Читать книгу 4 Shades of Black and White: schwarze Liebe, schwarzer Sex, weiße Passion – tausend Wege raus aus Afrika - Nana Goulap Malone - Страница 7

SO FING ALLES AN – Douala, Kamerun, Anfang des Sommers 2005

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„Hey Rita, ich habe gerade etwas sehr Interessantes im Internet gelesen.“

Rita tat so, als ob sie nichts gehört hätte.

Sie hatte es satt, von diesen Ankündigungen von Johnny Walker zu hören, die sich doch immer in Luft aufgelöst hatten. Dazu hatte sie noch einen weiteren Grund, heute richtig sauer auf ihn zu sein.

„Hast du mich gehört, Rita?“, fragte Johnny.

„Dich hören? Bezahlt dein Internet etwa die Wasserrechnung, die Stromrechnung? Das Essen für die Kinder, Evarist?“, antwortete Rita.

Johnny wusste genau, wenn Rita ihn „Evarist“ nannte, musste sie sehr sauer sein.

Johnny Walker war auch nicht sein richtiger Name. Sein richtiger Name war Mendo choup ke joug Evarist Dieu ne dort. Wegen seiner ausgeprägten Vorliebe zum Whisky, hatten sich seine Freunde als Spitznamen die Whiskymarke Johnny Walker, abgekürzt J.W., ausgedacht. Manche nannten ihn einfach Johnny Waka. Waka nennt man in Kamerun einen Menschen, der sehr viele wechselnde, sexuelle Partnerschaften hat.

Ja, Johnny Walker war die Verkörperung eines Mannes, der hundertprozentig lebt: Voll leben, einfach leben, als ob die Welt an besagtem Tag zu Ende gehen würde. Monsieur la vie (Mister Life), wie man ihn in allen angesagten Kneipen und Diskotheken der Stadt rief, mochte das Leben und dabei vor allem das gute feine Leben. Er sah zwar nicht schlecht aus, aber auch nicht besonders gut. Aber man fragte sich, warum J.W. so erfolgreich bei Frauen war, obwohl sein Portemonnaie fast immer leer war.

J.W. war 32 Jahre alt, aber wann genau er geboren wurde? Das wusste niemand. Er spielte gerne damit. Auf diese Frage sagte er einfach: “Ich wurde 1973 geboren, während der großen Mais-Erntezeit.“

Er wurde in dem schönen bergigen Land Westkamerun, in der Stadt Banganté geboren. Banganté lag in der NDE-Region und gehörte dem Volk der Bamileké. Er rühmte sich damit, dass er aus dem NDE kam. Der NDE war die Abkürzung für „Departement des gens Nobles, Dignes et Elegants“ (Land von adeligen Menschen voller Würde und Eleganz). Und so versuchte er sich immer nach außen zu verhalten, zumindest was die Eleganz betraf.

Als er zehn Jahre alt war, wurden seine Eltern beruflich bedingt nach Bafoussam geschickt. Bafoussam war die Hauptstadt der Bamileké Region. Das Land der roten Erde. In Kamerun war es so, dass die staatlichen Beamten ständig von Stadt zur Stadt abkommandiert wurden, damit ihre Dienste das ganze Volk erreichten. So wollte das Land die Einheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.

Er hatte sechs Geschwister, zwei Brüder und vier Schwestern, und er war der Letztgeborene der Familie. Dementsprechend wurde er sehr verwöhnt. Er war der Chou-Chou (Liebling) der Familie. Er hatte nicht gelernt, durch Anstrengungen etwas zu erreichen. Alles wurde ihm zu Füßen gelegt und er genoss diesen Zustand sehr.

Seine Geschwister, die, bis auf eine Schwester, nach ihrem Abitur in Europa und Amerika studierten, schickten ihm immer die schönsten Kleider, Spielzeuge usw. Deswegen wollten alle in der Stadt – Jungen wie Mädchen – mit ihm befreundet sein. Damals nannte man ihn Chaudgars (Hot Guy).

Eine Schulparty ohne den Chaudgars wäre nichts. Er war das Zentrum des Geschehens in der Stadt.

Jeden Mittwochnachmittag sowie Samstag und Sonntag verbrachten die Jugendlichen ihre Zeit am Sportplatz „La Pelouse“ hinter dem Rathaus von Bafoussam. An diesen Tagen versammelten sich Schüler von verschiedenen Schulen dort und taten so, als ob sie Sport treiben würden. Tatsächlich ging es da mehr um Show, wer die neuesten Schuhe hatte, das neueste Handy, und auch darum, Mädchen anzubaggern.

Hot Guy war immer der Bestangezogenste, er hatte immer etwas Neues dabei und oft auch viele Leckereien aus Europa. Sie wurden ihm von seinen Geschwistern geschickt.

Man hätte erwartet, dass er damit angab. Aber erstaunlicherweise war Johnny nicht arrogant oder hochnäsig. Er war immer gut gelaunt, immer mit einem lächelnden Gesicht. Er brüskierte seine Freunde nie und war sehr hilfsbereit. Er konnte auch gut geben, ohne zu zählen.

Schon damals merkte man, dass er sehr intelligent war. Wenn er sich etwas in seinen Kopf gesetzt hatte, konnte ihn nichts daran hindern, das zu erreichen.

Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hatte er mehr als genug. Er strahlte schon damals als Schüler eine unwiderstehliche Persönlichkeit aus, obwohl er nicht der Hübscheste war.

Die Schule absolvierte er mit Erfolg. Nach seinem Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1 ging er in die Wirtschaftsstadt Douala, um zu studieren.

