Читать книгу Sklavin, Kriegerin, Königin - Морган Райс, Morgan Rice - Страница 8
KAPITEL ZWEI
ОглавлениеIn der Sekunde, in der Ceres wie von Schmerz und Unglauben betäubt dort auf dem Boden der Arena saß, spürte sie für die Ewigkeit einer Sekunde alle Blicke auf sich gerichtet. Mehr als die Konsequenzen dieser Aktion fürchtete sie die übernatürlichen Kräfte, die in ihr zum Vorschein gekommen waren und die Omnikatze getötet hatten. Sie fürchtete nicht die Menschen, die sie umgaben, sondern ihr neues unheimliches selbst, das ihr völlig fremd war.
Plötzlich brach die vor Erstaunen erstarrte Menge in Gebrüll aus. Es dauerte einen Moment bis sie realisierte, dass sie für sie jubelten.
Eine Stimme drang an ihr Ohr.
„Ceres!“ rief Sartes neben ihr. „Bist du verletzt?“
Sie drehte sich zu ihrem Bruder, der ebenso noch auf dem Boden des Stadions lag und öffnete den Mund. Doch kein einziges Wort kam heraus. Sie hatte ihren Atem verbraucht und sie fühlte sich wie benommen. Hatte er gesehen was wirklich geschehen war? Bei den anderen konnte sie sich nicht sicher sein, aber so nah? Es wäre ein Wunder gewesen, wenn er es nicht gesehen hatte.
Ceres hörte Schritte näher kommen und plötzlich griffen zwei starke Hände nach ihr und brachten sie in eine stehende Position.
„Raus mit dir!“ brummte Brennius und schubste sie in Richtung des offenen Tores zu ihrer Linken.
Die tiefen Wunden auf ihrem Rücken schmerzten, doch sie zwang sich zurück in die Gegenwart zu kehren. Sie griff Sartes und half ihm auf die Beine. Den Jubelrufen der Menge entfliehend gingen sie zusammen zügig zum Ausgang.
Schon waren sie in dem dunklen und stickigen Tunnel und Ceres sah, wie dort Dutzende von Kampfherren auf ihren Einsatz in der Arena und ein paar Momente des Ruhms warteten. Einige saßen in tiefer Meditation auf Bänken, andere strafften ihre Muskeln, indem sie ihre Unterarme pumpend hoch- und niederfahren ließen, wieder andere bereiteten ihre Waffen für das bevorstehende Blutbad vor. Doch beim Anblick von Ceres blickten sie auf und starrten sie neugierig an, denn sie alle waren Zeugen des letzten Kampfes gewesen.
Ceres eilte weiter die unterirdischen Korridore entlang. An den Seiten hingen Fackeln, sie gaben den grauen Steinen einen warmen Schirmer. Außerdem lehnten alle möglichen Sorten Waffen an den Wänden. Sie versuchte den Schmerzen in ihrem Rücken keine Beachtung zu schenken, doch das war nicht ganz einfach, denn mit jedem Schritt den sie tat, scheuerte das raue Material ihres Kleides über die offenen Wunden. Die Klauen der Omnikatze hatten sich wie Dolche in ihren Rücken gebohrt. Jeder der Einschnitte klaffte nun pochend unter ihrer Kleidung und so waren die Schmerzen fast noch schlimmer als zuvor.
„Dein Rücken blutet“, sagte Sartes mit einem Zittern in der Stimme.
„Mir geht es gut. Wir müssen Nesos und Rexus finden. Wie geht es deinem Arm?“
„Er tut weh.“
Als sie den Ausgang erreicht hatten, schwang die Tür auf und gab den Blick auf zwei Reichssoldaten frei.
„Sartes!“
Noch bevor sie reagieren konnte, ergriff der eine Soldat ihren Bruder und der andere sie selbst. Es war zwecklos sich zu wehren. Der zweite Soldat warf sie wie einen Getreidesack über seine Schulter und trug sie fort. Sie fürchtete verhaftet worden zu sein und schlug auf seinen Rücken ein, doch es brachte nichts.
