Читать книгу Die Konkubine - Morris L. West - Страница 5

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Abends um acht Uhr desselben Tages packte McCreary seine Segeltuchtasche, bezahlte seine Rechnung beim Portier und trat hinaus in die warme Dunkelheit.

Die Sterne hingen niedrig an einem samtenen Himmel, und die Lichter der Stadt breiteten sich zu seinen Füßen aus – fünfzehn Kilometer weit: hell um die Neustadt herum, spärlicher in den Bungalowsiedlungen, wo inmitten üppiger Vegetation die reichen Chinesen lebten, gelb und grell in den Kampongs, weit verstreut und schimmernd im Fischerviertel jenseits des Hafens von Tanjung Periuk.

Selbst hier oben stieg ihm noch der Geruch der Stadt in die Nase, obwohl er weit entfernt war von dem fieberverseuchten Schwemmland und den grachtenähnlichen Kanälen der Altstadt, wo es von braunhäutigen Javanern wimmelte, die handelten, feilschten und ihre Abfälle in die träge dahinfließenden Wasserläufe entleerten. Ein eigentümlicher, exotischer Geruch war das, eine Mischung aus Gewürzen und verwesenden Pflanzen, trocknendem Fisch und Sumpfwasser sowie den Ausdünstungen von zwei Millionen Menschen, die in der lauen Luft schwitzten. Er bedrängte die Nasenschleimhäute, reizte den Gaumen und setzte sich in den Kleidern fest. Abschütteln konnte man ihn nie. Und wenn man Djakarta verließ, erinnerte man sich noch lange an diesen unangenehmen Geruch.

McCreary stellte die Tasche auf den Boden und lehnte sich einen Augenblick gegen den Stamm eines riesigen Banyanbaums, um sich eine Zigarette anzuzünden. Die Flamme seines Feuerzeugs war noch nicht erloschen, da kamen mit hektischem Geklingel schon drei Fahrradrikschas herbeigeschossen. Die Fahrer sprangen herunter, zerrten ihn am Ärmel und priesen in papageienhafter Sprache die Schnelligkeit und Sauberkeit ihrer Gefährte. McCreary grinste, schob sie beiseite und lud sein Gepäck auf den Sitz dessen, der als erster herangekommen war. Der Fahrer lachte, verhöhnte seine Rivalen mit einer anzüglichen Bemerkung und einer noch obszöneren Gebärde, und gleich darauf rasten sie die Straße hinunter: die Federung wippte, die Klingel schellte, und die Luft sauste in den Gummischnüren, die unter dem Sitz gespannt waren.

In der Neustadt war der Verkehr ruhig. McCreary lehnte sich zurück und ließ sich den Wind ins Gesicht wehen. Die mageren Beine des Fahrers traten kräftig in die Pedale, und er sang, rief, gluckste und klingelte bei jeder Kreuzung und jedem vorüberfahrenden Auto.

Sonderbare Menschen, dachte McCreary, eigenartig wie die Iren: Sie sind schlicht und höflich, lieben Farben und Musik. Sie haben einen Gang wie Ballettänzer und sprechen wie Dichter. Trotzdem gärt ständig ein kleines bißchen Hefe in ihren braunen Schädeln, und wie die Iren neigen sie dazu, wegen Schnaps oder Liebe oder der einfachsten Frustrationen, die das Leben mit sich bringt, durchzudrehen. »Amok laufen«, nennen sie das – und wenn ein Mann mit einer Axt oder einem geschwungenen Kris Amok läuft, wird er rasch in einer dunklen Ecke oder in einer Polizeizelle umgebracht, denn es besteht keine Hoffnung mehr für ihn.

Als sie in die Altstadt gelangten, kamen sie nicht mehr so rasch voran. Die Häuser der alten holländischen Kolonialherren lagen weit von der Straße ab zwischen den Bäumen, doch jetzt schliefen vier javanische Familien in jedem Raum, und die parkähnlichen Gärten waren von Bambushütten verunziert, aus denen sich das Leben in die nahegelegenen Straßen ergoß: balgende Kinder, Händler, die ihre Waren auf flachen Körben feilboten, pickende, scharrende Hühner und Händler mit Körben voll Sojamehl und gekochtem Reis, getrocknetem Fisch und scharfen Gewürzen.

Batikballen wurden unter überdachten Verkaufsständen angepriesen. Ein Holzschnitzer hockte zwischen geschnitzten Vögeln und winzigen Mädchenfiguren mit hochsitzenden Brüsten. Aus einem offenen Torweg drangen die Klänge eines Gamelanorchesters, und im Hof erkannte McCreary über die Köpfe eines auf dem Boden hockenden Publikums hinweg die grotesken Umrisse eines Schattenspiels.

Sein Fahrer fuhr kreuz und quer zwischen den Menschen hindurch, ließ seine Klingel aufschrillen, stieß mit dem Fuß nach auseinanderstiebenden Kindern, und zehn Minuten später gelangten sie auf das offene Areal, das den Hafen von Tanjung Periuk säumte. McCreary zahlte den Rikschafahrer, ging zum Kai und blickte auf das ölige Wasser des Hafenbeckens hinaus.

