Читать книгу MONSTER - Nancy Noack - Страница 5
ОглавлениеKapitel 1
Ihre Lunge brannte wie Feuer. Ihre Beine wurden von Minute zu Minute immer schwerer. Sie hatte das Gefühl Schuhe aus Blei anzuhaben. Ihr Atem rasselte wie der Schwanz einer Klapperschlange und es tat weh, genügend Luft in die Lungenflügel zu ziehen.
Dies war der Zeitpunkt, an dem Laura es sehr bereute, jemals mit dem Rauchen angefangen zu haben. Seit fast einer Stunde irrte sie nun schon durch den immer dunkler werdenden Wald. Eine Pause gönnte sie sich nicht. Sie rannte so schnell ihre Beine sie trugen. Stolperte über Baumwurzeln und verhedderte sich mehrmals im Gestrüpp, das regelrecht nach ihr zu greifen schien. Doch nichts konnte sie zum Anhalten und Pausieren bewegen. Hier ging es schließlich um ihr Leben! Sie rannte gewiss nicht aus Spaß und Langeweile durch den, ihr völlig fremden, Wald. Sie wurde von zwei Männern verfolgt und gejagt wie ein Fuchs, der dem Bauern ein Huhn gestohlen hat. Bei ihrer Flucht vor den Fremden hatte Laura nicht darauf geachtet wohin sie lief, und rannte immer weiter in den Wald hinein. Anfangs hatte sie noch die Hoffnung gehabt, hier ihre Verfolger abhängen zu können. Doch sie hoffte vergebens. Die beiden Männer waren sehr hartnäckig. Sie waren schnell und schienen sich in dem Wald auszukennen. Ganz im Gegensatz zu ihr schienen sie zu wissen, wohin sie liefen. Wohin sie die arme Laura trieben.
Diese wollte doch nur zu einem Konzert! Ein völlig harmloser Ausflug in eine fremde Gegend, um ihre Lieblingsband mal wieder sehen zu können. Schon lange hatte sie ihren Trip geplant und sich auf diesen Abend gefreut. Der Abend war auch sehr gelungen. Nur schien er noch nicht zu Ende zu sein und nun zum reinsten Horrortrip zu werden. So hatte sich die hübsche Laura ihren Ausflug nicht vorgestellt.
Schon seit über einem Jahr kannte sie die Rockpanthers und war bisher bei fast jedem ihrer Auftritte dabei. Wenn die Band mal außerhalb ihrer Heimatstadt, Berlin spielte, kümmerte Laura sich immer rechtzeitig um eine Mitfahrgelegenheit. Die Band war es einfach Wert, beinahe jeden Weg auf sich zu nehmen. Sie waren keine Weltberühmtheiten, aber in Berlin schon recht bekannt, mit stets wachsender Fangemeinde. Die Rockpanthers bestanden aus vier voll ausgebildeten Musikern, von denen jeder Einzelne ein besonderes Talent hatte. Singen konnten sie alle, dennoch gab es nur einen Leadsänger. Dieser wäre jedoch nichts, wenn es nicht noch einen Keyboarder, einen Gitarristen und natürlich einen Schlagzeuger in der Band gegeben hätte. Zusammen harmonierten die Künstler ganz ausgezeichnet. Zumindest auf der Bühne. Hinter der Bühne ging es manchmal schon recht heftig zu, aber bislang endete irgendwann jeder Streit wieder friedlich. Zum Glück, denn würde die Band sich wegen eines dummen Streites auflösen, wäre das schon verdammt schade.
Auch dieses Mal hatte sich Laura um eine Mitfahrgelegenheit gekümmert und wurde von ein paar anderen Fans im Auto mitgenommen. Die Fahrt dauerte fast zwei Stunden, denn es ging nach Eisenhüttenstadt. Aber es war eine sehr amüsante Fahrt. Die beiden Mädchen, die sie mitnahmen, waren superfreundlich und zugänglich. Sie kannten sich schon von anderen Auftritten der Rockpanthers und waren sich also nicht mehr ganz fremd. Auf der Fahrt zum Konzert hatten sie sich ausgezeichnet unterhalten. Die Gespräche schwankten zwischen ernsten Themen wie die Arbeit, das Leben und die Liebe, bis hin zur humorvollen, eigentlich unsinnigen, Konversation. Laura mochte die beiden Mädchen und war ihnen sehr dankbar das sie mit ihnen mitfahren durfte.
