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KAPITEL FÜNF

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Kyra stand mitten auf der Brücke, die voller Menschen war, und spürte alle Blicke, die auf sie gerichtet waren und auf ihre Entscheidung über das Schicksal des Ebers warteten. Ihre Wangen brannten; sie war nicht gern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie liebte ihren Vater dafür, dass er ihr Anerkennung gab, und sie war ausgesprochen stolz, besonders dafür, dass er ihr die Entscheidung überließ.

Doch gleichzeitig spürte sie auch die Last der Verantwortung. Sie wusste, welche Entscheidung auch immer sie treffen sollte, das Schicksal ihrer Leute bestimmen würde. So sehr sie die Pandesier auch verabscheute, sie wollte nicht die Verantwortung dafür tragen, ihr Volk in einen Krieg zu stürzen, den es nicht gewinnen konnte. Doch sie wollte auch nicht klein beigeben, um die Männer des Lords zu ermutigen, ihr Volk zu triezen. Sie wollte nicht, dass sie schwach erschienen, besonders nachdem Anvin und die anderen so mutig Widerstand geleistet hatten.

Sie erkannte, dass ihr Vater weise war: indem er die Entscheidung in ihre Hände legte, erweckte er den Eindruck, dass es ihre Entscheidung war und nicht die der Männer des Lords – und das alleine wahrte das Gesicht seiner Leute.

Sie erkannte auch, dass er einen guten Grund gehabt hatte, die Entscheidung in ihre Hände zu legen: er musste gewusst haben, dass die Situation eine Stimme von außen nötig gehabt hatte, um zu gewährleisten, dass niemand das Gesicht verlor. Er hatte sie gewählt, weil sie die einfache Wahl war, und weil er wusste, dass sie keine überstürzten Entscheidungen treffen würde – sie war eine Stimme der Mäßigung. Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr erkannte sie, warum er sie gewählt hatte: nicht um einen Krieg anzuzetteln – dafür hätte er Anvin wählen können – sondern um seinen Leuten einen Krieg zu ersparen.

Sie fällte eine Entscheidung.

„Das Biest ist verflucht“, sagte sie abfällig. „Es hätte beinahe meine Brüder getötet. Es kam aus dem Dornenwald und ist am Vorabend des Wintermondes getötet worden, an einem Tag, an dem wir nicht jagen dürfen. Es war ein Fehler, ihn hierher zu bringen – er hätte in der Wildnis verrotten sollen, dort, wo er hingehört.“

Sie sah die Männer des Lords mit höhnischem Blick an.

„Bringt das Tier zu eurem Lord Regenten“, sagte sie lächelnd. „Ihr tut uns einen Gefallen.“

Die Männer des Lords sahen zwischen ihr und dem Tier hin und her, und ihre Mienen veränderten sich; plötzlich sahen sie aus, als hätten sie etwas Schlechtes gegessen, als wollten sie es nicht mehr.

Kyra sah, wie Anvin und die anderen sie zustimmend und dankbar ansehen – am meisten von allen ihr Vater. Sie hatte es geschafft – sie hatte dafür gesorgt, dass ihr Volk das Gesicht wahren konnte, und hatte ihnen einen Krieg erspart; noch dazu hatte sie einen ordentlichen Seitenhieb gegen Pandesia ausgeteilt.

Ihre Brüder ließen das Wildschwein fallen und es landete mit einem dumpfen Schlag im Schnee. Mit offensichtlich schmerzenden Schultern traten demütig sie einen Schritt zurück.

Die Blicke fielen nun auf die Männer des Lords, die unentschlossen dastanden und nicht wussten, was sie tun sollten. Kyras Worte hatten sie tief getroffen; nun sahen sie das Tier an, als wäre es etwas Böses, das aus den Eingeweiden der Erde gekrochen war. Jetzt, wo es ihnen gehörte, wollten sie es offensichtlich nicht mehr haben.

Nach einer langen, angespannten Stille bedeutete ihr Anführer seinen Männern, das Tier aufzuheben, dann drehte e sich mit bitterer Miene um und zog verärgert ab – er wusste, das er überlistet worden war.

Die Menge verstreute sich, die Anspannung löste sich auf und die Erleichterung war deutlich spürbar. Viele der Männer ihres Vaters legten ihr zustimmend die Hände auf die Schultern.