Hier lagen Schiffe aus aller Herren Länder: Tanker aus Balikpapan, rostige Frachter aus dem Chinesischen Meer, ein weißer italienischer Passagierdampfer mit Reihen hell erleuchteter Bullaugen, auf dem Rückweg von Sydney voll Sommertouristen, hochragende Dschunken mit flackernden Lichtern am Vordersteven, ein schnittiger Frachter aus Yokohama sowie die kleinen, schmucken Schiffe der neuen indonesischen Flotte, über deren Namensschilder mit weitausgebreiteten Schwingen der legendäre Garudavogel gemalt war, das Wappentier Indonesiens.

Hier schimmerten Lichter, Tauwerk knarrte und man vernahm das Geratter eines Riesenbaggers, der Treibsand aus der Fahrrinne schaufelte. Ein Boot der Wasserschutzpolizei rauschte vorüber, langsam lief die Prau eines malaiischen Fischers in den Hafen ein, und man hörte Leichter gegen die Bordwand eines gerade eingelaufenen Schiffes prallen.

Dann erblickte er, wonach er suchte.

Das Schiff lag an einem der Liegeplätze zum Bunkern rund zweihundert Meter entfernt an der östlichen Rundung des Hafenbeckens – ein langgestreckter weißer Rumpf mit den Umrissen einer Korvette, um die es sich vermutlich auch handelte. Das Schiff war vom Vordersteven bis zum Heck hell erleuchtet, und er konnte die emsig umherlaufenden Gestalten der Malaien erkennen, die sich um die schwarzen Schläuche kümmerten, welche in die Ölbunker hineinführten.

Er las den Namen am Vordersteven: Corsair, Panama.

Er nahm seine Tasche und ging rasch den Kai entlang.

Ein malaiischer Bootsmann wies ihn zuvorkommend die Gangway hinauf, und als er oben ankam, wurde er schneidig von einem jungen Deckoffizier begrüßt, der ihn in passablem Englisch nach seinem Begehr fragte.

»Ich bin McCreary.«

»Sie werden schon erwartet, Sir. Soviel ich gehört habe, fahren Sie mit uns. Arturo Caracciolo, Zweiter Offizier.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Arturo. Wo ist Mr. Walkerton?«

»Im Salon, Sir. Er erwartet Sie zum Dinner.«

»Das ist nett von ihm. Wohin soll ich?«

»Hier entlang, Sir.«

Er bemächtigte sich McCrearys Tasche und führte ihn einen Niedergang hinunter. McCreary fiel auf, daß die Schotten frisch gestrichen waren und die Treppe mit einem neuen Gummiläufer bedeckt war. Arturo machte die Tür zu einer Kabine auf und trat beiseite, um ihn eintreten zu lassen. McCreary stieß einen überraschten Pfiff aus. Die Kabine war so groß wie ein Prunkzimmer. Da standen ein Bett und ein Schreibtisch sowie ein am Boden festgeschraubter Sessel. An den Wänden hingen farbenfrohe italienische Aquarelle, und Koje wie Bullauge schmückten moderne Vorhänge. Außerdem war eine kleine Dusche abgeteilt und ein Spind für seine Sachen vorhanden.

»Hm«, meinte McCreary anerkennend. »Das verspricht eine angenehme Fahrt zu werden.«

Arturo setzte ein zufriedenes, jungenhaftes Lächeln auf.

»Gebaut worden ist es in England, Sir, und in Genua umgebaut. Wir sind stolz auf unser Schiff.«

McCreary sah ihn sich genauer an. Ein netter junger Mann: frisch von der Offiziersschule, nahm er an. Harmlos fragte er: »Was heißt ›wir‹?«

»Die Besatzung, Sir. Holländischer Kapitän, italienische Offiziere.«

»Und der Rest?«

»Malaiische Deckarbeiter, im Maschinenraum Laskaren, und in der Kombüse Chinesen.«

McCreary nickte. Dieser Walkerton schien zu wissen, was er wollte, und ein Auge für die Details zu haben. Divide et impera – trenne und herrsche! Mit einer solchen Mannschaft sollte es eigentlich keine ernsthaften Schwierigkeiten geben. Er warf seine Tasche aufs Bett und ging in die Duschecke, um sich fürs Essen zurechtzumachen. Dann führte Arturo ihn in den Salon und meldete ihn großspurig an. »Käpt’n Janzoon, Mr. Walkerton…Mr. McCreary.«

Die Anwesenden erhoben sich, um ihn zu begrüßen: ein blonder Hüne mit kurzgeschorenem Schädel und Spitzbart, Walkerton selbst und das Mädchen.

Walkerton begrüßte ihn mit ausgesuchter Zuvorkommenheit. Das Mädchen nickte ihm kurz zu, und Kapitän Janzoon quetschte ihm mit einer riesengroßen Pranke die Hand, schlug ihn auf die Schulter und keuchte in seinem kehligen, asthmatischen Englisch:

»McCreary, eh? Die wilden Iren! Da sind wir ja der reinste Völkerbund: Holländer, Italiener, Engländer und eine wunderschöne Frau, die…«

Walkertons hohe Stimme schnitt ihm das Wort ab.

