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Kapitel Eins

Worte, die heilen und verbinden

Die Worte, die wir in unserer Interaktion mit Kindern verwenden, haben die Macht, zu heilen oder zu verletzen, Distanz zu schaffen oder Nähe zu fördern, Gefühle zu verschließen oder das Herz zu berühren und es zu öffnen, Abhängigkeit zu verstärken oder dem Kind Kraft zu verleihen. Zum Beispiel:

Beim Einkaufen in einem Bioladen hörte ich ein Kind weinen. Ich folgte dem Geräusch und fand ein kleines Mädchen, etwa vier Jahre alt, das weinend und jammernd auf dem Boden lag. Niemand schien bei ihr zu sein. Ich sah mich rasch um, und eine Frau an der Kasse beantwortete meine unausgesprochene Frage: „Ich weiß nicht, wo ihre Mutter ist. Dieser Junge hier ist offenbar ihr Bruder.“

Der Bruder des weinenden Mädchens war ungefähr neun Jahre alt. Er stand im Gang neben dem Einkaufswagen. Ich setzte mich neben das weinende Mädchen auf den Boden und versuchte zu erraten, warum sie weinte. „Wartest du schon furchtbar lange darauf, endlich aus dem Laden hier rauszukommen?“, fragte ich.

„Ja“, sagte sie.

„Willst du nach Hause gehen?“

„Ja“, antwortete sie und schluchzte dabei lauter.

„Es dauert so lang, und Mama ist so langsam“, fügte ich hinzu.

„Ja“, kam die Antwort. Diesmal sah mich das Mädchen mit ihren großen, tränenerfüllten Augen an.

„Es ist schwer, in diesem langweiligen Laden zu sein und so lange zu warten“, sagte ich.

„Mmhh.“

Ihr Bruder kam zu uns herüber und sagte mit einer ungeduldigen Geste: „Komm, Lizzie, steh jetzt auf.“

Ich wandte mich an den Jungen und fragte: „Bist du es auch leid, auf Mama zu warten?“

„Ja“, antwortete er und fügte dann hinzu, „vor allem, wenn im Fernsehen gerade die beste Sendung läuft.“

„Oh“, sagte ich. „Verpasst ihr gerade eure Lieblingssendung?“

„Ja“, erwiderte Lizzie und erzählte mir von der Sendung.

„So was Blödes“, bestätigte ich. „Wann kommt die Sendung das nächste Mal?“

„Morgen“, sagten sie wie aus einem Munde. „Sie kommt jeden Tag“, ergänzte der Junge.

„Habt ihr Angst, dass ihr nicht herausbekommen könnt, was ihr verpasst habt?“, fragte ich, weil ich dachte, sie machten sich vielleicht Sorgen, der Geschichte nicht mehr folgen zu können.

„Ja“, antwortete Lizzie, und ihr Bruder nickte.

Dann stand Lizzie auf. Ich stellte mich vor. Lizzie umarmte mich herzlich. Ich sagte: „Ich bin so froh, dass ich euch getroffen habe.“ Sie ließ sich in meine Arme sinken, und ich stand auf und hielt sie. Sie war jetzt ruhig. Dann kam ihr Bruder näher auf uns zu und sagte: „Wir bekommen bestimmt raus, was wir bei der Sendung verpasst haben, Lizzie.“ Lizzie lächelte. In dem Moment kam die Mutter der Kinder und dankte mir für meine Hilfe.

Worte, die heilen, müssen nicht unbedingt etwas an den Tatsachen ändern. Lizzie konnte nicht nach Hause gehen, als sie es wollte, und sie verpasste ihre Fernsehsendung. Was sich jedoch änderte, waren ihre Gefühle dazu und die Art, wie sie die restliche Zeit in dem Laden verbrachte. Die übliche Art, mit Kindern zu reden, negiert oft jede Aussage des Kindes. Sehen wir uns an, wie das Gespräch mit Lizzie ausgesehen hätte, wenn ich sie „liebevoll und sanft“ negiert hätte.

Stellen wir uns vor, ich hätte Lizzie, als sie schluchzend auf dem Fußboden lag, gefragt: „Warum weinst du?“. „Warum“ zu fragen, drängt ein Kind in die Defensive und impliziert, dass wir keinen Grund zum Weinen sehen, während Kinder im Allgemeinen glauben, dass der Grund für ihre Tränen offensichtlich sei. „Warum?“ kann auch einen verletzenden Vorwurf an ein weinendes Kind andeuten: „Irgendwas stimmt wohl nicht mit dir, dass dich das so aus der Fassung bringt.“ Doch für dieses Beispiel stellen wir uns mal vor, Lizzie hätte auf meine Frage „Warum weinst du?“ mit „Ich will nach Hause“ geantwortet.

„Mama braucht bestimmt nicht lange“, hätte ich sagen können. „Willst du mal was sehen?“

Auf den ersten Blick wirken diese Sätze vielleicht harmlos, doch sie negieren Lizzies Gefühle sogar auf zweifache Weise. Erstens dauert es nach Lizzies Empfinden lange, bis ihre Mama mit dem Einkaufen fertig ist. Wenn ich etwas anderes zu verstehen gegeben hätte, hätte ich Lizzies Gefühl der Ungeduld angezweifelt. Und zweitens hätte ich durch mein Angebot, Lizzie von ihrem Unglück abzulenken, impliziert: „Tun wir so, als wärst du nicht unglücklich und als hättest du Spaß.“ Das negiert ihr Bedürfnis, sich ihrer Gefühle bewusst zu sein und über ihren Ärger und ihre Wünsche zu sprechen.

Wenn Lizzie auf die Ablenkung eingeht, hört sie vielleicht kurz auf zu weinen. Aber weil ihr Kummer immer noch schmerzt und ihre Gefühle weiterhin verleugnet werden, kann die Ablenkung, wie interessant sie auch sein mag, ihre emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigen.

Sagen wir der Geschichte zuliebe, Lizzie ließe sich nicht auf meinen Versuch, sie abzulenken, ein, und heulte noch lauter: „Ich will meine Sendung gucken. Ich will jetzt nach Hause gehen!“

„Du kannst die Sendung bestimmt an einem anderen Tag sehen“, hätte ich noch weiter negieren können. „Außerdem ist zu viel Fernsehen nicht gut für dich.“

Damit hätte ich Lizzie so sehr entfremdet, dass sie am liebsten vor mir geflüchtet wäre. Ich hätte ihr Gefühl der Ungeduld bagatellisiert, ihre Frustration abgetan und ihr zu verstehen gegeben, dass sie keinen Grund hätte, unglücklich zu sein. Daher hätte sich Lizzie wahrscheinlich nicht mehr weiter bemüht, ihre Gefühle auszudrücken, und hätte nicht mehr nach dem verlangt, was sie wollte, weil sie nicht den Eindruck gehabt hätte, dass ich auf ihrer Seite wäre.

Mein Gespräch mit Lizzie hätte unbegrenzt so weitergehen können, da Negieren nie etwas löst, sondern vielmehr schmerzliche Emotionen steigert, weil das Kind dazu getrieben wird, seine Geschichte zu verteidigen. Schließlich hätte Lizzie einen Weg gefunden, mich loszuwerden, und wäre am Ende noch unglücklicher gewesen als zuvor.

Wenn Kindern der Eindruck vermittelt wird, dass sie authentisch sein und ihre Gefühle zeigen dürfen, und wenn sie sehen, dass wir ihren Blickwinkel ernst nehmen, finden sie oft selbst eine Lösung für ihr Problem oder schließen mit der Realität Frieden. Wenn die Gefühle von Kindern dagegen negiert und abgelehnt werden, sind sie oft nicht in der Lage, ihre Probleme zu lösen. Sie empfinden Wut, weil sie sich selbst als Opfer sehen.

In dem Szenario, das wir uns vorgestellt haben, hätte ich Lizzie in einem solchen Maß entfremdet, dass sie ihren berechtigten Unwillen zwangsläufig auf ihre Mutter übertragen und damit ihren eigenen Kummer und den ihrer Mutter noch gesteigert hätte. Was dagegen tatsächlich in meiner Gegenwart geschah, ist, dass Lizzie Erleichterung empfand, als ich Verständnis und Wertschätzung für ihre Gefühle zum Ausdruck brachte. Sie konnte nun akzeptieren, dass sie ihre Lieblingssendung nicht würde sehen können.

Führt Wertschätzung zum Erfolg?

„Ich habe meiner Tochter Wertschätzung entgegengebracht, aber leider erfolglos“, sagte Annie mit einem verzweifelten Seufzen. „Wolltest du, dass deine Tochter durch deine Wertschätzung mit ihrem Wutanfall aufhört, und das hat nicht funktioniert?“ fragte ich.

„Ja“, erwiderte Annie, „sie hat ihre Bauklötze trotzdem nicht weg geräumt.“

Das Bekunden von Verständnis und Wertschätzung hat seinen Wert in sich selbst. Es ist keine Methode, die wir benutzen, um das Verhalten eines Kindes oder den Verlauf eines Wutanfalls zu lenken oder zu verändern. Im Gegenteil, durch unsere Wertschätzung ermöglichen wir dem Kind, sich gefahrlos auszudrücken; wir bieten dadurch Liebe und vertraute Freundschaft an. Die Folge einer solchen Wertschätzung ist, dass sich das Kind sicher genug fühlt, um seine Gefühle wahrzunehmen und sie ganz auszudrücken.

Die wahrscheinlichste unmittelbare Folge des Bekundens von Verständnis und Wertschätzung ist verstärktes Weinen, ein Wutausbruch oder andere Formen des Selbstausdrucks. Als ich in dem echten Szenario mit Lizzie meine Wertschätzung für ihre Gefühle zum Ausdruck brachte, reagierte sie, indem sie lauter schluchzte und ihrem Unwillen freien Lauf ließ. Erst als sie damit fertig war, zu weinen und über ihre Bedürfnisse zu sprechen, wurde sie ruhig und konnte die Realität hinnehmen. Wenn es kein Fremder ist, der seine Wertschätzung für die Gefühle des Kindes zum Ausdruck bringt, sondern seine Mutter oder sein Vater, weint das Kind wahrscheinlich länger, weil es alte Spannungen zusammen mit den aktuellen herauslässt. Kinder, die Verständnis und Wertschätzung für ihre Gefühle und Erfahrungen erleben, weinen manchmal mehr oder werden wütender, eben weil die Wertschätzung ihnen die Möglichkeit verschafft, ihre tiefsten Gefühle auszudrücken. Aber sobald sie damit fertig sind, blicken sie oft ohne einen Rest negativer Gefühle nach vorne.

