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KAPITEL EINS

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Während um sie herum die Welt zusammenbrach, kniete Königin Aethe neben dem Bett ihres Mannes, und betrachtete seinen allzu regungslosen Körper durch einen Schleier von Tränen. Sie wusste nicht, wie viel Zeit sie dort verbracht hatte, denn sie hatte die Zeit völlig aus den Augen verloren und in ihrer Trauer verschwammen Tag und Nacht miteinander. Sie aß nur, wenn die Diener sie anflehten, sie möge doch essen, und selbst dann schmeckte es nach Asche.

Der Raum, in dem ihr Mann lag, war opulent eingerichtet, mit Wandteppichen und Möbeln aus dem Holz der üppigen Wälder von allen Ecken des Nordreichs. Nichts davon hatte irgendeine Bedeutung mehr, nicht die vergoldeten Kelche, nicht die Seide, nichts davon. Es schien alles grau und tot zu sein, während Godwin unbeweglich auf dem Bett lag.

„Wann wird er aufwachen?“, forderte sie von Medicus Jarran zu wissen, der jedoch nur den Kopf schüttelte und seine pummeligen Finger spreizte.

„Ich habe seine Wunden so gut ich kann behandelt“, sagte der Mann. „Darüber hinaus habe ich keine Antworten, es tut mir leid.“

„Wofür seid Ihr dann gut?“, fragte Königin Aethe zornig. Zorn war das Einzige, das sie derzeit durch ihre Trauer hindurch fühlte, und fühlte sich auch wie das Einzige an, was jetzt helfen würde. „Ihr konntet meiner Tochter nicht helfen. Ihr könnt meinem Mann nicht helfen. Wozu seid Ihr gut? Geht! Geht zurück zur Behandlung von Furunkeln und kleinen Schnittwunden!“

Es war hart, aber in diesem Moment fühlte sich alles hart an. Die Welt war ein unwirtlicher Ort geworden und voller Schatten, die ihr die Kraft entzogen und es ihr schwer machten, überhaupt noch aufrecht zu stehen. Es gab niemanden, der Aethe trösten konnte. Selbst wenn ihr Mann von Dienern und Wachen umgeben war, fühlte sich Aethe so einsam, als wäre sie mitten in einer offenen Ebene gestrandet.

„Warum kann ihm niemand helfen?“, forderte sie und kniete wieder am Bett, aber niemand antwortete. Niemand wagte es. In ihrer Verzweiflung kam ihr ein Gedanke in den Sinn. „Wo ist Meister Grey?“

Das war möglicherweise eine Frage, die ebenfalls keiner von ihnen beantworten konnte. Wer wusste schon, wo der Magier war oder was er gerade tat? Aethe ging zu einem der Fenster des Raumes, selbst das kostete sie Mühe. Sie starrte auf den Turm, der sich an die Burg lehnte, und versuchte, einen Blick auf den Mann zu erhaschen. Natürlich sah sie ihn nicht, niemand saß da und wartete darauf, Godwin zu retten.

Sie blickte über Royalsport hinaus, das sich unter ihr ausbreitete. Es war Flut und die Ströme der Stadt teilten sie jetzt in die verschiedenen Inseln auf, die jeweils einen eigenen Stadtbezirk umfassten. Mauern umschlossen den größten Teil der Stadt, aber ein Teil davon lief über sie hinaus, wie der Bauch eines dicken Mannes, der sich über die Grenzen seines Gürtels hinaus ausdehnte. Die armen Stadtteile drängten sich gegen die Stadtmauern und breiteten sich auf dem Land dahinter aus. Die großen Häuser thronten über den anderen: die klobige Form des Hauses der Kaufleute über dem Markt, die leuchtenden Farben des Hauses der Seufzer über dem Unterhaltungsviertel, das Haus der Gelehrten, dessen gewundene Türme sich erhoben, und das Haus der Waffen, das Rauch ausstieß, während seine Öfen mehr Waffen für die Gewalt herstellten.

