Читать книгу Sklavin, Kriegerin, Königin - Морган Райс, Morgan Rice - Страница 7

KAPITEL EINS

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Ceres’ Schritte hallten in den dunklen Gassen von Delos wider. Aufregung pochte in ihren Adern und sie wusste, dass sie nicht zu spät kommen durfte. Die Sonne ging gerade erst in der Stadt auf und doch wog ihre schwülstaubige Luft bereits schwer. Sie achtete nicht auf ihre Beine die schmerzten und ihre Lunge die brannte, sie rannte immer schneller und sprang dabei über eine der zahllosen Mäuse, die aus der Kanalisation auf die Straßen geflohen war. Sie konnte bereits das Grollen in der Ferne hören und ihr Herz schlug voller Vorfreude höher.

Sie ließ ihre Hände die Steinmauern entlangfahren und drehte sich kurz um bevor sie in eine der engen Straßen einbog immer darauf bedacht, dass ihre Brüder nicht den Anschluss verloren. Sie war froh, Nesos an ihren Fersen und Sartes nur wenige Schritte dahinter zu erblicken. Mit neunzehn Jahren war Nesos nur zwei Sonnenzyklen älter als sie, Sartes ihr jüngster Bruder war hingegen vier Sonnenzyklen jünger und gerade dabei vollständig zum Mann zu reifen. Beide hatten sie langes dunkelblondes Haar und braune Augen. Sie sahen sich zum verwechseln ähnlich und waren im Gegensatz zu Ceres ihren Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten. Auch wenn sie ein Mädchen war, war es ihnen nie gelungen mit ihr Schritt zu halten.

„So beeilt euch doch!“ schrie Ceres über ihre Schulter hinweg.

Erneut drang das Grollen an ihr Ohr und auch wenn sie noch nie bei dem Festival gewesen war, so hatte sie es sich doch viele Mal in ihrer Fantasie ausgemalt: die gesamte Stadt, Delos’ drei Millionen Bürger, drängte ins Stadion zum Feiertag der Sonnenwende. Es würde mit nichts was sie je zuvor gesehen hatte zu vergleichen sein und wenn ihre Brüder und sie sich nicht beeilten, würde es keinen Sitzplatz mehr geben.

Ceres legte noch weiter an Geschwindigkeit zu und wischte einen Schweißtropfen von ihrer Augenbraue. Sie trocknete ihre Hand an der ausgefranste elfenbeinfarbenen Tunika, die ihre Mutter ihr überlassen hatte. Sie hatte noch nie neue Kleidung bekommen. Ihre Mutter, die ganz in ihre Brüder vernarrt war und einen eigentümlich neidbesetzten Hass gegen sie pflegte, war der Ansicht, dass sie es nicht verdiente.

„Warte!“ schrie Sartes, Verärgerung schwang in seiner brüchigen Stimme.

Ceres grinste.

„Soll ich dich vielleicht tragen?“ schrie sie zurück.

Er ließ sich nicht gerne von ihr ärgern, dennoch würde ihre Bemerkung ihn motivieren schneller zu laufen. Ceres machte es eigentlich nichts aus vorneweg zu laufen. Sie fand es liebenswert wie er mit seinen dreizehn Jahren alles dafür gab zu ihnen zu gehören und auch wenn sie es nicht offen zugegeben hätte, so brauchte sie das Gefühl von ihm gebraucht zu werden genauso sehr.

Sartes stöhnte laut auf.

„Mutter wird dich umbringen, wenn sie herausfindet, dass du wieder nicht ihren Anweisungen gefolgt bist!“ schrie er zurück.

Er hatte natürlich Recht. Sie würde ihr mindestens eine ordentliche Tracht Prügel verpassen.

Es war der Moment in dem ihre Mutter sie im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal geschlagen hatte der Ceres ihre Unschuld geraubt hatte. Vor diesem Moment war Ceres ein lustiges, liebes und gutes Kind gewesen. Danach war ihr kein Ort jemals mehr sicher erschienen und sie erwartete seitdem ungeduldig und hoffnungsvoll den Tag, an dem sie ihr würde entkommen können. Heute war sie älter und verschlossener und auch ihr großer Traum verwelkte langsam in ihrem Herzen.

Ceres wusste, dass ihre Brüder sie niemals verraten würden. Sie vertraute ihnen in dem gleichen Maße, wie sie ihr vertrauten.

„Dann ist es doch gut, dass Mutter es niemals erfahren wird!“ schrie sie zurück.

„Vater wird es jedoch herausfinden!“ konterte Sartes.

Sie kicherte. Vater wusste es bereits. Sie hatten mit ihm eine Verabredung getroffen: wenn sie aufbleiben würde, um die Schwerte für den Palast fertig zu schleifen, dann würde sie die Tötungen sehen dürfen. Genau das hatte sie getan.

Ceres hatte die Mauer am Ende der Gasse erreicht. Sie grub ohne auch nur Luft zu holen ihre Finger in zwei Steinspalten und begann die Mauer hinaufzuklettern. Ihre Hände und Füße bewegten sich rasch nach oben, nach gut sechs Metern hatte sie das obere Ende erreicht.

Dort stand sie schwer atmend, helle Sonnenstrahlen liebkosten sie. Eine Hand spendete ihren Augen etwas Schatten.

Sie keuchte. Normalerweise erblickte man nur wenige Bürger der alten Stadt von hier, vielleicht noch eine herumstreunende Katze oder einen Hund. Heute jedoch herrschte ein lebhaftes Treiben. Schwärme von Menschen strömten herbei. Ceres konnte nicht einmal mehr das Kopfsteinpflaster unter dem Meer von Menschen die auf den Quellplatz strömten ausmachen.