Bisweilen bringt das Bekunden von Wertschätzung auch einen Kummer zu einem schnellen Ende, weil es um etwas Vorübergehendes geht und das Kind daher schnell Erleichterung empfindet. Doch wenn das Kind heftiger schluchzt, seien Sie für es da. Achten Sie darauf, dass Sie den Kummer nicht verursachen, sondern Liebe und Bestätigung bieten, damit die Gefühle herausgelassen werden können. Wenn Sie sich angesichts der Intensität der Gefühle unbehaglich fühlen, denken Sie daran, dass es bei Ihrem Einsatz nicht um Ihr eigenes Wohlbehagen geht, sondern um das Vertrauen des Kindes in Sie und in sich selbst. Durch ein solches Bewusstsein des eigenen Ich lernen Kinder sich selbst kennen und vertrauen; Gefühle und ihr Ausdruck, einschließlich intensiver Gefühle, machen ihnen dann weniger Angst.

Das Kind begreift seine eigenen Emotionen und Bedürfnisse nicht nur klarer, sondern Sie werden auch feststellen, dass Sie es durch die Wertschätzung für seine Gefühle besser verstehen und dass Sie beide sich tief verbunden und gestärkt fühlen. Sie werden Respekt für den individuellen Weg ihres Kindes und ein klareres Verständnis ihres eigenen Weges als Mutter oder Vater entwickeln. Zwischen Ihnen und Ihrem Kind wird ein tiefes Band des Vertrauens wachsen, das auch andere Beziehungen im gesamten Leben Ihres Kindes prägen wird. Dadurch, dass es sich selbst vertraut und keine Angst vor Gefühlen hat, wird es emotionale Stabilität und Mitgefühl gewinnen, um die Höhen und Tiefen des Lebens zu bewältigen.

Vermeiden Sie es beim Bekunden von Wertschätzung für die Gefühle Ihres Kindes, zu dramatisieren oder Ihre eigene emotionale Reaktion hinzuzufügen. Wenn wir dramatisieren, ist es wahrscheinlich, dass sich das Kind noch tiefer in seine Geschichte hineinsteigert; wenn es dagegen unsere wohlwollende Haltung erlebt, kann es laut weinen oder toben und dann sein eigenes „Drama“ sehen und darüber lachen oder zumindest mit einer positiven Einstellung nach vorne blicken. Lizzie und ihr Bruder konnten mit der Realität Frieden schließen, weil man ihnen intensiv zuhörte und ihre Geschichte gleichzeitig nicht an Dramatik gewann. Ich vermied es zu dramatisieren. Weder bewertete ich die Situation, noch bot ich Auswege an, was impliziert hätte, dass die Lage schlimm wäre. Kinder springen förmlich aus ihrem Unglück heraus, wenn ihnen aktiv und wohlwollend zugehört wird und wenn sie damit fertig sind, sich auszudrücken.

S.A.L.V.E. für die Kommunikation

Viele Eltern fragen nach konkreten Worten, die ihnen helfen können, ihre Wertschätzung zu bekunden und zu bestärken, anstatt zu negieren. Die S.A.L.V.E.-Formel kann ein Werkzeug sein, um Ihnen beim Wechsel hin zum Bestätigen der Erfahrungen Ihres Kindes zu helfen, damit es seine Gefühle annehmen und authentisch und kraftvoll handeln kann.

S – Sondern Sie sich durch ein stummes Selbstgespräch vom Verhalten und den Emotionen Ihres Kindes ab. Das ist der schwierigste Schritt; sobald Sie ihn geschafft haben, ist der Rest einfach. Achten Sie darauf, wie Ihr Inneres Ihnen Worte in den Mund legt, wenn etwas, was das Kind getan hat, Sie zu einer Reaktion bewegt. Es ist wie ein Computer, der selbst Programme startet: Ihr Kind tut etwas, und ein Fenster öffnet sich automatisch in Ihrem Inneren. Dies wäre harmlos, wenn Sie das, was darin steht, nicht laut vorlesen würden. Wenn Sie aus der Fassung sind, ist es falsch, sich nach diesen Worten zu richten. Es würde die Situation nur verschärfen. Es ist nicht das, was Sie wirklich sagen wollen. Es entspricht nicht Ihrer wirklichen Absicht und ist daher unauthentisch. Der Beweis dieser Unauthentizität ist, dass Sie Ihre Worte und Handlungen später bereuen und dass Letztere Mauern zwischen Ihnen und Ihrem Kind entstehen lassen.

Um zu vermeiden, dass Sie Ihr Kind verletzen, lesen Sie die Worte in diesem automatischen Fenster stumm in Ihrem Kopf. Werden Sie sich der Worte bewusst, die Sie beinahe gesagt hätten, und lassen Sie Ihrer ganzen Äußerung, einschließlich bildlicher Vorstellungen, Maßnahmen, die Sie ergreifen wollen, oder Erinnerungen aus Ihrer Vergangenheit in Ihrem Inneren, freien Lauf. Das dauert weniger als eine Minute und schadet niemandem. Was Sie empfinden, ist für Sie allein bestimmt und kein Grund für Handlungen oder Äußerungen. Es ist eine alte Aufzeichnung, nicht der Mensch, der Sie in der Gegenwart sind.

Anfangs brauchen Sie für diese Erforschung Ihrer eigenen Gedanken vielleicht länger als diese eine Minute. Fangen Sie an, indem Sie sich Ihrer Gedanken einfach bewusst werden und sie so stehen lassen. Schreiben Sie Ihre Gedanken auf, damit Sie später gründlicher daran arbeiten können. Im Lauf der Zeit werden Sie größere Kontrolle über Ihr Inneres gewinnen und den ganzen kurzen Prozess auf der Stelle durchführen können.

Gedankenerforschung

• Prüfen Sie die Gültigkeit der Worte hinter Ihrer Aufregung, Wut, Sorge oder Kritik. Sind es wirklich Ihre Worte? Glauben Sie das wirklich? Gedanken wie, „sie wird es nie lernen“, „er sollte sich nicht so verhalten“ oder „sie sollte wissen, dass sie Verantwortung übernehmen muss“, sind alte Aufzeichnungen, die vielleicht nicht einmal Ihre eigene Meinung widerspiegeln. Vielleicht ist es das, was andere sagen; vielleicht sind es Ihre Ängste, Ihre Erinnerungen oder Ihre eigenen Ambitionen. Was sie auch sein mögen, sie stehen Ihrer Fähigkeit, Ihr Kind so, wie es ist, zu lieben und zu verstehen, im Wege.

• Werden Sie sich bewusst, was diese Gedanken mit Ihnen machen, wenn Sie sie ernst nehmen. Stellen Sie sich vor, wie Sie Ihr Kind behandeln würden, wenn Sie diesem Gedanken Folge leisteten.

• Überlegen Sie, wer Sie wären, wenn Ihnen dieser Gedanke nicht in den Sinn käme. Ohne den Gedanken können Sie frei sein und auf Ihr Kind eingehen, statt auf Ihr eigenes Selbstgespräch. Versuchen Sie sich vorzustellen, Sie ständen mit Ihrem Kind in derselben Situation, jedoch ohne den Gedanken, der Sie dazu bewegt zu negieren und zu kontrollieren. Der Gedanke wird nicht verschwinden. Er gehört Ihnen. Stellen Sie sich nur vor, wer Sie ohne ihn sind. Ohne Ihren Gedanken, der Sie einschränkt, kann Ihr wirkliches, bedingungslos liebendes Selbst zum Vorschein kommen.

• Prüfen Sie, ob das, was Ihre Gedanken Ihnen über Ihr Kind suggerieren, nicht ebenso auf Sie zutrifft. Gewöhnlich sehen wir bei anderen Menschen Dinge, die wir selbst auf uns bezogen hören sollten. „Er sollte sich nicht so verhalten“ wird zu „ich sollte mich … mit meinem Kind nicht so verhalten.“ „Sie wird es nie lernen“ kann auch ein Aufruf an Sie sein, selbst besser zu lernen, wie Sie sich als Mutter oder Vater verhalten können, und „sie sollte wissen, dass sie Verantwortung übernehmen muss“ kann ein wichtiger Wegweiser für Ihre eigene Fähigkeit sein, für die Reaktionen Ihres Inneren und für andere Bestandteile Ihres Lebens Verantwortung zu übernehmen.

Sobald Sie sich einmal der Gedanken, die Sie in die Irre führen, bewusst geworden sind, werden Sie entdecken, dass Sie wirklich voll bedingungsloser Liebe sind; statt in Ihrer eigenen Sorge um das Kind gefangen zu sein, werden Sie mit nichts als Ihrer Liebe, wie sie immer war und ist, für es da sein. Wenn Sie sich von Ihren störenden Gedanken frei gemacht haben, beginnt das Licht des Menschen, der Sie wirklich sind, zu leuchten, und Sie sehen Ihr Kind in diesem liebenden Licht.

A – Aufmerksamkeit auf Ihr Kind richten. Wenn Sie die Unterhaltung in Ihrem Kopf (die mit Ihrem Kind nichts zu tun hat) still ergründet haben, wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit von sich selbst und Ihrem inneren Monolog ab und Ihrem Kind zu.

L – Lauschen Sie auf das, was Ihr Kind sagt oder worauf sein Verhalten hindeuten kann; dann hören Sie noch weiter zu. Halten Sie Augenkontakt mit Ihrem Kind und stellen Sie Fragen, die ihm Gelegenheit geben, noch mehr zu sagen, oder wenn sich das Kind nonverbal ausdrückt, die es wissen lassen, dass Sie es verstehen.

V – Äußern Sie Verständnis und Wertschätzung für die Gefühle Ihres Kindes und die Bedürfnisse, die es ausdrückt, ohne zu dramatisieren und ohne Ihre eigene Wahrnehmung hinzuzufügen. Lauschen und Verständnis sind die Zutaten von Liebe (lv). Wenn Ihnen dies gelingt, schaffen Sie eine Verbindung zu Ihrem Kind und fühlen sich präsent und sich selbst gegenüber authentisch.

E – Ermutigen, bestärken Sie Ihr Kind, seinen eigenen Kummer zu bewältigen, indem Sie ihm freie Bahn lassen und ihm vertrauen. Zeigen Sie Zuversicht, dass es sich zu helfen wissen wird, indem Sie sich nicht aufregen und nicht versuchen, alles schnell in Ordnung zu bringen. Kinder bringen selbst ihre Bitten, Lösungen und Ideen vor, wenn sie wissen, dass man ihnen vertraut, und wenn sie sich fähig und frei von elterlichen Erwartungen oder Emotionen fühlen. Emotionen behindern die Fähigkeit, kraftvoll zu handeln. Sobald diese Gefühle ausgedrückt sind, gewinnt das Kind wieder Freiheit und Durchblick und lässt entweder seinen Wunsch fallen oder entwickelt eine Lösung. Auf schnelle, natürliche Weise wird Ihr Kind das tun, was Sie bei Ihrer Selbsterforschung getan haben.