Ein Jahr später starb sein Vater bei einem mysteriösen Unfall. Alle sprachen von Magie, weil sein Vater Mitglied einer satanistischen Sekte gewesen sein soll. In Afrika starb man nicht auf natürliche Weise. Es gab immer einen Grund, warum man starb. Es wurde viel erzählt; zum Beispiel sagte ein Mann, dass der Vater von Johnny sterben musste, weil er kein Opfer, keinen Preis für seinen steilen und schnellen Erfolg geben wollte, obwohl er für diesen Erfolg einen Pakt mit den Geistlichen gemacht hatte. Als Strafe musste er in einem komischen Unfall sterben, um andere Leute in der gleichen Situation abzuschrecken. Der Unfall schien auch tatsächlich seltsam zu sein. Er war unterwegs von Bafoussam nach Douala, auf der schönsten bergigen Landstraße Kameruns, die sich in einer wunderschönen grünen Landschaft zwischen Bergen schlängelte, als er den Autounfall ohne Unfall hatte. Man sah später das Auto mitten auf der Straße stehen, der Motor lief noch und der Mann saß einfach hinter dem Lenkrad, als ob er sich erholte. Er war aber tot. Im Auto war eine Boa zu sehen, die aber auch tot war. So die Erzählung.

Eine Boa? Am helllichten Tag? In einem klimatisierten Auto? Obwohl niemand die Boa gesehen hatte und es keinen Beweis dafür gab, reichte es, um die Fantasie der Menschen zu schüren: „C‘est un sectaire“ (Er ist Mitglied eines Geheimbundes). „Nun verstehen wir, warum er so viel Geld hatte“ und „Ja, und all seine Kinder sind in Europa“ sagten die einen, „Oh ja, und sein Bruder, der vor fünf Jahren gestorben ist! Hatte er ihn umgebracht für den ersten Pakt...?“, sagten die anderen. Damit stand fest, der Mann war ein „sectaire“. Er hatte sein Geld mit Blut verdient und war auch genauso gestorben. Ob es wahr war oder nicht, interessierte eigentlich niemanden. Die Menschen interessierte nur die Geschichte.

Als die Gerichtsvollzieher nach dem Tod seines Vaters all sein Hab und Gut konfiszierten, wegen angeblich hoher Schulden, waren es nicht mehr nur Gerüchte, nein, es war nun mathematische Wahrheit. Dieser Mann gehörte einem magischen Bund an, der den Teufel anbetet. Du bekamst alles, was du wolltest: Ruhm, Geld, Erfolg usw., aber irgendwann musstest du es zurückzahlen und all dein Reichtum verschwand einfach nach deinem Tod, so plötzlich, wie es auch gekommen war.

Solche Menschen waren zwar physisch bzw. körperlich tot, aber sie lebten weiter in einer anderen Welt und arbeiteten all das ab, was sie auf der Erde bekommen hatten. Das war die Strafe. Auf jeden Fall wurde es so in Kamerun erzählt.

So waren in der afrikanischen Kultur und im Glauben die Toten nicht tot. Sie lebten weiter. Deswegen war auch der Kult der Toten sehr wichtig. Sie lebten weiter in einer anderen Dimension, aber sie sahen alles, was wir hier taten und man konnte sogar mit ihnen in Kontakt treten. Man hörte deswegen überall von Geschichten über Leute, die bei einem afrikanischen Geistlichen ihre verstorbenen Verwandten gesehen und mit ihnen geredet hatten. So konnten sie zum Beispiel erfahren, was die Ursache des Todes war.

Diese Geschichte hatte Hot Guy sehr getroffen, weil sie falsch war. Nach dem Tod seines Vaters war auf einmal seine heile, reiche Welt zusammengebrochen. Den Luxus und das schöne Leben konnte er nicht mehr so einfach finanzieren. Seine Geschwister in Europa und Amerika hatten alle nun auch eigene Familien und konnten und wollten sich nicht mehr um ihn kümmern. Aber tapfer hielt er durch.

Die Zeit verging und er war inzwischen 32 Jahre alt. Alt genug, um alleine durch die Welt zu gehen. Inzwischen hieß Hot Guy in Douala nun Johnny Walker. Er beendete mit 27 sein Studium der Philosophie und Psychologie. Aber was konnte er damit in Kamerun anfangen? Als Lehrer arbeiten und dafür ca. 200€ im Monat bekommen? Nein, das war für den einfallsreichen Mann zu wenig. Er lebte deswegen von kleinen Vermittlungsgeschäften und von verheiraten Frauen reicher Männer, die sich sehr gerne junge Männer zum Vergnügen suchten.

Es war sehr erstaunlich, wie Johnny Walker sich der neuen Realität angepasst hatte. Er hatte nie gejammert. Von seiner Würde und Eleganz hatte er nichts, aber auch gar nichts verloren. Er entwickelte Strategien, um zu leben. Andere würden das Überleben nennen, aber Johnny Walker war kein Mensch, der sich anmerken ließ, dass es ihm nicht gutging. Nein, sein Stolz war dafür zu ausgeprägt.

Er kaufte sich in Second Hand Shops gebrauchte Markenkleidungen aus Europa, die die afrikanischen Märkte überflutet hatten. Diese ließ er in den modernen Reinigungen waschen und danach waren sie wie neu und deswegen sah er immer top gekleidet aus, wie früher.

Die Frauen liebten ihn. Es machten sich Gerüchte breit, dass er im Bett ein Hengst wäre, aber lieb, weich, achtsam. Man sagte, dass er in viele Stundenhotels der Stadt gar nicht mehr hereingelassen wurde, wenn er in Begleitung einer Dame war. Der Grund dafür wären die lauten Lustschreie der Frauen, die nicht nur andere Hotelgäste stören würden, sondern sogar die Nachbarn. So hätte die Polizei mehrmals intervenieren müssen, damit es leiser zuginge. So wurde J.W., ohne es zu wollen, ein Frauenheld in Douala.

Er lebte in einer beschaulichen 3-Zimmer-Wohnung in einem normalen Viertel im Stadtteil Bonaberi mit Rita und ihren zwei gemeinsamen Kindern.

Er war zwar nicht zufrieden mit seiner neuen Situation, aber er hatte sich damit arrangiert. Er beklagte sich nie. Wenn er Geld hatte, war der Abend hot bis zum letzten Cent. Am Tag danach, mit leeren Taschen, blieb er einfach zu Hause, ohne jemanden zu stören, oder er las Bücher oder verbrachte Zeit bei Wadjo, einem Moslem aus Nordkamerun, der ein kleines Internetcafé betrieb.

