Читать книгу Meine Rezepte für Body and Soul - Nelson Müller - Страница 2
ОглавлениеVorwort
Als es um den Titel für mein erstes Kochbuch ging, musste ich nicht lange überlegen. »Meine Rezepte für Body and Soul« passt nicht nur großartig zu mir, weil Soul auf meine zweite große Leidenschaft neben dem Kochen – die Musik – anspielt. Das Begriffspaar Körper und Seele trifft auch genau meine persönliche Philosophie des Kochens. Für mich gibt es kaum etwas Schöneres, als aus qualitätvollen, frischen Produkten ein köstliches Gericht zu zaubern, das auf dem Teller toll aussieht, auf der Zunge zergeht und nach dem Verzehr ein umfassendes Gefühl wohliger Zufriedenheit im ganzen Körper hinterlässt. Daher lege ich auch Ihnen ans Herz, bei der Auswahl der Zutaten auf Qualität zu achten – das Ergebnis hängt maßgeblich davon ab!
Aber genauso wichtig wie die Wahl der besten Zutaten sind in meiner Küche Emotionen. Gefühle, Stimmungen, Kindheitserinnerungen und Begegnungen mit anderen Menschen inspirieren mich zu meinen Rezepten. Betrachtet man die Geschichte der Kochkunst,
so steckt hinter vielen berühmten Gerichten eine Historie. Nehmen wir den Klassiker Hummer Thermidor, der 1794 während der Französischen Revolution anlässlich eines Theaterstücks zum ersten Mal serviert wurde. Meine modernen Kreationen sind dagegen geprägt von ganz persönlichen Geschichten und Erinnerungen, die ich mit Ihnen teile. Aus diesem Grund ist dieses Buch auch nicht konventionell nach der Menüfolge, sondern nach den Stationen meiner bisherigen Lebensgeschichte aufgebaut. Eine kulinarisch aufregende Reise ist das Ergebnis! Neben typisch afrikanischen Gerichten aus meinem Geburtsland Ghana steht deftige Hausmannskost aus Schwaben, wo ich bei meinen Pflegeeltern aufgewachsen bin. Norddeutsche Gerichte treffen auf fränkische Spezialitäten. Einsteiger am Herd werden sich über unkomplizierte Party-Rezepte freuen und Anwerber für die Küchenschlacht auf die mediterranen Kostproben aus meiner Restaurantküche.
Beim Kochen kann ich meine Kreativität ausleben. Aber wie bei einem Kunstwerk, das seine Wirkung nicht allein durch die auf die Leinwand gepinselten Farben erzielt, darf eines bei meinen Rezepten nie fehlen – und das ist Soul. Lassen Sie also beim Nachkochen Ihren Emotionen freien Lauf!
Meine Geschichte
Eine Kindheit im Schlaraffenland zwischen Tante Hildes
Käsekuchen und Omas roter Grütze
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Ihrer frühesten Erinnerungen sich ums Essen drehen? Meine Liebe zu gutem Essen entdeckte ich jedenfalls als sehr kleiner Junge. An typisch afrikanische Gerichte kann ich mich aus eigener Erfahrung nicht wirklich erinnern, sie basieren mehr auf Erzählungen meiner afrikanischen Eltern und Großeltern. Meine deutschen Eltern legten großen Wert auf gutes Essen, zubereitet aus frischen Zutaten. Wichtig war es für uns, die Mahlzeiten, wann immer es möglich war, zusammen einzunehmen – meine Schwestern Karin, Anke und Nicki, ich und meine Eltern. Da meine Mutter aus Norddeutschland und mein Vater aus Franken kommen, war der Speiseplan naturgemäß sehr abwechslungsreich. Kartoffelpüree, Pfannkuchen, Reisauflauf und Milchreis gehörten zu meinen Lieblingsspeisen und vermitteln mir noch heute, wenn ich davon koste, das Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Wie frisches Gemüse schmecken muss, weiß ich aus meinen Kindertagen. Wir hatten einen Gemüsegarten, den ich gemeinsam mit meinen Vater gepflegt habe. Salat, Beeren und Kartoffeln sowie Stangenbohnen, die abends in Butter geschwenkt auf den Tisch kamen! Damals waren wir nicht die Einzigen, die im Spätsommer zu Selbstversorgern wurden. Ein regelrechter Wettstreit entbrannte in unserer Schrebergartenkolonie um die reichste Ernte. Unser türkischer Nachbar »Atif« hatte das beste Händchen bei der Gemüsezucht. Mit seinen Riesenradieschen stellte er alle anderen in den Schatten. Vorurteile gegen Ausländer gab es in unserer Idylle nicht. So etwas hatte zwischen den Beeten und der ständigen Sorge um die Schnecken einfach keinen Platz.