In der Ferne schimmerte das Blau des Ozeans, es kontrastierte mit dem Weiß des eindrucksvollen Stadions, das wie ein Berg über den sich windenden Straßen und engen zwei- und dreistöckigen Häusern thronte. An den Seiten des Platzes hatten Händler kleine Stände aufgebaut, jeder war begierig darauf Essen, Schmuck oder Kleidung zu verkaufen.

Eine Windbrise fuhr ihr über das Gesicht und der Geruch von frisch Gebackenem stieg ihr in die Nase. Sie hätte viel dafür gegeben ihren bohrenden Hunger zu stillen. Sie schlang die Arme um ihren Körper, als nagender Hunger sie überkam. Das Frühstück heute Morgen hatte nur aus einigen Löffeln matschigen Breis bestanden, der sie hungriger zurückgelassen hatte, als wenn sie ihn nicht gegessen hätte. Angesichts der Tatsache, dass heute ihr achtzehnter Geburtstag war, war sie zuversichtlich gewesen wenigstens einen kleinen extra Leckerbissen in ihrer Schüssel zu finden – oder eine Umarmung oder irgendetwas.

Aber niemand hatte ihren Geburtstag auch nur erwähnt. Sie bezweifelte, dass sie sich überhaupt an das genaue Datum erinnerten.

Das Licht blendete sie und Ceres blickte nach unten und erspähte einen goldenen Wagen, der sich langsam und schimmernd seinen Weg durch die Menge bahnte als würde er in einem Topf Honig stecken. Sie runzelte die Stirn. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, dass auch das Königshaus bei der Veranstaltung anwesend sein würde. Sie verachtete sie, ihre Hochmütigkeit und dass ihre Tiere mehr zu fressen bekamen als die meisten Menschen von Delos. Ihre Brüder waren zuversichtlich, dass sie sich eines Tages über das Klassensystem hinwegsetzen würden. Aber Ceres konnte ihren Optimismus nicht teilen. Wenn jemals der Gedanke der Gleichheit Einzug halten sollte, dann durch eine Revolution.

„Siehst du ihn?“ Nesos keuchte als er sich neben ihr heraufquälte.

Ceres’ Herz begann beim Gedanken an ihn schneller zu schlagen. Rexus. Auch sie hatte sich bereits gefragt, ob er schon hier sein würde, doch ihre Blicke hatten erfolglos die Menge durchkämmt.

Sie schüttelte den Kopf.

„Dort.“ Nesos deutete mit dem Finger auf etwas.

Sie blinzelte seiner Hand folgend in Richtung Quelle.

Plötzliche erblickte sie ihn und es fiel ihr schwer ihrer Freude nicht zu viel Ausdruck zu verleihen. Sie fühlte sich wie immer, wenn sie ihn sah. Dort saß er, auf dem Rande des Brunnens und spannte seinen Bogen. Auch wenn er weit entfernt war, konnte sie das Spiel seiner Schulter- und Brustmuskeln unter seiner Tunika sehen. Er war nur wenige Jahre älter als sie, hatte blondes Haar, das unter den vielen schwarzen und braunen Häuptern herausstach und gebräunte Haut, die in der Sonne schimmerte.

„Warte!“ rief eine Stimme.

Ceres blickte die Mauer hinab und sah wie Sartes sich beschwerlich seinen Weg nach oben bahnte.

„Beeil dich oder wir ziehen ohne dich weiter!“ spornte Nesos ihn an.

Natürlich würden sie nicht im Traum ihren jüngeren Bruder zurücklassen auch wenn er langsam lernen musste mithalten zu können. In Delos konnte ein Moment der Schwäche tödlich enden.

Nesos fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. Immer noch nach Atem ringend beobachtete er die Menge.

„Auf wen hast du dein Geld gesetzt?“ fragte er.

Ceres drehte sich zu ihm um und lachte.

„Welches Geld?“ fragte sie.

Er grinste.

„Angenommen du hättest welches“, antwortete er.

„Brennius“, erwiderte sie ohne zu zögern.

Seine Brauen eilten überrascht nach oben.

„Wirklich?“ fragte er. „Warum?“

„Ich weiß nicht.“ Sie zuckte die Schultern. „Nur so eine Ahnung.“

Aber eigentlich wusste sie warum. Sie wusste es sogar sehr gut, besser als ihre Brüder, besser als alle Jungen ihrer Stadt. Ceres hatte ein Geheimnis, dass sie noch niemandem verraten hatte. Sie hatte sich gelegentlich als Junge verkleidet und im Palast trainiert. Durch einen königlichen Erlass war es Mädchen unter Androhung der Todesstrafe strengstens untersagt die Kunst der Kampfherren zu erlernen. Männlichen Bürgerlichen stand es hingegen offen diese Kunst zu studieren, wenn sie die gleiche Zahl an Arbeitsstunden in den königlichen Ställen ableisteten. Eine Arbeit, die Ceres freudig in Kauf nahm.

Sie hatte Brennius beobachtet und war von seiner Art zu kämpfen beeindruckt gewesen. Er war mitnichten der größte der Kampfherren, doch seine Bewegungen waren präzise.

„Nie und nimmer“, erwiderte Nesos. „Stefanus wird siegen.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Stefanus wird die ersten zehn Minuten nicht überleben“, sagte sie kurz.

Stefanus brachte alle offensichtlichen Merkmale mit. Er war der größte der Kampfherren und wahrscheinlich auch der stärkste. Dennoch war sein Kämpfen weniger überlegt als das Brennius’ oder einiger anderer der Krieger, die sie beobachtet hatte.

Nesos lachte auf.

„Ich wette mein bestes Schwert darauf.“

Sie blickte auf das Schwert, das an seiner Hüfte befestigt war. Er hatte keine Ahnung wie neidisch sie gewesen war, als er dieses Prachtstück einer Waffe als Geburtstagsgeschenk von Mutter vor drei Jahren geschenkt bekommen hatte. Das Schwert, das Ceres trug, hatte sie aus dem Müll gefischt nachdem ihr Vater er ausrangiert hatte. Sie dachte an all die Dinge, die sie mit einer Waffe wie der Nesos’ machen könnte.