So ging J.W. immer gut gelaunt durchs Leben, ob nun mit oder ohne Geld.

Alle Versuche, ein Visum nach Europa oder Amerika zu bekommen, misslangen. Aber auch das konnte seine optimistische Laune und seine Visionen nicht stoppen. Er wusste, dass sein Tag bald kommen würde.

Er hatte immer tausend Ideen, wie er zu Geld kommen könnte, aber keine der Ideen verfolgte er bis zum Ende. Er sagte immer zu Rita, als sie wieder enttäuscht merkte, dass die neue Hoffnung wieder nicht viel mehr war als Luft: „Rita, warte, ich werde eines Tages dein Leben verändern. Sei geduldig. Egal wie lang die Nacht ist, der Tag wird kommen. Die Sonne scheint für alle Menschen und auch für uns wird sie scheinen.“

Er wiederholte seine Aussage vom Anfang: „Ich sage dir, dass ich was Interessantes im Internet gelesen habe und das interessiert dich nicht.“

Rita schaute kurz in seine Richtung, verdrehte die Augen und begutachtete ihn mitleidig von Fuß bis Kopf und von Kopf bis Fuß, auf eine Weise, wie es nur Afrikanerinnen tun können und schnitt weiter das Gemüse für das Abendessen.

Johnny Walker war es gewohnt diese abfälligen Blicke auf sich zu nehmen. Er wusste selbst, dass er schon so viel versprochen hatte, viele Hoffnungen geweckt hatte und dass nichts bis jetzt wahr geworden war. Aber trotzdem hatte er nie einen Zweifel daran gelassen, dass er irgendwann mal doch sein Glück haben würde. Deswegen war er nicht überrascht, dass Rita so reagierte.

Er hatte das erwartet. Er versuchte es noch einmal. „Rita, ich sage dir, Information und Wissen sind Macht, sind mehr als Geld. Hast du die richtige Information und das nötige Wissen, kannst du dir New York an einem Tag bauen“, dabei sah er ganz ernst aus.

Rita lächelte abfällig und sagte: „He heeeeee, bevor du New York an einem Tag baust, bitte ich dich zuerst die einfache Wasserrechnung zu zahlen. Das Wasser wurde nämlich heute unterbrochen, wegen 15 Euro Schulden, und du, du sitzt stundenlang in deinem scheiß Internet oder du machst mit einer jungen Frau rum, die deine Tochter sein könnte. Du kommst dann noch hierher und erzählst, wie du New York an einem Tag bauen kannst. 15€ hast du seit zwei Wochen nicht beschaffen können, aber New York kannst du an einem Tag bauen. Bitte, du n‘importe quoi.“

Darauf war J.W. nicht vorbereitet. Er sah verdutzt aus. So weit war Rita noch nie gegangen.

Wie hat Rita nur herausgefunden, dass er mit einem sehr jungen Mädchen rummachte, fragte er sich?

Johnny Walker war sauer und verärgert. Er versuchte, sich zu kontrollieren, um nicht seine Würde zu verlieren und griff an: „He, du femme, was glaubst du denn? Was machst du überhaupt hier? Geh und such dir einen Mann, der dich dann versorgen kann. Hat man deine Hände festgebunden oder abgeschnitten, damit du selbst dein Leben nicht finanzieren kannst? Du hast zwei Beine, wie ich, aber du sitzt gern zu Hause und wartest, dass der reiche Prinz kommt. Nein, so geht es nicht. Ich habe Erfolg, auch ohne Geld. Siehst du, wie viele Frauen hinter mir herlaufen? Und eine kleine Tutsi wie du glaubt, dass sie sich mit mir messen kann?“

Er tat so, als ob er sehr verletzt war. So machten es viele afrikanische Männer, wenn sie sich schämten, um weitere Diskussionen zu blockieren.

Er drehte sich um und ging wieder weg.

Aber er wusste selbst, dass Rita Recht hatte. Und das war der Grund, warum er so sauer war. Rita hatte sein Gewissen berührt. Er schämte sich so, aber wollte es selbstverständlich nicht zeigen. Er dachte, er hätte die Beziehung mit der jungen Frau ganz gut versteckt. Wie hatte Rita es nur herausgefunden? Wie viele Leute wussten es? Nur Wadjo kannte seine Geschichte in seinem Viertel. Hatte Wadjo ihn verraten? Er wusste, dass Wadjo ein Auge auf Rita geworfen hatte. Aber in Afrika wurden Absprachen unter Männern sehr geheim gehalten.

Er dachte an die Wasserrechnung: „Ich weiß ja, dass es wirklich unverantwortlich war, die Wasserrechnung nicht zu zahlen und das Geld mit dem Mädchen auszugeben“, erkannte er an.

Er ging wieder zurück, ging hinein und holte die Wasserrechnung aus seinem Anzug, ohne Rita eines Wortes und eines Blickes zu würdigen. Diese Rechnung lag seit zwei Wochen in diesem Anzug. Damals wollte er sie bezahlen und hatte auch Geld dafür, aber Johnny Walker wäre nicht Jonny Walker, wenn er das Geld nicht lieber für ein Geschenk für seine neue Flamme Nicole, eine 18-jährige Schülerin, ausgegeben hätte.

Wegen Nicole war Johnny Walker seit vier Wochen fast immer knapp bei Kasse. Er nahm Geld von den verheirateten älteren Frauen und gab alles nur für Nicole aus.

Nicole war ein sehr hübsches Mädchen, schwarz und glatt, wie das Ebenholz, mit einer super Figur. Jennifer Lopez würde ganz sicher eifersüchtig auf ihren Po sein: rund, knackig, gestützt von den langen ikonenhaften Beinen. Ihre Brüste waren rund, fest und sehr spitz mit dicken Nippeln.