An meine Ferienzeit habe ich die intensivsten kulinarischen Erinnerungen. Bei der Oma in Dithmarschen warteten nach langen Wattwanderungen bei Wind und Wetter Fötjes (Hefeküchlein) oder rote Grütze zur Stärkung auf mich. Auf dem Bauernhof meiner Tanten in Süddeutschland, der neben einer Metzgerei und einer kleinen Wirtschaft auch mit einer Kegelbahn und einer Schnapsbrennerei ausgestattet war, wurde ich mit fränkischen Spezialitäten verwöhnt. Tante Hildes Käsekuchen hatte den Status einer Kostbarkeit! Nicht nur weil er köstlich schmeckte. Der für die Zubereitung erforderliche Quark wurde aus der frischen Milch der drei Kühe in Handarbeit selbst hergestellt! (Natürlich bin ich Ihnen nicht böse, wenn Sie für den Käsekuchen á la Tante Hilde gekauften Quark verwenden.)
Das Helfen beim Kochen und Backen gehörte neben Indianer, Cowboy und Fußball zu meinen absoluten Lieblingsspielen. Ich bestürmte meine Mutter mit so vielen gut gemeinten Hilfsangeboten, dass sie einen Wochenplan aufstellen musste, um Rangeleien mit meiner ebenfalls sehr hilfsbereiten Schwester Nicole (die kleine Blonde mit der blauen Latzhose) in unserer Küche zu vermeiden.
Frischer Wind aus Norden – Wanderjahre an
Norddeutschlands Küsten
Dass ich Koch werden wollte, stand für mich rund zehn Jahre später fest, nachdem ich mein Berufspraktikum in einem Gourmetrestaurant in Stuttgart-Plieningen gemacht hatte. Ich war fasziniert von der Welt hinter den Kulissen – vom Handwerk, der furiosen Geschwindigkeit der Köche beim Schneiden und Anrichten, von dem Teamgeist, der in der Küche herrschte. Nach der Arbeit ging man nicht etwa schnurstracks ins Bett, sondern ließ den Abend auf einer Party oder in einem Club mit Musik ausklingen. Die Musik ist neben dem Kochen meine zweite große Leidenschaft – aber dazu später.
In meiner Zeit als Lehrling erfüllten sich dann meine Vorstellungen von Freiheit und Abenteuer. »Du hast Talent«, sagte der Küchenchef der in ganz Baden-Württemberg legendären »Fissler Post« nach sechs Monaten zu mir und schickte mich nach Sylt zu Holger Bodendorf, der damals noch im Hotelrestaurant »Veneto« kochte. Hier lernte ich nicht nur die Grundlagen meines Handwerks, sondern kam den Geheimnissen der mediterranen Sterneküche auf die Spur, die mich bis heute prägt und sich in Rezepten wie Auberginengrissini mit Tomate oder Parfait von der Entenleber widerspiegelt. Bodendorf stellte die allerhöchsten Ansprüche. Die Grissini sollten hauchdünn sein und die Gnocchi perfekt geformt, sonst musste man in der Mittagspause noch einmal von vorne anfangen. Den Wechsel von Plieningen in Bodendorfs Küche kann man vergleichen mit dem Aufstieg eines Kreisligisten in die Bundesliga. Mein Tag begann morgens um fünf und endete am späten Abend. Aber am Ende gewann ich glücklicherweise den Pokal.
