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Vorwort WEGE ZU BRECHT

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»Herr K. zog die Stadt B. der Stadt A. vor. ›In der Stadt A.‹, sagte er, ›liebt man mich; aber in der Stadt B. war man zu mir freundlich. In der Stadt A. machte man sich mir nützlich; aber in der Stadt B. brauchte man mich. In der Stadt A. bat man mich an den Tisch; aber in der Stadt B. bat man mich in die Küche.‹ «

Bertolt Brecht, der Stückeschreiber aus Augsburg, der so gern am heißen Herd steht, denkt im amerikanischen Exil über eine Rückkehr nach Europa nach, zögert sie aber hinaus. Der große Krieg ist zu Ende, aber noch ist nicht abzusehen, wie die Siegermächte mit den Besiegten verfahren, wie sich die Verhältnisse in Deutschland entwickeln würden. Er findet es klug, erst einmal in die Stadt Z. zu gehen, nach Zürich, um von dort aus die Situation zu erkunden. In Zürich sind außerdem während des Krieges Stücke von ihm aufgeführt worden.

Die Stadt B. ist für ihn Ostberlin. Er will Mitgestalter sein, einer, der gebraucht wird, will die verbliebenen Kräfte am richtigen Ort einsetzen. Zusammen mit Helene Weigel gründet er 1949 das Berliner Ensemble, BE, und sammelt die alten Freunde um sich: Elisabeth Hauptmann, eine seiner engsten Mitarbeiterinnen seit mehr als zwanzig Jahren, Ruth Berlau als Fotografin des Ensembles, die Schauspieler der älteren Generation, Erwin Geschonneck, Ernst Busch, Friedrich Gnaß, Annemarie Hase, Gerhard Bienert. Als Gäste stoßen Therese Giehse, Hans Gaugler, Leonard Steckel dazu.

Zunächst ist das BE zu Gast im Deutschen Theater, wenig später zieht man um ins Theater am Schiffbauerdamm. Ein eigenes Haus also und genau das, in dem der Stückeschreiber und die Seinen bereits in den zwanziger Jahren Triumphe gefeiert haben.

Zu Brechts besonderen Gaben gehört in jedem Lebensalter das Gespür für Menschen und Talente. Das Gefühl dafür, wie man die Begabung anderer aufspürt und in den Dienst der eigenen Sache stellt, wie man sie sich zunutze macht. Er sei einer gewesen, der die Kreativität in anderen geweckt, befördert und ihr Nahrung gegeben habe, sagen die, die von ihm lernen durften.

Noch in Zürich, als sich abzeichnet, dass es von neuem eine Ensemblearbeit geben wird, hat er die Fühler ausgestreckt. Brechts Wohnung wird zum Treffpunkt. Theaterleute und Schriftstellerkollegen – Heimkehrende und Daheimgebliebene begegnen sich in Zürich, gedenken derer, die der Krieg verschlungen hat, fassen vorsichtig und ein bisschen ungläubig die Zukunft ins Auge. Natürlich sind auch junge Leute darunter, die sich für des Stückeschreibers Person und Arbeit interessieren oder die umgekehrt sein Interesse geweckt haben.

Während der Arbeit hat mich Ulla Monk gefragt, ob ich vielleicht einen Generalbass durchklingen höre: ob da etwas sei, das diejenigen besonders charakterisiere, die sich um das Jahr 1949 herum nach Berlin aufgemacht haben, zu Bertolt Brecht. Natürlich ihre Begeisterung fürs Theater, könnte man sagen. Aber das wäre eine zu schnelle Antwort. Und im Nachdenken über die Frage fällt mir erst auf, wie unterschiedlich die Motive waren, die eine Rolle spielten für den Aufbruch der damals jungen Leute. Es sind die Unähnlichkeiten, die hervorstechen. Und doch gibt es etwas, das sie alle verbindet: der Umstand, dass keinem von ihnen ein Künstlerleben in die Wiege gelegt worden war.

Benno Besson wuchs unter Bauernkindern in der französischen Schweiz auf, seine Eltern unterrichteten in der Dorfschule. Regine Lutz als Basler Professorentochter hatte es nicht leicht, ihrer Familie beizubringen, dass sie Schauspielerin werden wollte. Manfred Wekwerth verbrachte seine Kindheit hinter der Theke einer Kneipe in Köthen und nährte von Anfang an zwei Seelen in seiner Brust: Die eine zog ihn zu den Naturwissenschaften, die andere zum Theater. Egon Monk entstammt einer Arbeiterfamilie. Märchen hat er als Kind kennengelernt und das Kino. Dass es so etwas gab wie Theater, erfuhr er erst als junger Erwachsener. Käthe Reichel hat ihr Spielzeug auf der Straße verkauft, um Weihnachtsgeschenke für ihre Mutter kaufen zu können. Als Lehrmädchen hat sie dann ihr Geld für Theaterkarten ausgegeben.

Sabine Thalbach, Tochter eines Kunstmalers, entdeckte die Schauspielerei als Ventil für Lebendigkeit und Lebensfreude. Barbara Brecht-Schall als Einzige wuchs gewissermaßen im Schneideratelier auf: Dennoch hat sie den Faden immer nur für kurze Zeit aufgenommen. Auf die Dauer mochte sie weder schreiben noch spielen. Als Tochter von Helene Weigel und Bertolt Brecht bleibt ihr keine Wahl: Sie ist die Haupterbin, ein Fluch und ein Segen zugleich.

Mit ihnen allen bin ich ins Gespräch gekommen – mit und ohne Mikrofon. Nicht mit Sabine Thalbach. Sie ist in jungen Jahren gestorben. Von ihr haben mir ihre Tochter Katharina und ihre Geschwister erzählt. Manches Interview ist Teil einer Radiosendung geworden, manchen Begegnungen folgten weitere: Es gab ja so viel zu erzählen. Nicht auszuschöpfen ist der Brunnen der Erinnerung. Allen, die mir ihren Weg zu Brecht beschrieben haben, gilt mein Dank.

Monika Buschey

Wege zu Brecht

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