Der neunjährige Clint weinte, weil seine Schwester Joy das Monopolyspiel mit ihm nicht zu Ende spielen wollte. „Ich will das Spiel zu Ende spielen. Ich war so nah dran zu gewinnen!“, schrie er.

Ella, die Mutter der beiden, hätte beinahe „Gerechtigkeit“ durchgesetzt, doch dann nahm sie sich Zeit, ihre persönliche Reaktion vom Streit ihrer Kinder abzusondern und ein stummes Selbstgespräch in ihrem Kopf zu führen (S von S.A.L. V.E.). Sie stellte sich vor, wie sie Joy anschreien, sie als rücksichtslos und gemein bezeichnen und ihr befehlen würde, das Spiel zu Ende zu spielen. Dann prüfte sie diese Gedanken und wurde sich darüber klar, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen; ihre Tochter war überhaupt nicht gemein, und ihre Fähigkeit, sich zu behaupten, war etwas Gutes. Daraufhin konnte sie den Gedanken hinter sich lassen und die nächsten Schritte tun: Clint (A) Aufmerksamkeit zu schenken und (L) zu lauschen, ihm zuzuhören.

„Du warst also schon ganz aufgeregt, weil du die Chance zu gewinnen hattest. Bist du enttäuscht, dass du das Spiel nicht zu Ende spielen konntest?“ „Ich bin stinksauer. Ich will das Spiel zu Ende spielen“, beharrte Clint. „Ich weiß, du willst das Spiel zu Ende spielen, aber Joy will nicht.“

„Ich war so nah dran zu gewinnen, und deshalb hat sie aufgehört“, sagte Clint.

Ella bekundete weiterhin Verständnis und Wertschätzung und lauschte ihrem Sohn, änderte jedoch nicht die Realität für Clint. Sie ermutigte, bestärkte ihn, indem sie sich nicht einmischte und seine Realität nicht „in Ordnung brachte“. Damit drückte sie aus: „Ich höre dich, ich sehe kein Problem, und ich weiß, dass du damit umgehen kannst.“

Nach einer Weile war er fertig und fing über etwas anderes zu sprechen an. Das, was Clint zu sagen hatte, wurde gehört. Er fühlte sich mit seiner Mutter, die Verständnis und Wertschätzung für seine Gefühle bekundete und die Fakten gemäß seiner Wahrnehmung wiederholte, verbunden. Sie fügte keine Dramatik hinzu; sie mischte ihre eigenen Gefühle oder Ansichten nicht dazu. Ihr Vertrauen und ihre verlässliche Gegenwart ermöglichten es Clint, nach vorne zu blicken.

Junge Kinder und das Sprechen über Gefühle

Wenn man sagt, dass jemand traurig, verärgert oder enttäuscht ist, versteht das ein jüngeres Kind vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Junge Kinder fühlen sich am ehesten bestätigt, wenn Tatsachen wahrgenommen werden. Bei einer Telefonberatung schilderte mir eine Mutter die Erfahrung, die sie mit ihrer Tochter im Schwimmbad gemacht hatte.

Orna (5) kam aus dem Schwimmbecken und weinte verzweifelt, weil sie länger dableiben wollte. Das Schwimmbad würde gleich schließen. Ihre Mutter Donna zog sie an, um das Gebäude zu verlassen. Während sie Orna anzog, spiegelte Donna die Erfahrung ihres Kindes, indem sie die Tatsachen beschrieb:

„Du spielst so gern im Wasser. Wolltest du noch viel länger spielen?“ Orna antwortete: „Ja, ich wollte noch mehr hüpfen.“

Donna fuhr fort: „Ich weiß. Du wolltest noch nicht aus dem Wasser raus, und man hat uns gesagt, wir müssten raus.“

Orna hörte auf zu weinen und sagte: „Ich bin so gern im Schwimmbad.“ „Ja“, sagte Donna, „und du magst es nicht, wenn du aus dem Wasser raus musst.“

„Mama“, erwiderte eine ruhige Orna, „es macht mir jetzt nichts mehr aus. Ich will nach Hause gehen.“

Donna beschrieb nur die Tatsachen, und Orna konnte problemlos einen Bezug dazu herstellen und fühlte sich bei ihrer Mutter zufrieden. Von sich aus klammern sich Kinder nicht an schmerzlichen Gefühlen fest. Sie blicken kraftvoll nach vorne, weil sie keinen Berg von Geschichten um jedes Gefühl herum haben. Vermeiden Sie es, ihnen beizubringen, sich in Selbstmitleid zu ergehen, wie Erwachsene es oft tun. Erwachsene hören manchmal gar nicht damit auf und versuchen, ein Schuldgefühl beim anderen zu erzeugen, oder sie geben sogar der Kultur oder der Regierung die Schuld. Derartige Gewohnheiten wollen Sie Ihrem Kind sicher nicht beibringen. Bekunden Sie Wertschätzung, erwarten Sie jedoch von Ihrem Kind, den Blick nach vorne zu wenden und seine Gefühle nicht allzu ernst zu nehmen; und lernen Sie von Ihrem Kind. Emotionen sind etwas, was man herauslassen kann, wie Schweiß oder Stuhlgang. Emotionen müssen wahrgenommen werden, damit sie einem nicht im Weg stehen, genau wie Schweiß abgewaschen werden muss. Sobald das Bedürfnis des Kindes, verstanden zu werden, befriedigt ist, wird es den Blick nach vorne wenden. Seine Fähigkeit, nach vorne zu blicken, wird auch verhindern, dass es sich an der Episode festklammert und eine Geschichte daraus macht, die seine Einstellung für den Rest seines Lebens negativ beeinflusst.

Wenn das Bekunden von Wertschätzung zur Beleidigung wird

Manchmal kann das Bekunden von Wertschätzung in den Augen des Kindes seine Privatsphäre und Autonomie verletzen. Ein Kind kann Ihre anteilnehmenden Worte als Beleidigung auffassen, wenn es wegen etwas, das Sie getan oder gesagt haben, verärgert oder unglücklich ist; auch kann es sein, dass ein Kind das Bekunden von Wertschätzung unabhängig vom Grund seines Ärgers ablehnt. Ihr Kind braucht die Freiheit zu entscheiden, ob es seine Gefühle offen legen will oder nicht.

Vielleicht will es gar nicht, dass man erwähnt, dass es wütend oder traurig ist. Im Wesentlichen sagt das Kind: „Wenn ich unglücklich bin, lass mich, aber sag mir nicht, dass du mich siehst.“ Wenn ein Kind ein solches Bedürfnis nach stummem Zuhören hat, ist ihm wahrscheinlich jedes Wort, das wir sagen, unangenehm:

Die fünfjährige Amber baut einen Turm. Der Turm fällt um, und sie ärgert sich. Da kommt ihre Großmutter ins Zimmer und spiegelt: „Oh, ärgerst du dich? Wünschst du, der Turm wäre nicht umgefallen?“

Amber wirft die noch stehenden Bauklötze um und schreit: „Sag nichts!!!“ Die Großmutter sitzt still da und erkennt ihren Fehler.

Amber wirft sich auf den Boden und schiebt die Bauklötze wütend hin und her. Sie brüllt: „Blöde Bauklötze, blöder Fußboden, blöde Amber!“ Sie wirft noch mehr Bauklötze durch das ganze Zimmer. Die Großmutter schweigt, ist aber präsent, und Amber reagiert auf ihre Aufmerksamkeit, indem sie sich ganz ausdrückt. Als sie fertig ist, steht sie auf, sammelt die Bauklötze ein und baut ruhig einen Turm.

Schweigen heißt nicht Gleichgültigkeit. Schenken Sie dem Kind Ihre volle Aufmerksamkeit, aber erwähnen Sie es nicht. Es ist dem Kind auch unangenehm, wenn seine Gefühle erwähnt werden, wenn es verlegen ist oder Angst hat. In solchen Fällen können Sie entweder nichts sagen und aufmerksam bleiben oder das Kind bestärken, indem Sie Ihre eigene menschliche Schwäche betonen und dem Kind von einer ähnlich peinlichen Episode in ihrem Leben erzählen, wie es mein Klient Adi tat:

Während Adi im Garten arbeitete, ging seine vierjährige Tochter Ruthi nach drinnen und goss sich ein Glas Milch ein. Dabei verschüttete sie etwas Milch auf den Tisch und den Küchenfußboden. Als Adi ins Haus kam und die verschüttete Milch sah, wäre er beinahe herausgeplatzt: „Warum hast du mich nicht gefragt, ob ich dir helfen kann? Du weißt doch, dass du das nicht alleine kannst.“ Doch stattdessen atmete er tief ein; hörte diese Worte stumm in seinem Inneren (S von S.A.L.V.E.) und merkte, dass sie keinen Nutzen für ihn hatten. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit (A) Ruthi zu. Ihm wurde klar, dass sie sich bemüht hatte, ihn nicht bei seiner Arbeit zu stören, und sich deshalb ohne seine Hilfe ein Glas Milch eingegossen hatte. Er kam näher auf sie zu und sagte fröhlich: „Wie ich sehe, hast du dir ganz allein Milch eingegossen.“

Ruthi antwortete: „Ja, und etwas ist daneben gegangen.“ Sie sah mit fragendem Blick zu ihrem Vater auf.

„Das ist mir neulich passiert, als ich bei Opa war“, sagte er. „Ich hab Saft verschüttet. Ich kam mir ganz ungeschickt vor, aber Opa hat gelächelt und mir ein Tuch gegeben. Es ist ganz leicht aufzuwischen.“ Ruthi lief aus der Küche und holte ein Tuch, das sie ihrem Vater gab. Es war nicht die Art Tuch, die Adi benutzt hätte, um den Boden auf zu wischen, doch er nahm das Tuch lächelnd an und wischte die Milch auf.

Indem er Ruthis Leistung, sich selbst ein Glas Milch einzugießen, wahrnahm und würdigte, behandelte Adi sie genauso, wie er einen Gast behandelt hätte, der versehentlich Milch verschüttet hätte. Adi gab seine eigene Ungeschicklichkeit zu und bekundete Ruthi dadurch seine Wertschätzung, ohne sie mit Worten, die ihre Gefühle bloßlegen, in Verlegenheit zu bringen. Als sie erkannte, dass sogar ihr Vater manchmal ungeschickt war, fühlte sie sich wieder wohl. Als sie das „falsche“ Tuch brachte, kritisierte Adi sie nicht und nahm auch kein anderes Tuch. In diesem Beispiel entstand durch ein Missgeschick eine tiefere Bindung zwischen Vater und Tochter, und die Selbstachtung und Würde des Kindes blieben intakt.

Gefühle der Wut, Worte der Liebe

Manchmal empfinden wir trotz unserer Absicht, zu lieben und freundlich zu sein, gegenüber einem Kind Ärger oder sogar Zorn. Der Auslöser muss nichts Großes sein. Wir alle haben unsere Erinnerungen an Schmerz und Scham, die an die Oberfläche kommen, wenn wir mit auch nur vage ähnlichen Situationen konfrontiert werden.