Für die Hinfahrt zum Konzert war also bestens gesorgt. Nur die Heimfahrt war noch unklar gewesen, da die beiden Mädchen schon vor Ende des Konzerts zurück mussten. Laura wusste das. Doch es hinderte sie nicht daran, trotzdem mitzufahren. Schließlich war es erst mal nur wichtig, dort überhaupt hinzukommen. Für den Rückweg würde sich schon noch was finden. Darüber machte sie sich zunächst keine Gedanken. Außerdem wusste Laura ganz genau, dass die Band sie nicht einfach sitzen lassen würde. Die Musiker würden Laura schon mitnehmen. Sie genoss die Autofahrt und die netten Unterhaltungen mit den beiden anderen Fans.
Bereits während der Fahrt, spürte Laura ein leichtes Kribbeln in der Magengegend. Je näher sie ihrem Ziel kamen, umso schneller schlug ihr Herz. Laura war voller Vorfreude. Es war nur ein paar Tage her das sie ihre Rockpanthers zuletzt gesehen hatte, doch die Sehnsucht nach der Gruppe und deren Musik war längst wieder in ihr aufgestiegen. Natürlich entfachte nicht nur die Rockband und deren Musik im Allgemeinen ihre starke Sehnsucht. Nein, es war ein bestimmter Mann, den sie vermisste und auf den sie sich jedes Mal ganz besonders freute. Kevin, der attraktive Sänger der Band hatte Laura schon seit geraumer Zeit in seinen Bann gezogen. An den Tagen, an denen sie Kevin sah, konnte sie nie etwas Essen, geschweige denn eine Zigarette rauchen. Ihr war jedes Mal wieder total flau im Magen. Und das, obwohl sie Kevin jetzt schon so lange kannte.
Kevin war ein großer hübscher Mann. Er hatte braunes, leicht gewelltes Haar, welches immer perfekt frisiert war. Was das Frisieren seiner Haare anging, war Kevin keineswegs einfallslos. Er hatte einen gut trainierten Körper und unvergesslich schöne Augen. Augen, in denen man versinken konnte. Hatte man einmal seinen Blick erhascht, war es schwer sich wieder abzuwenden. Natürlich war auch sein stimmliches Talent nicht zu verachten. Er hatte eine wunderbare Stimme, die sehr vielfältig war, und eine verzaubernde Bühnenpräsenz.
Laura wusste, was für eine Wirkung Kevin auf das weibliche Geschlecht hatte. Und sie wusste auch, wie oberflächlich er mit der Liebe umging. Schon mehr als einmal hatte Laura bezweifelt, dass Kevin überhaupt wusste, was Liebe ist. An einer festen Beziehung war dieser Mann nicht interessiert. Er liebte die Abwechslung bei den Frauen und im Bett. Er spielte ein fieses Spiel mit den Damen, die ihm ihr Herz schenkten. Ließ so Einige in dem Glauben, das er sie tatsächlich liebt. Doch von Treue hatte dieser Mensch scheinbar noch nie etwas gehört. Er sammelte Groupies, wie andere Briefmarken oder Münzen sammeln würden. Kevin wusste das Musiker bei den Mädels gut ankamen. Und er nutzte diese Position in großen Maßen aus.