»Ein Drink für Mr. McCreary, Käpt’n.«

Janzoon schoß die Röte ins Gesicht. Er sagte aber nichts, sondern goß zwei Finger hoch Whisky in ein Glas und reichte es McCreary, der sorgsam Wasser hinzugoß und den anderen zutrank. Janzoon und Walkerton tranken mit ihm. Das Mädchen rauchte eine braune Zigarette, die in einer langen Zigarettenspitze mit Goldmundstück und Jadeende steckte. Dann stellte Walkerton sein Glas hin und sagte abrupt:

»Etwas, was Sie niemals vergessen sollten, McCreary.«

»Ja?«

»Wir vier sind die einzigen, die etwas mit diesem…hm, diesem Unternehmen zu tun haben. Alle anderen sind Angestellte, die das Schiff bedienen und sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollen. Ist das klar?«

»So klar wie nur möglich«, sagte McCreary. »Noch was?«

»Im Augenblick nein. Gefällt Ihnen mein Schiff?«

»Nach dem bißchen, was ich gesehen habe, sehr. Ich glaube, ich werde mich recht wohl fühlen.«

»Zwanzig Knoten«, sagte Janzoon mit seiner kehligen Stimme. »Dreitausend Seemeilen in den Tanks. Sie sollten mal meine Brücke sehen. Das Allermodernste und Beste.«

»Ich kaufe immer das Allerbeste«, sagte Walkerton.

»Wir haben Glück mit unserem Boss«, sagte McCreary und grinste.

»Alle, wie wir da sind.«

Zum erstenmal zeigte sich ein Hauch von Interesse in Lisettes dunklen Augen, doch McCreary nahm das nicht wahr. In diesem Augenblick trat ein chinesischer Steward ein. Janzoon sprach auf kantonchinesisch mit ihm. Nachdem er hinausgegangen war, hörten sie, wie er draußen auf den Gängen und oben auf dem Deck seinen kleinen Bronzegong schlug.

Walkerton warf einen Blick auf die Uhr und sagte munter:

»Dinner in einer Viertelstunde. Meine Herren, entschuldigen Sie uns. Komm, Lisette!«

Er drehte sich um und verließ den Salon. Das Mädchen folgte ihm, ohne McCreary oder Janzoon auch nur einen Blick zu schenken. Mit abschätzenden Blicken sahen sie hinter ihr her. Wenn ihr Gang etwas Kokettes hatte, nahmen sie das jedenfalls nicht wahr. Sie war wunderschön und kalt wie eine Wachspuppe.

McCreary und Janzoon sahen einander an. McCreary grinste, und Janzoon ließ ein kehliges Glucksen vernehmen.

»Wie finden Sie sie, na, McCreary?«

»Sie darf mir nicht gefallen«, sagte McCreary. »Die Stewards haben mir schon gesagt, ich soll die Finger von ihr lassen.«

»Kluger Junge. Wir sollten uns besser kennenlernen, Sie und ich. Ich glaube, wir könnten gute Freunde werden.«

»Davon bin ich überzeugt.«

Janzoon ließ mehr Whisky in ihre Gläser plätschern, reichte McCreary dann seines und fragte wie nebenbei:

»Kennen Sie Walkerton schon lange?«

»Seit vier, fünf Stunden. Warum?«

»Er spricht in den höchsten Tönen von Ihnen.«

»Das ist nett von ihm.«

»Was wissen Sie von ihm?«

»Nichts, was ich nicht von ihm selbst gehört hätte.«

Janzoon goß seinen Whisky auf einmal hinunter und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. Dann sagte er rundheraus:

»Sie müssen noch viel lernen, mein Freund.«

McCreary lächelte gelassen und sagte in seiner sanften irischen Sprechweise:

»Ich lerne schnell Besonders dann, wenn ich dafür bezahlt werde.«

»Er ist ein bedeutender Mann.« Janzoon wählte seine Worte mit Bedacht. »Er weiß, was er will und wie er es kriegt. Er ist außerordentlich wohlhabend. Sein Name öffnet Türen in Rom und Paris, Genf und New York. Dieses Schiff – er hat es für dreißigtausend Pfund von einem Schrotthändler gekauft und dann noch mal fünfzigtausend hineingesteckt, um das draus zu machen, was es heute ist. Er denkt immer im großen Rahmen. Wenn es ihm um etwas geht, ist er nicht knausrig. Für gute Dienste zahlt er auch gut.«

»Was ist denn sein eigentliches Geschäft?« fragte McCreary vorsichtig. Janzoon zuckte mit den Achseln.