„Ich werde darauf bestehen, nur dass du es weißt“, sagte Ceres und grinste – auch wenn sie ihm in Wirklichkeit niemals sein Schwert abgenommen hätte.

„Ich erwarte nichts geringeres“, feixte er zurück.

Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und ein dunkler Gedanke machte sich in ihrem Kopf breit.

„Mutter würde das niemals gestatten“, sagte sie.

„Aber Vater würde es“, sagte er. „Er ist sehr stolz auf dich, das weißt du.“

Nesos’ gut gemeinter Kommentar überrumpelte sie und da sie nicht recht wusste, ob sie dem zustimmen sollte, senkte sie ihren Blick. Sie liebte ihren Vater sehr und er liebte sie, das wusste sie. Doch aus irgendeinem Grund stand ihre Mutter für ihn an erster Stelle. Es war ihr sehnlichster Wunsch gewesen, dass ihre Mutter sie akzeptieren und so sehr lieben würde wie sie ihre Brüder liebte. Aber so sehr sie es auch versuchte, in den Augen ihrer Mutter würde es nie genug sein.

Sartes schnaubte als er den letzten Satz auf die Mauer hinter ihnen machte. Er war noch immer ungefähr einen Kopf kleiner als Ceres und dürr wie ein Ästchen. Doch sie war davon überzeugt, dass er schon bald wie ein Bambusspross in die Höhe schießen würde. So war es bei Nesos gewesen. Der war heute ein muskelbepackter Fels, der fast zwei Meter groß war.

„Und du?“ Ceres drehte sich zu Sartes. „Wer glaubst du wird gewinnen?“

„Ich bin auf deiner Seite. Brennius.“

Sie grinste und wuschelte ihm durch sein Haar. Er wiederholte immer was sie sagte.

Erneut war ein Grollen zu hören, die Menge verdichtete sich noch mehr und Unruhe machte sich in Ceres breit.

„Lasst uns gehen“, sagte sie, „wir sollten keine Zeit verschwenden.“

Ohne zu warten kletterte Ceres die Mauer hinab und rannte los sobald sie auf dem Boden stand. Den Brunnen im Visier und darauf bedacht Rexus dort noch zu erwischen sauste sie über den Platz.

Er drehte sich um und seine Augen leuchteten als er sie kommen sah. Sie stürzte auf ihn zu und fühlte wie seine Arme sich um ihre Hüfte schlangen und eine schmutzige Wange sich gegen die ihre drückte.

„Ciri“, sagte er in seiner tiefen und rauen Stimme.

Ein Schauer fuhr ihr den Nacken herab als sie sich aus seinen Armen wand und in Rexus‘ kobaltblaue Augen blickte. Mit einem Meter fünfundachtzig war er fast einen Kopf größer als sie. Sein borstiges blondes Haar umrahmte sein herzförmiges Gesicht. Er roch nach Seife und wilder Natur. Himmel, war es schön ihn wiederzusehen. Auch wenn sie sich in fast jeder Situation zu wehren wusste, so verlieh seine Gegenwart ihr doch eine gewisse Ruhe.

Ceres stellte sich auf ihre Fußspitzen und schlang begierig ihre Arme um seinen kräftigen Hals. Sie hatte in ihm nie mehr als nur einen Freund gesehen bis er angefangen hatte von der Revolution und der Untergrundarmee, deren Mitglied er war, zu sprechen. „Wir werden kämpfen und uns von dem Joch der Unterdrückung befreien“, hatte er ihr vor Jahren einmal gesagt. Er hatte mit solcher Inbrunst von der Rebellion gesprochen, dass sie für einen Moment an den Sturz des Königshauses geglaubt hatte.

„Wie war die Jagt?“ fragte sie mit einem Lächeln, denn sie wusste, dass er mehrere Tage unterwegs gewesen war.

„Ich habe dein Lächeln vermisst.“ Er strich ihr langes rosig-goldenes Haar zurück. „Und deine smaragdgrünen Augen.“

Ceres hatte ihn auch vermisst, aber sie wagte nicht es auszusprechen. Sie hatte zu viel Angst ihre Freundschaft aufs Spiel zu setzen sollten sie sich näherkommen.

„Rexus“, rief Nesos, der mit Sartes an seinen Fersen nun auch den Brunnen erreicht hatte und seinen Arm ergriff.

„Nesos“, sagte er in seiner tiefen väterlichen Stimme. „Wir haben nur noch wenig Zeit, wenn wir reinkommen wollen“, setzte er hinzu und nickte den anderen zu.

Sie eilten davon und mischten sich unter die Menge, die sich Richtung Stadion bewegte. Die Soldaten des Kaisers waren überall und trieben den Menschenpulk wenn nötig auch mit Stöcken und Peitschen voran. Je mehr sie sich der Straße zum Stadion nährten desto zäher wurde die Menschenmasse.

Doch plötzlich drang von einem der Stände ein Geschrei an Ceres’ Ohr. Sie blieb instinktiv stehen und drehte sich in die Richtung aus der es gekommen war. Sie sah wie die Menge vor einem von zwei Reichssoldaten und einem Händler eingerahmten kleinen Jungen zurückgewichen war. Einige der Umstehenden liefen eilend weiter, andere bildeten gaffend einen Kreis um die Szene.

Ceres stürzte nach vorne und sah wie einer der Soldaten erst einen Apfel aus der Hand des Jungen schlug und dann den Arm des Kleinen ergriff, um ihn heftig zu schütteln.

„Dieb!“ brüllte er.

„Mitleid, bitte!“ schrie der Junge, Tränen rannen über sein dreckiges Gesicht und seine hohlen Wangen. „Ich hatte… solchen Hunger!“

Ceres’ Herz quoll vor Mitgefühl über, denn sie wusste, wie sich dieser Hunger anfühlte – und sie wusste, dass die Soldaten keine Gnade würden walten lassen.

