Читать книгу Die Jägerin - In Alle Ewigkeit - Nadja Losbohm - Страница 6

4. Kapitel

Оглавление

Vermutlich war es besser, dass wir unterbrochen worden waren. Ich hatte durch die Sorge um Michael, das Warten auf seine Rückkehr und die Liebesspiele viel Zeit verloren. Meinen Unmut darüber, dass ich den Vampiren etliche Stunden Vorsprung geschenkt hatte, in meiner Heimatstadt nach Belieben zu wüten, ließ ich an Michael aus. Er konnte von Glück sagen, dass es schon spät war und Rosalie in ihrem Bett friedlich schlummerte, wodurch ich gezwungen war, ihn leise zu beschimpfen. Da mir das nicht reichte, versetzte ich ihm einige heftige Boxhiebe, von denen er noch eine Weile etwas haben würde in Form von blauen Flecken. Als ich meine schwarze Tarnkleidung, perfekt, um mit den Schatten der Nacht zu verschmelzen, aber auch um Blutspritzer zu kaschieren, angelegt hatte, fehlten nur noch meine Waffen. Bei dem Brand in der St. Mary’s Kirche hatten wir alles verloren. Alles, was von jener Zeit noch zeugte, waren das Schwert, der Bogen und die Pfeile sowie die Pistole, eine Handvoll Kruzifixe und die Silberkugeln. Die letzten beiden Utensilien für die Jagd waren rapide zur Neige gegangen, und ihre Herstellung war für Michael und mich nicht mehr möglich. In der unterirdischen Anlage hatten wir eine großartige ausgestattete Werkstatt besessen. Nichts war uns davon geblieben: keine Tiegel, Gussformen oder Feilen, Messer und Eschenholz für Pfeile. Nix, nüscht, null, nada. Nur dank der hilfsbereiten Gemeindemitglieder, die Michael und mich nach wie vor unterstützten, saß ich nicht völlig auf dem Trockenen. Wie auch immer sie an die Dinge kamen, ich war unendlich dankbar und stellte keine Fragen, deren Antworten mir nicht gefallen oder mich in Bedrängnis bringen würden. Ich wog die Silberkugeln in meiner Hand. Es waren nur noch ein halbes Dutzend. Würden sie mir in dieser Nacht ausgehen, während ich auf der Jagd war, hätte ich noch die Pfeile und den Bogen, die mir, wenn ich Glück hatte, lediglich einen Vorsprung für die Flucht verschaffen, aber nicht die Blutsauger töten würden. „Ich brauche Nachschub“, sagte ich und lud die Pistole.

„Ich kümmere mich darum“, meinte Michael. Er stand im Türrahmen unseres Schlafzimmers, wo wir alle meine Arbeitsmittel in einem abschließbaren Schrank lagerten. Nicht sehr romantisch. Wer hortet schon ein Waffenarsenal in dem Raum, in dem er Schäferstündchen hält?

Ich verstaute die Pistole in dem Halfter unter meinem Mantel, glättete seine Falten und nickte. „Aber pronto, Mister!“ verlangte ich. Im Vorbeigehen stach ich ihm mit dem Zeigefinger in die Brust. Er gab einen gequälten Laut von sich. Hatte ich ihn wirklich so fest angefasst? Ich ließ sein Gejammer an mir abprallen und ging zur Wohnungstür.

„Pass auf dich auf, Liebste“, sagte Michael hinter mir.

Mit dem Türgriff in der Hand hielt ich inne. Ich drehte mich zu ihm herum. Er rieb sich immer noch die Stelle, wo ich ihn gepikt hatte, und sah mich mit einem traurigen Ausdruck in den Augen an. Ich hatte es wohl ein bisschen damit übertrieben, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Mein gesamtes Gebaren und Reden hatten Wirkung gezeigt: Er fühlte sich schlecht. Nicht, dass ich das gewollt hätte. Na schön, vielleicht ein klein wenig. Aber ich bin kein Unmensch. Genug ist genug. Ich trat zurück in die Wohnung und lief zu Michael hinüber. Zu meinem Erstaunen wich er vor mir zurück und hielt die Hände abwehrend vor sich. „Wenn du mich wieder schlagen, boxen, treten oder piken willst – lass es bitte. Mir fällt keine Stelle meines Körpers ein, die nicht gelitten hat. Wirklich keine“, sagte er. Ich blickte an ihm hinunter und bekam Stielaugen, als ich verstand, auch wenn er an dieser Stelle auf andere Weise gelitten hatte.