Johnny Walker hatte die Frau zufällig in einem Internetcafé in einem anderen Stadtviertel, genannt Akwa, getroffen. Die Frau faszinierte ihn total, aber sie hatte ihn nicht bemerkt. Nicole war, wie viele Kamerunerinnen, gerade dabei, in einer Partnerschaftsbörse „vient et laisse toi aimer“ (komm und lass dich lieben) zu chatten und hoffte so, mit Glück ihren Traum „Mr. Europavisum“ zu treffen. Damit meinte sie einen alten Europäer, den sie über das Internet kennenlernen würde, dem sie Liebe versprechen, und der sie heiraten würde, damit sie nach Europa kommen könnte. Manche dieser Männer waren so unerträglich, dass die Kamerunerinnen verschwanden, sobald sie in Europa waren. Viele aber spielten das Spiel mit, bis sie ihre Papiere hatten und dann ließen sie sich von heute auf morgen scheiden.

Das Mädchen gefiel Walker sehr. Er wollte sie haben.Johnny Walker hatte schon – wie immer – eine Idee. Er ging an die Rezeption, plauderte mit dem Kassierer und ging schnell ungesehen weg.

Am nächsten Tag kam er wieder in das Internetcafé und der Kassierer gab ihm ein Stück Papier und Johnny Walker verschwand für immer aus diesem Café.

Nach dem Streit mit Rita ging er hin und her um den Block und dachte nach, wie er es anstellen konnte, an Geld zu kommen. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit, eine von seinen verheirateten Frauen anzurufen. Sein Handyguthaben war leer. Er musste aber unbedingt die Rechnung zahlen. Es war so wichtig, dass die Rechnung noch am Nachmittag bezahlt wurde.

Er ging wieder zu Wadjo, dem Internetbesitzer. Nach 5 Minuten Unterredung kam er mit leeren Händen wieder heraus. Wadjo wollte ihm keinen weiteren Kredit gewähren. Er müsse zumindest einen Teil seiner Schulden abbezahlen, um wieder dort telefonieren oder surfen zu können.

Er stand vor dem Café in der großen Hitze Doualas. Es waren über 32 Grad im Schatten. Die Luft war schwer und es fühlte sich so schwül an. Man musste gar nichts tun, um zu schwitzen, als ob es geregnet hätte.

Alles störte ihn plötzlich. Dieser Verkehr vor seinen Augen, Verkehr ohne Regeln, die Fahrweise der Verkehrsteilnehmer, gelbe Taxiautos kämpften gegen die Mototaxis, gegen andere Busse und Lkws.

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie gefährlich das Fahren in Douala war. Die Mototaxis waren am schlimmsten. Mit zwei bis drei Fahrgästen auf dem Moto versuchten sie ohne Vorwarnung, den Taxis die Vorfahrt abzuschneiden und sie zu überholen, egal aus welchem Winkel sie kamen. Egal, ob es möglich war oder nicht. Man hörte überall nur piep, piep, piep. Sie bogen links ab, um danach sofort rechts zu fahren, und fragten sich nicht, ob da jemand kam. Die Straßen mit den vielen Löchern machten das Fahren hier zu einem Dschungel-Abenteuer. Ganz nach dem Motto: „Ich schau nach vorne und das Schicksal passt hinter mir auf.“

Johnny Walker fragte sich, warum er das noch nie früher so bemerkt hatte. Er schüttelte den Kopf und sagte sich ganz leise: „Bald bin ich sowieso weit weg von hier, raus aus diesem Land.“

Diese Gewissheit, dass er bald das Land für Europa – das Geldparadies auf der Erde – verlassen würde, gab ihm auf einmal wieder Mut und Motivation.

Er entschied sich, ohne Geld für ein Mototaxi (15 Cent), zu Fuß zu einer angesagten Bar des Stadtteils Bonanjo zu gehen, wo er mit Glück eine Affäre treffen könnte. Das waren ca. 5-8 km, zu Fuß in dieser glühenden Hitze.

Als er die Terrasse des Internetcafés verlassen wollte, um sich auf den Weg nach Bonanjo zu machen, klingelte sein Handy. Vor Freude schrie er: „Gott vergisst seine Kinder nicht. Das muss eine dieser verheirateten Frauen sein.“

Mit breitem Grinsen versuchte er hektisch das Handy aus seiner Jeanstasche rauszuholen und wie so oft, schaffte er es nicht schnell genug. Um dem Anrufer zu signalisieren, dass er da war, und um ihn somit festzuhalten oder zu animieren noch einmal anzurufen, versuchte er noch in der Tasche die grüne Abnehm-Taste zu drücken. In diesem Moment war alles wieder still. Er fluchte laut vor sich hin und war so sauer, weil er ganz sicher eine Gelegenheit verpasst hatte und nun musste er doch zu Fuß laufen, ohne sicher zu sein, dass er eine Frau treffen würde.

Der Wadjo, der hinter Johnny alles mitbekommen hatte, machte sich lustig über ihn: „Johnny Waka, das ist das Leben, Gott vergisst seine Kinder nicht, ha ha ha.“

Johnny ignorierte ihn und schaute auf sein Handy, um zu sehen, wer da überhaupt angerufen hatte. Sein Puls ging hoch und er bekreuzigte sich.

„Was ist denn, J.W.?“, fragte Wadjo.

Johnny drehte sich ganz fröhlich zu ihm um und sagte nur: „Das stimmt, Gott vergisst seine Kinder wirklich nicht.“ Gut gelaunt machte er sich auf den Weg nach Bonanjo.

Unterwegs dachte er nach, was er getan hätte, wenn er doch das Telefonat angenommen hätte? Nicole war die letzte Person, die er in dieser Situation sehen wollte. Er war doch irgendwie wirklich ein Kind Gottes, sagt er sich. Er war sehr froh darüber, dass er das Handy doch nicht so schnell aus der Hosentasche geholt hatte. Heute gab es keine Nicole. Es hieß: zuerst Geld suchen, die Rechnung bezahlen, Rita etwas Schönes mitbringen und sich wieder versöhnen.