Nachdem sie aus dem Stadion getragen worden waren, warf er sie auf den Boden. Sartes landete gleich neben ihr. Ein paar Schaulustige stellten sich gaffend im Halbkreis um sie auf, so als würden sie begierig auf den Beginn eines Blutbades warten.
„Solltet ihr jemals wieder das Stadion betreten“, knurrte der Soldat, „werdet ihr gehängt werden.“
Die Soldaten machten zu Ceres’ Überraschung kehrt und verschwanden ohne ein weiteres Wort in der Menge.
„Ceres!“ rief eine tiefe Stimme über das Dröhnen der Menge hinweg.
Ceres blickte auf und sah voller Erleichterung Nesos und Rexus auf sie zukommen. Rexus’ feste Umarmung verschlug ihr für einen Moment den Atem. Er löste sich aus der Umarmung und blickte sie voller Sorge an.
„Mir geht es gut“, sagte sie schlicht.
Als die Menschenmassen aus dem Stadion drängten, mischten sich Ceres und die Anderen unter sie und eilten entschlossen weiteren Zwischenfällen aus dem Weg zu gehen zurück auf die Straße. Auf dem Weg zum Quellplatz spielte Ceres das Geschehene nochmals in ihrem Kopf durch. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Sie bemerkte die Blicke ihrer Brüder auf dem Gehweg und fragte sich, was sie wohl gerade dachten. Hatten sie gesehen was sie gesehen hatte? Wahrscheinlich nicht. Die Omnikatze musste ihnen die Sicht versperrt haben. Doch hatte sie in ihren Blicken auch einen neu gewonnenen Respekt entdeckt. Sie wollte nichts sehnlicher, als ihnen zu erzählen, was passiert war. Doch sie wusste, dass das nicht möglich war. Sie selbst war sich nicht einmal sicher.
Es gab so viel Unausgesprochenes zwischen ihnen, doch hier inmitten der dichten Menge war wahrlich nicht der richtige Zeitpunkt diese Dinge anzusprechen. Sie mussten erst einmal sicher nach Hause gelangen.
Je weiter sie sich vom Stadion entfernten desto lichter wurde die Menge. Rexus, der neben ihr lief, nahm eine ihrer Hände und verschränkte ihre Finger.
„Ich bin stolz auf dich“, sagte er. „Du hast das Leben deines Bruders gerettet. Ich glaube, dass es nicht viele Schwestern gibt, die das tun würden.“
Er lächelte, in seinen Augen spiegelte sich Mitgefühl.
„Die Wunden scheinen wirklich tief zu sein“, bemerkte er auf ihren Rücken blickend.
„Das wird schon wieder“, murmelte sie.
Das war eine Lüge. Sie war sich keineswegs sicher, dass alles gut würde oder dass sie es überhaupt nach Hause schaffen würde. Sie hatte viel Blut verloren und fühlte sich schwindlig. Dass ihr Magen knurrte und ihr Rücken noch mehr litt, weil sie wie verrückt schwitzte, machte es nicht besser.
Schließlich erreichten sie den Quellplatz. Sobald sie an den Ständen vorbeikamen, bot ihnen ein Händler einen großen Korb voller Essen zum halben Preis an.
Sartes grinste von einem Ohr zum anderen und Ceres wunderte sich warum. Dann hielt er mit seinem gesunden Arm eine Kupfermünze in die Höhe.
„Ich glaube, ich schulde dir etwas zu essen“, sagte er.
Ceres schnappte nach Luft. „Woher hast du das?“
„Das reiche Mädchen in dem goldenen Wagen hat vorhin zwei Münzen unters Volk geworfen, nicht nur eine, aber alle waren so sehr durch den Kampf zwischen den Männern abgelenkt, dass sie es gar nicht bemerkt haben“, antwortete Sartes mit unverändert breitem Grinsen.