„Lassen Sie den Jungen gehen“, sagte der wohlbeleibte Händler mit einer Handgeste, die seinen goldenen Ring in der Sonne aufblitzen ließ. „Es schadet mir nicht, ihm einen Apfel zu geben. Ich habe hunderte Äpfel.“ Er lachte leise, als würde er versuchen wollen die Situation zu entschärfen.

Immer mehr Schaulustige blieben stehen. Die Menge verstummte als die Soldaten sich dem Händler zuwandten. Ihre glänzenden Rüstungen klapperten. Ceres’ Herz blieb bei diesem Anblick fast stehen – sie wusste, dass man das Reich niemals in Frage zu stellen hatte.

Der Soldat trat bedrohlich auf den Händler zu.

„Du verteidigst einen Kriminellen?“

Der Händler schaute unsicher von einem zum anderen. Schließlich drehte sich der Soldat zu dem Jungen hin und schlug ihm mit einem markerschütternd lauten Hieb ins Gesicht. Ein Schauer lief Ceres über den Rücken.

Der Junge fiel dumpf zu Boden. Die Menge hielt den Atem an.

Auf den Händler zeigend sagte der Soldat, „um deine Treue zum Kaiserreich unter Beweis zu stellen wirst du den Jungen festhalten während wir ihn auspeitschen.“

Die Augen des Händlers verhärteten sich, sein Gesicht fing an zu schwitzen. Ceres war überrascht, dass er standhaft blieb.

„Nein“, erwiderte er.

Der zweite Soldat tat zwei bedrohliche Schritte auf den Händler zu, eine Hand am Griff seines Schwertes.

„Wirst du wohl gehorchen, oder willst du deinen Kopf verlieren und dein Geschäft in Flammen aufgehen sehen?“ fragte der Soldat.

Das runde Gesicht des Händlers wurde bleich und Ceres wusste, dass er sich geschlagen geben musste.

Langsam ging er zu dem Jungen hinüber und griff seinen Arm. Er kniete vor ihm nieder.

„Bitte verzeih mir“, sagte er, Tränen schimmerten in seinen Augen.

Der Junge wimmerte und versuchte sich schreiend aus dem Griff des Händlers zu befreien.

Ceres sah, dass das Kind zitterte. Sie wollte weiter zum Stadion um das hier nicht mit ansehen zu müssen. Doch ihre Füße waren wie gelähmt und ihre Augen auf die zu erwartende Grausamkeit gerichtet.

Der erste Soldat zerriss die Tunika des Jungen während der zweite Soldat eine Peitsche über seinem Kopf schwang. Die meisten Schaulustigen jubelten den Soldaten zu, doch einige murmelten nur und verließen mit hängenden Köpfen den Schauplatz.

Niemand verteidigte den Dieb.

Mit einem gierigen, fast wahnsinnigen Ausdruck im Gesicht ließ der Soldat die Peitsche auf dem Rücken des Jungen niedergehen. Er schrie vor Schmerzen. Blut quoll aus den frischen Furchen seines Rückens. Immer und immer wieder zischte das Folterinstrument nieder. Der Soldat peitschte den Jungen solange bis ihm der Kopf in den Nacken fiel und er verstummte.

Ceres verspürte den starken Drang nach vorne zu laufen und den Jungen zu retten. Doch sie wusste, dass es ihren Tod bedeuten würde und den Tod all jener, die sie liebte. Sie ließ resigniert die Schultern hängen. In ihrem Kopf schwor sie eines Tages Rache zu nehmen.

Sie zog Sartes zu sich und hielt ihm in einem verzweifelten Versuch seine Unschuld zu bewahren die Augen zu. Nur ein paar Jahre der Unschuld wollte sie ihm noch geben auch wenn es in diesem Land keine Unschuld gab. Sie musste sich dazu zwingen ihrem Impuls nicht nachzugeben. Als Mann musste er diese grausamen Taten mitansehen nicht nur um sich daran zu gewöhnen, sondern auch um später ein starker Mitstreiter der Rebellion zu werden.

Die Soldaten griffen nach dem Jungen, der noch immer in den Händen des Händlers lag und schmissen seinen leblosen Körper auf einen hölzernen Wagen. Der Händler schlug seine Hände ins Gesicht und schluchzte.

Nach nur wenigen Sekunden hatte sich der Wagen in Bewegung gesetzt und der vormals leere Raum füllte sich erneut mit Menschen, die sich schlängelnd über den Platz bewegten als wäre nichts passiert.

Ceres fühlte Übelkeit in ihr aufkommen. Es war ungerecht. In genau diesem Augenblick konnte sie ein halbes Dutzend Taschendiebe ausmachen – Männer und Frauen, die ihre Kunst so weit ausgefeilt hatten, dass selbst die Reichssoldaten sie nicht erwischen konnten. Das Leben des armen Jungen war nun für immer ruiniert, weil seine Fähigkeit zu stehlen nicht ausgereift genug gewesen war. Einmal in die Falle gegangen, würden Dieben ob jung oder alt die Gliedmaßen oder noch mehr abgeschlagen, das hing von der Laune des Richters an jenen Tagen ab. Wenn er Glück hatte, würde er sein Leben behalten und dazu verurteilt lebenslang in einer der Goldminen zu schuften. Ceres hätte lieber den Tod in Kauf genommen als eine solche Strafe auf sich zu nehmen.

Schulter an Schulter zusammen mit den Anderen und in zunehmend unerträglicher Hitze gingen sie weiter. Die Stimmung war gedrückt.