Ich schüttelte den Kopf. „Kein Grund zur Besorgnis. Ich wollte dir nur einen Kuss geben.“ Michaels Augen verengten sich. Er überlegte, ob ich die Wahrheit sagte oder ihn reinlegen wollte. „Ehrlich. Ich schwöre!“, beteuerte ich. Bevor sich dieses Drama weiter in die Länge ziehen konnte und mich kostbare Zeit kostete, stürzte ich vor, schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Als ich mich von ihm gelöst hatte, sagte ich: „Siehst du, ich war brav.“

Er nickte und lächelte. „Ich kann es nicht leiden, wenn wir streiten“, flüsterte er, „aber mir gefällt die Art und Weise, wie wir uns vertragen.“

Ich rollte mit den Augen. „Das glaube ich gern. Aber ich stimme dir zu. Mit dir zu streiten, ist furchtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir uns schnell vertragen, besonders wenn ich gleich auf die Jagd gehe“, meinte ich.

Michael nickte. „Du weißt, ich kann dich begleiten und Seite an Seite mit dir kämpfen. So lange Zeit habe ich mich danach gesehnt, mit dir des Nachts hinauszugehen und dich zu beschützen.“

Ich gluckste bei seinen Worten. „Du bist jetzt ein normal-sterblicher Mensch, den eine Kinderkrankheit aus den Latschen kippen lässt. Wie wirst du dich da wohl im Zweikampf mit den Vampiren schlagen? Ich müsste dich beschützen.“ In der Tat wussten wir nicht, wie viel von dem Krieger, der von Gott vor dem Tod bewahrt worden war, noch in ihm steckte. Michael war so etwas wie ein übernatürliches Wesen gewesen. Jetzt war er wie jeder andere auch: verwundbar, sterblich, gefährdet. Daran, dass er kämpfen konnte, zweifelte ich nicht. Die Bewegungsabläufe der Kampfkünste, die man ihm vor langer Zeit beigebracht hatte, waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Aber was war mit der Kraft? Er hatte stets über unmenschliche Stärke verfügt. War auch sie mit seinem Tod gestorben? So oft hatte ich darüber nachgedacht, und noch häufiger hatten wir diese Diskussion geführt. „Du wirst hier gebraucht. Wer passt sonst auf Rosalie auf?“

Michael zuckte mit den Schultern. „Wir könnten Misses Winston fragen, ob sie den Babysitter spielt“, antwortete er.

Ich prustete. „Klar, die wird sich bestimmt freuen. Aber lass uns ein anderes Mal darüber sprechen. Ich muss jetzt los“, sagte ich, bevor er mir abermals den absurden Vorschlag machen konnte, dass wir seine Fähigkeiten testen sollten, indem er mit mir ging. Ich gab ihm einen geräuschvollen Schmatzer auf den Mund und lief zur Tür. Dort angekommen wandte ich mich ein letztes Mal zu ihm um. „Das da werde ich auch wiedergutmachen“, sagte ich und deutete auf seine Körpermitte.

Das schiefe und so unendlich sexy Grinsen, mein Grinsen, tauchte auf. „Darauf warte ich sehnsüchtig“, erwiderte er und zwinkerte mir zu.