Ceres wurde wütend und wollte die Münze konfiszieren und wegwerfen. Schließlich was es immer noch Blutgeld. Sie brauchten das Geld der Reichen nicht.
Gerade als sie ihre Hand ausstreckte und nach der Münze greifen wollte, tauchte eine alte Frau auf und stellte sich zwischen sie.
„Du!“ sagte sie und deutete dabei auf Ceres. Ihre Stimme war so laut, dass Ceres das Gefühl hatte sie würde ihren Körper in Schwingungen versetzen.
Die Haut der Frau war weich und scheinbar durchsichtig. Ihre perfekt geformten Lippen waren grün gefärbt. Eicheln und Moos schmückten ihre langen, dicken, schwarzen Haare und das Braun ihrer Augen stimmte mit dem ihres Kleides überein. Sie ist schön anzusehen, dachte Ceres und war für einen Moment in ihren Bann gezogen.
Ceres blinzelte verdattert zurück, denn sie war sich sicher, dass sie diese Frau noch nie zuvor gesehen hatte.
„Woher kennst du meinen Namen?“
Sie hielt ihrem Blick stand als sie noch ein paar Schritte näher an sie herantrat. Ceres bemerkte, dass sie stark nach Myrre roch.
„Von der Art der Sterne“, sagte sie in ihrer schaurigen Stimme.
Als die Frau in einer graziösen Geste ihren Arm hob, erblickte Ceres eine Triqueta, die auf die Innenseite ihres Handgelenks eingebrannt worden war. Eine Hexe. So wie sie roch war sie aller Wahrscheinlichkeit nach eine Wahrsagerin.
Die Frau nahm ein Büschel von Ceres’ rosig goldenem Haar in die Hand und roch daran.
„Dir ist das Schwert nicht fremd“, sagte sie. „Dir ist der Thron nicht fremd. Das Schicksal hat dich auserwählt. Der Wandel wird groß und mächtig sein.“
Die Frau drehte sich plötzlich um und eilte davon. Sie verschwand hinter einem der Stände. Ceres stand wie versteinert da. Sie fühlte wie die Worte der Frau in ihre Seele drangen. Sie spürt, dass sie mehr gewesen waren als das Ergebnis bloßer Beobachtung; sie waren eine Prophezeiung gewesen. Mächtig. Wandel. Thron. Schicksal. Diese Worte waren ihr in Bezug auf sich selbst fremd.
Konnten sie wahr sein? Oder waren sie nichts als die Worte einer Verrückten?
Ceres blickte zu Sartes hinüber, der einen Essenskorb in den Armen hielt und sich seinen Mund bereits mit allerlei Brot vollgestopft hatte. Er hielt ihr den Korb entgegen. Sie sah die Backwaren, das Obst und Gemüse und sie wäre beinahe schwach geworden. Normalerweise hätte sie keine Sekunde gezögert.
Aber gerade hatte sie aus irgendwelchen Gründen ihren Appetit verloren.
Sie hatte eine Zukunft.
Ein Schicksal.
*
Der Weg nach Hause hatte fast eine Stunde länger als normal gedauert und alle hatten sie in Gedanken verloren unterwegs geschwiegen. Ceres konnte nur ahnen, was diejenigen die sie in dieser Welt am meisten liebte von ihr dachten. Sie wusste schließlich kaum, was sie selbst von sich halten sollte.
Sie blickte auf und sah ihr bescheidenes Zuhause. Sie war überrascht, dass sie es trotz der Kopf- und Rückenschmerzen bis hierher geschafft hatte.
Die Anderen waren bereits vorher abgebogen um für ihren Vater noch einige Besorgungen zu machen. So trat Ceres alleine über die krächzende Schwelle. Angespannt hoffe sie nicht ihrer Mutter über den Weg zu laufen.