Wir erinnern uns nicht unbedingt an irgendetwas, aber die mit diesen Erfahrungen assoziierten Gefühle überfluten unser Inneres. Die S.A.L.V.E.-Formel (stummes Selbstgespräch, Aufmerksamkeit auf das Kind richten, Lauschen, Verständnis und Wertschätzung, Ermutigen) mit besonderer Betonung auf dem ersten Schritt kann hier hilfreich sein.

Ärger und heftige Reaktionen verdecken oft andere schmerzliche Gefühle. Häufig sind das Gefühle, derer wir uns aufgrund von Angst und Unbehagen, die in unseren früheren Erfahrungen wurzeln, nicht bewusst sind. Wenn es für Sie als Kind nicht sicher war, zu weinen, Aufmerksamkeit zu verlangen und sich ganz auszudrücken, haben Sie diese Gefühle wahrscheinlich schon vor langer Zeit unterdrückt. Was in der Gegenwart passiert, läuft automatisch ab: Die schmerzlichen Gefühle werden sofort „weggeschoben“, und Ärger tritt in den Vordergrund, weil er als akzeptabler gilt und man sich weniger verletzlich fühlt, als wenn man seine Traurigkeit oder seine Tränen zeigt.

Doch Ärger gibt uns nicht die Befreiung, die wir brauchen, weil er mit einer Schuldzuweisung einhergeht. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von uns weg nach außen lenken (Schuldzuweisung), verhindert das, dass wir unsere Gefühle der Verletzlichkeit wahrnehmen. Wenn wir den Gedanken, die unseren Ärger auslösen, nicht auf den Grund gehen, bleiben wir unvollständig und oft noch ärgerlicher und klammern uns mehr an der schmerzlichen Position des Opfers (Schuldzuweisung) fest.

Bevor Sie als Reaktion auf ein unerwartetes Verhalten Ihres Kindes handeln oder etwas sagen, denken Sie nach (Selbstgespräch). Sprechen Sie die ersten Worte, die Ihnen in den Sinn kommen, nicht aus. Dies sind die Worte, die Ihr Kind wahrscheinlich verletzen und das Problem verschärfen würden; zwar werden diese Worte nicht verschwinden, aber Sie können lernen, sie nur als Gedanken und nicht als Wahrheit anzusehen. Bei diesem Prozess können Sie sich sogar von Ihrem Kind helfen lassen. Bitten Sie es, Sie daran zu erinnern: „Nimm dir Zeit, Mama“ oder „Denk einen Moment nach, Papa.“ Ihrem Kleinkind können Sie eine „Flagge“ geben, die es zur Erinnerung schwenken kann. Solche vereinbarten Hinweise können Ihnen signalisieren, sich eine „Auszeit“ für sich selbst zu nehmen, um Ihr inneres Selbstgespräch vom Problem Ihres Kindes und von Ihrem authentischen Selbst zu trennen. Kümmern Sie sich zuerst um Ihre Gefühle, dann können Sie die Freiheit erlangen, sich auf das Kind zu konzentrieren.

Das Kind ist der Auslöser, nicht die Ursache Ihres Ärgers; es ist nicht verantwortlich für Ihre Gefühle. Es hat etwas getan, woraufhin sich ein altes Programm in Ihrem inneren Computer geöffnet hat und verlangt, dass Sie tun, was es sagt. Diese Reaktion läuft automatisch ab, ob Sie wollen oder nicht; aber Sie können entscheiden, ob Sie dem Programm Folge leisten wollen oder nicht. Sie können Ihr eigener innerer Zuhörer sein und innerlich Dampf ablassen, damit Sie sich frei von diesen alten Reaktionen um Ihr Kind kümmern können. Wenn Sie sich etwas Zeit genommen haben, um Ihr Selbstgespräch von der Situation zu trennen, und wenn Ihnen klar geworden ist, dass die Gedanken, die Ihren Ärger auslösen, nicht wirklich dem Menschen entsprechen, der Sie sind, und nichts mit der Gegenwart zu tun haben, gelingt es Ihnen vielleicht, sie einfach wahrzunehmen, so stehen zu lassen und Ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kind zu schenken. Später können Sie, wenn Sie wollen, einen Zuhörer finden, einen Freund oder einen Therapeuten, um Ihre eigene Gefühlserforschung abzuschließen. Sie können es auch selbst tun. Schreiben Sie jeden Gedanken auf, der bei Ihnen Ärger erzeugt, und prüfen Sie seine Gültigkeit für Sie, welche Gefühle und welches Verhalten der Gedanke bei Ihnen auslöst und wie Sie ohne diesen Gedanken reagieren würden. Überlegen Sie dann, ob vieles von dem, was Sie von Ihrem Kind erwarten oder wie Sie es bewerten, nicht ebenso nützlich für Ihr eigenes inneres Wachstum sein könnte.

Seien Sie liebevoll zu sich selbst. Das Wichtigste ist, keine Urteile über Ihre Gedanken oder Fantasien zu treffen; sie sind kein authentischer Ausdruck des Menschen, der Sie sind, und der Mutter oder des Vaters, die oder der Sie sein wollen. Nehmen Sie sich etwa eine Minute Zeit, um sich in Ihrem Inneren ganz auszudrücken. Sie können sich vorstellen, wie Sie schreien, schlagen, schimpfen, drohen, strafen oder was auch immer tun würden, das Ihnen in den Sinn kommt. Lassen Sie Ihren inneren „Film“ laufen, bis er zu Ende ist und Sie zufrieden sind, und fragen Sie sich dann, ob er für die Gegenwart wirklich relevant ist und dem Menschen entspricht, der Sie sind. Sie werden froh sein, sich nicht nach diesem Film gerichtet zu haben.

Wenn Sie sich die Freiheit und Liebe gönnen, alles ungehindert durch Ihren Kopf strömen zu lassen, nimmt das nur wenig Zeit in Anspruch, gibt Ihnen aber Ihre Kraft und Ihre Liebe zurück. Sie beobachten Ihre Gedanken nur und betrachten den Inhalt Ihres Ärgers. Wenn Sie noch eine Minute Zeit haben, schreiben Sie diese Gedanken auf und prüfen ihre Gültigkeit für die momentane Situation. Nachdem Sie sich durch diesen „Wahrheitsprozess“ hindurch gearbeitet haben, werden Sie sich viel besser in der Lage fühlen, sich auf die Gegenwart und die unschuldige Absicht Ihres Kindes zu konzentrieren. Eine Mutter, die auf meinen Rat hörte, erzählte mir die folgende Geschichte:

Während Wendy ein Nickerchen hielt, beschloss der neunjährige Emory, sie zu überraschen, indem er die Lasagne zubereitete, die sie an dem Abend zu einer Party mitnehmen wollten. Als Wendy aufwachte und in die Küche kam, um die Lasagne zuzubereiten, fand sie Emory dort vor: Er war ganz mit Tomatensoße beschmiert, stand mitten in einer Tomatenpfütze, und Tofu und Käse waren auf der ganzen Arbeitsplatte verteilt. Eine Backform war mit Zutaten gefüllt, die wie Lasagne aussehen sollten, für Wendy jedoch eher wie Kartoffelpüree in Tomatensuppe aussahen. Wendy war kurz davor zu explodieren. Sie hatte keine Zeit, um vor der Party noch das ganze Chaos zu beseitigen und eine richtige Lasagne zu machen. Sie atmete tief durch und dachte an S.A.L.V.E. Im Geiste sah sie, wie sie schrie und fluchte, Emory aus der Küche zog und ihm verbot, zu der Party zu gehen. Nachdem die Worte und Fantasien der Wut unausgesprochen durch ihr Inneres geströmt waren, wandte sie ihre Aufmerksamkeit Emory zu. Bevor sie den Mund aufmachen konnte, sagte Emory: „Mama, ich hab die Lasagne gemacht. Wir müssen sie nur noch backen und hier aufräumen. Du kannst noch ein bisschen schlafen gehen.“

Wendy, die jetzt die liebevolle Absicht des Kindes erkannte, lächelte und sagte: „Danke. Was für eine Überraschung. Ich fühl mich ausgeschlafen. Kann ich dir beim Aufräumen helfen?“

Emory nahm die Hilfe seiner Mutter an. Wendy fiel auf, dass die Lasagne jetzt nicht mehr so schlimm aussah wie vorher, als sie wütend gewesen war. Emory war stolz auf sich, und Wendy lernte eine wichtige Lektion. Mutter und Sohn hatten einen wunderbaren Abend zusammen.

Wendy gelang es nicht nur, ihre Aufmerksamkeit zu verlagern und das, was ihr Sohn getan hatte, erfreut wahrzunehmen, sondern durch ihr Schweigen gab sie ihm auch die Möglichkeit, die ersten Worte zu sagen, die alles lösten. Wenn wir uns ärgern, ziehen wir oft voreilig Schlüsse, ohne die Tatsachen und Absichten hinter dem Verhalten des Kindes zu sehen. Zu warten, bis ein Kind das Gespräch beginnt, kann dem Ärger den Wind aus den Segeln nehmen und Klarheit in die Situation bringen.

Schwierige Situationen liebevoll zu bewältigen, ist leichter, wenn wir uns vor Augen führen, dass es genauso lange dauert, das Chaos eines Kindes aufzuräumen, wenn wir wütend sind, wie wenn wir uns über es freuen. Wenn wir dem Kind die Worte ersparen, die Schuldgefühl, Groll und Scham hervorrufen, fühlt es sich wertvoll, geschätzt und gewürdigt. Diese Gefühle, die uns miteinander verbinden, machen unsere Zeit mit Kindern so wertvoll für sie und für uns.

Wenn Sie Ihr Kind um etwas bitten

Manchmal möchten wir ein Kind um etwas bitten – nach dem Duschen das Handtuch aufzuhängen, ein Telefongespräch zu beenden, woanders Krach zu machen oder schmutzige Stiefel auszuziehen, bevor es ins Haus kommt. Die Worte, die wir in diesen Situationen verwenden, können ein Kind beschämen und ihm ein schlechtes Gewissen machen, oder sie können Rücksichtnahme und gegenseitige Fürsorge bewirken. Bis vor kurzem wurden Schuldzuweisung und Beschämung als Werkzeuge der Kontrolle, die keine Fürsorge bewirkten, sondern durch Angst Gefügigkeit erzeugten, eingesetzt. Typische Sätze wie „Wie oft muss ich dir noch sagen…?“, „Was ist los mit dir?“, „Du hast alles verdorben“, „Wenn du nicht… bekommst du was zu hören!“ klingen vielen Leuten noch aus ihrer Jugend in den Ohren.

