Читать книгу Streiten kann man lernen - Monika Brinkmann-Kramp - Страница 8

Оглавление

Ich möchte mit dir reden

„Lasst Blumen sprechen“, so lautet ein Werbespruch der Floristen. Doch wissen Blumen, was sie sagen sollen?

Ein Blumenstrauß kann vieles bedeuten:

 Alles Liebe zum Hochzeitstag

 Schön, dass es dich gibt

 Danke für die gute Zusammenarbeit

 Entschuldige bitte

 Verzeih mir

Oder soll er die zukünftige Schwiegermutter milde stimmen?

In jedem Fall will er verzaubern, Freude bereiten und ist doch oft nur die zweitbeste Wahl, denn ehrlich gesprochene Worte treffen die Seele des anderen direkter. Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft, Nähe und Geborgenheit. Genau diese Erwartungen werden häufig mit Partnerschaft verbunden, doch nicht immer werden diese Erfahrungen in Beziehungen auch gelebt. „Streiten kann man lernen“ möchte eine praktische Hilfe sein, das Miteinanderreden gerade in schwierigen Situationen zu ermöglichen. Natürlich kann ein Blumenstrauß zu lieben Worten eine umwerfende Ergänzung sein.

„Gespräch ist gegenseitige distanzierte Berührung.”

Christian Morgenstern

Warum brauchen wir Menschen das Gespräch?

Studien belegen, dass Partner häufig nicht mehr als 10 Minuten am Tag miteinander sprechen, und von diesen 10 Minuten ist ein Teil negative Kritik. Um dauerhaft zufriedenstellend miteinander zu leben, brauchen wir mehr Zeit miteinander, und vor allem mehr positive Gespräche als unangenehme Themen.

Aus welchen Gründen sprechen Menschen überhaupt miteinander?


1. Zum Informationsaustausch

Vor allem im Alltag bedarf es vieler Abstimmungen und Absprachen.

 Wer macht was?

 Wo ist dies oder das?

 Wie organisieren wir am besten …?

 Wer kümmert sich um …?

2. Zur Vergewisserung des Kontaktes und der Beziehung

 Wie gefällt dir dies …?

 Was magst du mehr …?

 Möchtest du gerne …?

 Erzählen, was man aneinander mag.

3. Zum Zeitvertreib

 Sich über gemeinsam Erlebtes unterhalten

 Im Gras liegen und träumen

 Von früher erzählen …

Die Zeit, die Sie miteinander verbringen, sie macht Ihre Partnerschaft so lebendig und wertvoll.

Nutzen und genießen Sie gemeinsam alle Varianten!

In „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry gibt es eine wunderbare Stelle, in der es heißt: „Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe, sie macht meine Rose so wertvoll.“

Partnerschaft, so wie sie heute verstanden wird, lebt durch einen gemeinsamen lebendigen Austausch zwischen den Partnern. Auffassungen, Sichtweisen und Lebensorientierungen werden entworfen, besprochen oder auch kontrovers diskutiert. Dabei gilt es, die Interessen beider Partner ausgewogen und fair zu betrachten. Kein Kinderspiel, sondern eine Herausforderung, die nie aufhört.

Eine nicht ganz ernst zu nehmende Definition für Partnerschaft lautet:

Der eine ist Partner, der andere schafft!

Wem jetzt ein Lächeln übers Gesicht huscht, hat erfasst, dass Folgendes wahr daran ist: Partnerschaft ist Leistung, gelingende Partnerschaft gemeinsame Leistung, manchmal regelrecht Arbeit, man könnte es sogar physikalisch als Kraft mal Weg ausdrücken. Bausteine für dieses Werk gibt es viele: Offenheit, Geduld, Verantwortung, Respekt, Intimität, Verstehen, Verzeihen, Fairness, Wertschätzung, Opferbereitschaft, Unbeschwertheit, Schmetterlinge im Bauch … Verschiedenstes kann hier ergänzt werden.

Aufgeschichtete Steine halten nicht von alleine, sie müssen verbunden werden. Eine tragende Wand entsteht erst durch verbindenden Zement. Doch zusammenzementiert in einer Beziehung möchte sich wohl niemand fühlen, das hieße, unbeweglich, starr und steif zu sein.

Was also hält eine Partnerschaft zusammen? Es muss etwas sein, das verbindlich und doch flexibel ist. Was man überallhin mitnehmen und jederzeit anwenden kann, etwas, das ein Geben und Nehmen ist, so etwas wie ein Austausch miteinander, ein Gespräch zu zweit.

Bindemittel Kommunikation

Wer kennt das nicht? Die Tür springt auf, diesen Blick kenne ich, diese Art, auf mich zuzukommen, diese Haltung … dann: „Schatz …“

Ich atme tief ein und mache mich aufs Schlimmste gefasst, gehe in Verteidigungsposition.