»Jemand wie er interessiert sich für alles, was Geld bringt, egal, wo auf der Welt. Heute ist es Öl, morgen sind es vielleicht Waffen oder Gold oder Baumwolle. Er hat’s, was den Markt betrifft, in den Fingerspitzen, gründet hier eine neue Gesellschaft, kauft dort eine alte Firma auf. Alles, was er anfaßt, wird zu Gold.«

»Sind Sie schon lange bei ihm?«

»Seitdem die Corsair in Auftrag gegeben wurde – vor drei Jahren. Davor fuhr ich Tanker für die Bataafsche Petroleum. Aber dies hier ist die beste Koje, in der ich jemals gelegen hab’. Gute Heuer und noch bessere Nebenverdienstmöglichkeiten.«

Fragend sah McCreary ihn an.

»Etwas von dem Gold bleibt haften, was?«

»Manchmal.«

»Ein vielversprechender Gedanke.«

»Für den richtigen Mann«, sagte Janzoon leise, »mehr als nur vielversprechend: eine Gewißheit.«

McCreary grinste und vergrub die Nase in seinem Glas. Janzoon schien eine Angel ausgeworfen zu haben, aber er wollte lieber verdammt sein, als nach dem Köder zu schnappen. Man kann den Haken auch zu oft im Mund gespürt haben. Er würde seinen Job tun, sein Geld einstreichen und heimfahren! Sollte dieser Freibeuter mit dem volltönenden Lachen und den kalten, berechnenden Augen ihm doch den Buckel runterrutschen!

Dann fiel ihm ein, daß er ja gar kein Zuhause hatte, nur den verschwommenen Traum von einem grauen Steinhaus mit grünen Weiden drum herum, auf denen die Hengste auskeilten, während er selbst in Reitjacke und Breeches wie ein richtiger Pferdezüchter herumging und sich mit gedämpfter Stimme mit dem Trainer und den Stallknechten unterhielt.

Dieses Bild stand ganz überraschend vor seinem Auge, und plötzlich mußte er lachen. Er verschluckte sich an seinem Whisky, während Janzoon ihn fragend und mit feindseligen Augen ansah.

»Ich hab’ wohl was Komisches gesagt, wie?«

»Nein. Bestimmt nicht«, sagte McCreary und tupfte sich den Mund und das Hemd ab. »Ich hatte nur so einen Einfall, der mit Ihnen gar nichts zu tun hat. Es war nicht bös gemeint.«

Janzoon schüttelte den Kopf und verlieh glucksend seiner Mißbilligung Ausdruck.

»Etwas, was Sie sich merken sollten, mein Freund. Mr. Walkerton hat was gegen Scherze, besonders solche, die er nicht versteht.«

»Dann kann er mir leid tun«, sagte McCreary. »Das muß ja ein trauriges Leben sein, wenn man nicht mal lachen kann.«

»Sein Leben ist besser als Ihres oder meines«, sagte Janzoon säuerlich. »Mit dem vielen Geld und dieser Frau und der Macht, einem Dutzend Männer im Handumdrehen das Rückgrat zu brechen.«

»Aber wozu das alles, wenn er es nicht genießt?« McCreary zuckte mit den Achseln und klemmte sich eine Zigarette in den Mundwinkel.

Janzoon neigte sich vor, als er ihm Feuer gab. Er wußte immer noch nicht recht, woran er war, aber in seinen Augen schimmerte so etwas wie Bewunderung auf, eine widerwillige Hochachtung, die er diesem ausgemergelten Burschen mit dem schiefen Lächeln entgegenbrachte. Sachlich sagte er:

»Mir gefallen Leute, die über einen lachen können, der größer ist als sie selbst. Aber hören Sie auf meinen Rat: Lachen Sie nie über Walkerton. Ärgern Sie ihn niemals im Beisein seiner Frau. Er ist ein großer Mann, klar, nur muß ihm das auch unausgesetzt bestätigt werden. Beobachten Sie ihn beim Essen! Beobachten Sie ihn überhaupt, wenn er mit anderen zusammen ist! Er muß immer im Scheinwerferlicht stehen, muß immer den Mittelpunkt auf der Bühne bilden.«

McCreary zog die Schultern hoch und paffte an seiner Zigarette.

»Was mich betrifft, kann er das haben. Aber trotzdem vielen Dank für den Rat.«

Janzoon machte eine weitausholende, wegwerfende Geste.

»Danken Sie mir nicht, McCreary. Ich versuche bloß zu helfen. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, wir sollten Freunde werden – gute Freunde. Aber jetzt lassen Sie uns zum Essen gehen. Auch das sollte man sich merken: Walkerton liebt die Pünktlichkeit.«

McCreary sah sich um. Der Tisch im Salon war gedeckt, und an der Tür, die zur Kombüse führte, stand ein chinesischer Steward.

»Ich dachte, wir äßen hier.«

»O nein, mein Freund.« Abermals gluckste Janzoon und geleitete ihn durch die gegenüberliegende Tür hinaus. »Das hier ist für die Offiziere. Wir – wir sind Gäste des großen Mannes. Wir haben die Ehre, in seiner Kajüte und in Gesellschaft der schönen Lisette zu speisen.«

»Wer ist sie denn eigentlich?«

Da war die Frage heraus, ehe er sich darüber klar geworden war, wonach er fragte, und Janzoon bedachte ihn mit einem raschen Blick von der Seite her, der seine gleichmütige Antwort Lügen strafte.