Ein goldener Wagen bahnte sich seinen Weg durch die Menge und zwang die Leute ihm auszuweichen. An den Seiten wurden Menschen an die Häuserwände gedrückt. Ceres musste einen ordentlichen Stoß einstecken. Sie blickte nach oben und sah drei Mädchen in bunten Seidenkleidern. Gold und Juwelen schmückten ihre aufwendig hochgesteckte Haarpracht. Eines der Mädchen warf lachend eine Münze auf die Straße und eine Handvoll Bürgerlicher kroch aufgescheucht suchend auf dem Boden herum um das Stück Metall zu ergattern, das ihre Familie einen ganzen Monat lang ernähren würde.

Ceres hätte sich niemals dazu herabgelassen solche Almosen anzunehmen. Sie wäre lieber verhungert als eine Schenkung von denen anzunehmen.

Sie beobachtete wie es einem jungen Mann gelang die Münze zu erhaschen. Doch ein älterer Mann rang ihn zu Boden und begann ihn mit steifer Hand zu würgen. Mit der freien Hand nötigte er ihn die Münze aus seiner Hand freizugeben.

Die Mädchen amüsierten sich köstlich und zeigten mit dem Finger auf sie bevor ihr Wagen sich wieder in Bewegung setzte und weiter durch die Menge mähte.

Ceres’ Inneres zog sich angewidert zusammen.

„Bald schon wird es keine Ungleichheit mehr geben“, sagte Rexus. „Dafür werde ich sorgen.“

Ceres’ Brust straffte sich beim Klang dieser Worte. Eines Tages würde sie mit ihm und ihren Brüder Seite an Seite in der Rebellion kämpfen.

Als sie sich dem Stadion näherten, wurden die Straßen breiter und Ceres hatte das Gefühl endlich wieder atmen zu können. Die Luft schwirrte. Sie hatte das Gefühl vor Aufregung fast zu platzen.

Sie lief durch einen der vielen gewölbten Eingänge und schaute nach oben.

Es wimmelte nur so vor Bürgerlichen in dem prächtigen Stadion. Die ovale Struktur war auf der äußersten Nordseite eingestürzt und der Großteil der roten Sonnensegel war zerrissen und bot somit wenig Schutz vor der sengenden Sonne. Wilde Tiere knurrten hinter eisernen Toren und unter Falltüren. Sie konnte sehen, dass die Kampfherren hinter den Toren bereit standen.

Ceres stand da wie gebannt. Als wäre es ein Wunder, sog sie alles in sich auf.

Schneller als sie es hätte bemerken können, war sie hinter Rexus und ihren Brüdern zurückgefallen. Sie eilte nach vorne um sie einzuholen, doch schon war sie von vier stämmigen Männern umzingelt. Sie roch den Alkohol, Fischgestank und Körpergeruch als sie ihr zu nahe kamen und sie mit ihren verfaulten Zähnen und fratzenhaften Grinsen anglotzten.

„Du kommst mit uns hübsches Mädchen“, sagte einer von ihnen während sie sich ihr gemeinschaftlich näherten.

Ceres’ Herz begann schneller zu schlagen. Sie suchte mit ihren Blicken nach den Anderen, aber die Menge hatte sie bereits vollends verschluckt.

Sie setzte ihr tapferstes Gesicht auf und konterte.

„Lasst mich in Ruhe oder…“

Sie brachen in Gelächter aus.

„Was?“ machte sich einer über sie lustig. „Ein kleines Mädchen wie du will es mit uns vieren aufnehmen?“

„Wir könnten dich tretend und schreiend nach draußen befördern und niemand würde sich um dich scheren“, fügte ein anderer hinzu.

Er hatte Recht. Aus dem Augenwinkel konnte Ceres sehen wie die Leute vorbeieilten und so taten als würden sie nicht sehen, dass sie von den vier Männern bedrängt wurde.

Plötzlich nahm das Gesicht des Anführers einen ernsten Ausdruck an und mit einer flinken Bewegung griff er nach ihren Armen und zog sie nahe zu sich heran. Sie wusste, dass sie sie ohne Schwierigkeiten von hier wegschaffen konnten, ohne dass sie jemals wiedergesehen würde. Dieser Gedanke machte ihr die größte Angst.

Ohne Rücksicht auf ihr pochendes Herz wrang Ceres sich aus dem Griff des Anführers frei. Die anderen Männer johlten vor Begeisterung, doch als sie dem Anführer ihre Handwurzel gegen die Nase rammte und seinen Kopf zurückstieß wurden sie still.

Der Anführer hielt sich mit seinen dreckigen Händen die Nase und stöhnte.

Sie wusste, dass dies ihre einzige Chance sein würde und so ließ sie ihm keine Zeit sich zu erholen und trat ihm in den Magen. Ihr Kampftraining zahlte sich aus, er klappte zusammen.

Doch sofort waren die anderen drei auf den Plan gerufen. Ihre starken Hände griffen zerrend nach ihr.

Doch dann ließen sie von ihr ab. Ceres blickte erleichtert auf und sah wie Rexus einem der Männer ins Gesicht schlug und ihn ausknockte.

Dann tauchte Nesos auf und griff nach einem anderen, stieß ihm sein Knie in den Magen und trat ihn auf den Boden. Er blieb in einer roten Lache liegen.

Der vierte Mann hatte es auf Ceres abgesehen. Doch gerade als er sie angreifen wollte, duckte sie sich drehend, trat ihm in die Seite und verhalf ihm kopfüber zu einem Zusammenprall mit dem Pfeiler.

Ceres atmete schwer und versuchte zu verstehen was gerade passiert war.

Rexus legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Alles klar?“

Ceres’ Herz raste noch immer wie wild, doch schnell machte Stolz sich auf ihrem Gesicht breit. Sie hatte sich gut geschlagen.

Sie nickte und Rexus legte einen Arm um ihre Schultern und sie gingen weiter. Sein Gesicht war ein einziges Grinsen.

„Was?“ fragte Ceres.