Bisweilen war die Kontrolle subtiler, und wir fühlten uns verpflichtet, ohne zu wissen warum, etwa wenn Eltern sagten: „Jamie ist so ein liebes Mädchen; ich weiß, dass sie dir helfen wird.“ Wir wurden gelobt, wenn wir die Wünsche unserer Eltern erfüllten, und ignoriert, wenn wir es nicht taten. Uns wurde gesagt, wenn wir unsere Eltern liebten, müssten wir tun, was sie sagten. Wir wurden mit Essen, Lob, Liebe, Privilegien oder Geschenken bestochen und mit einer Vielzahl von Maßnahmen manipuliert. Diese Methoden, uns gefügig zu machen, waren ebenso Instrumente der Kontrolle, nur auf verstecktere Art. Kinder, die auf diese Weise kontrolliert wurden, waren oft verwirrt von dem, das einerseits so sanft und liebevoll wirkte, bei dem sie sich andererseits aber klein, beschämt und nicht authentisch fühlten.

Nachdem Kinder viele Generationen lang so aufwuchsen, dass sie aus Angst heraus das taten, was ihre Eltern sagten, machen wir uns nun endlich dazu auf, Kinder mit derselben Würde, wie wir sie uns für uns selbst wünschen, zu behandeln. Sich von dem alten Konzept, dass man von einem Kind erwartet, das zu tun, was Mutter oder Vater sagen, zu verabschieden, ist nicht einfach. Es verlangt Engagement, ständige Übung und Selbstkontrolle. Vielleicht ist es für Sie am ehesten eine Hilfe, sich eine Minute Zeit zu nehmen, bevor Sie Ihr Kind um etwas bitten, und sich selbst zu fragen: „Wie würde ich (oder würde ich überhaupt) einen erwachsenen Freund darum bitten?“

Nach dem neuen Paradigma sind Kinder nicht verpflichtet, unsere Wünsche zu erfüllen. Sie sind frei, gemäß ihrer eigenen Entscheidung auf unsere Bitten zu reagieren, und wir tun gut daran, ihre Entscheidungen zu respektieren und Rücksicht auf ihre Grenzen und Ambitionen zu nehmen. Es ist unsere Aufgabe, mit Kindern so zu kommunizieren, wie wir es mit unseren erwachsenen Freunden tun würden, ohne zu verstehen zu geben, dass wir von ihnen erwarten zu tun, worum wir sie bitten. Wenn unsere Bitte nicht erfüllt wird, sollten wir das entweder respektvoll akzeptieren oder Verständnis für die Wahl des Kindes zeigen und Möglichkeiten erörtern, wie die Bedürfnisse von allen erfüllt werden können, oder eine Lösung finden, mit der sowohl das Kind als auch wir glücklich sein können.

Bringen Sie Ihre Bitten authentisch vor; tun Sie nicht so, als sollte etwas dem Kind zuliebe geschehen, wenn es in Wirklichkeit Ihnen zuliebe geschehen soll. So sind zum Beispiel Sie es, die sich ein ordentliches Zimmer wünschen, nicht das Kind. Sie wollen lehren, aber das Kind will nicht lernen. Vorzeitiger Unterricht ist wie eine vorzeitige Geburt: Er hat seinen Preis, er verlangsamt den Lernprozess und lässt eine Mauer des Misstrauens zwischen Ihnen und Ihrem Kind entstehen. Haben Sie Vertrauen in die Entwicklungsschritte Ihres Kindes und stellen Sie ehrliche Bitten: „Ich wünsche mir, dass das Zimmer ordentlich ist.“ Ihr Kind kann Ihnen beim Aufräumen helfen oder nicht, jedenfalls wird es von Ihrem Wunsch nach Ordnung erfahren und wird sich später dasselbe für sich wünschen (oder einen Partner finden, der es zu mehr Ordnung bewegt oder der selbst aufräumt, was auch eine Möglichkeit ist).

Gestehen Sie Ihrem Kind Unschuld zu, und überlegen Sie gut, bevor Sie eine Bitte äußern. Wenn Ihr Kleinkind mit matschigen Schuhen ins Haus kommt und über den Teppich geht, ist es sich keines Problems bewusst. Sie können einfach die Tatsachen schildern: „Deine Schuhe sind schmutzig. Lass sie mich dir ausziehen.“ Dann machen Sie den Teppich sauber.

Wenn Sie anfangen, den Teppich sauber zu machen, entscheidet sich das Kleinkind vielleicht, Ihnen zu helfen, aber vielleicht auch nicht. Es spielt keine Rolle, ob es beim Saubermachen hilft. Es zum Helfen zu zwingen oder zu drängen, würde nur Gefühle des Versagens, des Grolls und der Schuld auslösen. Diese schmerzlichen Gefühle lassen einen authentischen Wunsch zu helfen gar nicht erst aufkommen. Wenn unser Kind dagegen zusieht, wie wir saubermachen, und sich selbst dabei gut fühlt, oder wenn es fröhlich weggeht und den Teppich hinterher sauber vorfindet, kann es das, was wir tun, in sich aufnehmen und später die freie Entscheidung treffen, bei unserem Tun mitzumachen. Wenn Ihr Kleinkind seine Hilfe anbietet, lassen Sie sich von ihm helfen, ohne es zu kritisieren, ihm ihrerseits zu helfen oder in seiner Gegenwart hinter ihm her zu wischen. Sie können ihm vorschlagen, den Besen zu holen oder zu helfen, aber vermeiden Sie, es zu lenken, so dass es selbst entscheiden kann, ob es sich beteiligen, zusehen oder weggehen will.

Wenn junge Kinder gemaßregelt werden, sind sie durch die intensiven Gefühle und Wertungen ihrer Eltern oft so verängstigt, dass sie den Inhalt der Aussage überhaupt nicht verstehen. Auch wenn die richtigen Worte in einem etwas scharfen Tonfall oder eine versteckte Anschuldigung mit süßer Stimme vorgebracht werden, ist das für die Gefühle eines jungen Kindes zu überwältigend und lenkt seine Aufmerksamkeit davon ab, zu merken, worum es eigentlich geht. Es ist dann zu sehr damit beschäftigt, sich verletzt oder eingeschüchtert zu fühlen. Doch wenn das Kind spürt, dass der Fluss des Lebens und der Liebe frei fließen kann und dass seine Würde geachtet wird, kann es sich am besten der vielen Gewohnheiten und Bedürfnisse seiner Mitmenschen bewusst werden. Das Kind braucht keine Hilfe, um zu lernen, wie es mit uns zusammenleben soll; was es braucht, ist, dass wir ihm vertrauen und seinem Lernen nicht im Wege stehen.

Wenn Sie nur das „s“ von S.A.L.V.E. beherzigen, wird der Rest ganz von selbst kommen. Sobald Sie dem Geschwätz in Ihrem Inneren auf den Grund gehen oder es an sich vorbeiziehen lassen, ohne ihm Folge zu leisten, können Sie statt Ihrer eigenen Reaktionen Ihr Kind wahrnehmen. Ob Sie eine Bitte äußern oder auf ein Problem eingehen – wenn Sie präsent und frei sind, Aufmerksamkeit zu schenken, werden Sie sich wahrscheinlich in Ihr Kind einfühlen können und wissen, was zu tun ist.

Zurückspulen

„S.A.L.V.E. funktioniert, wenn ich daran denke“, sagt ein zweifelnder Vater. „Aber was ist, wenn ich nicht daran denke, mir Zeit zu nehmen? Wenn ich vor Wut einfach herausplatze?“

Es ist in der Tat nicht einfach, Gewohnheiten zu verändern, und es wird vorkommen, dass Sie in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Um sich von einem gewohnheitsmäßigen „Negierer“ in einen „Wertschätzer“ zu wandeln, brauchen Sie Zeit und Übung. Fangen Sie an, indem Sie sich Ihre negierenden Bemerkungen bewusst machen, ohne zu versuchen, sie zu ändern. Schimpfen Sie innerlich nicht mit sich selbst, weil Sie Ihr Kind oder Ihren Partner negiert haben. Liebevolles Handeln zu entwickeln fängt damit an, zu sich selbst freundlich und geduldig zu sein. Ergründen Sie Ihre Gedanken, wenn die Situation vorbei ist. Es ist nur eine Stimme in Ihrem Kopf. Hören Sie sie verklingen und gewinnen Sie einen Augenblick in der Gegenwart. Prüfen Sie ihre Relevanz für den Moment, dann werden Sie klarer sehen. Stellen Sie sich vor, wie Sie ohne diese Stimme sein würden, dann richten Sie den Blick darauf, wie das, was Sie von Ihrem Kind erwarten, vielleicht auf Sie selbst zutrifft, und Sie werden Ihre Liebe zu sich selbst und zu Ihrem Kind spüren.

Durch regelmäßige Übung werden Sie allmählich lernen, Ihre Gedanken mitten im Satz zu unterbrechen und deren Richtung zu ändern. Wenn das geschieht, können Sie Ihren Fehler vielleicht Ihrem Kind gegenüber einräumen, „zurückspulen“ und noch einmal von vorne anfangen.

Wir können lernen, Nutzen daraus zu ziehen, dass wir unbefriedigend verlaufene Szenen noch einmal wiederholen, wie bei einer Theaterprobe. Sie können sogar zu Ihrem Kind sagen: „Spulen wir zurück. Ich spiele die letzte Szene noch mal.“ Mit etwas Übung werden Sie sich rechtzeitig bremsen können, so dass die negierenden Worte unausgesprochen bleiben und Sie sich mit offenem Herzen und wachem Geist Ihrem Kind zuwenden können. So spulte ein Vater, der an einem meiner Workshops teilgenommen hatte, seine Ankunft zu Hause noch einmal zurück.

Als Norm das Haus betrat, waren überall auf dem Boden kaputte Kartons und zerbrochene Buntstifte verstreut. Er fing an, sich über das Durcheinander zu beschweren und zu verlangen, die Kinder sollten sofort alles aufräumen. Miranda, das jüngste Kind, fing zu weinen an, und ihr älterer Bruder Leon sagte: „Aber Papa, wir sind so schön am Spielen.“ „Das ist kein Spiel, all die Kartons und Buntstifte kaputtzumachen“, brüllte Norm… und dann hörte er unvermittelt mit dem Brüllen auf und sagte: „Spulen wir zurück! Lasst mich diese Szene noch mal machen.“ Theatralisch ging Norm rückwärts und verließ das Haus. Dann kam er lächelnd wieder herein. „Hallo, Kinder, wie geht’s euch?“ Er küsste jedes Kind und seine Frau und fuhr fort: „Oh, schau an, was entsteht denn hier?“ Die Kinder erklärten eifrig ihr Spiel, und seine Liebe und sein Interesse waren wiederhergestellt.