Rita war eigentlich eine ganz liebe Frau, geduldig, mütterlich, hatte aber eine sehr starke Persönlichkeit. Die Männer waren immer unsicher in ihrer Nähe. Aber sie tat Johnny Walker so gut und trotz allem stand sie immer zu ihm.

Johnny Walker wechselte die Straßenseite, um dort zu laufen, wo es wegen der Bäume ein bisschen Schatten gab. Er war schon total nass geschwitzt und durch das Hemd, das an seiner Brust klebte, konnte man einen super Körper erahnen. J.W. liebte es, seinen Körper zu pflegen und trieb regelmäßig Sport. Er wusste genau, dass dieser Körper sein Kapital war. Ein Kapital, das er sehr gut anlegen musste, um nur von den Zinsen dafür zu leben. Genau das hatte er heute im Internet noch besser begriffen. Schade, dass Rita nicht hören wollte.

Plötzlich raste ein Mototaxi direkt vor ihn, ohne zu hupen und mit drei Fahrgästen darauf. Johnny Walker schaffte es gerade noch so, dem Moto auszuweichen und fiel auf den sandigen Boden. Nun war er richtig schmutzig. Das weiße Hemd war nun voller roter Flecken. Seine Jeanshose war zwischen den Beinen aufgerissen. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, schimpfte er lautstark.

Der Motofahrer bremste gar nicht, er schleuderte mehrmals nach links und nach rechts und schaffte gerade noch die Kurve, als ein voll beladener Bus von der Ecke kam. Er hörte nur ein Echo des Motofahrers, der so was gesagt haben musste wie: „Du Arschloch, willst du mich verkaufen? Geh und hol andere Leute, nicht mich, Dummkopf!“ ‚Jemanden verkaufen‘ hieß in Kamerun, jemanden als Opfer hingeben, um reich oder mächtig zu sein.Die ganze Szene war verrückt. Der Motofahrer hatte Schuld, riskierte sein Leben und die seiner Mitfahrer und schimpfte sogar noch dazu. Überhaupt keine Selbstkritik. Das Moto war schon weg. „Typisch Kamerun“, sagte Johnny. „Was kostet denn ein Menschenleben hier? Sie fahren so, als ob sie nie sterben könnten.“

Er stand wieder auf, schaute, wie er aussah und, typisch Johnny Walker, lachte schon wieder. Er hatte einen Plan, was er erzählen würde, wenn die Frauen ihn in so einem bemitleidenswerten Outfit sehen würden. Was für andere Menschen negative Situationen waren, aus denen konnte Johnny Walker Gold extrahieren.

Mit seiner ganzen Würde ging er seinen Weg weiter. Kurz vor der Ankunft in der Straße, in der die In-Kneipen und Bars waren, klingelte noch einmal sein Telefon. Er zögerte und überlegte kurz, wer das sein könnte. Nicole hoffentlich nicht. Er würde bei ihr sowieso nicht rangehen. „Diese Nicole nervt mich schon langsam“, sagte er, aber er wusste, dass er selbst schuld war, dass es so gekommen war.

Er konnte nicht von Nicole und von ihrem schönen und sinnlichen Körper lassen (nur an sie zu denken, gab ihm schon eine unglaublich starke Erektion).

Das Problem aber war, dass er sich Nicole als wohlhabende, aus New York kommende Persönlichkeit vorgestellt hatte. Er hatte sich als Johnny fuck me Walker präsentiert. Es klang total amerikanisch. Er wäre hier nur zum Urlaub und wolle einige Immobilien kaufen.

Nun dachte Nicole, sie hätte das große Los gezogen. „Er ist nicht nur mein Mr. Europavisum und ein wohlhabender Mann, nein, er ist dazu noch ein Afrikaner, ein Kameruner. Ja, so einen Mann darf man und kann man nur lieben“, erzählte sie überall. Ihr Glück sei perfekt. Das meinte sie. Doch sie erwartete ein böses Erwachen. (Die ganze dramatische Geschichte wird in einem anderen Buch „Filou“ ausführlich dargelegt.)

Die Person, die anrief, wollte nicht so schnell aufgeben. Nach mehrmaligen Versuchen entschied er sich doch nachzuschauen, wer ihn da anrief. Sein Herz schlug schneller, ein großes Lachen hellte sein Gesicht auf.

„Hallo, ma chérie, mon amour de tous les jours?“, hörte er sich sagen.

„Où es tu?“

„Je t’aime à mourir sans toi que deviendrai ma vie? Par ce que je pensais à toi sans arrêt, que je me suis mis en route en espérant te voir à Dubaï. … c’est vrai je te dis, mon miel, et en passant le route avec ton image qui m’a fait perdre la tête oubliant que j’étais en route, une moto m’a cogné. Viens vite je suis assis au bord de la route et te pleure pour toi. Pourquoi souffrir ainsi seulement pour l´amour, dis mois, pourquoi souffrir ainsi seulement pour toi?“

Übersetzt bedeutete es: „Hallo mein Schatz, meine Geliebte in allen Zeiten…“, „Wo bist du denn?“, „Ich liebe dich zum Sterben, was wäre mein Leben ohne dich? Weil ich so an dich gedacht habe und dich unbedingt sehen wollte, habe ich mich wie in Trance auf den Weg gemacht mit der Hoffnung, dich in der Bar Dubai zu sehen. … das ist wahr, meine Süße, ich war so bei dir in Gedanken, dass ich vergesse habe, dass ich mich auf einer Straße befinde. So hat mich ein Motofahrer umgestoßen. Komm schnell. Ich sitze hier einfach auf dem Boden und kann nicht mehr, bis du kommst. Warum muss ich so leiden? Wegen der Liebe für dich soll ich so leiden?“

Seine Gestik und seine Mimik entsprachen dem, was er sagte. Zum Beispiel, als er sagte, er säße auf dem Boden, machte er das auch und setzte sich auf den Boden.

Wie gesagt, Johnny Walker war ein Meister im Planen, auch in Situationen, in denen viele schon die Nerven verloren hätten. Sein Plan würde bald aufgehen. Er wusste genau, dass Amina sehr schnell zu ihm eilen würde. Die Worte hatten ihre Wirkung gezeigt. Da war er sich sicher.