»Ihrer Hautfarbe und ihrer Aussprache nach zu urteilen, eine métisse aus Saigon. Aber ob sie aus der Gosse stammt oder aus einem Palast – wer kann das wissen? Zu dem, was sie jetzt ist, hat Walkerton sie gemacht. Sie ist sein Geschöpf und Eigentum.«

»Das hat er mir auch gesagt«, meinte McCreary leise, »aber ich möchte mal wissen, ob das Mädchen genauso denkt.«

Unvermittelt blieb Janzoon stehen. Er packte McCreary beim Arm und wirbelte ihn herum, so daß er hart gegen die stählerne Seitenwand prallte. Janzoons Spitzbart war vorgereckt und zielte direkt auf McCrearys Gesicht. Seine Stimme war ein wütendes Geflüster:

»Hören Sie mir mal gut zu, Irländer! Von Djakarta bis Dilli gibt es zehn Millionen schöner Frauen, und von denen können Sie meinetwegen jede haben. Aber diese hier rühren Sie nicht an! Die gehört dem großen Mann. Sie sorgt dafür, daß er glücklich ist. Und solange er glücklich ist, haben wir anderen es gut und können reich werden. Sie brauchen sie nur anzulächeln – und sie haben zwei Messer an der Kehle: seines und meines. Verstanden?«

McCrearys Lächeln war arglos wie das eines Babys und seine Stimme weich wie Butter.

»Klar versteh’ ich das. Aber warum sollte ich mir auch nur soviel aus einer Frau machen, die so kalt ist wie die? Ich bin ein warmherziger Mann, und ich mag es, wenn jemand mal lacht und einem beim Schlafengehen auch noch mal ein liebes Wort sagt.«

»Hauptsache, Sie verstehen«, raunzte Janzoon säuerlich und lockerte den Griff, mit dem er McCrearys Arm gepackt hielt.

McCreary blickte ihn voll an. Sein Mund war immer noch zu einem schiefen Grinsen verzogen, doch in seinen Augen leuchtete es zornig auf. Mit einer gewissen Schärfe in der Stimme sagte er:

»Lassen Sie sich auch von mir einen guten Rat geben, Käpt’n?«

»Ja?«

»Behalten Sie in Zukunft Ihre Hände in der Tasche. Wenn Sie mich noch einmal so anfassen wie eben, dann brech’ ich Ihnen das Genick.« Janzoons Kinnlade klappte herunter; so groß war die Wirkung dieser Worte; dann drehte er sich wortlos um und geleitete McCreary zu Walkertons Kajüte.

Als sie eintraten, sahen sie Lisette hingegossen unter einem üppigen Akt von d’Arezzo auf einem Kanapee sitzen. Ihr zierlicher, vollkommener Körper war in ein silberfarbenes Kleid gehüllt, und der Schmuck, den sie trug, bestand aus Jade und Smaragden. Sie rauchte eine Zigarette und blätterte müßig in einer französischen Modezeitschrift. Sie sah auf, als sie eintraten, murmelte einen Gruß und wandte sich dann wieder ihrer Zeitschrift zu.

Als ob wir Milchmänner wären, dachte McCreary säuerlich, oder Leute von der Müllabfuhr oder Klempner. Aber gib mir eine halbe Stunde unter dem bestirnten Himmel, und ich lehre dich etwas anderes, dunkle Schönheit.

Doch dann entsann er sich der Warnungen, und er richtete seine Aufmerksamkeit auf Walkerton.

Der war makellos gekleidet wie zu einem Kapitänsessen auf einem großen Luxusdampfer – und trotzdem war der erste Eindruck der von einem hockenden Frosch, den man in einen Maßanzug gesteckt hatte. Jetzt, wo er sich rasiert und Pomade ins Haar gerieben hatte, sah sein Gesicht noch weißer aus als zuvor, während sein kleiner Mund kirschrot unter der vorspringenden Nase leuchtete. Munter begrüßte er sie. »Nehmen Sie Platz, meine Herren. Uns bleiben noch ein paar Minuten, bis unser nächster Gast kommt. Und davor muß ich Ihnen noch ein paar Worte sagen.«

Janzoon sah überrascht auf. Es war klar, daß er vor dem Auslaufen des Schiffes auf alle Fälle keine weiteren Gäste mehr erwartete. Mit schneidender Stimme sagte er:

»Hoffentlich keine Schwierigkeiten!«

Walkerton sah ihn mit kalter Verachtung an.

»Schwierigkeiten, Käpt’n? Warum sollte es Schwierigkeiten geben? Wir laufen um Mitternacht aus. Unsere Papiere sind in Ordnung, der Lotse ist angefordert. Es sei denn, natürlich, Sie hätten etwas vergessen.«

»Nein, nein. Nichts. Das ist mir nur so rausgerutscht. Bitte, vergessen Sie’s.«

Janzoon lief rot an und tupfte sich das Gesicht mit dem Taschentuch ab. Walkerton lächelte ingrimmig, als er sah, wie unbehaglich Janzoon zumute war. Dann sagte er:

»Unser nächster Gast ist ein Freund von Mr. McCreary.«

»Wer zum Teufel sollte denn das sein?«

»Hauptmann Nasa.«

McCreary fuhr von seinem Stuhl hoch.