Von ihrem Standpunkt aus konnte Aethe die Zeichen dieser Gewalt erkennen, die Ritter und Soldaten, die ihre Lager außerhalb der Stadt aufgebaut hatten, und die Menschenmengen auf den Straßen, unter denen sich mehr Männer der Gewalt als gewöhnlich befanden. Dort befanden sich die Streitkräfte der Adligen neben denen des Königs, denn selbstverständlich hatte jeder Herzog oder Graf seine Soldaten oder Wachen bei sich, die bereit waren, ihre Befehle auszuführen.

Aethe wandte sich ab; sie konnte es nicht länger ertragen, darauf zu schauen. Sie konnte nichts mehr ertragen.

„Wacht auf, Ehemann“, sagte sie leise, kehrte zum Bett zurück und setzte sich darauf. „Euer Königreich braucht Euch.“ Sie beugte sich vor und ihre Lippen strichen über seine Stirn. „Ich brauche Euch.“

Ihr Mann war nicht der Mann, der er einmal gewesen war, und das nicht nur in dem üblichen Sinne. Selbstverständlich war sein Haar mit dem Alter ergraut, hatten einige seiner Muskeln sich in Fett verwandelt. Aethe kannte diese Veränderungen in ihm ebenso gut wie jede Linie und jedes graue Haar, das sich in ihren eigenen Körper eingeschlichen hatte. Nein, es ging darum, wie blass er war, seine Haut war fast so grau wie sein Bart, sein Atem so flach, dass er kaum spürbar war. Es tat weh, ihn so zu sehen.

Gerade jetzt spürte sie wieder den Schmerz und glaubte, sie könnte nicht mehr davon ertragen.

„Wir dürfen Euch nicht verlieren“, sagte Aethe. „Rodry … Eurer Sohn ist tot, Godwin.“ Aethe hatte sich nie sehr für Godwins Söhne interessiert, weil sie sie an seine erste Ehe erinnerten und daran, wie sehr er seine erste Frau geliebt hatte. Aber von ihnen war Rodry der Beste gewesen. Greave war seltsam und besessen von seinen Büchern, während Vars … Aethe schauderte. „Und von meinen Töchtern ist Nerra fort und Erin wirft sich wie ein Mann in die Schlacht.“

Zumindest hatten sie Lenore zurückbekommen. Sie war zurück und sicher und verheiratet. Sie hätte auch gar nicht erst in Gefahr geraten und niemals gefangen genommen worden dürfen. Aethe konnte nur hoffen, dass Lenores Ehe mit Finnal glücklich wäre; Sie vertraute darauf, dass es so wäre, auch wenn ihre Tochter vor der Hochzeit solche Zweifel gehabt hatte.

Dafür müssten sie sich jedoch der Bedrohung durch das Südreich stellen. Aethe hatte immer geglaubt, dass keine Armee das rauschende Wasser des Slate überqueren könnte, aber jetzt hieß es, dass eine Streitmacht aus dem Osten über die Insel Leveros hereinkam.

„Bitte wacht auf“, sagte sie und hielt Godwins Hand. „Ich fürchte mich vor dem, was passieren wird, wenn Ihr es nicht tut.“

„Es gibt nichts zu befürchten“, sagte eine Stimme von der Tür. „Ich habe als Regent alles unter Kontrolle.“

Königin Aethe drehte sich um, als Vars den Raum betrat.

Es war schwer auszudrücken, wie der Sohn ihres Mannes nicht wie ein König aussah. Er trug einen goldenen Reif, aber er war kleiner als ihr Ehemann, wirkte viel schwächer, sein Haar war stumpf, von unattraktivem Braun und seine Gesichtszüge durchschnittlich. Er trug kostbare Kleidung, aber Aethe konnte Weinflecken darauf erkennen. Darüber hinaus hatte Vars etwas an sich, das sie einfach nie gemocht hatte. Godwin hätte sicherlich nie gewollt, dass er an seiner Stelle regierte.