Hitze schlug ihr entgegen. Sie lief durch den Raum und griff nach dem Fläschchen Alkohol, das ihre Mutter unter dem Bett aufbewahrte und entkorkte es. Sie achtete darauf nur soviel zu benutzen, dass es nicht auffiel. Sie hielt die Luft an als der bissige Geruch ihr in die Nase stieg, dann zog sie ihr Hemd hoch und goss den Alkohol über ihren Rücken.
Ceres schrie vor Schmerzen, die Klauen der Omnikatze brannten wie tausend Stiche und sie ballte ihre Hände zu Fäusten und lehnte ihre Stirn gegen die Wand. Es fühlte sich so an als würden die Wunden niemals heilen.
Die Tür wurde aufgerissen und Ceres zuckte zusammen. Erleichtert erkannte sie, dass es nur Sartes war.
„Vater will dich sehen Ceres“, sagte er.
Ceres sah, dass seine Augen leicht gerötet waren.
„Wie geht es deinem Arm?“ fragte sie, da sie annahm, dass er des verletzten Armes und der Schmerzen wegen geweint hatte.
„Er ist nicht gebrochen, nur verstaucht.“ Er trat näher und sein Gesicht wurde ernst. „Danke, dass du mich heute gerettet hast.“
Sie antwortete mit einem Lächeln. „Wie hätte ich das nicht tun können?“ sagte sie.
Er grinste.
„Geh jetzt zu Vater“, sagte er. „Ich werde dein Kleid und den anderen Stoff verbrennen.“
Sie hatte keine Ahnung wie sie ihrer Mutter erklären sollte, dass ihr Kleid plötzlich verschwunden war, aber das Erbstück musste definitiv verbrannt werden. Wenn ihre Mutter es so fände – durchlöchert und mit Blut besprenkelt – dann würde ihr eine kaum vorzustellende Strafe drohen.
Ceres verließ das Haus und wanderte über das niedergetretene Gras in Richtung der Hütte, die hinter dem Haus lag. Nur ein Baum war ihnen auf ihrem bescheidenen Grundstück geblieben. Die anderen waren in Feuerholz verwandelt und im Herd verbrannt worden um das Haus während der kalten Winternächte warm zu halten. Die Äste des Baumes schwebten wie eine schützende Hand über dem Haus. Jedes Mal wenn Ceres sie sah, musste sie an ihre im letzten Jahr verstorbene Großmutter denken. Es war ihre Großmutter gewesen, die diesen Baum gepflanzt hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Er war für sie und auch ihren wie ein Tempel gewesen. Wenn ihnen das Leben zu viel wurde, legten sie sich unter den Sternenhimmel und ihre Herzen würden zu Nana sprechen, als wäre sie noch immer am Leben.
Ceres betrat die Hütte und begrüßte ihren Vater mit einem Lächeln. Zu ihrer Überraschung war fast alles Werkzeug von dem Arbeitstisch verschwunden, kein Schwert wartete neben dem Herd darauf geschmiedet zu werden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie den Boden das letzte Mal so sauber gesehen hatte oder die Wände und Zimmerdecke bedeckt von so wenigen Werkzeugen.
Die blauen Augen ihres Vaters leuchteten auf, so wie sie es immer taten, wenn er sie sah.
„Ceres“, sagte er und stand auf.
Im Laufe des letzten Jahres waren sein schwarzes Haar und sein Bart stark ergraut, die Tränensäcke unter seinen lieben Augen waren heute doppelt so groß. Früher hatte er eine starke Statur gehabt und war fast so muskelbepackt wie Nesos gewesen; doch in der letzten Zeit hatte Ceres bemerkt, dass er viel Gewicht verloren hatte und seine vormals kerzengerade Haltung war in sich zusammengesackt.
Er ging zu ihr hinüber und legte ihr seine von der schweren Arbeit verhornte Hand auf den Rücken.
„Komm ein Stück mit mir.“
Seine Brust fiel ein wenig zusammen. Er wollte reden und spazieren gehen, das bedeutete, dass er ihr etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.