»Nasa! Hören Sie mal, Walkerton, soll das ein Witz sein?«

»Es ist durchaus kein Witz, bestimmt nicht, Mr. McCreary.« Walkerton machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nichts weiter als eine geschäftliche Transaktion. Hauptmann Nasa kommt, um für seine Dienste bezahlt zu werden.«

»Es ist selbstverständlich Ihr Schiff«, sagte McCreary lahm. »Wäre es meines, würde ich den Schuft nicht mal auf eine Meile an es herankommen lassen. Dem würd’ ich sein Geld in einer dunklen Ecke auszahlen und ihm obendrein noch eins in die Fresse geben.«

»Damit man Ihnen dann in einem Gefängnis in Djakarta eins in die Fresse gibt?« Walkerton lächelte verächtlich. »Glauben Sie mir, McCreary, meine Methoden zahlen sich besser aus.«

McCreary grinste gutmütig und spreizte die Hände zum Zeichen, daß er sich geschlagen gab.

»Das glaub’ ich Ihnen gern! Sie haben das Geld, es zu beweisen.«

»Na gut«, sagte Walkerton lebhaft. »Und jetzt zum Geschäft. Hauptmann Nasa kommt, sich seinen Lohn zu holen. Unseligerweise«, er betrachtete seine gedrungenen, behaarten Handrücken, »unseligerweise verlangt er jetzt mehr, als ursprünglich ausgemacht war – mehr, als ich ihm zu zahlen bereit bin. Deshalb muß ich unter vier Augen mit ihm reden. Lassen Sie uns also in aller Gemütlichkeit essen, und hinterher, nach dem Kaffee, werden Sie auf der Brücke zu tun haben, Käpt’n. Und Sie, McCreary, leisten oben im Salon Lisette ein bißchen Gesellschaft. Sobald ich die Sache mit Hauptmann Nasa hinter mich gebracht habe, schicke ich nach Ihnen. Ist das klar?«

»Hört sich nach einem angenehmen Abend an«, sagte McCreary.

»Hoffen wir’s – Ihretwegen«, sagte Walkerton trocken.

McCreary sah auf und faßte ihn scharf ins Auge.

»Und was soll das heißen?«

Walkerton zuckte mit den Achseln und lächelte humorlos.

»Wenn ich mich mit Hauptmann Nasa nicht einige, sitzen Sie, McCreary, wieder auf dem Trockenen.«

»Möchten Sie etwa, daß ich ihn für Sie ins Wasser werfe?« fragte McCreary ingrimmig und ironisch.

»Später vielleicht. Zunächst aber kümmern Sie sich mal um Lisette, und überlassen Sie Hauptmann Nasa mir!«

»Wie ich schon gesagt habe – es wird mir ein Vergnügen sein.«

Er wandte sich um und machte eine ironische, übertrieben galante Verbeugung vor Lisette, die jedoch nicht einmal den Kopf hob, um ihn anzusehen. Sie blätterte immer noch in den Hochglanzseiten, auf denen sämtliche Frauen Gesichter hatten wie sie selbst: kalt, schön und tot.

Fünf Minuten später trat Hauptmann Nasa ein, und sie nahmen zum Essen Platz.

Es war eine unbehagliche Mahlzeit. Der kleine Javaner war reserviert und voller Argwohn. Er ging allen Fragen vorsichtig lächelnd und zungeschnalzend aus dem Weg. Janzoon fühlte sich offensichtlich alles andere als wohl in seiner Haut. Er war ein holländischer Kapitän in einem Land, wo seine Landsleute einst die Herren gewesen waren, wo man sie aber jetzt mit verächtlicher Duldung behandelte, ja, ihnen bisweilen mit offenem Haß begegnete. Er hatte ein Schiff unter seinem Kommando, das achtzigtausend Pfund gekostet hatte, und würde erst dann glücklich sein, wenn er die Hafenlichter hinter sich hatte und sich ein gutes Stück außerhalb der Hoheitsgewässer befand.

Lisette trug überhaupt nichts zur Unterhaltung bei, und McCreary hatte als echter Ire mit der Versuchung zu kämpfen, dem kleinen grinsenden Polizeibeamten mit seiner glucksenden Verachtung für diese Europäer, die ihn für einen so einfachen Gefallen bezahlen mußten, einen Köder hinzuhalten.

Nur Walkerton war ganz Herr seiner selbst und der Situation. Wie ein Dirigent lotste er sie durch die höflichen Formalitäten des Mahles. Seine hohe, fistelige Stimme schmeichelte und trieb an, sie ermahnte sie ständig und sorgte für ein Gesprächsthema nach dem anderen, so daß aus der Feindseligkeit und dem Zwiespalt eine Art Harmonie entstand, die zwar nur illusorisch und vorübergehend war, gleichwohl jedoch bis zum Kaffee und dem ersten Brandy andauerte.