„Als ich sah was passierte, wollte ich nichts lieber als mein Schwert in jedem einzelnen von ihnen zu versenken. Aber dann hab ich gesehen wie du dich verteidigt hast.“ Er schüttelte seinen Kopf und lachte. „Das hatten sie nicht erwartet.“

Sie merkte, dass sie rot wurde. Sie hätte gerne gesagt, dass sie keine Angst gehabt hatte, doch das stimmt nicht.

„Ich war angespannt“, gab sie zu.

„Ciri angespannt? Niemals.“ Er küsste ihren Kopf und sie drangen weiter in das Innere des Stadions vor.

Sie fanden einige Sitze in den unteren Rängen und nahmen Platz. Ceres war berauscht. Sie würde die Ereignisse des heutigen Tages hinter sich lassen und in die Aufregung der jubelnden Massen miteinstimmen.

„Siehst du die da?“

Ceres folgte Rexus’ Finger und blickte nach oben zu einer der Dutzend Boxen, in denen Jugendliche saßen und an silbernen Weinbechern nippten. Sie hatte noch nie in ihrem Leben solch prachtvolle Kleidung gesehen, noch nie Tische, die vor köstlichem Essen geradezu überquollen und auch die Fülle an glitzernden Juwelen war ihr fremd. Keiner von ihnen hatte eingefallene Wangen oder Hungerbäuche.

„Was machen die dort?“ fragte sie als sie beobachtete wie einer von ihnen Münzen in einem goldenen Becher einsammelte.

„Einem jeden von ihnen gehört ein Kampfherr“, sagte Rexus, „und sie wetten darauf welcher gewinnen wird.“

Ceres stöhnte. Sie verstand, dass es für diese Leute nichts als ein Spiel war. Es war klar, dass die verwöhnten Jugendlichen sich wenig um Kämpfer oder Kampfkunst scherten. Sie wollten einfach nur sehen, ob ihr Kampfherr würde gewinnen können. Für Ceres ging es bei dieser Veranstaltung jedoch um Ehre, Mut und Technik.

Die königlichen Banner waren gehisst, Trompeten ertönten und als die ehernen Tore an beiden Enden des Stadions aufsprangen, marschierte ein Kampfherr nach dem anderen aus den schwarzen Löchern der Anlage. Ihre Rüstungen fingen das Sonnenlicht und warfen Lichtstrahlen in die Menge.

Die Menge tobte als diese Kampfmaschinen in die Arena marschierten. Ceres ließ sich von den Beifall klatschenden Massen mitreißen und sprang auf. Die Kämpfer erreichten in einem mit dem Gesicht nach außen gekehrten Zirkel ihre Positionen. Ihre Äxte, Schwerter, Speere, Schilder, Dreizacke, Peitschen und anderen Waffen reckten sie in die Luft.

„Wohlergehen dem König Claudius“, schrien sie.

Wieder wurden Trompeten geblasen und der goldene Wagen von König Claudius und Königin Athena sauste durch einen der Eingänge in die Arena. Es folgten der Wagen mit Kronprinz Avilius und Prinzessin Floriana und schließlich die restliche königliche Entourage und Sippschaft. Jeder der Wägen wurde von zwei schneeweißen mit Gold und Juwelen geschmückten Schimmeln gezogen.

Ceres machte unter ihnen Prinz Thanos aus und sie war angewidert vom finsteren Blick des Neunzehnjährigen. Wenn sie Schwerter für ihren Vater auslieferte, hatte sie gelegentlich gesehen wie der Prinz mit den Kampfherren im Palast sprach. Ihm stand stets dieser Ausdruck von Verachtung und Hochmut ins Gesicht geschrieben. Sein Körperbau stand in nichts dem der Kämpfer nach – man hätte ihn leicht für einen halten können. Seine Arme waren muskelbepackt, seine Hüften straft und definiert und seine Beine glichen zwei harten Baumstämmen. Dennoch machte sein offenkundiger Mangel an Respekt und Leidenschaft für seine Position Ceres wütend.

Trompeten erschallten als die Angehörigen des Königshauses zu ihren Podiumsplätzen paradierten und damit den Beginn der Tötungen anzeigten.

Die Menge brüllte als alle Kampfherren bis auf zwei wieder hinter den Eisentoren verschwanden.

Ceres erkannte, dass es sich bei dem einen um Stefanus handelte. Den anderen jedoch, der nichts als einen beschirmten Helm und einen von einem Ledergürtel gehaltenen Lendenschutz trug, konnte sie nicht zuordnen. Vielleicht war er von weit her angereist um an den Kämpfen teilzunehmen. Seine gut eingeölte Haut glich der Farbe fruchtbaren Bodens und sein Haar war so schwarz wie die Nacht. Durch die Schlitze in seinem Helm konnte Ceres die Entschlossenheit in seinen Augen sehen und sie wusste sogleich, dass Stefanus’ letzte Stunde geschlagen hatte.

„Keine Sorge“, sagte Ceres und blickte zu Nesos hinüber. „Du kannst dein Schwert behalten.“

„Noch hat er nicht verloren“, antwortete Nesos mit einem Grinsen. „Stefanus würde nicht so weit oben auf der Favoritenliste stehen, wenn er nichts zu bieten hätte.“

Als Stefanus seinen Dreizack und sein Schwert in die Luft schwang wurde es still.

„Stefanus!“ rief mit erhobener und geballter Faust einer der wohlhabenden jungen Männer aus einer der Kabinen. „Stärke und Mut!“

Stefanus nickte in Richtung des jungen Mannes und die Menge bekundete brüllend ihre Zustimmung und dann stürzte er sich mit voller Kraft auf den Weithergereisten. Dieser wich geschickt aus, drehte sich und schlug mit seinem Schwert nach Stefanus, den er nur um wenige Zentimeter verfehlte.