Seite an Seite bahnten sie sich hinter der Hütte ihren Weg zu einem kleinen Feld. Dunkle Wolken standen nicht fern von ihnen am Himmel. Angenehm warme Luft wehte aus ihrer Richtung. Sie hoffte, dass sie den dringend notwendigen Regen bringen würden um die scheinbar niemals endende Dürre zu beenden. Doch wahrscheinlich waren sie wie so oft zuvor nichts als leere Versprechen lebensnotwendiger Regengüsse.
Die Erde knirschte unter ihren Füßen. Der Boden war trocken, die Pflanzen gelb, braun und tot. Dieses Fleckchen Land hinter ihrem kleinen Anwesen gehörte König Claudius, doch es war schon seit Jahren nicht bestellt worden.
Sie erklommen einen Hügel, blieben stehen und blickten über das Feld. Ihr Vater war stumm geblieben. Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und blickte in den Himmel. Das war ungewöhnlich für ihn und eine dunkle Vorahnung beschlich sie.
Dann begann er seine Worte mit Bedacht wählend zu sprechen.
„Manchmal ist es uns nicht vergönnt den Weg den wir gehen müssen zu wählen“, sagte er. „Wir müssen alles für diejenigen die wir lieben aufgeben. Uns selbst, wenn nötig, miteingeschlossen.“
Er seufzte und in der langen Stille, die nur vom Wind unterbrochen wurde, pochte Ceres’ Herz und fragte sich, was er damit meinte.
„Ich würde viel dafür geben, dir deine Kindheit nicht jetzt schon rauben zu müssen“, fügte er hinzu und blickte suchend in den Himmel, sein Gesicht war für einen Moment schmerzverzerrt.
„Was ist los?“ fragte Ceres und legte eine Hand auf seinen Arm.
„Ich muss euch für eine gewisse Zeit verlassen“, sagte er.
Ihr Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und es fiel ihr schwer zu atmen.
„Verlassen?“
Er drehte sich zu ihr und schaute ihr in die Augen.
„Du weißt, dass der Winter und Frühling dieses Jahres besonders hart gewesen sind. Die letzten Jahre der Dürre waren schwer. Wir haben nicht genug Geld zur Seite legen können um über den Winter zu kommen und wenn ich jetzt nicht gehe, wird unsere Familie verhungern. Ich habe einen Auftrag von einem anderen König erhalten. Ich werde als sein Hauptklingenschmied angestellt werden und gutes Geld verdienen.“
„Du wirst mich mitnehmen, nicht wahr?“ sagte Ceres mit einem wilden Unterton in der Stimme.
Er schüttelte düster den Kopf.
„Du musst hier bleiben und deiner Mutter und deinen Brüdern helfen.“
Beim Gedanken daran überkam sie eine Welle des Horrors.
„Du kannst mich nicht allein mit Mutter hier lassen“, sagte sie. „Das würdest du nicht tun.“
„Ich habe mit ihr darüber gesprochen und sie wird sich um dich kümmern. Sie wird gut zu dir sein.“
Ceres stampfte mit dem Fuß auf. Staub flog auf.
„Nein!“
Tränen traten in ihre Augen und kullerten ihre Wangen hinab.
Er trat einen kleinen Schritt auf sie zu.
„Hör mir genau zu, Ceres. Der Palast braucht nach wie vor gelegentlich einige Schwerter. Ich habe ein gutes Wort für dich eingelegt und wenn du die Schwerter so anfertigst wie ich es dir beigebracht habe, dann kannst du dir ein kleines Zubrot verdienen.“
Ihr eigenes Geld zu verdienen, würde ihr mehr Freiheit geben. Ihre kleinen und zierlichen Hände hatten sich als geschickt darin erwiesen aufwendige Muster und Inschriften in die Klingen und Schwertgriffe zu hauen. Die Hände ihres Vaters waren grob, seine Finger dick und breit und es gab nicht viele andere, die diese Fähigkeit vorweisen konnten.
Dennoch schüttelte sie den Kopf.