Vampire. Nosferatu. Lebende Tote. Blutsauger. Oder wie ich sie gern nenne: ätzende Quälgeister. In Film und Fernsehen als Retter in der Not dargestellt, als in schimmernder Rüstung gekleidete Helden, sind sie in Wirklichkeit alles andere als Schönheiten, die in der Sonne glitzern, in einem teuren Auto vorfahren und die Traumfrau huckepack auf romantische abgelegene Baumwipfel tragen, um ihr eine atemberaubende Aussicht zu zeigen. Nun, ich war jedenfalls noch keinem von dieser Sorte begegnet. Vielleicht liegt es an mir?, dachte ich und legte zum vierten Mal ein Kruzifix in dieser Nacht auf die Brust von einem meiner Lieblinge. Vielleicht sollte ich mir die Zeit nehmen und einen Plausch halten, statt immer gleich drauf los zu ballern? Der Vampir zerfiel vor meinen Augen zu Staub. Ebenso wie der Traum vom Kaffeekränzchen. Ich schnaubte durch die Nase. So weit kommt’s noch. Nie und nimmer. Ich bückte mich und sammelte die Kleidung des Untoten auf, um sie in den nächstbesten Mülleimer zu befördern. Eine kräftige Windböe fegte über mich hinweg und trieb mir den Staub, der aus den Stoffen herausrieselte, in Nase und Augen. Ich hustete und würgte. Igitt! Ich habe Vampir eingeatmet! Ich ließ Hose, Jacke und Hemd, einfach alles von seinen Klamotten, fallen, streckte die Zunge raus und wischte mir mit den Händen über sie. Sie fühlte sich danach ganz trocken und pelzig an, ebenso wie die Innenseite meiner Nase. Ich überlegte für einen Moment, ob ich mit den Fingern in sie – ich blickte mich um, ob mich jemand beobachtete. Niemand da. Puh! Trotzdem hielt ich mir eine Hand vor das Gesicht, um fremde Blicke abzuwehren, und hob die andere Hand an meine Nase. Plötzlich traf mich etwas im Rücken. Völlig unvorbereitet fiel ich zu Boden. Die schiere Kraft, mit der man mich geschlagen oder getreten hatte, ließ mich mehrere Meter weit über den Asphalt rollen. Ich fühlte mich wie in einem Karussell. Als ich schließlich mit dem Rücken gegen ein geparktes Motorrad prallte, das daraufhin krachend umfiel und seine Alarmanlage aufheulte, stoppte ich, der lebende Brummkreisel. Ich kullerte zurück auf meinen Bauch und blieb ächzend liegen. „Aua“, jammerte ich. Was war passiert? Womit hatte ich das verdient? Was hatte mich umgehauen oder – wer? Oh Mann! Das Adrenalin schoss durch meine Blutbahnen. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Nun setzte auch meine persönliche Alarmanlage ein. Ich muss aufstehen, dachte ich und stützte die Hände auf die Straße. Meine Arme zitterten, als sie meinen Körper hochstemmten.

„Hey, Finger weg von meinem Bike, du Arschloch!“, rief eine fremde Stimme. Dem Jargon nach zu urteilen, gehörte sie einem Mann. Doch dem war nicht so. Ich hatte diese Erkenntnis noch nicht verdaut, da traf mich erneut eine ungeheure Kraft, die mich in einer Millisekunde von der keifenden Motorrad-Besitzerin weg beförderte. Mein Angreifer war stark, schnell und sehr darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Das konnte nur eines bedeuten.

„Ich hasse euch“, stöhnte ich, auf allen vieren seiend.

„Sei getrost, kleine Jägerin, wir mögen dich auch nicht“, drang eine eisige Stimme an meine Ohren. Dann schlossen sich Finger von hinten um meinen Hals und übten genügend Druck aus, dass mir die Luft wegblieb, aber nicht so sehr, dass es mich umbrachte. So, so. Also erst ein bisschen Folter, bevor die Lichter völlig ausgehen, ja? Von mir aus. Das kannst du gerne haben. Ich legte meine ganzen schauspielerischen Fähigkeiten an den Tag, gab ein überzeugendes Röcheln von mir und ließ theatralisch die rechte Hand an meine Seite fallen. „Machst du etwa schon schlapp? Ich hatte erwartet, dass du mehr wegstecken kannst.“ Ich antwortete ihm mit einem weiteren Röcheln, ließ meine Zunge aus dem Mund hängen und gab vor, den Kampf aufzugeben. Der Griff des Vampirs lockerte sich. Er lehnte sich vor, um sich mein Gesicht im Todeskampf anzusehen. Da feuerte ich die Pistole ab und – traf ihn mitten ins Auge. Der Vampir ließ schreiend von mir ab. Selbst für ihn mussten es höllische Schmerzen sein. Ich nutzte die Situation, sprang vom Boden auf und brachte so schnell wie möglich Abstand zwischen uns. Ich wirbelte herum und brachte mich mit gezogener Waffe in Angriffsposition. Der Blutsauger stand in gebeugter Haltung etwa fünf Meter von mir entfernt. Er hielt sich das Gesicht und fluchte in einem fort. „Du dämliches Miststück! Hast du eine Ahnung, wie weh das tut?“ Er richtete sich auf und nahm die Hände herunter.

Ich verzog das Gesicht. „Nein, aber es sieht echt übel aus. Ich glaube, da kann dir nicht einmal ein plastischer Chirurg helfen“, antwortete ich. Um ehrlich zu sein, wurde mir von dem Anblick schlecht. Jetzt bloß nicht kotzen, jetzt bloß nicht kotzen, dachte ich. Wie gut, dass mir Mister Fledermaus entgegenkam, indem sich die Wunde vor meinen Augen schloss und sich sein Gesicht in weniger als einer halben Minute regeneriert hatte und aussah, als hätte soeben nicht ein Geschoss seinen Augapfel und das, was dahinter lag, zerfetzt. „Mit der Nummer solltest du auf Halloween-Partys auftreten. Du würdest damit sicher eine Menge Kohle machen“, sagte ich flapsig.