Ceres zuckte zusammen. Bei solchen Reflexen würde Stefanus nicht lange durchhalten. Immer wieder auf Stefanus’ Schild einschlagend stieß der Fremde laute Kampfschreie aus während Stefanus weiter zurückwich. Aus einer Geste der Verzweiflung stieß Stefanus dem Fremden eine Ecke seines Schilds ins Gesicht. Blut schoss durch die Luft und sein Feind taumelte zu Boden.

Ceres gefiel dieser Schachzug. Vielleicht hatte sich Stefanus’ Technik verbessert seitdem sie ihn das letzte Mal trainieren gesehen hatte.

„Stefanus! Stefanus! Stefanus!“ skandierten die Zuschauer im Chor.

Stefanus richtete sich zu Füßen des verletzten Kriegers auf, doch in dem Moment als er ihm den Todesstoß mit seinem Dreizack verpassen wollte, hob der Fremde seine Beine und trat Stefanus mit voller Wucht, sodass er rückwärts stolperte und auf seinem Hinterteil landete. Beide sprangen katzengleich auf ihre Füße und standen sich erneut gegenüber.

Keiner ließ den anderen aus den Augen und sie begannen sich lauernd im Kreis zu bewegen. Die Luft war zum zerreißen angespannt.

Der Fremde fletschte die Zähne, schwang sein Schwert in die Luft und rannte auf Stefanus zu. Stefanus wich rasch zur Seite aus und erwischte ihn mit seinem Schwert am Oberschenkel. Im Gegenzug schwang der Fremde sein Schwert herum und verletzte Stefanus am Arm.

Beide Kämpfer brüllten vor Schmerz, doch schienen die Wunden sie nur noch mehr in Rage zu versetzen statt sie auszubremsen. Der Fremde riss sich seinen Helm vom Kopf und schmiss ihn auf den Boden. Von dem schwarzen Bart seines Kinns rann Blut, sein rechtes Auge war geschwollen, doch in seinem Gesichtsausdruck konnte Ceres erkennen, dass er es satt hatte Spielchen mit Stefanus zu spielen. Er wollte ihn jetzt einfach nur noch töten. Aber wie schnell würde es ihm gelingen ihn abzuschlachten?

Stefanus ging auf den Fremden los und Ceres schnappte nach Luft als Stefanus’ Dreizack mit dem Schwert seines Kontrahenten zusammenstieß. Auge in Auge versuchte ein jeder die Oberhand zu gewinnen. Sie stöhnten, keuchten und schoben, ihre Adern traten hervor und Muskeln spielten unter ihrer verschwitzten Haut.

Der Fremde duckte sich und wrang sich aus dem Griff ihrer Waffen frei. Zu Ceres’ Überraschung wirbelte er wie ein Tornado herum, ließ sein Schwert durch die Luft rauschen und enthauptete Stefanus.

Nach einigen Atemzügen hob der Fremde triumphierend seinen Arm in die Luft.

Die Menge verstummte für eine Sekunde. Auch Ceres. Sie blickte zu dem jungen Mann, dem Stefanus gehört hatte. Sei Mund stand sperrangelweit offen, seine Augenbrauen waren wütend zusammengezogen.

Der junge Mann schmetterte seinen Silberbecher in die Arena und stürmte aus seinem Rang. Der Tod macht die Menschen gleich, dachte Ceres und musste ein Lächeln unterdrücken.

„August!“ schrie ein Mann in der Menge. „August! August!“

Ein Zuschauer nach dem anderen stimmte mit ein, bis das gesamte Stadion den Namen des Siegers rief. Der Fremde verbeugte sich vor König Claudius. Dann kamen drei andere Kämpfer von den Eisentoren hergelaufen um ihn abzulösen.

Einem Kampf folgte der nächste und so verging der Tag. Ceres beobachtete aufmerksam jeden einzelnen. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Tötungen hasste oder liebte. Auf der einen Seite faszinierten sie die Strategien, die Fähigkeiten und der Mut der Herausforderer; auf der anderen Seite widerte es sie an, wie die Kämpfer nichts als Spielsteine der Reichen waren.

Im letzten Kampf der ersten Runde kämpften Brennius und ein anderer Kämpfer gleich neben den Sitzplätzen von Rexus, Ceres und ihren Brüdern. Sie kamen immer näher, ihre Schwerter klirrten, Funken flogen. Es war berauschend.

Ceres sah wie Sartes sich über die Brüstung lehnte, seine Augen gebannt auf die Kämpfenden gerichtet.

„Lehn dich zurück!“ rief sie zu ihm hinüber.

Doch noch bevor er antworten konnte sprang plötzlich eine Omnikatze aus der Bodenklappe auf der anderen Seite des Stadions. Das gigantische Biest leckte sich die Pfoten und seine Klauen gruben sich in den roten Dreck als es sich auf den Weg zu den Kämpfern machte. Diese hatten das Tier noch nicht bemerkt und das Stadion hielt den Atem an.

„Brennius ist so gut wie tot“, murmelte Nesos.

„Sartes!“ rief Ceres erneut. „Ich habe dir doch gesagt –“

Sie konnte den Satz nicht zu Ende führen. Denn in diesem Augenblich zerbröckelte der Stein unter Sartes’ Händen und noch bevor irgendjemand reagieren konnte, stürzte er über die Brüstung in die Grube hinein. Er landete mit einem Bums auf dem Boden.

„Sartes!“ schrie Ceres vor Entsetzen und sprang auf die Füße.

Ceres blickte nach unten zu Sartes, er saß drei Meter unter ihr gegen die Wand gelehnt. Seine Unterlippe bebte, aber er vergoss keine Träne. Kein Wort. Er hielt seinen Arm und blickte nach oben, sein Gesicht war vor Schmerzen verzogen.

Ihn dort unten so zu sehen, war mehr als Ceres ertragen konnte. Ohne Nachzudenken zog sie Nesos’ Schwert und sprang über die Brüstung in die Grube. Sie landete genau vor ihrem jüngeren Bruder.

„Ceres!“ schrie Rexus.