„Ich will keine Schmiedin werden“, sagte sie.
„Es liegt dir im Blut Ceres. Und du bist talentiert.“
Sie schüttelte entschlossen den Kopf.
„Ich will die Waffen benutzen“, sagte sie, „nicht machen.“
Sobald diese Worte ihren Mund verlassen hatten, bereute sie es sie ausgesprochen zu haben.
Ihr Vater legte seine Stirn in Falten.
„Willst du ein Krieger werden? Ein Kampfherr?“
Er schüttelte den Kopf.
„Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass es eines Tages auch Frauen gestattet sein wird zu kämpfen“, sagte sie. „Du weißt, dass ich trainiert habe.“
Seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen.
„Nein“, sagte er bestimmt. „Das ist nicht der Weg, den du einschlagen wirst.“
Der Mut verließ sie. Ihre Hoffnungen und Träumen schienen sich mit seinen Worten zu verflüchtigen. Sie wusste, dass er versuchte es ihr nicht zu schwer zu machen – das tat er immer. Das war eben die Realität. Und um sie am Leben zu halten, musste sie ihren Teil eben beisteuern.
Sie blickte in die Ferne und der Himmel leuchtete im Schein des ersten Blitzes auf. Drei Sekunden später rollte der Donner zu ihnen hinüber.
Hatte sie nicht erkannt wie schlimm es um sie stand? Sie war stets davon ausgegangen, dass sie es gemeinsam schaffen würden, wenn sie als Familie zusammenhielten. Aber das änderte nun alles. Jetzt würde Vater sie nicht mehr in Schutz nehmen können und es gab keine andere Person, die sich zwischen sie und Mutter hätte stellen können.
Eine Träne nach der anderen tropfte auf die ausgedörrte Erde während sie unbeweglich dort stand. Sollte sie ihre Träume aufgeben und dem Rat ihres Vaters folgen?
Er zog etwas hinter seinem Rücken hervor und ihre Augen wurden beim Anblick des Schwertes in seiner Hand groß. Er trat näher an sie heran und sie konnte die Details der Waffe sehen.
Sie war voller Ehrfurcht. Der Schwertgriff, in den eine Schlange eingraviert worden war, bestand aus purem Gold. Sie Klinge war zweischneidig und schien aus dem besten Stahl zu sein. Auch wenn die Herkunft dieses Meisterstücks ihr nicht bekannt war, wusste Ceres sofort, dass es sich dabei um die beste Qualität handelte. Auf der Klinge stand eine Inschrift.
Wo Herz und Schwert sich treffen, da ist Sieg.
Sie hielt den Atem an und starrte es voller Ehrfurcht an.
„Hast du das geschmiedet?“ fragte sie ihre Augen auf das Schwert geheftet.
Er nickte.
„Nach der Art der Nordmänner“, antwortete er. „Ich habe drei Jahre daran gearbeitet. Der Verkauf der Klinge allein könnte unsere Familie ein ganzes Jahr lang ernähren.“
Sie sah ihn an.
„Warum verkaufst du es dann nicht?“
Er schüttelte heftig den Kopf.
„Dafür ist es nicht gemacht worden.“
Er trat noch näher heran und zu ihrer Überraschung streckte er es ihr entgegen.
„Es wurde für dich gemacht.“
Ceres hob eine Hand zum Mund und stieß einen kleinen Schrei aus.
„Für mich?“, fragte sie verwundert.
Er grinste jetzt breit.
„Hast du wirklich geglaubt, ich hätte deinen achtzehnten Geburtstag vergessen?“ antwortete er.
Sie fühlte Tränen in ihre Augen treten. Sie war noch nie so gerührt gewesen.
Aber dann musste sie daran denken, was er zuvor gesagt hatte, dass er nicht wollte, dass sie kämpfte und sie war verwirrt.
„Aber du hast doch gesagt, dass ich nicht trainieren darf“, antwortete sie.