Es erfordert Zeit und Übung, eine solche Achtsamkeit zustande zu bringen. Schließlich sind wir alle in einer Kultur aufgewachsen, in der Negieren automatisch geschieht, einer Kultur, die uns gelehrt hat, uns mit den automatischen Worten, die in unserem Inneren ablaufen, zu identifizieren. Wir negieren so gedankenlos, dass unsere Äußerungen nicht einmal dem entsprechen, was wir wirklich denken oder fühlen; wir sind nicht authentisch. Doch es wird Ihnen nicht helfen, wenn Sie sich selbst dafür verurteilen, dass Sie solch menschliche Gedanken haben. Auch Sie sollen noch wachsen; seien Sie liebevoll zu sich selbst. Fangen Sie an, indem Sie eine einfache Abmachung mit sich selbst treffen: Wenn Sie aus der Fassung geraten, sagen Sie nicht die ersten Worte, die Ihnen in den Sinn kommen; diese würden zwangsläufig jemanden negieren und verletzen. Sie können „zurückspulen“, sobald Sie sich ertappen, selbst wenn Sie schon mitten in der Szene oder sogar an deren Ende sind. Es ist nie zu spät, aus einem Albtraum aufzuwachen.

Die negierenden Worte im eigenen Kopf zu hören und zu stoppen, ist die Grundlage dafür, wertschätzend und liebevoll zu kommunizieren. Vielleicht gelingt es Ihnen in den ersten Monaten nur ab und zu, Ihre negierenden Worte zu stoppen, doch mit der Zeit wird es die alte Gewohnheit des Kontrollverlusts und der alten Filme, die Ihr Leben beherrschen, ersetzen.

Wenn Sie je eine neue Sprache, ein Musikinstrument oder eine andere schwierige Fertigkeit erlernt haben, wissen Sie, dass es Zeit und Wiederholung braucht, um irgendetwas zu meistern. Übung führt nicht zu Perfektion, Übung führt zu Beständigkeit. Ihre alten Gewohnheiten sind über viele Jahre eingeübt worden. Lassen Sie Ihr Kind wissen: „Das ist neu für mich. Ich lerne noch.“

Wertschätzung für Unausgesprochenes

Es gibt täglich Gelegenheiten, einem schlecht gelaunten, aggressiven oder mürrischen Kind, das sich sträubt, seine Gefühle in Worten auszudrücken, seine Wertschätzung zu zeigen. In einem Beratungsgespräch erzählte mir Rebecca, eine Mutter, wie es ihr gelungen war, eine Verbindung zu ihrem Kind herzustellen.

Weil Rebecca auffiel, dass ihr Sohn Josh nach der Schule schlecht gelaunt war, sagte sie: „Ich frag mich, wie es für dich ist. Ich weiß noch, wie es war, als ich im fünften Schuljahr war. Ich hab meinen Lehrer gehasst und hatte keine Freunde. Es war so ein unangenehmes Jahr für mich.“ Josh spitzte die Ohren, stellte ein paar Fragen und sagte dann: „Der Lehrer hat heute mit mir geschimpft, und dann haben Rob und Dan mir Grimassen geschnitten und in der Pause nicht mit mir gespielt.“ Rebecca achtete darauf, nicht nach dem Grund des Schimpfens zu fragen und keine Gefühle zu benennen. Stattdessen bemühte sie sich weiter darum, auf neutrale Weise seine Erfahrung zu spiegeln: „Oh, wie blöd.“ Josh merkte, dass seine Mutter ihn verstand, daher fuhr er fort: „Ich hasse diesen Lehrer. Egal, was ich mache, nichts ist ihm gut genug.“ „Du hast getan, was du konntest, und trotzdem hat er geschimpft und dich kritisiert?“, fragte Rebecca.

„Ja“, antwortete Josh, „und wenn er das tut, lachen mich meine Freunde aus. Ich hasse die Schule.“

Rebecca setzte sich neben Josh und legte ihm liebevoll die Hand auf die Schulter. Durch ihre Berührung nahm Josh seine Gefühle besser wahr. Tränen liefen ihm über das Gesicht, während er seiner Mutter weitere Einzelheiten seines Erlebnisses und noch mehr Geschichten davon erzählte, wie er in der Schule und in der Beziehung zu seiner Schwester litt. Hinterher fühlte er sich viel besser, und Mutter und Sohn fühlten sich enger miteinander verbunden und waren bereit, an produktiven Lösungen zu arbeiten.

In den folgenden Monaten beschäftigte sich die Familie mit der Möglichkeit, ob Josh zu Hause unterrichtet werden könnte. Josh wollte in dem Jahr weiter zur Schule gehen, im nächsten Jahr entschied er jedoch, sein Lernen außerhalb der Schule selbst in die Hand zu nehmen.

Für Kinder ist es eine Hilfe zu wissen, dass ihre Eltern auch Zurückweisung, Einsamkeit, Angst und Misserfolg erlebt haben. Als ein Vater anfing, seinem Sohn Erinnerungen aus seiner Kindheit zu erzählen, begann der Sohn ungefähr nach einer Woche aufzutauen.

Kinder kommunizieren immer, selbst wenn sie keine Worte benutzen. Manche Kinder drücken ihre Ängste in Fantasiespielen aus. Diese Ängste können sich auch durch gesteigerte Geschwisterrivalität, Bettnässen, Konzentrationsschwierigkeiten oder die Tendenz, mürrisch oder aggressiv zu sein, äußern. Andere Kinder reagieren, indem sie ihre Gefühle verbergen, sich in ihr Zimmer zurückziehen und ihre Zeit mit schmerzlichem Grübeln verbringen. Man übersieht leicht, dass sie unter genauso heftigen Gefühlen leiden können wie ein reizbares Kind, das sich durch Quengeln, Schlagen oder Schreien ausdrückt.

Sowohl das Kind, das seine Gefühle in Handlungen umsetzt, als auch das Kind, das sich verschließt, müssen ihre Gefühle ausdrücken, um nicht darin gefangen zu bleiben. Wenn man in unausgedrückten Emotionen gefangen bleibt, neigt das Innere dazu, die Geschichte zu einem Drama aufzublasen, was die emotionale Freiheit oft lebenslang behindert. (Werden Sie sich bewusst, dass dort, wo Sie sich ängstlich oder in Ihrer Liebesfähigkeit eingeschränkt fühlen, meist eine unverarbeitete, schmerzhafte Geschichte aus Ihrer Vergangenheit, die damit zusammenhängt, reaktiviert wird.) In späteren Kapiteln werden Sie lernen, wie Sie Ihrem Kind produktive Möglichkeiten bieten können, Gefühle der Hilflosigkeit und anderes Leid herauszulassen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Wegen, eine Verbindung herzustellen und leichter über schmerzliche Gefühle sprechen zu können.

Kommunikation über Verluste

Wenn Dinge geschehen, die man nicht ändern kann (Tod, Scheidung oder Krankheit), ist eine offene Kommunikation die wichtigste Grundlage, um das Geschehene zu verarbeiten. Wenn ein Kind in seiner inneren Welt einsam ist, sind die Auswirkungen dauerhaft und schmerzlich, weil es sich mit dem Schmerz identifizieren und daraus die Geschichte seines Lebens machen wird. Das Kind muss wissen, dass es richtig ist zu empfinden, was es empfindet, und die Fantasien zu haben, die es hat; indem es diese Gefühle ausdrückt, wird es auch entdecken, dass sie nicht seine Identität sind. Es wird dann in der Lage sein, sein eigenes Ich von dem gedanklichen Prozess, der ihm Schmerz bereitet, zu unterscheiden.

Es ist nicht nötig, ein Kind vor unvermeidlichem Schmerz zu schützen, es ist aber nötig, mit ihm über seine Erfahrungen zu kommunizieren. Eine Mutter sagte mir, dass sie vorhatte, ihrer dreijährigen Tochter erst vom Tod ihrer Katze zu erzählen, wenn sie eine neue Katze für sie besorgt hätte. Nach einem Beratungsgespräch mit mir änderte sie ihre Pläne und berichtete ihrer Tochter am gleichen Tag vom Tod der Katze. Sie hörte zu, wie ihr Kind seine Gefühle ausdrückte, und war überrascht, als das Mädchen keine andere Katze haben wollte.

Finden Sie Zeit, jeden Tag über neue Realitäten zu sprechen. Reden Sie über Ihre Erinnerungen und lassen Sie Ihr Kind wissen, dass Weinen, Erinnern und Sprechen über Gefühle eine normale und gesunde Art ist, mit intensivem Schmerz umzugehen. Wenn ein Kind oder Kleinkind sein Leid in Form von Spiel, auf körperliche Weise oder in Form von Kunst ausdrückt, achten Sie darauf, dass Sie seine Botschaft wahrnehmen und wertschätzen. Es ist jedoch wichtig, dem Ausdruck des Kindes keine Dramatik hinzuzufügen, damit es sich frei entscheiden kann, den Blick nach vorne zu richten, wenn es dazu bereit ist.

Wie man Bedauern ausdrückt, damit sich das Kind versöhnt fühlt

Ein Kind kann sich ebenso wenig wie ein Erwachsener mit der Aussage „es tut mir Leid“ zufrieden geben. Um sich innerlich wieder heil zu fühlen, will es, dass Sie ihm zeigen, dass Sie genau wissen, was es erlebt hat, etwa: „Du hast gerade im Wasser gespielt, als das Schwimmbad zumachte. Du wolltest nicht gehen, da hab ich dich aus dem Wasser geholt.“ Wenn Ihr Kind Ihnen seine Sicht der Dinge geschildert hat, fragen Sie es, wie Sie sich seiner Meinung nach beim nächsten Mal in einer solchen Situation verhalten sollen.

Manchmal entschuldigen sich Eltern, wenn es gar nichts gibt, wofür sie sich entschuldigen müssten. Sie sagen vielleicht: „Es tut mir Leid, aber du kannst diese Süßigkeit nicht haben.“ Dem Kind erscheint es so, dass Papa, wenn es ihm wirklich Leid täte – wenn er wirklich traurig darüber wäre –, nicht darauf beharren würde, ihm die Süßigkeit zu verbieten. Ja, das Kind würde Ihnen gerne Ihr „Leid“ ersparen und die Süßigkeit bekommen. Derartige unaufrichtige Botschaften führen zu Verwirrung; dagegen schaffen Sie Klarheit für Ihr Kind, wenn Sie authentisch sind. Statt ihm zu sagen, was es haben kann und was nicht, was kontrollierend und negierend klingt, verwenden Sie eine persönliche Sprache, die Ihre Entscheidung ausdrückt: „Ich möchte nicht, dass Du diese Süßigkeit isst, weil sie ungesund ist.“ Wenn unsere Kommunikation klar ist, fällt es dem Kind leichter, es zu akzeptieren oder eine klare Bitte vorzubringen: „Kann ich eine gesunde Süßigkeit bekommen?“ Wenn wir etwas getan oder gesagt haben, was wir bedauern, wollen wir das zugeben, doch wenn wir sagen: „Es tut mir Leid, dass ich dir wehgetan habe“, übernehmen wir Verantwortung für die Gefühle des Kindes. Wir mögen zwar bereuen, was wir getan haben, und uns bewusst werden, dass wir Schmerz ausgelöst haben, aber wir müssen dem Kind das Recht und die Würde zugestehen, der einzige Urheber seiner eigenen Gefühle zu sein. Indem wir implizieren, dass wir seine Gefühle ausgelöst haben, geben wir außerdem zu verstehen, dass das Kind schwach sei und keine Verantwortung für seine eigene Reaktion habe. Es lernt dann, sich als Opfer zu erleben und anderen die Schuld an seinen Gefühlen zu geben.