Es ist nicht so, dass es den kamerunischen Frauen nicht bewusst wäre, dass diese schönen Worte, diese Liebespoesien, nur Spielchen waren. Sie wussten das und sie liebten es. Sie machten das gleiche auch. In dem Moment genoss man einfach die Worte, man freute sich, dass man etwas Besonderes war, dass man angehimmelt wurde. Dieses Gefühl machte Spaß, lockerte die Atmosphäre und machte gute Laune. Man wollte ein paar Stunden zusammen verbringen und es schön haben. Man machte dem anderen schöne Komplimente und genoss dieses Theater sehr gern, besonders zwischen Geliebten. Schmeichelei gehörte einfach dazu. „Man lebt nur einmal“, sagten die Afrikaner.

Es war auch tatsächlich so, dass die Afrikaner doch sehr zurückhaltend wurden mit Worten, wenn es wirklich um die wahre Liebe ging. Johnny würde niemals so reden, wenn Amina seine richtige Frau oder feste Freundin wäre. Man musste deswegen aufpassen, wenn jemand mit seiner Liebespoesie anfing. Daran konnte man oft sehen, dass man für diese Person nur ein Spaß war, deswegen durfte man niemals den Kopf verlieren.

Amina war auch sehr schnell bei ihm. Sie war eine attraktive Frau, Mitte – Ende 40, verheiratet mit einem Wohlhabenden in der Stadt und Mutter von vier Kindern. Sie musste J.W. schnell einsammeln, um mit ihm irgendwohin zu fahren, wo nicht viele Augen waren.

„Oh, mon chou, qu’est ce qui t’est arrivé?“, („Oh, mein Liebling, was ist dir passiert?“) fragte sie. Chou heißt eigentlich Kohl, Weißkohl, aber der Ausdruck wird auch als Liebeskompliment benutzt.

Johnny sagte nur „A cause de toi, mon bonbon, à cause de toi“, („Wegen dir, mein Bonbon, wegen dir“) er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schloss die Augen.

Amina sah Johnny Walker das erste Mal schwach und hilflos. „So sieht er noch schnuckeliger aus“, dachte sie und bekam sofort Lust, mit ihm zu schlafen.

Sie fuhren wieder zurück über die sehr wichtige Brücke „Pont du Wouri“ in sein Viertel in Bonaberi. Amina parkte den neuen Porsche Cayenne hinter dem Internetcafé, ließ aber den Motor laufen, damit die Klimaanlage weiter frische und kalte Luft ins Auto pumpte.

Johnny Walker stieg aus und ging so schnell er konnte nach Hause. Als er kam, sah er drei Kanister voll mit Wasser. Rita hatte das Wasser vom Nachbarn bekommen. Er schämte sich so sehr, als er ein bisschen davon nahm, um sich die Hände und den Kopf zu waschen. Danach ging er schnell, aber leise wie eine Katze, in sein Zimmer. Rita war dabei, sich zu duschen und tat so, als ob sie nicht gehört hätte, dass jemand das Haus betreten hatte. Nach fünf Minuten war Johnny fertig angezogen und sah wieder nach Johnny Walker aus: elegant wie ein Filmstar.

Als er die Wohnung auf Zehenspitzen verlassen wollte, kam plötzlich eine Stimme aus dem Badezimmer: „Wehe, wenn du diese Rechnung heute nicht zahlst. Ich warne dich Evarist Dieu ne dort“. Die Stimme von Rita war sehr bestimmend und klar. Er wusste aus Erfahrung, wenn Rita ihm bei seinem richtigen Namen nannte, war es fünf vor zwölf; es hieß, dass er aufpassen sollte. Wie ein Kind hörte er sich „ja“ sagen und verschwand. Er verstand nicht, woher die kamerunischen Frauen diese Macht, diesen Mut nahmen! Und man nannte sie „schwaches Geschlecht“. ‚Blödsinn‘, meinte er. ‚Das ist nur Jammerei, um die Männer noch besser zu dominieren‘, sagte er sich als er wieder auf der Straße war.

Wieder im Auto diskutierte er lange mit Amina und dann fuhren die beiden zu „Snec“, der Wasserbehörde, wo Johnny seine Rechnung auch tatsächlich beglich. Nun gab es ein Problem. Das Wasser bzw. der Zähler musste wieder vor Ort angebracht werden. Aber der Mitarbeiter, der den Zähler abgebaut hatte, hätte „aus Versehen“ vergessen, diesen ins Büro zurückzubringen. In Kamerun wurden, wenn Wasser oder Stromrechnungen nicht gezahlt worden sind, die kompletten Zähler abgenommen.

Eine heftige Diskussion fing im Büro des Snec an: „Wie kann man einfach vergessen den Zähler hierher zu bringen? Das ist nur eine Masche, um mehr Geld zu erhalten!“

Die Frau an der Rezeption ignorierte ihn regelrecht und bat den nächsten, herein zu kommen. Johnny sagte: „Ich werde hier nicht weggehen und niemand wird hier bedient, bis Sie nicht mein Wasser wieder zum Laufen gebracht haben.“

Die Rezeptionistin schaute ihn an, als ob er ein Hund wäre und sagte: “Monsieur, es ist mir egal. Von mir aus können Sie den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bleiben. Ich muss niemanden bedienen“, und ging einfach in den Hinterraum.

Nun gab es Streitereien zwischen anderen Kunden, die auch zahlen wollten. Manche griffen Johnny an, manche zeigten Verständnis für seine Handlung. „Er hat doch bezahlt, man muss ihm sein Wasser geben. Das ist sein Recht“, sagte eine Frau. Ein Mann erwiderte: „Ja, aber wenn er rechtzeitig gezahlt hätte, wäre sein Zähler immer noch da, wo er hingehört, nämlich in seiner Wohnung. Sollen wir auch unseren Zähler verlieren, weil wir unsere Rechnung nicht zahlen können? Er muss nicht egoistisch sein.“

Eine Drängelei entstand zwischen den Leuten, die zahlen wollten, und Johnny. Die Dame der Rezeption kam wieder, saß in ihrem Stuhl und fing an eine Zeitung zu lesen, um noch demonstrativer zu zeigen, wie egal es ihr war. Es wurde immer lauter und dann kam einer vom Ordnungsdienst und fragte, was los sei.