„Ich will nicht, dass du dich dabei in den Tod stürzt“, erklärte er. „Aber ich sehe doch wofür dein Herz wirklich schlägt. Und daran kann ich nichts ändern.“
Er legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf bis sich ihre Augen trafen.
„Deshalb bin ich stolz auf dich.“
Er übergab ihr das Schwert und in dem Moment als sie das kühle Metall auf ihrer Handinnenfläche spürte wurde sie eins mit ihm. Das Gewicht war geradezu perfekt für sie und der Griff schmiegte sich in ihre Hand als wäre er für sie gemacht.
All die Hoffnung die sie zuvor geglaubt hatte verloren zu haben, erwachte nun erneut in ihrer Brust.
„Erzähl deiner Mutter nichts davon“, warnte er sie. „Verstecke es an einem Ort, an dem sie es nicht finden kann, sonst wird sie es verkaufen.“
Ceres nickte.
„Wie lange wirst du fort sein?“
„Ich werde versuchen für einen Besuch noch vor dem ersten Schneefall zurückzukommen.“
„Das sind noch Monate bis dahin!“ sagte sie und tat einen Schritt zurück.
„Mir bleibt nichts anderes übrig –“
„Nein. Verkauf das Schwert und bleib!“
Er legte eine Hand auf ihre Wange.
„Das Schwert zu verkaufen würde uns dieses Jahr über die Runden bringen. Und vielleicht nächstes Jahr. Aber was dann?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Wir brauchen eine Lösung auf Dauer.“
Auf Dauer? Plötzlich realisierte sie, dass diese neue Arbeit ihn ihr nicht nur für ein paar Monate nehmen würde, sondern wahrscheinlich für Jahre.
Ihre Verzweiflung wuchs.
Er trat wieder auf die zu und umarmte sie als würde er ihre Gedanken spüren können.
Sie begann in seinen Armen zu weinen.
„Du wirst mir fehlen Ceres“, sagte er über ihrer Schulter. „Du bist anders als alle Anderen. Jeden Tag werde ich in den Himmel blicken und gewiss sein, dass du unter den selben Sternen wandelst. Wirst du das gleich für mich tun?“
Zuerst wollte sie ihn anschreien und sagen, wie kannst du es wagen, mich hier alleine zu lassen.
Aber ihr Herz hielt sie davon ab und sie wollte es ihm nicht noch schwerer machen als es bereits war.
Eine Träne rollte ihre Wange hinab. Sie schniefte und nickte mit dem Kopf.
„Ich werde jede Nacht unter unserem Baum stehen“, sagte sie.
Er küsste sie auf die Stirn und nahm sie nochmals zärtlich in die Arme. Die Wunden auf ihrem Rücken fühlten sich wie Messer an, doch sie biss die Zähne zusammen und sagte nichts.
„Ich hab dich lieb Ceres.“
Sie wollte ihm antworten, doch sie brachte keinen Ton heraus – die Worte waren ihr im Halse steckengeblieben.
Er holte sein Pferd aus dem Stall und Ceres half ihm dabei Essen, Werkzeug und Material zu verstauen. Er umarmte sie ein letztes Mal und sie glaube, dass ihre Brust vor Traurigkeit zerspringen würde. Noch immer brachte sie kein Wort heraus.
Er stieg auf das Pferd und nickte ihr zu bevor er dem Tier die Sporen gab.
Ceres winkte ihm nach als er davonritt. Sie blickte ihm sehnsüchtig nach bis er hinter einem fernen Hügel verschwand. Die einzig wahrhaftige Liebe die sie jemals empfangen hatte, kam von diesem Mann. Und nun war er fort.
Regen begann vom Himmel zu fallen und prasselte ihr gegen das Gesicht.
„Vater!“ schrie sie so laut sie konnte. „Vater ich hab dich lieb!“
Sie fiel auf die Knie und vergrub das Gesicht schluchzend in ihren Händen.
Sie wusste, dass sich ihr Leben für immer verändert hatte.