Oder aber: Die Türe öffnet sich leise und ein lieb lächelndes Gesicht schaut mich an: „Schatz …“ – mein Herz öffnet sich und gleich ist meine Stimmung um einiges besser.

Schon bevor das erste Wort gesprochen wird, ahnen Sie, was auf Sie zukommt. Viel mehr als auf Worte reagieren wir Menschen auf nonverbale Signale. Den Gesichtsausdruck, die Art, sich zu bewegen, den Blick, die Haltung und den Tonfall.

Erst in zweiter Linie hören wir zu und erfassen, was der andere sagt, den Inhalt seiner Worte, das Verbale.

Und wenn wir unsicher sind, trauen wir unbewusst mehr der Mimik und Gestik als den Worten des anderen. Unsere Reaktionen darauf sind dann für den anderen nicht logisch oder verständlich, es kommt zu Missverständnissen, die sich hochschaukeln können und für alle unschön enden. Es ist daher sinnvoll, als Paar einige Gesprächsregeln miteinander zu vereinbaren, die wie Spielregeln erst das Spiel ausmachen, es spannend und zum Vergnügen werden lassen.

Verbale und nonverbale Kommunikation sind sozusagen der Zweikomponentenkleber.

Gesprächsregeln

Verkehrsregeln, Spielregeln, Regeln überhaupt sind notwendig, sie werden gebraucht, damit Unfälle vermieden und gutes Zusammenleben in einer Gesellschaft möglich wird. Gesprächsregeln stellen ein Gerüst dar, das, einmal gemeinsam erarbeitet und zusammengestellt, immer begehbar bleibt.

Sehen Sie die folgenden Gedanken als Angebot, aus dem heraus Sie sich für Ihre gemeinsame Gesprächskultur Anregungen holen. Doch zuvor gestatten Sie mir die Frage: „Welche Sprache sprechen Sie?“ Sie lachen und sagen: „Ist doch logisch, die, in der wir immer sprechen!“

Meine Frage zielt dahin, dass es in allen Sprachen dieser Welt höfliche und unhöfliche Arten gibt, etwas auszudrücken. Schon unsere Kinder lieben es, „Bitte“ und „Danke“ in allen möglichen Sprachen sagen zu können.

Es gibt tatsächlich Worte, die schon für sich genommen eine Beleidigung darstellen. Auch die Lautstärke ist ein Ausdruck, der schon für sich bedrohlich wirkt. Sich wegdrehen, Augenrollen und andere deutliche Signale eines Desinteresses beenden leicht jeden Versuch des anderen, etwas sagen zu wollen.

Sprechen Sie miteinander nicht in einer schlechteren Sprache, als Sie es mit jedem Fremden oder Kollegen tun würden. Auch wenn Sie sich schon lange gut kennen.

Zu welchem Zeitpunkt ist es sinnvoll, ein Gespräch zu suchen?

Es ist nie zu spät, doch früher ist besser.

Unklarheiten, offene Fragen oder Unangenehmes anzusprechen, ist nicht einfach und braucht Mut. Häufig neigen wir dazu, Belastendes zu lange mit uns herumzutragen. Die Folge: Man wird leicht nervös, unleidlich oder dünnhäutig. Im Gespräch überwiegt dann schnell eine Gereiztheit oder ein harscher Ton. Dieser Ton hat dann wenig mit dem Problem oder dem Partner zu tun, sondern eher damit, dass Sie zu lange gewartet haben, etwas anzusprechen. Eigene Unsicherheit hat sich während dieser Zeit verstärkt, und vielleicht haben Sie sich schon zu lange mit dem einzigen Menschen unterhalten, mit dem Sie immer reden können: mit sich selbst! Das fördert keine Klärung, sondern verfestigt leicht Auffassungen und Fantasien, die nicht stimmen müssen. Wer kann dann noch ein guter Zuhörer sein und dem Partner Raum lassen? Kann es dann noch eine gute Chance für eine ruhige Gesprächsatmosphäre geben?

Umgekehrt führt es leicht zu Ungeduld und Überforderung des Partners, wenn mit allem zu schnell und unüberlegt vorgeprescht wird. Sicher gibt es Momente, die geeigneter sind als andere. Ausreichend Zeit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein befriedigendes Gespräch. Mehr noch, gemeinsame Zeit ist vielleicht sogar das wichtigste Zeichen dafür, dass Sie füreinander von großer Bedeutung sind. Denn wofür ich mir Zeit nehme, das ist mir wichtig.

Zum Reden ist es nie zu spät, doch früher ist immer besser.

 Gibt es bei uns regelmäßig Zeiten, in denen wir miteinander ins Gespräch kommen?

 Welche Kultur, miteinander zu sprechen, möchten wir entwickeln?