Die Rezeptionistin erklärte ihm, was los war und er ging direkt zu Johnny und sagte: „Monsieur, dégagez“, („Monsieur, machen Sie Platz“) in einem Ton, der keinen Zweifel zuließ, dass er diesen Mann auch mit Gewalt rausschicken würde.

Johnny fragte nur: „Warum?“

Da stand plötzlich die Rezeptionistin auf und sagte laut: „He, Monsieur, déguerpissez, vous n’avez pas honte?“, („He, Monsieur, hauen Sie sofort ab, schämen Sie sich nicht?“) und weiter: „Für 15 Euro lassen Sie den Zähler abnehmen und sie wollen noch laut reden? Ich verspreche Ihnen, solange ich hier arbeite, werden sie diesen Zähler erst in einer Woche haben. Sie können sich gleich beim Präsidenten des Landes beklagen, da mein Chef dafür zu klein wäre.“

Johnny erwiderte: „Ja, das ist nur das große Maul der Kameruner! Wer bist du, du kleine arme Sachbearbeiterin? Glaubst du, ich kann mit dir ausgehen? Mit deinem dicken Arsch, auf dem ein Kind ohne Stütze stehen kann, ohne festgebunden zu werden? Willst du so tun, als ob du Macht hättest? Analphabetin. Meine Freundin kann dich als Putzfrau für ihr Auto einstellen und dir zehnmal mehr Geld zahlen als das, was du hier verdienst.“

Die Frau ließ sich nicht einschüchtern und erwiderte: „Sie, ja, Sie kommen hier im Anzug rein, als ob Sie was wären. In der Realität sind Sie nichts. Arm wie eine Kirchenmaus. Und Sie leben nur auf Kosten dieser älteren Frauen, die in ihrer Jugend alles verpasst haben und glauben, nun mit Geld alle Männer kaufen zu können. Sie sind ein Gigolo (Callboy), besser, ein armseliges Bordell und ich warne Sie: Nur ein Anruf und mein Mann lässt Sie einsperren. Versager, Schlappschwanz, Bordell, he – gehen Sie raus und zwar sofort, wenn Sie...“

Da intervenierte sogar der Ordnungsbeamte, um die Frau zu beruhigen. „Ma sœur, lass es, oder ist es etwas anderes? Geht es eigentlich noch immer nur um den Zähler?“

Die Frau druckste weiter: „Non, grand-frère. Solche Männer muss man dorthin abschieben, wo sie hingehören. Er hat Glück, dass ich heute gut drauf bin, sonst…“

Sie meinte es auch ehrlich. Johnny war beeindruckt und fragte sich, wie es dann wirklich wäre, wenn sie in Rage geriet?

Johnny Walker, der große Johnny Walker, hatte so etwas noch nie erlebt. Er sagte nur: „Hey, Madame, entschuldige mich, oh. Du hast heute Nacht nicht von mir geträumt, oder?“

Er wusste, dass man in Sachen Mundwerk nicht mit einer afrikanischen Frau mithalten konnte. Sie waren da viel zu stark und unbesiegbar. Und noch einmal dachte er an Rita. ‚Dann nennt man diese Frauen hier schwaches Geschlecht? Nee! Vielleicht in Europa, hier überhaupt nicht. Männer in Afrika müssen sich emanzipieren‘, dachte er.

Intelligent wie er war, wusste er, dass es besser wäre, die Sache nicht eskalieren zu lassen und ging raus. Ja, wir waren in Kamerun. Und jeder war der Präsident da, wo er sich befand. Was sollte er also tun? Er konnte nicht so nach Hause gehen zu Rita, ohne den Wasserzähler, das hieß ohne Wasser. Aber er wusste auch, dass in Kamerun alles möglich war. Es kam nur einfach darauf an, wie man sich anstellte.

Als er überlegte, was er tun könnte, war der Ordnungsmann schon bei ihm und sagte: „Mann, du kennst doch unsere Frauen mit ihrem Mundwerk. Es lohnt sich nicht, sich mit ihnen anzulegen. Sie werden dich fertig machen. Jetzt hast du verloren, wie ein kleiner, feiger Hund. Lass mich noch mal mit ihr reden und wir sehen, was machbar ist.“

Johnny nickte nur mit dem Kopf und als der Ordnungsmann wieder hineinging, verschwand Johnny kurz im Auto zu Amina und erzählte ihr den Stand der Dinge und kam wieder zurück, als der Ordnungsmann wieder herauskam.

„Ich habe den Eindruck, dass sie dir helfen kann. Aber sie ist immer noch hart. Es ist besser, dass wir zusammen zu ihr gehen. Du versuchst zuerst, dich mit blablabla zu entschuldigen. Danach frage sie wie eine Kobra, die gerade besiegt wurde und sich ergibt, was sie für dich tun kann, damit du noch heute Wasser haben kannst. Zeig ihr, dass sie gewonnen hat.“

Johnny Walker wusste nur zu gut, wie es in Douala zuging. Er wusste auch genau, dass dieser Streit, auch wenn er so heftig schien, doch harmlos war. Die Kameruner waren einfach sehr wortgewandt, aber auch nicht nachtragend.

Er ging wieder rein mit dem Ordnungsmann. Als die Frau ihn sah, griff sie ihn wieder sofort an.