Oft dachte Laura bei sich, dass dieser Mann endlich mal erwachsen werden sollte. Aus dem Alter, in dem man die Frauen wechselt wie die Unterwäsche, ist er doch eigentlich raus. Schließlich war der Mann bereits dreißig Jahre alt. Aber richtig erwachsen verhielt er sich selten. Da war sie, Laura, mit ihren fünfundzwanzig Jahren erwachsener und bodenständiger als Kevin es vermutlich jemals sein würde. Wenigstens in der Hinsicht, was die Liebe betraf. Laura hatte feste Vorstellungen, was ihr künftiges Liebesleben betraf. Sie wünschte sich einen treuen, ehrlichen Mann. Mit diesem dann eine kleine Familie und ein glückliches Leben mit allen Höhen und Tiefen, die eine Ehe so mit sich bringt. Und sie wollte das mit niemand anderen als mit Kevin. Aber für Kevin war so ein Leben nichts. Er hatte Kinderwunsch, das wusste sie, doch eine Frau dazu wollte er nicht. Laura liebte ihn trotzdem. Sie liebte Kevin nicht, weil er ein Musiker war. Nein, sie liebte ihn als Menschen. Er tat nach außen hin immer cool und unverletzlich. Manchmal wirkte er sogar richtig arrogant und abweisend. Doch Laura wusste genau das hinter dieser Fassade ein sensibler und guter Mensch steckte. Ein wertvoller Mann der Respekt, Zuneigung und Liebe verdient hatte.
Kevin war also gewiss kein nebensächlicher Grund, weswegen sie regelmäßig die Auftritte der Band besuchte und auch die Termine außerhalb von Berlin wahrzunehmen versuchte. Er war sozusagen der Grund für ihre missliche Lage, in der sie sich nun befand. Ein grausamer Gedanke, doch leider war es tatsächlich so. Hätte Kevin nicht solche Anziehungskraft auf Laura gehabt, würde sie nun nicht verfolgt werden, von Männern, die nichts Gutes im Schilde führten.
Der Wald erschien Laura unendlich groß. Nirgends schien es eine Lichtung zu geben, geschweige denn einen Weg aus ihm heraus. Gehetzt blickte sie sich um, um zu sehen, wie dicht ihre Verfolger ihr auf den Fersen waren. Keiner der beiden widerlichen Männer war zu sehen. Doch sie hörte nur zu deutlich das Knacken von Ästen und das Rascheln von Laub hinter sich. Ein Zeichen, das sie ihre Verfolger noch immer nicht abgehängt hatte. Lange würde sie dieses Tempo nicht mehr durchhalten, dessen war sich Laura bewusst. Doch sie würde nicht anhalten. Würde sich nicht einfach so ausliefern. Sie würde weiterlaufen, solange ihre Beine sie noch tragen konnten. An Anhalten war gar nicht zu denken. Sie musste schon ohnmächtig umfallen, bevor sie aufgab. Aufgeben fiel Laura noch nie leicht. In keiner Hinsicht. Hatte sie sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt, zog sie es bis zum bitteren Ende durch. Wenn sie etwas wollte, dann kämpfte sie auch dafür. Und in diesem Moment wollte sie auf jeden Fall unbeschadet und mit dem Leben davonkommen.
Durchhaltevermögen und Kampfgeist hatte Laura schon oft in ihrem Leben bewiesen. In beruflicher Hinsicht, wie auch in ihrem Privatleben. Und besonders stark war ihr Durchhaltevermögen im Bezug auf den hübschen Kevin. Seit sie sich endlich selbst eingestanden hatte, dass sie ihn liebte, kämpfte sie um ihn und war in keiner Weise dazu bereit gewesen, den Mann aufzugeben.
Als sie Kevin kennenlernte, fand sie zunächst nur seinen Job als Musiker und seinen Kampfgeist faszinierend. An ihm selbst war sie nicht interessiert. Sie hatte ihren festen Freund und wollte mit Kevin nur auf beruflicher Basis zu tun haben. Es gefiel ihr, wie er um seinen musikalischen Erfolg kämpfte und wie hart er dafür arbeitete. Außerdem gefiel ihr die Musik, die er machte ausgesprochen gut. Das war der Grund, weswegen Laura ihn und seine Band in jeglicher Hinsicht unterstützen wollte. Sie wollte einfach alles dafür tun das seine Band erfolgreich und bekannt wurde. Er hatte es verdient, ihre Unterstützung zu bekommen. Und für ihre berufliche Zukunft konnte das Mädchen diese Arbeiten sehr gut als Übungen nutzen.