Der Vampir fauchte. „Du bist unerträglich arrogant, Jägerin! Keiner deiner Vorgänger kann sich darin mit dir messen.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich fasse das als Kompliment auf.“

„Tu das, solange du noch die Möglichkeit dazu hast“, rief er und machte einen gewaltigen Satz nach vorn. Seine Bewegungen waren für mich zu schnell. Mein Gehirn konnte sie nicht rechtzeitig erfassen und verarbeiten und die nötigen Impulse an meine Hand mit der Waffe weiterleiten. Und ehe ich es mich versah, lag ich auf dem Rücken auf der Erde, und der Vampir hockte auf mir. Ich wand mich unter ihm und suchte fieberhaft nach meiner Pistole. Bei der Attacke hatte ich sie verloren, und nun lag sie mehrere Armlängen von mir entfernt, außer Reichweite für mich. „Na so was. Du hast aber auch ein Pech heute“, meine der Untote und damit begann das Lamentieren. Unentwegt laberte er, ohne dabei Luft zu holen. Das brauchte er ja auch nicht. Immerhin war er bereits tot, während ich mich danach sehnte, das Zeitliche zu segnen.

„Dein Geschwätz geht mir gehörig auf die Nerven. Bitte, bitte, bringe mich um. Erlöse mich. Ich habe keine Lust mehr, noch länger deine Kummerkastentante zu sein“, bettelte ich.

Er lachte. „Du hast eine ziemlich große Klappe, obgleich du keine Waffe mehr hast. Genau genommen hast du gar nichts mehr, nicht einmal ein geschütztes Zuhause.“ Wollte er mich verarschen? Was hatte das eine mit dem anderen zu tun? „Die Vampire haben dieses hübsche Freudenfeuer auf ihre Art gefeiert, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er zeigte mir seine spitzen Zähne. Obwohl es dunkel war und die fernen Lichter der Stadt uns nicht viel Licht spendeten, blitzten seine Zähne weiß auf. Wie auch immer er es anstellte – es war ein schöner Trick. Aber was war das? Ich entdeckte vereinzelte Flecken auf ihnen.

„Ist das Zahnstein oder Karies auf deinen Beißerchen?“, fragte ich. Dem Vampir verging schlagartig das Grinsen. Er zog die Augenbrauen zusammen und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, als könnte es helfen, etwaigen Belag oder Löcher zu beseitigen. Er war abgelenkt. Sehr gut. Das verschaffte mir ausreichend Zeit, ein Kruzifix aus meiner Manteltasche zu ziehen. Keine leichte Aufgabe so eingeklemmt zwischen der Straße und dem Vampir. Ihm entging meine Fummelei nicht. Er senkte den Kopf und starrte auf meine Hand. Sein Gesicht verzog sich zu einer grausigen Fratze, und er fauchte. Ich hatte keine andere Wahl und viel Zeit ebenfalls nicht. Ich drückte ihm das Kreuz in seine hässliche Visage. Sofort fing seine Haut an, unter dem Holz zu brutzeln wie ein Stück Speck in einer heißen Pfanne. Er schrie, entriss sich meiner Hand und sprang von mir herunter. Das war meine Chance! Ich rollte mich herum, rappelte mich auf und machte einen Hechtsprung auf meine Pistole zu. Als ich ein markerschütterndes Brüllen hinter mir hörte, riss ich die Augen auf. Mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Es fühlte sich an, als hätte der einzelne Schrei mein Ende eingeläutet.

„Es ist aus, kleine Jägerin.“ Ein Flüstern in meinem Kopf. Wie damals, als der Vampir die Kontrolle über mich übernommen hatte.

Peng!

Meine Panik, Rosalie und Michael nicht mehr zu sehen, und die Angst vor dem Tod brachten die Reihenfolge der Ereignisse für mich völlig durcheinander. Ich nahm alles verkehrt wahr. Hatte es zuerst geknallt und dann hatte sich mein Körper gedreht oder war es doch anders herum gewesen? Tatsache war, dass ich dem Vampir ein Loch in den Kopf geschossen hatte. Schon wieder. Die Kraft des Schusses aus so geringer Distanz schleuderte ihn von mir fort. Hastig kam ich auf die Beine und lief zu dem auf seinem Rücken liegenden Vampir. Ich brachte mich an seinen Füßen in Stellung, stets die Pistole auf ihn gerichtet. Ein groteskes Lachen drang aus seiner Kehle. Der Blutsauger setzte sich auf und sah mich an. Das schwarze Loch in seiner Stirn schloss sich in einem Nu. „Daneben, Herzblatt“, sagte er.

