Читать книгу Ich bin ja nur ein Plüschtier - Mona Mai - Страница 3
Ich kann sprechen, du hörst mir nur nicht aufmerksam zu.
ОглавлениеNatürlich kann ich mich nicht selbst bewegen, ich bin ja nur ein Plüschtier. Ich muss mich anstrengen, damit meine Menschin tut, was ich will. Wenn ich sie lange genug anstarre, trägt sie mich an den Ort, wo ich sein möchte. Manchmal stellt sie mir Fragen. Selbstverständlich kann ich nicht sprechen, ich bin ja nur ein Plüschtier. Ich kann mich nur mit Mimik und Gestik ausdrücken. Wie das geht? Mit meiner inneren Stärke kann ich die Menschen so beeinflussen, bis sie mich so anfassen, dass ich mit dem Kopf nicken oder ihn schütteln kann. So ähnlich wie ein Hund, der einen Blinden führt.
Nicke ich eifrig mit dem Kopf heißt das: „Ja, sicher. Genau so ist es.“
Schüttele ich heftig mit dem Kopf: „Nein! Niemals! Auf keinen Fall!“
Wenn ich nur ein bisschen und langsam mit dem Kopf nicke bedeutet das: „Eigentlich habe ich nichts kapiert, will das aber nicht zugeben.“
Oder:
„So richtig bin ich nicht überzeugt davon.“ Oder:
„Meinst du das ernst oder ist das nur ein Witz?“
Ein leichtes kurzes Kopfschütteln will sagen: „Eher nicht.“
Oder ich lüge und meine eigentlich ja.
Selbstverständlich würde ich in so einer Situation, in der ich nicht die Wahrheit sagen will, heftig mit dem Kopf schütteln. Leider bin ich nicht so geübt darin, mich zu verstellen.
Hebe ich meinen Kopf ruckartig in die Höhe und senke ihn wieder nach unten in Kombination mit Flügelkreisen und Kopfschütteln, dann hat mich irgendetwas sehr erheitert und ich lache mich kaputt. Kann auch sein, dass ich hingebungsvoll singe.
Hebe ich langsam meine Flügel und senke sie wieder will ich sagen:
„Ich weiß nicht.“
Zittern die Flügel schnell und heftig bin ich in freudiger Erwartung.
Springe ich nach oben und zucke ruckartig und alle meine Körperteile bewegen sich, dann flippe ich aus vor Freude, bin übermütig, tanze wild oder mache Sport.
Schaue ich lange nach unten, bin ich traurig, enttäuscht oder jemand hat mich gedemütigt oder in Verlegenheit gebracht. Drehe ich gleichzeitig dem Menschen den Rücken zu bin ich sehr beleidigt. Blicke ich aus dieser Position leicht nach hinten, dann bin ich bereit zu verzeihen. Der Mensch muss sich Mühe geben mit seinen Entschuldigungen. Springe ich dann auf den Menschen zu ist alles wieder gut. Ich habe die Entschuldigung angenommen. Oder mir ist langweilig und verlange Aufmerksamkeit.
Hacke ich einmal kurz und kräftig mit meiner Schnabelnase auf einen Arm oder ein anderes Körperteil des Menschen will ich damit sagen:
„Du sollst mich nicht immer ärgern!“
Oder:
„Ach, das war nur ein Witz? Und ich hatte das geglaubt.“
Oder:
„Das machst du nicht noch einmal mit mir!“
Ist mein Körper völlig bewegungslos und ich starre vor mich hin, dann denke ich angestrengt nach oder ich bin in etwas vertieft und will nicht gestört werden oder ich beobachte etwas oder ich zweifle und bin überfordert, weil ich einen Sachverhalt nicht kapiert habe oder ich versuche einen Menschen zu hypnotisieren, damit er tut, was ich will.
Kreisele ich mit meinem Kopf, dann habe ich an Alkohol gerochen und bin beschwipst.
Mein Mensch schnitt aus rotem Filz einen Mund für mich aus. Als ob ich damit sprechen könnte! Der nützt mir gar nichts. Er machte mich nur „menschlicher“. Als ich mein Spielbild in einer Glasscheibe betrachtete stellte ich fest, dass ich nun viel intelligenter aussah. Meine Gesichtsfalten ließen mich außerdem nachdenklich erscheinen, ja, ich würde sagen (wenn ich sprechen könnte), dass ich einen melancholischen Ausdruck hatte, obwohl mein Mund immer lächelte. Ich hatte ein äußerst freundliches Erscheinungsbild. Selbst wenn mir etwas nicht gefiel oder ich mich über etwas ärgerte – ich lächelte und lächelte. Deshalb konnte mir nie jemand wirklich böse sein. Warum auch, ich war still, saß immer nur herum, machte nichts kaputt, fraß niemandem etwas weg. Wie auch. Ich bin ja nur ein Plüschtier.