Laura half ihm bei der Gestaltung der Internetpräsenz, machte fleißig Werbung für die Band und unterstützte sie durch ihre Anwesenheit bei den Konzerten. Es blieb natürlich nicht aus das sie oft mit Kevin sprechen musste, wenn sie etwas für seine Band tat. Anstatt persönlicher Gespräche beschränkte sich dies jedoch meistens auf einen Chat im Internet, über einen Messanger. Das war gar nicht so unpraktisch, da es für den notwendigen Datenaustausch sehr von Vorteil war. Und überhaupt war Laura viel offener und mutiger, wenn sie ihm schreiben konnte. Stand sie ihm direkt gegenüber, fiel ihr das Sprechen oftmals schwer und sie wurde furchtbar schüchtern.
Laura erinnerte sich nur zu gut an das erste richtige Zusammentreffen mit Kevin. Sie war fürchterlich aufgeregt und hatte höllische Angst etwas falsch zu machen. Sie hätte sich für ihre Schüchternheit selbst ohrfeigen können. Damals wollte sie noch nichts von diesem Mann und trotzdem führte sie sich auf wie ein völlig verknallter Teenager der sich nicht traut den Mund zum Sprechen aufzumachen. Schuld daran war Kevins Beruf. Künstler waren für Laura schon immer etwas ganz Besonderes und es war schwer für sie ihnen keinen besonderen Respekt zu zollen.
Kevin hatte sie Zuhause besucht, da sie gemeinsam an einem Werbevideo arbeiten wollten. Für das Video mussten noch einige Aufnahmen gemacht werden und dann musste an den Schnitten gearbeitet werden.
Schon Tage vor Kevins Besuch war Laura total nervös und wuselte aufgeregt in der Wohnung umher. Hey, er war Musiker! Da war der Mann doch sicher nur das Beste vom Besten gewohnt. Und ihre Wohnung bot alles andere als das Beste. Sie schrubbte die komplette Wohnung von oben bis unten und ging sogar soweit die Wohnzimmerwände neu zu streichen, da die alte Farbe durchs viele Rauchen vergilbt war. Am liebsten hätte sie nicht nur die alte Farbe ausgetauscht, sondern auch gleich noch John, ihren Freund, vor die Tür gesetzt. Er war ein Plappermaul und Laura hatte Angst, dass John sie in der Gegenwart von Kevin blamieren könnte.
Mit John hatte man es nicht leicht. Er konnte ein richtiges Arschloch sein. Zudem war er immer rechthaberisch und konnte nie einfach mal des Friedens wegen nachgeben. Er musste alles infrage stellen, was andere sagten. Laura ging das ordentlich auf die Nerven. Sagte sie etwas, folgte meist sofort ein Nein von ihrem Freund und eine klugscheißerische Verbesserung. Warum gab sie sich das eigentlich? Das Leben zu zweit war angenehm einfach, weil die Sorgen geteilt wurden. Doch war es das denn wirklich wert? Die Liebe zu John war längst weg. In letzter Zeit war die Frau einfach nur noch genervt von ihrem Lebensgefährten und wünschte sich eine lange Auszeit von ihm. Es war an der Zeit einmal genauer darüber nachzudenken, wie schön das Singleleben doch sein könnte.
Laura war schließlich eine Frau, die wusste, wie sie allein zurechtkam. Sie war nicht arbeitsscheu, hatte ein gutes soziales Leben, wusste wie man einen Haushalt führt, kocht und Rechnungen bezahlt. Wozu sollte sie sich also noch weiterhin mit John herumschlagen. Er war doch eigentlich nur noch hinderlich für Laura und ihr zukünftiges Leben. Es ist schon traurig solche Gedanken zu hegen, doch manchmal läuft eben nicht alles so wie im Märchen. Vorerst war aber doch nur eine Grundreinigung der Wohnung geplant.