„Gut gemacht“, sagte Anvin beifällig. „Eines Tages wirst du eine gute Herrscherin sein.“

Die Dorfbewohner gingen wieder ihren Arbeiten nach, das bunte Treiben kehrte zurück, und Kyra sah ihren Vater an. Er erwiderte ihren Blick, nur wenige Meter von ihr Entfernt. Vor seinen Männern war er immer reserviert, was sie anging, und auch diesmal war es nicht anders. Seine Miene war unbewegt, doch er nicke kaum merklich – das war seine Art der Zustimmung.

Kyra sah sich um und sah Anvin und Vidar, die ihre Speere fest umklammert hielten, und ihr Herz schlug schneller.

„Kann ich mit euch kommen?“, fragte sie Anvin, denn sie wusste, dass er mit den anderen auf dem Weg zum Trainingsgelände war.

Anvin warf ihrem Vater einen nervösen Blick zu, denn er wusste, dass er es missbilligen würde.

„Der Schnee wird immer dichter“, antwortete Anvin schließlich zögernd, „und es wird schon dunkel.“

„Das hält dich nicht davon ab…“, gab Kyra zurück.

Er grinste sie an.

„Nein, das tut es nicht“, gab er zu.

Anvin warf ihrem Vater einen Blick zu und sie drehte sich um und sah, wie er mit dem Kopf schüttelte, bevor er sich seinerseits umdrehte und zurück nach drinnen ging.

Anvin seufzte.

„Sie bereiten ein großes Festmahl vor“, sagte er. „Du solltest nach drinnen gehen.“

Kyra konnte es riechen, die Luft war schwanger vom Duft des Fleischs, das über dem Feuer röstete, und sie sah ihre Brüder und ein paar Dutzend Dorfbewohner hineingehen, um sich auf die Festlichkeiten vorzubereiten.

Doch Kyra wandte sich um und blickte sehnsüchtig in Richtung der Felder zum Trainingsgelände.

„Ein Mahl kann warten“, sagte sie. „Training nicht. Lass mich mitkommen. Bitte.“

Vidar lächelte und schüttelte den Kopf.

„Du bist sicher, dass du ein Mädchen und kein Krieger bist?“, fragte er.

„Kann ich nicht beides sein?“, antwortete sie.

Anvin seufzte, und schüttelte den Kopf.

„Dein Vater würde mir das Fell über die Ohren ziehen“, sagte er.

Dann, endlich, nickte er.

„Ein nein wirst du ohnehin nicht akzeptieren“, sagte er. „Und du hast mehr Mut als ein guter Teil meiner Männer. Ich schätze, einer mehr schadet nicht.“

*

Kyra rannte über die verschneite Landschaft Anvin, Vidar und einigen anderen Männern ihres Vaters hinterher, Leo wie immer an ihrer Seite. Der Schneefall wurde dichter und es war ihr egal. Sie spürte ein Gefühl der Freiheit, der Ausgelassenheit, wie immer, wenn sie durch das Tor ging, ein niedriger Bogen, der ins Innere der steinernen Mauern führte, die das Trainingsgelände umgaben.

Sie atmete tief durch, als der Himmel aufriss und sie über die sanften Hügel lief, die nun von Schnee bedeckt waren, umgeben von einer weitläufigen Steinmauer – vielleicht eine Vierteilmeile lang und breit. Sie spürte, dass alles so war, wie es sein sollte, als sie die Männer trainieren sah, wie sie auf ihren Pferden umherritten mit ihren Lanzen, mit Bögen auf ferne Ziele schossen und immer besser wurden. Für sie war das das wahre Leben.

Dieses Trainingsgelände war den Männern ihres Vaters vorbehalten; Frauen und Jungen, die noch keine 18 waren, waren hier nicht willkommen – genauso wie alle, die nicht eingeladen waren. Braxton und Brandon warteten jeden Tag ungeduldig auf ihre Einladung, doch Kyra vermutete, dass sie nie eine bekommen würden. Fighter’s Gate, so hieß die Trainingsanlage, war etwas für ehrenhafte schlachterprobte Krieger, nicht für Aufschneider wie ihre Brüder.

