kommst mit Papa in die Hamptons, oder, mein kleiner Liebling?« Lancelot schnurrte und wand sich in Sashas Armen.

Mateo schnaubte. »Du willst eine Katze in Kingsleys Schloss einführen? Dieser Ort ist perfekt – nicht ein einziges Staubkörnchen weit und breit. Ich habe Fotos davon im Architectural Digest gesehen.«

»Und solche Fotos sind ja auch immer realistisch, wie wir beide nur zu gut wissen.« Sasha schaute Mateo vielsagend an. Wenn jemand wusste, dass eine derartige Perfektion nicht existierte, dann war es Mateo. »Außerdem heißt es Kingsley Court, nicht Schloss. Mach es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.« Sasha verdrehte die Augen. »Aber ernsthaft, was hatten seine Vorfahren bloß für Probleme? Wer benennt denn bitte sein Haus nach sich selbst?«

»Wer gibt seinem Haus überhaupt einen Namen? Die Egos dieser Leute«, gab Mateo zurück. Sie grinsten. Mateo und Sasha hatten beide zuweilen ebenfalls ihre egozentrischen Anwandlungen. »Wann fährst du los?«

»In etwa einer Stunde.« Sasha stöhnte. »Und du?«

»Nächsten Montag. Ich habe mein Zimmer den Sommer über an Raina untervermietet. Sie wollte immer mal ein paar Monate in der Stadt verbringen und so muss ich nicht doppelt Miete bezahlen.«

Bei dem Gedanken, dass ein Mädchen, das kaum seine Teenagerzeit hinter sich gelassen hatte, in seiner Wohnung wohnte, sank Sashas Magen in seine Kniekehlen. Er riss sich zusammen und beschloss, es locker zu nehmen.

»Das geht in Ordnung. Aber sag ihr, sie soll die Finger von meiner Plattensammlung lassen.« Sasha liebte seine alten Vinyl-Schallplatten. Mateos zwanzigjährige Cousine würde sie wahrscheinlich bei der kleinsten Berührung kaputt machen.

Mateo ließ sich nichts vormachen. Er lächelte Sasha warm an. »Dafür werde ich sorgen.«

Sasha seufzte. »Ich werde dich vermissen, Babe.« Er legte die Arme um Mateos Hals und schniefte. Er war nicht dramatisch, er hatte seinen Mitbewohner nur lieb. Wirklich. »Aber du darfst keinen heißen kanadischen Eishockeyspieler kennenlernen und fest zu ihm ziehen, okay? Ich erlaube dir nicht, mich zu verlassen.«

»Was, wenn es ein Curling-Spieler ist? Oh, oder wenn er auf Ahornsirup steht?« Mateo wackelte mit den Augenbrauen.

»Perversling.« Sasha versetzte ihm einen leichten Schlag. »Das ist mein Ernst. Ich will nicht mit Raina zusammenleben. Mit ihr kann ich längst nicht so schön lästern wie mit dir. Ich brauche meinen Project Runway-Partner.«

Mateo küsste ihn auf die Stirn. »Ich komme zurück, versprochen. Nicht mal der gesamte Ahornsirupvorrat Kanadas könnte mich von dir fernhalten, mein Lieber.«

»Das hoffe ich doch«, brummte Sasha.

Sonst würde er den ganzen Weg in die neblige, kanadische Stadt antreten und Mateo persönlich nach New York zurückschleppen.

Der Millionär von nebenan

Подняться наверх