Der Teppich wurde nicht nur abgesaugt, sondern mit Teppichschaum bearbeitet und auch die Gardinen wurden frisch gewaschen. Das Sofa war leider auch nicht mehr das Schönste, doch so schnell ließ sich da nichts Neues auftreiben. Dafür hatte sie den alten Hocker noch schnell entsorgt, denn der war von ihren Katzen total zerkratzt worden.
Als der Tag von Kevins Besuch da war, war Laura jedoch recht froh, dass sie ihren Freund nicht zusammen mit dem ruinierten Hocker ausgemistet hatte. Lauras Lebensgefährte stellte sich nämlich noch als äußerst brauchbar dar. Er musste die Videoaufnahmen für sie machen, da Laura so nervös war, dass ihre Hände zitterten. Das hätte peinlich werden können, die Aufnahmen wären verwackelt und somit unbrauchbar gewesen. Auch peinliches Schweigen brach dank Lauras Freund nicht aus. Er fand immer etwas über das man sich unterhalten konnte, und somit wurden Lauras Schüchternheit und Nervosität perfekt überdeckt. Jedoch klappte das nicht den ganzen Abend so reibungslos. Kevin war ein Mensch, der offen auf andere zuging. Ganz selbstverständlich setzte er sich neben Laura und stupste sie auch mal frech in die Seite, wenn er einen Witz gemacht hatte. Auch versehentliche Berührungen blieben nicht aus und Laura zuckte bei jeder einzelnen seiner Berührungen zusammen, wie ein verschreckter Hase. Zu ihrem Glück merkte Kevin nichts davon, oder schien es gekonnt zu ignorieren. Sollte er es wirklich einfach ignoriert und überspielt haben, so war Laura ihm äußerst dankbar dafür.
Da sie das Video nicht an einem Abend fertiggestellt bekommen hatten, kündigte sich Kevin auch für den nächsten Tag bei Laura Zuhause an. Diesen Tag trat sie weitaus weniger nervös an, da sie am Vorabend festgestellt hatte, dass Kevin auch nur ein ganz normaler Mensch war. Ob nun Musiker oder nicht. Er legte scheinbar keinen allzu großen Wert auf Luxus und übermäßiger Ordnung. Zumindest hatte er Lauras Wohnung so akzeptiert, wie sie war.
Als Kevin dann mit einiger Verspätung an Lauras Tür klopfte, öffnete sie ihm freudig und ließ ihn ein. Ein paar Minuten seiner Verspätung waren auf jeden Fall entschuldigt. Er stand kauend mit etwas zu Essen in der Hand an ihrer Tür, worauf sich schließen lies das er noch einen Zwischenstopp am Imbiss eingelegt hatte. Und essen musste ja schließlich jeder Mensch mal! Dadurch, dass er sich seine Mahlzeit mitgebracht hatte und diese nun genüsslich, auf Lauras Sofa sitzend, verschlang, hatte er ihre beiden Katzen natürlich zum besten Freund. Die beiden Stubentiger schauten ihn mit hungrigen Augen an und rückten immer näher zu Kevin. Eine der Katzen war sogar so frech sich auf den Tisch zu setzen und mit der Pfote nach dem Essen zu angeln. Laura war das verdammt unangenehm. Mein Gott, was muss Kevin denn nur denken? Dass ich meine Tiere nicht ausreichend füttere? Dachte sie sich und wollte die Katze vom Tisch entfernen. Doch Kevin schaute amüsiert zu Laura und meinte: »Ach lass sie doch, das ist doch süß.« Nach dem er aufgegessen hatte beschäftigte sich Kevin noch einige Zeit mit Lauras Katzen, wobei sie ihn fasziniert beobachtete. Er schien Katzen sehr zu mögen, war also ein tierlieber Mensch. Sogar das Miauen der Katzen konnte er perfekt imitieren. Zu diesem Zeitpunkt schlug Lauras Herz das erste Mal etwas schneller, wenn sie Kevin sah und an ihn dachte. Doch dieses Gefühl, sich zu ihm hingezogen zu fühlen, verdrängte sie so schnell wieder, wie es in ihr aufkam.