Kyra rannte durch die Felder, und fühlte sich glücklicher und lebendiger als an jedem anderen Ort. Die Energie war intensiv, da Dutzende der besten Krieger ihres Vaters umherritten; jeder von ihnen trug ein leicht andere Rüstungen, Krieger aus allen Regionen Escalons, die alle mit der Zeit zum Fort ihres Vaters gekommen waren. Da waren Männer aus dem Süden, aus Thebus und Leptis; aus den Midlands, meist aus der Hauptstadt, Andros, doch manche auch aus den Bergen von Kos; Leute aus dem Westen aus Ur; Flussmänner aus Thusis und ihre Nachbarn aus Ephesus. Da waren Männer, die am Ufer des Ire-Sees gelebt hatten und Männer, die sogar von den Wasserfällen bei Everfall angereist waren. Alle trugen unterschiedliche Farben, Rüstungen, Waffen. Alle waren sie Männer aus Escalon, doch jeder von ihnen vertrat seine eigene Festung – es war eine unglaubliche Vielfalt an Macht.

Ihr Vater, der Recke des ehemaligen Königs, ein Mann, der großen Respekt verlangte, war der einzige Mann in diesen Zeiten, in diesem zerbrochenen Königreich, um den sich die Männer sammeln konnten. Als der alte König das Königreich kampflos aufgegeben hatte, war es ihr Vater gewesen, den die Menschen gedrängt hatten, den Thron zu besteigen und den Kampf zu führen. Mit der Zeit waren die besten Krieger des Reiches zu ihm gekommen, und nun, wo seine Macht von Tag zu Tag wuchs, erreichte Volis eine Stärke, die es beinahe mit der Hauptstadt aufnehmen konnte. Vielleicht war das der Grund, warum die Männer des Lords sie nur zu gerne demütigten.

Nirgendwo sonst in Escalon ließen die Lord Regenten von Pandesia es nicht zu, dass die Ritter sich versammelten, aus Angst vor einem Aufstand. Doch hier, in Volis, war es anders. Hier hatten sie keine andere Wahl: sie brauchten die besten Männer, um die Flammen zu schützen.

Kyra drehte sich um und ließ den Blick schweifen, über die Mauern und die weißen Hügel hinweg. In der Ferne, selbst durch den dichten Schnee, konnte sie das sanfte Leuchten der Flammen sehen. Die Wand aus Feuer, die die östliche Grenze von Escalon beschützte, die Flammen, war gut 15 Meter breit und gut 100 Meter hoch, und brannte so hell wie immer. Über eine Strecke von fast 50 Meilen erstreckte sie sich und war das einzige, was zwischen Escalon und dem Volk der wilden Trolle im Osten stand.

Und trotzdem gelang es jedes Jahr genug Trollen, sie zu überwinden, und Chaos und Zerstörung zu verbreiten, und wenn die Hüter nicht wären, die tapferen Männer ihres Vaters, die die Flammen warteten, wäre Escalon schon lange von den Trollen unterworfen worden. Die Trolle, die sich vor dem Wasser fürchteten, konnten Escalon nur zu Land angreifen, und die Flammen waren das einzige, was sie zurückhielt. Die Hüter standen Wache und Patrouillierten – kurz, Pandesia brauchte sie. Auch andere waren an den Flammen stationiert - Wehrpflichtige, Sklaven und Verbrecher – doch die Männer ihres Vaters, die Hüter, waren die einzigen wirklichen Krieger hier und die einzigen die wussten, wie man die Flammen wartete.

Im Gegenzug erlaubte Pandesia Volis und den Männern dort viele kleine Freiheiten, wie dieses Trainingsgelände hier und echte Waffen – ein kleiner Geschmack der Freiheit, der ihnen immer noch das Gefühl gab, echte Krieger zu sein, selbst wenn es nur eine Illusion war. Sie waren nicht frei, und alles wussten es. Sie lebten in einer heiklen Balance zwischen Freiheit und Dienst, die keiner von ihnen ertragen konnte.

Doch zumindest hier, in Fighter’s Gate, waren diese Männer frei wie sie es einst gewesen waren, Krieger, die sich messen und trainieren und ihre Fähigkeiten verbessern konnten. Sie repräsentierten die Besten der Besten von Escalon, besser Krieger als Pandesia sie zu bieten hatte, und alle waren Veteranen, was die Flammen anging. Sie leisteten Schichten dort, etwa einen Tagesritt von hier entfernt. Kyra wollte so gerne eine von ihnen werden, sich beweisen, an den Flammen stationiert werden, um gegen echte Trolle zu kämpfen, wenn sie es hindurch schafften, und helfen das Königreich vor einer Invasion zu schützen.