Peng! Die nächste Kugel saß in seinem Herzen.

„Denkste!“, erwiderte ich und blies den imaginären Rauch vom Lauf meiner Waffe wie die Cowboys in einem Low-Budget-Western. „Ich verfehle niemals mein Ziel.“

Kurz vor Sonnenaufgang traf ich zuhause ein. Das Erste, was ich tat, als ich die Wohnung betrat, war, zu Rosalie zu gehen. Das Licht vom Flur fiel auf sie. Sie lag friedlich schlummernd auf ihrem Bauch, ihr Stoffhase halb unter sich verborgen. Seine flauschigen Ohren verdeckten ihr Gesicht. Ich zog sie herunter und klemmte sie unter Rosalies Kinn, weil ich befürchtete, sie könnte unter ihnen ersticken.

„Mommy?“

Als meine Hand ihr Gesicht freigab, entdeckte ich große dunkle Augen, die verschlafen zu mir aufblickten. Ich lächelte. „Schlaf weiter, mein Schatz“, flüsterte ich und umgehend fielen ihre Augen wieder zu. Ich lehnte mich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Hab dich lieb, Mommy“, nuschelte meine Tochter.

„Ich dich auch, Prinzessin, ich dich auch“, hauchte ich.

So leise wie möglich öffnete ich die Tür. Ein Lichtstreif, der breiter wurde, als ich sie weiter aufschob, erhellte Michaels und mein Schlafzimmer. Mein Blick fiel auf das große Bett, das den meisten Platz des kleinen Raumes einnahm. Ich musste schmunzeln, als ich Michael darin liegen sah. Er lag auf dieselbe Weise in den Decken und Kissen wie seine Tochter. Es fehlte nur das schlappohrige Stofftier, aber selbst das hätte ihn nicht weniger sexy gemacht. Ich schaltete die Lampe im Flur aus und trat in das dunkle Zimmer. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Dank des anbrechenden Morgens erkannte ich die einzelnen Gegenstände im Zimmer und schlüpfte zwischen Kleiderschrank und Bett hindurch. Ich gab mir reichlich Mühe, meine Waffen ohne jegliches Geklirre und Geklapper abzulegen, doch je mehr ich mich anstrengte, desto lautere Geräusche verursachte ich. Nicht viel besser stellte ich mich beim Verstauen meines Arsenals an. Ständig stieß ich irgendwo an. Ich wollte es vermeiden, Michael wach zu machen, hatte deswegen extra das Licht ausgelassen –

„Ada?“ Verflucht! „Wieso tappst du im Dunkeln herum?“ Das frage ich mich auch.

„Ich wollte dich nicht wecken“, sagte ich und wandte mich um. Bei seinem Anblick stockte mir der Atem: die zerwühlten Haare, die halb geschlossenen Augen, die nackte Haut seines Oberkörpers, die gut definierten Muskeln. Er war so schön und begehrenswert – mir war zum Weinen zumute.

„Das musst du noch ein bisschen üben.“

Das Weinen? Ach so, das mit dem nicht wecken. Ich lächelte und nickte. „Da hast du wohl Recht.“

„Komm ins Bett. Dann kriegst du wenigstens noch ein bisschen Schlaf“, meinte er nach einem Blick auf den Wecker.

„Gleich. Ich will nur noch schnell ins Bad, mich waschen“, teilte ich ihm mit.

Mit verschlafener Miene musterte er mich von oben bis unten. „Brauchst du Hilfe?“ Ich verneinte. „Gut“, sprachs und tauchte wieder in die Kissen ab. Ein kurzer Schnarcher dröhnte aus den Federn. Dann kehrte Ruhe ein. Es ist noch gar nicht so lange her, da war er die ganze Nacht aufgeblieben und hatte im Mittelschiff der St. Mary’s Kirche sehnsüchtig und voller Sorge auf meine Rückkehr gewartet. Wo ist diese Zeit hin? Was war passiert? Ich verdrehte die Augen und zwang mich dazu zu denken: Schön und begehrenswert, schön und begehrenswert.

Die Jägerin - In Alle Ewigkeit

Подняться наверх