Wie wird aus vielen Sätzen ein Gespräch?

Mit welcher Grundeinstellung, Grundhaltung gehen Sie in das Gespräch?

Vergleichen wir das Paargespräch einmal mit dem Bild einer Brücke. Eine belastbare Brücke besteht aus zwei Pfeilern, die fest mit dem Boden verankert sind. Durch den Brückenbogen werden sie verbunden. Sie tragen das Gewicht zu gleichen Teilen und gleichen entstehende Spannungen aus. Durch das gesamte Konstrukt wird es möglich, von einer Seite zur anderen zu laufen, das heißt, Beziehung zu schaffen.

Übertragen wir dieses Bild auf die Gesprächssituation, dann ersetzen wir die Pfeiler durch die beiden Gesprächspartner. Jeder muss für sich stehen können, eigenständige Persönlichkeit sein. Er darf eine eigene Meinung haben und diese auch vertreten.

Der Brückenbogen, das sind die Gesprächsinhalte, das, worüber gesprochen wird. Nur wenn auch die Worte und Gesten für beide Gesprächspartner von Bedeutung sind, entsteht eine Verbindung, ein Gespräch. Die Verbindung darf nicht abreißen, sie wird von beiden Seiten in Gang gehalten. Dabei gilt: Je besser gebaut wird, umso fester wird die Verbindung, die Beziehung.

In der Praxis bedeutet dies: Jeder Gesprächspartner hat zeitgleich drei Dinge im Blick: die beiden Pfeiler, d. h. sich selbst und den anderen, und als Drittes den Inhalt des Gespräches, also das, was gesagt wird.

Sich selbst im Blick haben

Vor Kurzem wurde ich gefragt: „Darf ich denn von mir sprechen, ist das nicht zu egoistisch?“

Viele haben in der Kindheit Sätze gehört wie: „Denk nicht immer an dich, nimm dich nicht so wichtig, nimm dir nicht zu viel ...“

Sich selbst in den Blick nehmen soll nicht heißen, immer „Ich“ zu rufen und sich in den Vordergrund zu stellen. Es meint vielmehr, dass Sie sich nicht verstellen müssen, um dem anderen zu gefallen. Sie brauchen keine Maske zu tragen, keine Rolle zu spielen, sondern dürfen der sein, der Sie im Laufe Ihres Lebens geworden sind, aufrichtig und ehrlich. Dabei dürfen Sie davon ausgehen, dass jeder Mensch seine Stärken und Schwächen hat, dass jeder sich weiterentwickeln möchte und gespannt auf neue Erfahrungen ist.

Den Partner in den Mittelpunkt stellen

Wir alle entwickeln uns dann am besten, wenn uns vertraut und etwas zugetraut wird. Wem richtig zugehört wird, dem fällt es leichter, etwas auszusprechen.

Hören Sie Ihrem Partner konzentriert zu. Ermutigen Sie ihn, seine Gedanken, Gefühle und Sichtweisen so zu äußern, wie sie von ihm empfunden werden. Zeigen Sie ihm, dass er von Ihnen geschätzt und angenommen ist. Der andere sollte sich nicht verstellen müssen, um Ihnen zu gefallen. Das bedeutet nicht, dass man immer der gleichen Meinung sein muss. Doch im gegenseitigen Hören und Nachvollziehen, wie der andere etwas meint, erklärt, empfindet, können unterschiedliche Meinungen vertrauensvoll und angstfrei besprochen werden.

Wenn Sie wirklich zuhören, dann geschieht dabei ein Wunder. Das Wunder besteht darin, dass Sie ganz bei dem sind, was gesagt wird, und gleichzeitig Ihren eigenen Reaktionen lauschen.

Krishnamurti

Sich auf das Gesagte konzentrieren

Zuhören ist mehr als hören, was der andere sagt. Zuhören ist konzentriertes Hinhören und ein aktives Bemühen darum, zu verstehen, was der Sprecher ausdrücken möchte.

Was er „zwischen den Zeilen“ sagt. Erfassen, was der andere mir sagen will, wie er empfindet, wie er zu seiner Meinung kommt. Inhalte und Themen, die genannt werden, mitzubekommen sowie wichtige Einzelheiten zu erkennen.

Die Herausforderung für uns als Paar besteht also darin, sowohl ein aufmerksamer Zuhörer zu sein und zugleich wahrzunehmen, was man selbst denkt und empfindet.

Gemeinsame Übung

 Erlebe ich uns als gleichwertige Gesprächspartner? Was sind meine/des anderen Stärken und Schwächen im gemeinsamen Gespräch?

 Auf welche drei Dinge möchten wir beide bei unseren Gesprächen in den nächsten zwei Wochen verstärkt achten?

Streiten kann man lernen

Подняться наверх