Natürlich wusste sie, dass man ihr das niemals erlauben würde. Sie war zu jung – und sie war ein Mädchen. Es gab keine Frauen unter den Hütern, und selbst wenn es sie gäbe, würde es ihr Vater nie erlauben. Seine Männer hatte es amüsiert, als sie vor Jahren anfing, sie zu besuchen, sie hatten sich über die kleine Zuschauerin gefreut. Doch nachdem die Männer gegangen waren, war sie geblieben und hatte jeden Tag und jede Nacht mit ihren Waffen auf den leeren Feldern trainiert, mit ihren Waffen und ihren Zielen. Zuerst waren sie überrascht gewesen, wenn sie am nächsten Tag zurückgekommen waren und Pfeile in ihren Zielen gefunden hatten – mitten im Zentrum. Doch mit der Zeit hatten sie sich daran gewöhnt.

Kyra hatte angefangen, sich ihren Respekt zu verdienen, besonders bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie ihr erlaubt hatten, sich ihnen anzuschließen. Doch jetzt, zwei Jahre später, wusste sie, dass sie Ziele treffen konnte, die für die meisten von ihnen zu schwierig waren – und die bloße Toleranz hatte sich zu etwas anderem gewandelt: Respekt. Natürlich hatte sie nie in einer Schlacht gekämpft wie diese Männer, hatte nie einen Mann getötet, bei den Flammen Wache gestanden, oder war einem Troll in einem Kampf begegnet. Sie konnte auch nicht mit einem Schwert, einer Kriegsaxt oder einer Hellebarde umgehen; sie konnte nicht Ringen wie diese Männer, denn sie besaß nicht annähernd ihre körperliche Stärke, was sie zutiefst bedauerte.

Doch Kyra hatte festgestellt, dass sie ein natürliches Talent für zwei Waffen besaß, die sie beide trotz ihres Geschlechts und ihrer Größe zu einer gefährlichen Gegnerin machten: ihr Bogen und ihr Stab.

Vom Bogen war sie schon immer fasziniert gewesen, ihr Talent mit dem Stab hatte sie vor Monden eher zufällig entdeckt, als sie es nicht geschafft hatte, ein zweihändiges Schwert zu heben. Damals hatten sich die Männer darüber lustig gemacht, und einer hatte ihr eher zum Hohn einen Stab zugeworfen.

„Schau, ob du stattdessen den Stock heben kannst!“, hatte er gelacht. Kyra hatte nie vergessen, wie sehr sie sich damals geschämt hatte.

Zuerst war es ein Witz gewesen, und sie schien den Respekt, den sie sich zuvor verdient hatte, verloren zu haben.

Doch sie hatte den Witz zu einer unerwarteten Waffe der Rache gemacht, einer Waffe, vor der man sich fürchten musste. Eine Waffe, gegen die sich zwischenzeitliche viele der Männer ihres Vaters nicht zu verteidigen wussten.

Kyra war über das leichte Gewicht des Stabes überrascht gewesen, und noch überraschter, als sie ihr natürliches Talent dafür entdeckte. Sie war so schnell, dass sie damit schon Treffer landen konnte, während die Männer noch ihre Schwerter zogen. Mehr als nur einer der Männer, mit denen sie trainiert hatte, war grün und blau gewesen, als er den Kampfplatz verlassen hatte, und Schlag um Schlag hatte sie sich ihren Respekt erkämpft.

Durch endlose Nächte des Trainierens, in denen sie sich die Techniken selbst beigebracht hatte, hatte sie Bewegungen gemeistert, die die Männer überraschten, die keiner von ihnen wirklich nachvollziehen konnte. Sie hatten sich interessiert gezeigt, und sie hatte es ihnen beigebracht. Kyra war der Ansicht, dass ihr Bogen und ihr Stab einander komplimentierten und beide gleich wichtig waren: den Bogen brauchte sie für ferne Ziele, den Stab für den Kampf Mann gegen Mann.