Seit acht Jahren lebte Laura bereits in einer festen Beziehung. Gut, in der Beziehung gab es mehr schlechte Zeiten als gute Zeiten. Wirklich glücklich war sie in ihrer Beziehung schon lange nicht mehr. Aber trotzdem, man warf acht Jahre nicht einfach so hin. Ein anderer Mann kam nicht infrage. Dafür würde sie ihre Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Zumal sie zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, wie Kevin mit Frauen umging. Er war es nicht wert, das man für ihn eine so langjährige Beziehung opferte. Zudem war Laura im Moment auch gar nicht so unglücklich mit ihrem Leben und definitiv nicht auf der Suche nach einem neuen Partner. Es lief in Ihrer Partnerschaft zu John nicht perfekt, aber man kam gut miteinander aus. Das Leben schien einfach zu sein. Die beiden hatten sich in Berlin Kreuzberg eine schöne Wohnung gemietet, in der es genug Platz gab, sich auch ab und zu mal ein bisschen aus dem Weg zu gehen, wenn es Stress gab. Es war manchmal eher ein nebenherleben anstatt ein Zusammenleben, aber Laura machte das nicht mehr viel aus. Wer weiß, vielleicht würden sie und John sich im Laufe der Zeit wieder richtig zusammenraufen. Wer wusste schon was die Zukunft alles so bringen würde? John war immer schon ein verwöhntes Muttersöhnchen gewesen. Er kannte es nicht anders, da seine Familie ihm immer alles regelrecht in den Hintern geschoben hatte. Der Mann war längst erwachsen und dennoch hatte er keine Ahnung wie man einen Haushalt zu führen hat.
Alleine war er nicht lebensfähig! In seinem Elternhaus musste er nie etwas machen und ließ sich rund um die Uhr verwöhnen. Kein Wunder also, das er weder wusste, wie man putzt, kocht oder Wäsche wäscht. Hätte John nicht Laura an seiner Seite, würde er gnadenlos im Dreck ersticken. Ihm war ja noch nicht einmal bekannt, wo er Staubsauger und Wischlappen in der gemeinsamen Wohnung finden würde. Traurig aber wahr, sie lebten schon einige Jahre zusammen in der Wohnung und trotzdem musste John immer wieder nachfragen, wo sich was befand. Gut, wenn es um die Putzutensilien ging, fragte er eh nie nach. Doch auch bei Salatschüsseln und anderen alltäglichen Gegenständen stand John hilflos inmitten der Wohnung, ohne auch nur annähernd eine Ahnung zu haben, wo er nachgucken müsste, um das Gesuchte zu finden.
Vielleicht konnte John ja nichts dafür, doch eine gewisse Selbstständigkeit, sollte ein Mensch doch entwickeln können, oder nicht? Ganz klar haben seine Eltern einen Fehler in der Erziehung gemacht. Denn es ist doch eigentlich ganz normal, das ein Kind ab einem bestimmten Alter gewisse Arbeiten im Haushalt übernimmt. Arbeiten wie den Müll herausbringen, die Küche zu fegen, Das Besteck abtrocknen. Kleinigkeiten, die nicht zu schwer sind, aber dennoch etwas Verantwortung mit sich bringen. Nur so, kann ein Mensch auf das Leben vorbereitet werden. Es ist schon fast traurig, das manche Eltern diese Erziehungsphase einfach verpassen. Und bei Johns Eltern war dies definitiv der Fall gewesen. Es würde sich noch rächen, denn Laura würde John vielleicht doch noch irgendwann verlassen und seine Eltern würden auch nicht ewig leben. Wie sollte der Mann dann nur zurechtkommen?