Zwar verfügt Ihr Kind offensichtlich noch über wenig Kontrolle über seine eigenen Reaktionen, aber es ist selbst der Ursprung seiner Gefühle und Handlungen. Wenn wir durch unsere Art zu sprechen deutlich machen, dass die Gefühle des Kindes ihm selbst gehören, wird es emotionale Stabilität gewinnen und seine Reaktionen besser steuern können.

Lassen Sie Ihr Kind selbst entscheiden, wie es reagiert, um ihm keine Gefühle einzureden.

Eine Mutter erzählte mir von ihrer Bestürzung über die Reaktion ihres Sohnes über ein Geschehen, das in ihren Augen eine entsetzliche Katastrophe gewesen war. Der Vater des Jungen hatte das Computerdokument des Kindes gelöscht und gesagt: „Es hatte keinen Namen.“ Er wusste, dass es ein Dokument seines Sohnes war, und zwar eine Geschichte, die das Kind geschrieben hatte. Er hatte sich geärgert, als er ein namenloses Dokument gefunden hatte, und dachte, das Löschen wäre eine Lektion für seinen Sohn.

Als der Junge feststellte, dass seine Geschichte weg war, drückte er seine Bestürzung seinem Vater gegenüber aus, aber er war nicht wütend. Seine Mutter war aufgebracht und fragte: „Wünschst du dir nicht, dein Vater würde sich wenigstens entschuldigen?“

Der Junge war ganz ruhig. „Nein, es macht nichts. Ich schreib die Geschichte noch mal, dann wird sie bestimmt besser.“

„Aber bist du nicht sauer?“, beharrte sie.

„Nur einen Augenblick lang war ich das“, sagte der Junge. „Doch dann wurde mir klar, dass es nutzlos ist, sauer zu sein, da es nichts ändert, also hab ich mir gedacht, dass es eigentlich ganz gut ist.“

Am nächsten Tag sagte der Vater: „Es war ein Fehler von mir, dass ich dein Dokument gelöscht habe. In Zukunft werde ich nichts löschen, ohne vorher zu fragen.“

Der Junge war zufrieden.

Wenn Sie merken, dass etwas, was Sie gesagt oder getan haben, bei Ihrem Kind heftige Gefühle hervorgerufen hat, und wenn Sie die Verletzung wieder gutmachen wollen, benennen Sie das, was geschehen ist, und finden Sie heraus, was Ihr Kind empfindet. Drücken Sie sich einfach und direkt aus: „Ich hab dich angeschrieen. Ich wünschte, ich hätte das nicht getan.“ Vermeiden Sie übertriebene emotionale Worte, damit Ihr Kind die Freiheit hat, authentisch zu sein. Bleiben Sie aufmerksam und lassen Sie Ihr Kind seine eigene Wahrheit herausfinden. Wenn es reden will, hören Sie zu und lassen Sie ihm Ihre Wertschätzung zukommen, aber dramatisieren Sie nicht. Wenn sich Ihr Kind nicht mit Worten ausdrückt, zeigt es Ihnen vielleicht seine Gefühle durch seine Körperhaltung oder indem es mit einer Puppe spielt, malt oder einfach still auf Ihrem Schoß sitzt. Wenn es fertig ist, können Sie Ihre eigenen Gefühle ausdrücken: „Ich bin traurig, weil ich möchte, dass unsere Beziehung von Verständnis und Achtung geprägt ist.“ Dann machen Sie einen Plan für eine bessere Zukunft und teilen es Ihrem Kind mit.

In dem Bemühen, das Übernehmen von Verantwortung für die Gefühle des Kindes zu vermeiden, kann es geschehen, dass Sie einen häufigen Fehler machen und sagen: „Es tut mir Leid, dass du dich schlecht deswegen fühlst.“ Dieser Satz könnte auch bedeuten, dass Sie nichts Falsches gemacht haben und dass nur das Kind mit dem „falschen“ Gefühl reagiert hat. Die Folge davon ist meistens Wut. Beschränken Sie sich darauf zu beschreiben, was geschehen ist, dann kann Ihr Kind Ihnen vertrauen und weiß, dass Ihnen an ihm selbst gelegen ist und nicht nur daran, die Erinnerung an Ihr Verhalten, das Sie bedauern, auszulöschen.

Manchmal haben Sie vielleicht den Eindruck, dass Sie wirklich und absolut im Recht sind und nichts einzuräumen haben. Doch die Verstimmung Ihres Kindes ist der Beweis, dass ein Gesprächsbedarf besteht. Zwar bereuen Sie es nicht, dass Sie Ihr Kind von der Straße weggerissen haben, aber Sie können das Vertrauen untereinander wiederherstellen, indem Sie Ihr schnelles Eingreifen thematisieren und zuhören, wie Ihr Kind seine Erfahrung schildert.

Unsere Fehler zu klären ist kein Gerichtsprozess; es geht nicht darum, Recht oder Unrecht zu haben. Wenn Ihr Kind sich verletzt fühlt, ist sein Gefühl eine reale Erfahrung. Wenn Sie bereuen, was Sie gesagt oder getan haben, haben auch Ihre Gefühle Gültigkeit. Ihr Ziel ist es, eine Verbindung zwischen Ihnen beiden zu schaffen, Klarheit zu gewinnen und das Band des Vertrauens zu erneuern.

Der fünfjährige Jessie kam weinend zu seiner Mutter. Er sagte, sein zwölfjähriger Bruder David habe sein Lego-Auto kaputtgemacht. Jessie konnte das Auto nicht wieder zusammensetzen, und David weigerte sich, es zu reparieren. Linda, die Mutter, ging ins Kinderzimmer und schimpfte mit David, der daraufhin schmollte.

Als Linda mich anrief, sagte sie, sie habe doch Recht gehabt und habe nichts, wofür sie sich entschuldigen müsse. Doch nachdem sie darüber nachgedacht hatte, wie verletzt David gewesen war, wurde ihr klar, dass es bessere Möglichkeiten gab, ihre Gefühle auszudrücken, und dass sie wieder eine Verbindung zu David aufbauen und verstehen wollte, was in ihm vorging.

Beim nächsten Beratungsgespräch erzählte sie mir von ihrem Gespräch mit David.

LINDA: David, ich hab mit Naomi darüber gesprochen, was gestern passiert ist, und mir ist klar geworden, dass ich wünschte, ich hätte deine Bedürfnisse wahrgenommen. Kannst du mir sagen, was du empfunden hast, als ich mit dir geschimpft habe?

DAVID: Oh, nichts.

LINDA: Warst du frustriert, als ich dir vorgeworfen habe, du wärst rücksichtslos und so?

DAVID: Vielleicht. Aber das ist jetzt auch egal.

LINDA: Stimmt. Ich hab zu lange gewartet. Ich möchte aber, dass du weißt, dass ich meine Worte bereue und wünschte, ich hätte mich bemüht, auch deine Sicht der Dinge zu sehen.

DAVID: Ja, ja.

LINDA: Ich merke, du glaubst mir nicht, dass mir das wirklich wichtig ist.

DAVID: Ist es auch nicht.

Linda dachte einen Augenblick nach, dann fuhr siefort: Ich bin traurig, weil es mir sehr wichtig ist, dass man dir zuhört.

David schwieg.

LINDA: Würdest du mir zu verstehen helfen, wie du dich gefühlt hast? DAVID: Okay.

LINDA: Warst du sauer, als Jessie weinend zu mir kam?

DAVID: Ja, sehr. Er ist so eine Heulsuse, und er erzählt nie, was er gemacht hat. Du fällst immer auf sein Geheule rein.

LINDA: Also warst du wütend und hast dir gewünscht, dass ich versucht hätte herauszufinden, was wirklich geschehen war?

DAVID: Ja, oder dass du dich einfach nicht eingemischt hättest. Jessie hat ein paar Legos aus meinem Raumschiff genommen, um den Lastwagen zu bauen, mit dem er spielte. Ich hab ihn gebeten, sie mir wiederzugeben, und gesagt, ich würde ihm aus anderen Legosteinen einen neuen Lastwagen bauen.

LINDA: David, jetzt kann ich verstehen, wie wütend du gewesen sein musst, als ich mich auf Jessies Seite gestellt und mit dir geschimpft habe, ohne überhaupt zu wissen, was passiert war.

Ich bin froh, dass du mir das alles erzählt hast. Ich glaube, beim nächsten Mal werde ich einfach Verständnis für Jessies Gefühle äußern und euch zwei euer Problem alleine lösen lassen.

DAVID: Das wäre gut, Mama.

LINDA: Und wenn ihr Hilfe braucht, um einen Streit zu schlichten, werd ich jedem von euch zuhören und euch helfen, eine Lösung zu finden. Würdest du mich daran erinnern, falls ich es vergesse?

DAVID: Na ja, nicht so gerne, aber okay.

LINDA: Ich werde mir alle Mühe geben, selbst daran zu denken.

Wenn Linda nur gesagt hätte: „Es tut mir Leid, dass ich gestern mit dir wegen der Legos geschimpft habe“, hätte David ihr nicht geglaubt, und das mit Recht. Er hätte noch mehr Wut empfunden. „Sie denkt, wenn sie sagt: ‚Es tut mir Leid‘, macht es das, was sie getan hat, ungeschehen. Das stimmt aber nicht… sie beschützt ihn immer…“, und so weiter – so hätte er seiner sich entwickelnden Lebensgeschichte, die davon handelte, dass er weniger geliebt würde als sein Bruder, noch mehr Kapitel hinzugefügt. Im Gegensatz zu einer Entschuldigung brachte Lindas Weg, mit ihrem Sohn über das Geschehene zu sprechen, sie beide dorthin, wo sie den anderen verstehen konnten und einander liebevoll verbunden waren, und Davids Drama wurde aufgelöst. Manche Eltern erwarten eine „Entschuldigung“ von einem Kind und verurteilen es, wenn es sich nicht oder nicht „richtig“ entschuldigt. Seien Sie stets nur der Herr Ihrer selbst, wachsen Sie an Güte und lernen Sie, Ihr Kind, wo es sich von seiner Fähigkeit, Bereitschaft und Entwicklung her auch befinden mag, zu achten. Wenn Sie ahnen, dass Ihr Kind vielleicht unter einem Schuldgefühl leidet und es nicht wagt, sich Ihnen anzuvertrauen, können Sie ihm seine Last abnehmen, indem Sie das Thema ansprechen und klären. „Fühlst du dich schlecht wegen des verlorenen Schlüssels?“ Hören Sie Ihrem Kind zu und sagen Sie ihm: „Ich lasse einen neuen Schlüssel machen, und der alte taucht bestimmt irgendwann wieder auf. Ich verliere auch schon mal Sachen. Das kann jedem passieren.“ Eine Umarmung oder eine andere liebevolle Geste kann die Anspannung des Kindes lösen.