„Monsieur, je ne vous reçois plus, sortez.“ („Monsieur, ich empfange Sie nicht mehr, gehen Sie.“)

Johnny sah den Ordnungsmann verlegen an, wie um zu sagen: „Was nun?“

Der Ordnungsmann lächelte die Rezeptionistin an, schmeichlerisch mit einer Grimasse, kratzte sich dabei ein bisschen am Kopf und sagte: „Yes Mama, du bist wirklich eine Dame de Fer, eine eiserne Frau, Yes, Yes, das ist gut. Frauen müssen endlich mal Kamerun regieren, nein, Afrika regieren. So würde kein weißer Mann uns mehr etwas zu bieten haben und unseren Reichtum klauen.“

Sie lächelte und sagte: „Du grand-frère, hör auf mit deinen Faxen und ärgere mich nicht. Sonst wird es ein Problem zwischen dir und mir geben. Weiße Männer, klauen … Blödsinn. Sind in Yaoundé – der Hauptstadt – weiße Männer an der Macht? Ich habe noch keinen gesehen, der Minister ist oder Geschäftsführer einer staatlichen Firma. Aber doch wird unser Reichtum jeden Tag geklaut.“

Der Ordnungsmann ignorierte einfach weiter dieses schlagfertige Argument: „Schwester, hilf doch meinem Bruder hier. Ja, er weiß, dass er sich im Ton vergriffen hat und es tut ihm leid“, dabei drehte er sich prompt zu Johnny und tat so, als ob er mit ihm schimpfte: „Hey, sag es doch, sag einfach Entschuldigung. Wenn ihr hierherkommt und redet, als ob ihr Paul Biya seid, dann sind Leute sauer. Du hast die Dame verärgert. Sie wird dir nun helfen, wegen mir, verstehst du, nur wegen mir, aber sag ihr, es tut dir leid.“ Paul Biya war der Präsident von Kamerun.

Johnny schaute die Damen an und sagte wie befohlen, dass es ihm leidtäte.

Die Dame blieb immer noch aggressiv: „Du hast Glück, dass der grand-frère da war. Ich schwöre dir, du hättest auch nach einer Woche kein Wasser mehr gehabt. Hast du mich hier angestellt? Hä, kennst du mich? Hmmm, sage dir nur, du hast Glück. Gib mir das Papier her.“ Johnny wusste schon, dass die Frau sich beruhigt hatte. Zum ersten Mal hatte sie ihn geduzt.

Sein Glück war aber nur von kurzer Dauer. Die Frau kam zurück und gab ihm das Stück Papier, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. „Der Installateur hat viel zu tun und kommt erst morgen wieder. Komm morgen. Wir haben ab halb 8 auf.“

Der Ordnungsmann schaltete sich dazwischen: „Grande sœur, pourquoi tu es dure comme cela?“ („Große Schwester, warum bist du so hart?“) und: „Und was ist, wenn er...“, er drehte sich zu Johnny und nickte mit dem Kopf, um Johnny mitzuteilen, er müsse das akzeptieren. „Wenn er dann dem Installateur die Taxikosten plus Spesen zahlt? Vielleicht kann er doch, na ja, kann er doch noch nach dem Feierabend bei ihm vorbeischauen?“

Die Frau tat so, als ob sie nicht einverstanden wäre. Der Ordnungsmann fügte hinzu: „Ja, grande soeur, ich weiß, dass das nicht deine Arbeit ist, den Installateur anzurufen. Es kostet dich Geld und Zeit, aber…“, er drehte sich wieder zu Johnny, „...aber, der wird dir sicher dein Bier ausgeben, meins sowieso, ok? Siehst du, er hat ja gesagt.“ Er redete für Johnny, ohne nach Johnnys Meinung zu fragen.

Er wendete sich wieder an die Dame: „Ruf ihn doch mal an und frag ihn, ob er damit einverstanden wäre und du bekommst ganz sicher dein Bier, Schwester. Ja, grande sœur, ich liebe dich, ich liebe dich über alles, aber schade, dass ich nicht dein Mann bin.“

„Halt‘s Maul grand-frère. Du kannst mit deinem Mundwerk alles wieder kaputt machen.“ Sie ging ans Telefon, kam nach zwei Minuten zurück und redete ganz leise mit dem Ordnungsmann, der dabei ständig den Blickkontakt zu Johnny suchte. Dabei lächelte er, um Johnny so zu signalisieren, dass alles okay sei, er aber zahlen müsse.

Er ging wieder zu Johnny und redete mit ihm. Minuten später ging er wieder zu der Dame und gab ihr die Hand, als ob sie sich grüßen wollten. Somit hatten einige Scheine die Taschen gewechselt. Und Rita würde ihr Wasser noch heute bekommen.

„Na ja“, seufzte Johnny Walker erleichtert, „sehr gute Tricks hier in Kamerun, um Geld aus den Taschen der Kunden zu ziehen. So zu tun, als ob man Menschen helfen will und dabei noch gut verdienen.“

Er kannte diese Logik genau. Die Frau bekam etwas, der Installateur bekam was, der Ordnungsmann ebenfalls und Rita hatte ihr Wasser. Kommunistischer Kapitalismus à la Kamerun. Eine Hand wusch die andere. Er war aber selbst schuld. Hätte er rechtzeitig seine Rechnung beglichen, hätte er keinen Cent mehr weitergezahlt.

Das Beste aber dabei war nun, dass er seit diesem Tag neue Freunde gefunden hatte. Die Dame, den Ordnungsmann und den Installateur. Sie würden für immer Freunde werden und das nächste Mal bräuchte er gar nichts mehr zu zahlen. So einfach ging es in Kamerun. So war es hier. Die Menschen lebten halt, sie lebten einfach nur.

Er war am Ende doch zufrieden und wieder glücklich.

Nach einer Stunde war alles geregelt und er stieg wieder ins Auto zu Amina, die die ganze Zeit mit laufendem Motor im Auto auf ihn gewartet hatte. Es war schon fast 16 Uhr.

Beide freuten sich nun auf die schnelle gemeinsame Stunde.

Es musste schnell gehen, da der Installateur gegen 17:30 Uhr kommen wollte. Zeit, das nächste Hotel aufzusuchen.

4 Shades of Black and White: schwarze Liebe, schwarzer Sex, weiße Passion – tausend Wege raus aus Afrika

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