Читать книгу Müllers Morde - Monika Geier - Страница 14
19.30 Uhr
ОглавлениеSie waren am Ziel: Eine kleine Waldlichtung an der L 46 bei Daun, leicht mit dem Wagen zu erreichen, aber einsam und gut versteckt. Müllers eigenes Auto stand da, halb verborgen im Gebüsch.
»Ach so, Sie sind der Typ mit dem Alfa«, entfuhr es Steenbergen, und Misstrauen schlich sich in seinen Ton. Nicht, dass er vorher vertrauensselig gewesen wäre, doch während der Fahrt hatte er die Ruhe bewahrt und versucht, möglichst unpersönlich zu bleiben. Weil er an die Geschichte mit der toten Frau glaubte. Doch ein vorbereitetes Fluchtauto passte nicht dazu. Das war nicht spontan, das war kein Affekt, da steckte mehr dahinter. Nun musste es ganz schnell gehen.
»Jetzt weiß ich es wieder, Sie sind der ehemalige Hacker, und Sie heißen –«
»Maul«, unterbrach Müller und hob den Revolver. »Aussteigen.«
Sie stiegen beide aus und standen einander in dem abendlichen Sommerwald gegenüber. Steenbergens Augen blickten klug und unstet, er war ein schneller Denker, das hatte Müller schon beim Autofahren bemerkt. »Ich brauche einen Vorsprung«, erklärte er, den Revolver fest im Griff, und wies mit dem Kinn auf seinen schwarzen Alfa. »Deswegen fesseln wir Sie jetzt, und ich lasse Sie hier in Ihrem Auto und fahre mit meinem weiter.« Er warf Steenbergen mit der Linken eine Rolle festes, dickes Klebeband zu. »Erst über den Mund.«
»Das kann ich nicht reißen«, sagte Steenbergen. Er drehte die Rolle Klebeband zwischen den Händen. Es wirkte spöttisch.
»Ist schon geschnitten«, sagte Müller scharf und merkte, wie er plötzlich nervös wurde. Ans Klebeband hatte er gedacht, er hatte es geschnitten und wieder aufgewickelt, damit er nicht gleichzeitig mit Revolver und Messer hantieren musste, das war nicht das Problem. Das Problem waren Steenbergens intelligente Augen, die ihn verstohlen musterten, die den direkten Blickkontakt verweigerten, weil Steenbergen nachdachte und auf der rechten Spur war.
Müller hob den Revolver: »Los! Mund!«
Steenbergen riss Klebeband ab, und natürlich waren geschnittene und wieder aufgewickelte Klebstreifen noch weit seltsamer als ein wartendes Auto. Steenbergens Bewegungen wurden langsamer und angespannter, als ob er alles gleich hinwerfen und fliehen würde, und das wäre natürlich eine Katastrophe, denn dann musste Müller ihn einholen und das Messer benutzen. »Na los!«, wiederholte er drängend. Steenbergen blickte ihm plötzlich direkt in die Augen. Müller schob sein Kinn vor, spannte den Hahn des Revolvers und starrte entschlossen zurück. Sein Vorteil war klein, nur weil Steenbergen noch immer nicht richtig begriff, befolgte er die Befehle. Widerstrebend klebte er sich den Mund zu. Anschließend waren die Füße dran. Die Hände übernahm Müller und umwickelte sie auf dem Rücken mit Klebeband. Dann verdoppelte er die Fesseln mit noch mehr Tape. Und schließlich sagte er: »Sie müssen sich in den Fußraum vor die Rücksitze legen.«
Steenbergen schüttelte den Kopf, in seinen Augen standen nun Trotz und Panik, doch er war zu ausgeliefert, um noch eine Chance zu haben.
»Passen Sie auf«, sagte Müller versöhnlich. »Da hinten im Fußraum gibt es jede Menge Metallschienen und so ’n Zeug, Sie werden das Tape spätestens morgen früh durchhaben. Sie werden mir dankbar sein, dass ich Sie in den Fußraum gelegt habe, denn da geht es schneller. Ich mach Ihnen sogar noch eine Decke drunter. Und ich hab meinen Vorsprung, okay?«
Steenbergen wollte nicht. Müller musste ihn erst mit dem Revolver anschubsen. Da fügte der Manager sich, hoppelte zur hinteren Tür und quetschte sich mit viel Mühe auf den Boden, den Müller zuvor mit einem Malervlies ausgekleidet hatte. Ein Malervlies mit Plastikbeschichtung auf der Rückseite, doch das weckte in Steenbergen keinen sichtbaren Argwohn mehr. Schließlich lag er genau so, wie er sollte, und Müller atmete auf. Der Rest war ein Kinderspiel. Er holte die Flasche mit Schutzgas aus seinem Alfa, öffnete ihr Ventil, legte sie in den Fußraum neben den Beifahrersitz des Phaetons und schloss die Türen von außen. Steenbergen begann ordentlich zu zappeln, aber er war auch ordentlich zusammengeklebt.