Kyra hatte auch festgestellt, dass sie eine Gabe hatte, die all diesen Männern fehlte: sie war beweglich. Sie war wie ein kleiner Fisch in einem See voller langsamer Haie, und während diese alternden Männer große körperliche Kraft hatten, konnte Kyra regelrecht um sie herumtanzen, in die Luft springen und über sie hinweg, um perfekt abzurollen oder auf den Füssen zu landen. Und wenn sie ihre Beweglichkeit mit ihrem Stab kombinierte, wurde das zu einer tödlichen Kombination.

„Was sucht sie denn hier?“, kam eine schroffe Stimme.

Kyra stand am Rande des Trainingsgeländes neben Anvin und Vidar. Sie hörte Pferde näherkommen und drehte sich um. Maltren und ein paar seiner Kriegerfreunde kamen vom Gelände geritten, schwer atmend, das Schwert noch in der Hand. Ihr Magen zog sich zusammen, als er sie verächtlich ansah. Von allen Männern ihres Vaters, war Maltren der einzige, der sie nicht mochte. Sie kannte den Grund nicht, doch er hatte sie seit ihrer ersten Begegnung gehasst.

Maltren saß auf seinem Pferd und kochte vor Wut; mit seiner flachen Nase und dem hässlichen Gesicht, war er ein Mann, der einfach gerne hasste, und in Kyra schien er ein Ventil gefunden zu haben.

Er war immer gegen ihre Anwesenheit hier gewesen, wohl, weil sie ein Mädchen war.

„Du solltest zurück zur Festung gehen, Mädchen“, sagte er, „und den Frauen und den anderen dummen jungen Dingern bei den Vorbereitungen für das Fest helfen.“

Leo zu ihren Füssen knurrte Maltren an und Kyra legte beruhigend ihre Hand auf seinen Kopf.

„Und warum lasst ihr den Wolf auf das Gelände?“, fügte er hinzu.

Anvin und Vidar sahen Malten mit grimmigem Blick an, und Kyra lächelte ihm entgegen, denn sie wusste, dass sie unter ihrem Schutz stand und sie sie nicht zum Gehen zwingen würden.

„Vielleicht solltest du zurück aufs Trainingsgelände gehen“, gab sie zurück, „Und dich nicht mit der Anwesenheit eines dummen jungen Dings belasten.“

Maltren wurde rot – ihm fiel keine passende Antwort ein. Er drehte sich um, und ritt davon, doch nicht ohne einen Seitenhieb auf sie.

„Wir trainieren heute mit Speeren“, sagte er. „Du hältst dich besser fern wenn echte Männer echte Waffen werfen.“

Damit ritt er mit den anderen davon doch ihre Freude hier zu sein hatte durch seine Gegenwart einen deutlichen Dämpfer erhalten.

Arvin warf ihr einen tröstenden Blick zu und legte ihr die Hand auf die Schulter.

„Die erste Lehrstunde eines Kriegers“, sagte er, „ist mit jenen leben zu lernen, die dich hassen. Ob es dir gefällt oder nicht, werdet ihr Seite an Seite kämpfen, und eure Leben werden voneinander abhängen. Oft sind deine schlimmsten Feinde nicht die, die von außen kommen, sondern die aus deinen eigenen Reihen.

„Und die, die nicht kämpfen können, reißen das Maul auf“, kam eine Stimme.

Kyra drehte sich um und sah Arthfael lächelnd näher kommen, der sich wie immer auf ihre Seite stellte. Wie Anvin und Vidar hatte Arthfael, ein großer wild aussehender Krieger mit kahlem Schädel und langem schwarzen Bart, einen Faible für sie. Er war einer der besten Schwertkämpfer hier, und er setzte sich immer für sie ein. Seine Gegenwart spendete ihr Trost.

„Das ist nur Gerede“, fügte Arthfael hinzu. „Wenn Maltren ein besserer Krieger wäre, würde er sich mehr Sorgen um sich machen, als um andere.“

Anvin, Vidar und Arthfael bestiegen ihre Pferde und ritten davon, während Kyra stehen blieb, und ihnen nachdenklich hinterherblickte. Warum mussten manche Menschen einfach hassen?, fragte sie sich. Sie war sich nicht sicher, ob sie es jemals verstehen würde.