Dann entließ er die anderen, ohne besonders deutlich zu werden.

»Wenn ihr uns eine Weile entschuldigen würdet, Lisette und meine Herren – Hauptmann Nasa und ich haben noch Geschäftliches zu besprechen.«

Sie gingen einer nach dem anderen aus der Kajüte und machten die Tür hinter sich zu. Janzoon verließ sie wortlos. McCreary und das Mädchen stiegen den Niedergang zum Achterdeck hinauf.

Die Luft war warm und geschwängert von den Gerüchen der Stadt und des Dschungels, doch Lisette zitterte, als McCreary sie unterhakte. Als er sie an die Reling führte, klapperten ihre Sandalen leise und trocken auf den Stahlplatten des Decks. Sie standen nebeneinander da, lehnten sich über die Reling und sahen dem Spiel der Lichter auf dem glatten, öligen Wasser zu. McCreary spürte die warme Haut ihres Arms, jedoch keinerlei Leben darin, keine Antwort auf den zaghaften Druck seiner Hand. Leise fragte er:

»Ist Ihnen kalt, dunkle Schönheit?«

»Nein, mich friert nicht, vielen Dank.«

Ihre Stimme hatte den ansteigenden, fragenden Klang der métisse, doch auch sie schien leblos. Sie klang wie das Gebimmel der kleinen Glasglöckchen, die sich vor den Schreinen der alten Götter im Winde bewegten. McCreary überlegte, wie es sich wohl anhören mochte, wenn sie lachte, und wie lange es wohl her war, daß sie sich zu Leidenschaft oder Tränen hatte hinreißen lassen. Abermals wandte er sich mit der sanften, honigtriefenden Stimme des Iren an sie:

»Sieht so aus, als ob wir eine ganze Zeitlang zusammen sein werden. Könnten Sie mir nicht gelegentlich mal ein Lächeln schenken, bloß, damit uns die Zeit nicht so lang wird?«

»Warum sollte es Ihnen etwas ausmachen, ob ich lächle oder die Stirn runzle?«

»Weil mir dann wohler ums Herz wäre«, sagte McCreary leichthin.

»Vielleicht könnte ich mich mehr als Mann fühlen und nicht so sehr wie ein fußkranker Zigeuner, der weder einen Herd hat, seine Zehen daran zu wärmen, noch eine Frau, das Bett mit ihm zu teilen.«

»Ich werde dafür bezahlt, daß ich das jetzt für einen Mann tue. Zwei könnten zuviel sein.«

Sie sagte das ganz einfach, als sei es etwas völlig Belangloses, und blickte übers Wasser hinaus auf die Lichterreihen eines vorüberfahrenden Tankers.

»Von Bezahlen hat niemand geredet«, sagte McCreary grinsend. »Ich bin arm wie eine Kirchenmaus. Daher müßte das, was ich bekomme, aus Liebe geschehen, und das, was ich gebe, aus einem vollen Herzen und einer leeren Tasche kommen. Ich bin also kein Geschäftspartner. Das soll aber kein Grund sein, mir nicht ab und zu die Freude zu machen, ein Lächeln zu verschenken. Ist die Welt denn so ein Jammertal, daß Sie nichts, aber auch gar nichts zum Lachen bringen könnte? Sehen Sie nur…« Er wies über die Bucht hinweg, wo Schlepper dabei waren, den großen italienischen Passagierdampfer mit dem Bug voran in die Fahrrinne zu manövrieren. »Sehen Sie sich den mal an! Wissen Sie, wohin der fährt? Erst nach Singapur, dann nach Colombo und zum Schluß nach Neapel…«

»In Neapel bin ich schon gewesen.« Ihre Stimme verriet nicht das geringste Interesse.

»Ach, so was. Zweifellos in einem eleganten Hotel unten am Hafen und in der besten Suite, die Walkerton für sein Geld kriegen konnte.«

»So war es.«

»Und jeder kleine Kellner im ganzen Hotel hat sich einen abgebrochen, Ihnen zu Diensten zu sein, und jeder gottverfluchte Gauner hat versucht, Ihnen irgendwas anzudrehen.«

»So war es.«

»Wo sind Sie denn sonst noch überall gewesen?«

»Ach, in vielen Städten… New York, London, Paris, Cannes, Madrid, Wien.«

»Und überall war es gleich, stimmt’s?«

»Ja.«

»Ja, begreifen Sie denn nicht, dunkle Schönheit, daß Sie das alles nicht eine einzige Stunde genossen, also wirklich erlebt haben? Sie haben ja keine Ahnung, worum es im Leben geht oder was es bedeutet, glücklich zu sein.«

»Glücklich?« Voller Verachtung zog sie das Wort in die Länge. »Glücklich? Nein, ich weiß nicht, was das heißt, glücklich zu sein. Aber das Leben? Das kenne ich besser als Sie, McCreary, viel besser.«