Wenn Kommunikationswerkzeuge nach hinten losgehen

Manchmal meinen wir dem Kind unsere Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu zeigen, doch unsere Worte scheinen es nur abzustoßen. Es gibt ein paar Fehler, die wir begehen können und die zum Widerstand und zur Isolierung des Kindes trotz unserer Wertschätzung und Fürsorge führen. Wir können uns nicht an starre Formeln halten; wir müssen eine Sensibilität für das Naturell des Kindes und ein starkes Gefühl der Achtung und der Freude darüber, wie das Kind im Augenblick ist, entwickeln.

Die menschliche Neigung, aus jedem Konzept ein Kontrollwerkzeug zu machen, ist etwas, vor dem wir ständig auf der Hut sein müssen. Jede Kommunikationsmethode kann als Kontrollinstrument missbraucht werden. Wir können Wertschätzung einsetzen, um Kontrolle zu gewinnen; wir können dadurch manipulieren; wir können sogar diese Kommunikationsfähigkeiten auf respektlose Weise einsetzen und dadurch den Zorn eines Kindes hervorrufen. Kinder spüren, wenn wir sie manipulieren, selbst wenn sie ihr Unbehagen nicht wirklich erklären können. Wenn Sie gar nicht wissen, wie es kommt, dass Ihre Worte Ihr Kind von Ihnen entfernen, denken Sie daran, dass Menschen sich verletzt fühlen, wenn sie spüren, dass ein anderer Kontrolle über ihre Gefühle und ihr Verhalten hat. Sie wollen ihre Autonomie verteidigen. Wahren Sie die Würde des Kindes, indem Sie keine Absichten hegen, das Kind solle so oder so sein. Kommunizieren Sie liebevoll um Ihrer selbst willen, erwarten Sie nichts als Gegenleistung, so dass Ihr Kind frei sein kann, auf seine Art zu empfinden und zu sein. Es kann seine Wut herauslassen oder plötzlich losprusten. Es kann friedlich oder außer sich sein. Es kann sich ausdrücken oder auch nicht. Wenn Sie kein anderes Ziel haben, als eine Verbindung zu Ihrem Kind zu schaffen, und wenn Sie seine Art sich auszudrücken nicht bewerten, ist es weniger wahrscheinlich, dass Sie es herablassend behandeln und kontrollieren; dagegen ist es wahrscheinlicher, dass Sie authentisch und liebevoll sind.

Der erste häufige Fehler besteht darin, dass man ein Kind beleidigt, indem man seine Gefühle äußert (statt danach zu fragen): Ihr Kind läuft ganz trübsinnig durch das Haus, und Sie sagen: „Du bist bestimmt traurig, dass deine beste Freundin in Ferien gefahren ist.“ Vielleicht haben Sie damit Recht, doch die Tendenz, ein Gefühl zu erraten, kann als herablassend wahrgenommen werden.

Stattdessen könnten Sie Feedback anbieten und eine Frage stellen: „Kann ich dich etwas über dich fragen?“ Wenn die Antwort positiv ist und das Kind auf Ihre Initiative wartet, können Sie eine Frage stellen, die sich auf Ihre Beobachtung gründet: „Mir ist aufgefallen, dass du stumm hin und her gehst. Bedrückt dich irgendetwas? Möchtest du darüber reden?“ Kinder sollten wissen, dass ihre innere Welt, ihre Gedanken und Gefühle, nicht das Ziel von Bemerkungen durch ihre Eltern sind. Sie können Ihrem Kind anbieten, Ihnen sein Herz auszuschütten, aber es ist seine Entscheidung, ob es das will oder nicht.

Wenn ein Kind Ihnen seine Einsamkeit, seine Traurigkeit oder sonst etwas, das es bedrückt, anvertrauen will, wird es das tun, wenn es sich Ihres Interesses und Ihrer Liebe sicher ist und weiß, dass Sie ihm zuhören und seine Gefühle ernst nehmen werden, ohne Ratschläge zu geben oder es zu kritisieren. Da es sich in Ihrer Gegenwart sicher fühlt, wird es schließlich darüber sprechen, was es bedrückt. Sie können sich dem Kind anbieten, indem Sie Ihr Interesse und Ihre Bereitschaft, ihm zuzuhören, bekunden: „Ich hab nach dem Abendessen Zeit und kann dir zuhören.“

Wenn dieses Konzept neu für Sie ist und Ihr Kind schon eine Weile schwierige, unausgedrückte Gefühle mit sich herumträgt, brauchen Sie vielleicht die Hilfe eines Beraters, um die Beziehung zu heilen. Gefühle des Schmerzes und der Wut, die man mit sich herumträgt und nicht herauslässt, hemmen das seelische, geistige und körperliche Wohlbefinden des Kindes. Sie können sich auch selbst helfen, Ihrem Kind näher zu kommen, indem Sie jeden Tag einen Prozess der Erforschung Ihrer eigenen störenden Gedanken ablaufen lassen. Schreiben Sie sie auf und durchlaufen Sie den „S-Teil“ von S.A.L.V.E. Prüfen Sie die Gültigkeit oder Relevanz des Gedankens angesichts der Realität; achten Sie darauf, wie Sie sich fühlen und verhalten, wenn Sie dem Gedanken Folge leisten. Stellen Sie sich vor, wie Sie in derselben Situation ohne diesen Gedanken wären, und überlegen Sie, wie sich Ihre eigene Aussage auf Sie selbst beziehen könnte. Wenn Sie durch diese Gedankenerforschung die Fehler erkennen, die Sie gemacht haben, haben Sie die Chance, sich zu entschuldigen und etwas wieder gutzumachen, was das Vertrauen zwischen Ihnen und Ihrem Kind erneuern wird.

Ein weiteres Hindernis ist unsere Tendenz zu denken, wir wüssten, was für das Kind gut ist. Wir sollten den Kindern völlig vertrauen und davon ausgehen, dass sie, wenn sie sich als wertvolle, geliebte, starke Menschen sehen und frei sind, ihre Gefühle und Gedanken auszudrücken, für sich selbst sorgen und ihre Bedürfnisse am besten kommunizieren. Wenn wir Kinder so behandeln, wie wir es bei Erwachsenen tun würden, glauben wir nicht so leicht, dass wir wissen, was sie brauchen. Einen Freund behandeln wir liebevoll, ohne von ihm zu erwarten, dass er sich uns zuliebe ändert, und wenn wir mit einem Freund sprechen, besteht unser Ziel nicht darin, ihn zu lenken.

Wir täten gut daran, Kinder würdevoll zu behandeln, ihre Beschränkungen zu achten und uns ihren authentischen, selbst gewählten Zielen anzuschließen. Wir können zuhören, wenn sie ihre Gefühle schildern, und sie ermutigen, frei von ihren Beschränkungen zu handeln. Wenn Ihr Kind beispielsweise Angst davor hat, etwas vorzuführen, muss es seine Gefühle herauslassen, damit es danach die Freiheit hat, die Vorführung zu schaffen. Lassen Sie sich nicht von seiner Angst anstecken, wenn Sie zuhören, wie Ihr Kind Ihnen seine Ängste und Zweifel schildert; sehen Sie vielmehr im Geiste vor sich, wie die Vorführung ablaufen könnte. Sie helfen ihm dabei, seine Gefühle zu klären, so dass es trotz seiner Bedenken kraftvoll nach vorne blicken oder sich frei und nicht aus Angst gegen die Vorführung entscheiden kann.

Vermeiden Sie es, über die Kommunikationsfähigkeiten anderer zu urteilen, während Sie Ihre eigenen verbessern. Sie könnten versucht sein, Ihren Partner, Ihre Freundin oder Ihr Kind dafür zu kritisieren, dass sie nicht „richtig“ kommunizieren. Vor allem Eltern neigen dazu, einander und ihre Kinder zu bewerten, indem sie sich Lieblosigkeit vorwerfen und sagen: „Du zeigst nicht deine Wertschätzung“, „du drückst kein Gefühl aus“, „du urteilst“ oder „du negierst“.

Urteilende Worte entfernen uns von denen, die wir lieben. Belehren Sie niemanden als sich selbst. Wenn Ihr Partner, Verwandter oder Ihr Kind urteilend oder herabwürdigend spricht, drücken Sie sich authentisch aus, indem Sie ihm sagen, wie Sie sich fühlen, oder versuchen, seine unausgedrückten Gefühle zu erraten. Wenn ein Kind beispielsweise über seine Schwester sagt: „Sie ist so eine Lügnerin“, können Sie ihm eine wertschätzende Frage stellen, etwa: „Möchtest du mir sagen, was passiert ist?“

Wenn Sie ein nicht akzeptables Verhalten missbilligen müssen, ist ebenfalls kein Urteil vonnöten. Sprechen Sie persönlich über sich selbst, nicht in Belehrungen über „richtig“ und „falsch“. Wenn man zum Beispiel sagt: „Es ist falsch zu stehlen“, wird das Kind wahrscheinlich keine Reue empfinden, sondern Scham und Entfremdung. Wenn Sie dagegen sagen: „Als du Süßigkeiten aus dem Geschäft genommen hast, ohne zu bezahlen, war ich traurig und hab mir Sorgen gemacht“, werden diese Worte, die von Ihrer Verletzlichkeit zeugen, Ihren Teenager eher berühren und dazu bewegen, darüber zu sprechen, was ihn zu seinen verzweifelten Taten treibt.

Viele Leute haben Bedenken, diese Methode würde ihnen das Recht nehmen, Moralvorstellungen zu verteidigen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie können Ihre Werte überzeugender vertreten, wenn Sie es mit persönlichen Worten tun. Wenn Sie mit dem Finger auf den Beschuldigten zeigen und nur von Falsch und Richtig sprechen, verlieren Sie ihn; er kann Sie dann nicht hören. Wenn Sie dagegen mit persönlichen Worten Ihre Verletzlichkeit zum Ausdruck bringen, wird sich Ihr Kind, Ihr Partner oder Ihre Freundin nicht eingeschüchtert oder entfremdet fühlen, sondern mit Ihnen verbunden und von Ihrer Aussage berührt.

Von der Erziehung zur Einfühlung

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