Als sie in weiten Kreisen über das Gelände ritten, studierte Kyra ehrfürchtig ihre großartigen Pferde, und sehnte sich nach dem Tag, an dem sie vielleicht einmal selbst eines haben würde. Sie beobachtete, wie die Männer an den Steinmauern entlang ritten, und wie ihre Pferde dabei manchmal im Schnee ausrutschten. Die Männer nahmen die Speere, die ihnen von ihren dienstbeflissenen Knappen gereicht wurden und warfen sie auf die fernen Ziele: Schilde, die von den Ästen hingen. Wenn sie trafen, konnte man das Metall klirren hören.

Es war schwerer, als es aussah vom Pferd aus zu werfen – das konnte sie sehen – und mehr als einer der Männer verfehlte die Ziele, besonders, wenn sie die kleineren Schilde anvisierten. Von denen, die trafen, trafen nur wenige genau ins Zentrum – unter ihnen Anvin, Vidar, Arthfael und ein paar andere.

Sie bemerkte, dass Maltren ein paarmal daneben warf und leise fluchend zu ihr hinübersah, als wäre es ihre Schuld.

Kyra wollte warm bleiben. Sie zog ihren Stab heraus und begann, ihn zwischen den Händen und über ihrem Kopf herumzuwirbeln, drehte sich im Kreis und ließ ihn tanzen, als wäre er ein lebendiges Wesen. Sie hieb gegen imaginäre Feinde, wehrte ihre Schläge ab, wechselte die Hände; über ihrem Kopf, um hier Taille herumwirbelnd war der Stab wie ein dritter Arm für sie, und sein Holz war glatt von all den Jahren, die sie schon mit ihm trainierte.

Als die Männer um das Gelände herumritten, rannte Kyra zu ihrem einen kleinen Übungsfeld, einem kleinen Bereich des Geländes, das die Männer kaum nutzten. Sie jedoch liebte es.

Rüstungsteile hingen von Seilen in einer Gruppe von Bäumen auf verschiedenen Höhen und Kyra rannte hindurch und tat so, als wäre jedes Teil ein Gegner, den es mit ihrem Stab zu treffen galt. Lautes Klirren und Klappern erfüllte die Luft, während sie durch den Hain rannte, schlug, hieb und ihnen auswich, wenn sie zurückschwangen. In ihrer Vorstellung griff sie an und verteidigte vorzüglich, und besiegte eine ganze Armee imaginärer Feinde.

„Schon jemanden getötet?“, kam eine höhnische Stimme.

Kyra fuhr herum und sah Maltren, der spöttisch lachend auf dem Pferd an ihr vorbeiritt. Sie kochte vor Wut und wünschte sich, dass jemand ihn zurechtwies.

Kyra machte eine Pause, als sie sah wie die Männer von ihren Pferden abstiegen und sich im Kreis aufstellten. Ihre Knappen eilten zu ihnen hinüber und reichten ihnen hölzerne Trainingsschwerter, die aus dickem Holz gemacht waren und beinahe so schwer waren, wie echte Schwerter aus Stahl. Kyra hielt sich am Rande, und ihr Herz schlug schneller als sie zusah, wie diese Männer gegeneinander antraten – mehr denn je wollte sie eine von ihnen werden.

Bevor sie anfingen, trat Anvin in die Mitte und sah sie an.

„An diesem besonderen Tag kämpfen wir um einen besonderen Lohn“, verkündete er. „Der Sieger soll das beste Stück Fleisch beim Festmahl erhalten!“

Aufgeregtes Geschrei erklang als sich die Männer aufeinander stürzten. Das Klappern ihrer hölzernen Schwerter erfüllte die Luft, während sie einander hin und her trieben.

Das Training wurde von Stößen in ein Horn unterbrochen, das jedes Mal erklang, wenn ein Kämpfer „tödlich“ getroffen wurde, und denjenigen an den Rand des Feldes schickte. Das Horn erklang immer wieder, und bald waren immer weniger Männer übrig. Die meisten standen am Rand und sahen zu.

Lyra stand neben ihnen und brannte darauf, mitkämpfen zu dürfen, auch wenn es ihr nicht erlaubt war. Doch diese Nacht läutete ihren Geburtstag ein; sie war jetzt 15 und sie fühlte sich bereit. Sie hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, den Mund aufzumachen.

„Lass mich mitmachen!“, bettelte sie Anvin an, der neben ihr stand.

Anvin schüttelte ohne den Blick vom Kampfgeschehen abzuwenden den Kopf.

„Heute bin ich fünfzehn!“, beharrte sie. „Erlaube mir zu kämpfen!“

Er sah sie skeptisch an.