»Und wie kommen Sie darauf, dunkle Schönheit? Wo ich doch seit meinem siebzehnten Lebensjahr quer durch die Welt gezogen bin?«

»Ich brauchte nicht quer durch die Welt zu ziehen. Sie ist zu mir gekommen.«

»Warum auch nicht? Wo sie doch so dunkel, so geheimnisvoll und schön sind!«

Sie ließ sich nicht von diesem Kompliment einfangen, wie jede andere Frau es getan hätte. Ihre Hand lag schlaff auf seinem Arm und ging auf seinen Druck nicht ein. Mutig sagte sie dann:

»Im Pfauenpavillon hat es keine Geheimnisse gegeben. Für jemand, der Geld hatte, öffneten sich dort sämtliche Türen.«

»Wo war das?« McCrearys Stimme war trocken und rauh.

»In Saigon.«

»Wie sind Sie dorthin gekommen? Und hat sie Walkerton dort gefunden?«

»Ja. Ich besaß allem Anschein nach die Gaben, ihm zu gefallen, und es ist gar nicht so einfach, ihm zu gefallen. Dazu bereitet es ihm ein diebisches Vergnügen, mich ehrbaren Leuten vorzustellen, zu sehen, wie die Herren sich vor mir verneigen und mir die Hand küssen und die Frauen meine Kleider und meinen Schmuck bewundern, und dabei hält er sich die ganze Zeit über vor Augen, daß ich eine Frau bin, die er in Saigon aus der Gosse aufgelesen hat.«

»Und Sie?«

»Ich?« Abermals vernahm er in ihrer Stimme die spröde Musik der alten und häßlichen Götter. »Ich bin zufrieden. Warum auch nicht? Im Pfauenpavillon gibt es zweihundert Frauen. Hier bin ich die einzige – und werde besser bezahlt als alle anderen.«

»Bis Walkerton Ihrer müde wird?«

»Wäre ich bei Ihnen besser daran, McCreary?« In ihrer Stimme klang kein Ärger mit, sondern nur eine dünne, kühle Ironie.

»Vielleicht«, sagte McCreary nüchtern, »wenn die Leidenschaft Sie und mich zur selben Zeit packte – dann könnten wir weit weggehen und einen neuen Anfang machen.«

Da hörte er sie lachen – zum erstenmal. Aber weder für ihn noch für sie hatte das etwas Freudiges.

»Sie sind ein Esel, McCreary.«

»Das weiß ich schon lange, dunkle Schönheit. Aber mir gefällt meine Eselei besser als Walkertons Weisheit.«

»Warum haben Sie sich ihm dann angeschlossen?«

»Weil er mir gutes Geld für das einzige bot, was ich kann und für das ich ausgebildet worden bin: nach Öl zu bohren.«

»Ist das alles?«

»Was sollte denn sonst noch sein?«

»Sie hatten Angst vor Hauptmann Nasa.«

Jetzt war es an McCreary zu lachen. Er stieß ein ungestümes Gebell aus, das über den Hafen dröhnte und die heimkehrenden Fischer ebenso zusammenfahren ließ wie die Seevögel, die sich auf den Schwimmbojen niedergelassen hatten. Erschrocken zog Lisette sich von ihm zurück.

»Angst vor ihm? Warum sollte ich vor einem teakbraunen Bürohengst wie dem Angst haben? Das Schlimmste, was er mir tun könnte, wäre, mich in ein Flugzeug nach Singapur zu setzen. Darauf war ich ja gefaßt – aber ich brauchte keine Angst zu haben, denn da gab es nichts, wovor ich mich fürchten mußte. Dann tauchte Walkerton auf, machte mir ein Angebot und sagte, er habe Nasa geschmiert, daß die Ausweisung auf der Corsair vonstatten gehen könne. Das war nicht mal was Illegales, obwohl ich glaube, daß Nasa es so hingestellt hat, als sei es eine große Sache, um Walkerton tüchtig rupfen zu können.«

»Warum ist Nasa denn heute abend hierhergekommen – wenn nicht Ihretwegen?«

»Aus welchen Gründen auch immer, dunkle Schönheit, und was Walkerton auch immer sagen mag – meinetwegen jedenfalls nicht.«

»Warum dann?«

Ihre Stimme hatte etwas Merkwürdiges, was er sich nicht erklären konnte, aber ihre Augen waren leer wie die einer Puppe – und ihr Gesicht so schön wie ein Puppengesicht. Er lehnte sich gegen die Reling und lachte sie an.

»Was kümmert’s dich? Was kümmert’s mich? Es ist Walkertons Sache und Walkertons Geld. Solange wir bezahlt werden – warum sich Sorgen machen? Auf eins kannst du Gift nehmen: Nasa macht ein besseres Geschäft als irgendeiner von uns – mit Ausnahme von mir.«

Dann riß er sie in die Arme und küßte sie. Sie trommelte mit kleinen hilflosen Fäusten gegen seine Brust, doch er hielt sie umschlungen, bis ihre Lippen warm auf den seinen lagen.

Die Konkubine

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