„Wie ist es zu all dem gekommen?“, fragte Aethe und glaubte, dass Vars ihren Kummer teilen musste, auch wenn sie sonst so wenig gemeinsam hatten. „Wie konnte meine Tochter vom Süden entführt werden, dein Bruder getötet? Wie konnte dein Vater gerade in dem Moment fallen, in dem das südliche Königreich uns angreift?“

Das war der Teil, der Aethes Trauer noch schlimmer machte. Es wäre schlimm genug gewesen, wenn allein ihr Mann im Kampf gefallen wäre. Doch das so viele Dinge fast gleichzeitig geschehen waren, war einfach zu viel. Es fühlte sich an, als hätte es alles, was sie hatte, zerstört und nichts zurückgelassen. Als sie es aussprach, schien es auch Vars zu treffen, fast wie ein Schlag.

„Es ist unmöglich, diese Dinge einzuschätzen“, sagte Vars. Zu Aethes Überraschung stellte er sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Ich vermute, dass all dies vom Königreich im Süden geplant wurde. Ja, ich bin sicher, wenn irgendjemand Schuld an all dem trägt, müssen sie es sein.“

„Ich glaube, dass es ihre Schuld ist“, sagte Aethe und spürte, wie der Zorn hell in ihr brannte, wie eine Flamme, die die Macht hatte, sie völlig zu verzehren, wenn sie es zuließ. „Nach allem, was sie getan haben, würde ich liebend gern zusehen, wie sie alle ausgelöscht werden, wenn ich könnte!“

„Wir haben allen Grund, sie zu hassen“, sagte Vars.

„Sie haben deinen Bruder getötet, deine Schwester entführt …“

„Ja“, sagte Vars. „Zumindest ist sie jetzt mit Finnal verheiratet.“

„Das ist sie“, sagte Aethe, und das gab ihr etwas Erleichterung. Sie wusste, dass Lenore vor der Hochzeit Bedenken hatte, aber sie war sich sicher, dass ihre Tochter bald glücklich sein würde. „Und Godwin …“

„Wir werden alles tun, um zu helfen“, sagte Vars. „Alles was nötig sein wird.“

„Kannst du … kannst du Meister Grey finden?“, fragte sie. „Der Medicus unternimmt nichts, also vielleicht …“

„Ich werde veranlassen, dass nach ihm geschickt wird“, sagte Vars. „Und in der Zwischenzeit werde ich dafür sorgen, dass hier alles reibungslos laufen wird.“

„Ich werde dabei helfen“, sagte Aethe. „Was auch immer du brauchst. Wir werden das Königreich zusammen beschützen. Für Godwin.“

Sie konnte fühlen, wie die Tränen fielen, fühlte, wie sie selbst fast in ihrem unendlichen Kummer zusammenfiel.

„Das wird nicht nötig sein“, sagte Vars.

„Aber Vars …“ begann Aethe. Sie musste irgendwie helfen können, damit sie sich nützlich und als Teil des Ganzen fühlen könnte.

„Die Frau meines Vaters ist eindeutig verstört“, sagte Vars und wandte sich an zwei Wachen. Er nannte sie nicht die Königin, bemerkte Aethe. „Sie muss sich ausruhen. Bringt sie in ihre Zimmer und sorgt dafür, dass sie nicht gestört wird.“

„Wie bitte?“, fragte Aethe. „Ich muss nirgendwo hingehen.“

„Doch, das müsst Ihr“, beharrte Vars. „Ihr seid müde, Ihr seid verstört. Geht Euch ausruhen. Es ist zu Eurem Besten.“

Das Problem war, dass sie umso mehr den Eindruck vermittelte, sie sei nichts anderes als die verwirrte, trauernde Frau, je mehr sie protestierte. Die Wachen näherten sich ihr und nahmen sie bei den Armen. Sie entwand sich ihrem Griff, entschlossen, allein  zu gehen, aber sie konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihr über das Gesicht liefen. Sie starrte zurück zu Vars, der über ihrem Ehemann thronte. Wie konnte dies geschehen?

Und was noch wichtiger war, welche Katastrophe bedeutete dies für das Königreich?

Von Drachen Geboren

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