Sie blickte nach oben und sah wie zwei Wächter Rexus und Nesos davonschleppten noch bevor sie ihr hätten folgen können.

Ceres stand in der Grube. Beim Gedanken hier unten mit den Kämpfern in der Arena zu sein beschlich sie ein seltsames Gefühl. Sie wollte Sartes hier rausholen, doch sie hatte keine Zeit. Also stellte sie sich vor ihm auf, fest entschlossen ihn vor der fauchenden Omnikatze zu beschützen. Diese machte einen Buckel und ihre bösen gelben Augen fixierten Ceres. Gefahr machte sich breit.

Sie zog Nesos’ Schwert und umklammerte es fest mit beiden Händen.

„Lauf Mädchen!“ schrie Brennius.

Aber es war zu spät. Die Omnikatze nahm bereits Anlauf und war nur noch wenige Meter entfernt. Ceres trat noch näher an Sartes heran. Doch kurz bevor das Tier angreifen konnte sprang Brennius von der Seite dazwischen und hieb dem Tier ein Ohr ab.

Die Omnikatze bäumte sich auf ihren hinteren Tatzen stehend auf und knurrte. Sie riss einen Brocken aus der Mauer hinter Ceres. Violettes Blut befleckte ihr Fell.

Die Menge tobte.

Der zweite Kampfherr kam nun auch näher, doch bevor er dem Biest noch irgendeinen Schaden zufügen konnte, schlitzte die Omnikatze ihm mit ihren Klauen die Kehle auf. Der Krieger ging zu Boden, seine Hände um den Hals geklammert, Blut sickerte durch seine Finger.

Die bluthungrige Menge jubelte.

Die Katze fauchte und traf Ceres mit solch einer Wucht, dass sie durch die Luft flog und auf den Boden prallte. Beim Aufprall glitt ihr das Schwert aus der Hand und landete einen Meter neben ihre.

Ceres’ Lungen waren wie zugeschnürt. Nach Luft japsend drehte sich ihr der Kopf und sie versuchte sich auf ihren Füßen und Händen fortzubewegen, doch schnell kippte sie wieder um.

Atemlos lag sie dort mit dem Gesicht gegen den rauen Sand gepresst. Sie sah wie die Omnikatze sich nun auf Sartes zubewegte. Ihren Bruder in solch einer hilflosen Position sehend entfachte das Feuer in ihr. Sie zwang ihr Lungen sich zu öffnen und erkannte in vollkommener Klarheit was sie zu tun hatte um ihren Bruder zu retten.

Energie schoss durch ihren Körper und gab ihr Kraft. Sie stand auf, nahm das Schwert und preschte so schnell nach vorne auf das Biest zu, dass sie glaubte zu fliegen.

Das Biest war jetzt noch drei Meter von ihr entfernt. Zweieinhalb, zwei, einen Meter.

Ceres biss die Zähne zusammen und schwang sich auf den Rücken des Biests. Sie grub entschlossen ihre Finger in das borstige Fell des Tieres und versuchte es von ihrem Bruder abzulenken.

Die Omnikatze stellte sich auf seinen Hinterpfoten und versuchte Ceres mit aller Kraft abzuwerfen. Aber Ceres’ eiserner Griff und ihr Entschlossenheit waren stärker als die Versuche des Tieres sie abzuschütteln.

Als das Tier wieder auf seine Viere fiel, nutze Ceres die Gelegenheit. Sie hob ihr Schwert in die Luft und stach dem Tier in den Nacken.

Das Tier kreischte und stellte sich erneut auf. Die Menge kochte.

Es schwang seine Tatze nach hinten und durchbohrte Ceres’ Rücken. Ceres schrie vor Schmerzen, denn die Klauen fühlten sich so an, als hätte jemand Dolche in ihren Rücken gestoßen. Die Omnikatze bekam sie zu fassen und schleuderte sie gegen die Mauer. Sie landete zwei Meter neben Sartes.

„Ceres!“ schrie Sartes.

Ihre Ohren rauschten und Ceres hatte Mühe aufrecht zu sitzen. Ihr Hinterkopf pochte und etwas Warmes rann ihren Nacken hinab. Doch sie hatte keine Zeit herauszufinden wie schlimm die Wunde war. Die Omnikatze setzte bereits zum nächsten Angriff auf sie an.

Schon war die Katze vor ihr und Ceres’ Optionen erschöpft. Ohne überhaupt nachzudenken, hob sie ihre Hand und hielt sie mit der Handinnenfläche nach außen gestreckt vor sich. Sie glaubte, dass es das letzte war was sie sehen würde.

Doch gerade als die Omnikatze sich auf sie stürzen wollte, spürte Ceres wie ein Feuerball in ihrer Brust entflammte und plötzlich fühlte sie einen Energieball aus ihrer Hand schießen.

Das Biest gefror im Flug.

Es krachte auf den Boden und kam rutschend auf seinen Beinen zum stehen. Ceres hielt den Atem an und erwartete, dass das Tier nun gleich wieder zu sich kommen und ihr den Rest geben würde. Doch es stand einfach nur dort und bewegte sich nicht.

Verblüfft starrte Ceres auf ihre Hand. Die Menge hatte nicht gesehen was da aus ihrer Hand gekommen war und so dachte sie, dass Ceres das Tier wahrscheinlich mit ihrem Schwert erstochen hatte. Aber sie wusste es besser. Eine geheimnisvolle Kraft war ihrer Hand entwichen und hatte das Biest augenblicklich getötet. Was war das für eine Kraft gewesen? Es war das erste Mal, dass ihr so etwas passiert war und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

Wer war sie, dass sie solche Kräfte besaß?

Ängstlich ließ sie ihre Hand sinken.

Zögernd hob sie den Blick und sah, dass das Stadion verstummt war.

Und sie fragte sich nur, ob sie es auch gesehen hatten?

Sklavin, Kriegerin, Königin

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