„Das ist ein Trainingsgelände für Männer“, mischte sich Maltren ein, der ebenfalls bereits am Rand stand. „Nicht für kleine Mädchen. Du kannst bei den Knappen sitzen und zusehen, und uns Wasser bringen, wenn wir durstig sind.“

Kyra wurde rot.

„Hast du etwa solche Angst, von einem Mädchen besiegt zu werden?“, gab sie zurück, und spürte wie die Wut in ihr hochkochte. Sie war schließlich die Tochter ihres Vaters, und niemand durfte sich erdreisten, so mit ihr zu sprechen.

Ein paar der Männer kicherten, und diesmal wurde Maltren rot.

„Sie hat Recht“, mischte Vidar sich ein. „Vielleicht sollten wir sie mitmachen lassen. Was haben wir schon zu verlieren?“

„Und mit was soll sie kämpfen?“, grunzte Maltren.

„Mit meinem Stab!“, rief Kyra. „Mein Stab gegen eure hölzernen Schwerter.“

Maltren lachte.

„Das wäre was!“, sagte er.

Alle Blicke wanderten zu Anvin, der noch immer grübelte.

„Wenn du verletzt wirst, bringt mich dein Vater um“, sagte er.

„Ich werde nicht verletzt!“, bettelte sie.

Er schwieg eine ganze Weile, bis er schließlich seufzte.

„Nun gut. Es kann ja nicht schaden“, sagte er. „Zumindest gibst du dann Ruhe. Solange die Männer keine Einwände haben?“, fügte er hinzu und drehte sich zu den Kriegern um.

„Aye!“, rief etwa ein Dutzend Männer ihres Vaters wie aus einem Mund, alle begeistert von der Idee, dass sie ihre Chance bekommen sollte. Kyra liebte sie dafür, mehr als sie auszudrücken vermochte. In ihrer Bewunderung sah sie dieselbe Liebe, die sie auch ihrem Vater entgegenbrachten. Sie hatte nicht viele Freunde, und diese Männer bedeuteten ihr alles.

Maltren schnaubte.

„Dann lass das Mädchen einen Narren aus sich machen“, sagte er. „Vielleicht begreift sie es dann ja ein für alle Mal.“

Ein Horn erklang, und als der nächste Mann den Kreis verlief, stürmte Kyra hinein. Alle Augen richteten sich auf sie, denn die kämpfenden Männer hatten die Diskussion am Rande nicht mitbekommen und waren überrascht. Sie stand vor ihrem Gegner, einem untersetzten Mann in seinen Dreißigern, ein starker Krieger, den sie schon kannte, als ihr Vater noch am Hof des Königs gewesen war. Sie hatte ihn oft beobachtet, und wusste, dass er ein guter Kämpfer war – doch er war ein wenig zu selbstsicher und stürmte zu Beginn eines jeden Kampfes ein wenig leichtsinnig drauf los.

Er verzog das Gesicht und sah Anvin an.

„Soll das eine Beleidigung sein?“, rief er. „Ich kämpfe nicht gegen Mädchen.“

„Du beleidigst dich selbst, weil du Angst hast, gegen mich zu kämpfen“, antwortete Kyra empört. „Ich habe zwei Arme und zwei Beine, genau wie du. Wenn du nicht gegen mich kämpfen willst, dann gib dich geschlagen!“

Er blinzelte überrascht, und sah sie grimmig an.

„Also gut“, sagte er. „Aber renn nicht heulend zu deinem Vater wenn du verlierst.“

Er stürmte auf sie zu, genau wie sie es erwartet hatte, und riss sein hölzernes Schwert hoch; dann ließ er es in Richtung ihrer Schulter hinuntersausen. Auch diese Bewegung hatte sie erwartet, da er seine Kämpfe immer wieder so begann, außerdem ließ die schwerfällige Bewegung seiner Arme darauf schließen. Sein hölzernes Schwert war zwar eine starke Waffe, doch verglichen mit ihrem Stab war es plump.

Kyra beobachtete ihn genau, wartete bis zum letzten Augenblick, dann trat sie beiseite und ließ den heftigen Schlag neben sich ins Leere laufen. In derselben Bewegung schwang sie ihren Stab herum und schlug ihm auf die Schulter.

Der Aufstand Der Drachen

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