Wie sollte es weitergehen? lautete die Frage nach meiner Ausbildung. Ich schnupperte in die Küche von Michael Röhm in Lüneburg, entschied mich dann aber für eine Stelle bei Lutz Niemann am Timmendorfer Strand. In der »Orangerie« im »Maritim-Seehotel« lernte ich die klassische Sterneküche kennen. Niemann legte Wert auf umfassende handwerkliche Finesse. Im Keller des Hotels haben wir die Schwarzfederhühner gerupft und ausgenommen, die dann später am Tisch tranchiert wurden. Absolute Symmetrie auf dem Teller war die Devise – drei Spargel, drei tournierte Möhrchen und dazu Blumenkohlröschen bildeten das perfekte Gemüsebouquet. Meine Seezungenröllchen sind eine Hommage an meine Zeit an der Ostsee, wo ich meine Fähigkeiten verfeinern durfte.
Neue Heimat und neue Herausforderungen
Neue Herausforderungen machen das Leben spannend, geht es Ihnen auch so? Nach eineinhalb Jahren in Niemanns renommierter Nachwuchsschmiede wollte ich zwei Sterne kochen. Auf einer Küchenparty im Hamburger Hotel »Vier Jahreszeiten« stellte mich mein Chef Henri Bach vor. Die Chemie zwischen uns beiden stimmte sofort. Kurz entschlossen zog ich nach Essen und arbeitete mich durch die Küchenhierarchie in der »Résidence«. Es war eine wunderbare Zeit! Nicht nur weil ich auf höchstem Niveau Erfahrungen sammeln durfte, sondern auch weil Henri Bach zu einem menschlichen Vorbild für mich wurde. Wir führten philosophische Gespräche in der Küche, ohne den perfekten Garpunkt des Fleisches aus den Augen zu verlieren.
Nach sechs Jahren in der Spitzengastronomie war jedoch klar: Ich brauche eine Pause. Ich wollte mir endlich mehr Zeit nehmen für die Musik, meine zweite große Liebe neben dem Kochen, der ich mich bisher nur nebenbei widmen konnte. Schon in Stuttgart war ich in der Hip-Hop-Szene und mit Musikern befreundet, die man heute in den Top Ten findet. Zu meinen schönsten Erinnerungen gehört eine Platte mit Unterschriften von den Größen des deutschen Rap wie Max Herre und Cassandra Steen, die ich als Abschiedsgeschenk vor meinem Umzug nach Sylt bekam. An der Nordsee habe ich begonnen, selbst zu singen und Tapes aufzunehmen. Und während meiner Zeit an der Ostsee fuhr ich regelmäßig nach Lübeck, wo ich fest in einer Band sang. Würde ich erfolgreich in der Musikbranche sein, wenn ich mehr Zeit in meine Karriere als Sänger investieren könnte? Diese Frage hat mich viele Jahre bewegt. Als ich die »Résidence« verließ, lag die Zukunft offen vor mir, und ich versuchte, das Beste daraus zu machen. Ich sang auf Festivals, organisierte Partys in Clubs und musikalische Abende in Essens berühmtem Grillo-Theater. Wenn Sie genauso gerne feiern wie ich, dann sollten Sie sich das vierte Kapitel (»Meine Partys, meine Bühne«) genauer ansehen!
Sich treiben lassen, träumen, die Spätnachmittage im Café verrinnen lassen. Auch für die Liebe, um die es im dritten Kapitel geht, gab es plötzlich mehr Zeit. Glücklicherweise war ich mit Rezepten bestens gewappnet. Gefülltes Perlhuhn oder Pasta mit Gemüse gehören zu meinen Favoriten in der Liebesküche. Bei diesen Rezepten darf man ruhig nervös sein, sie sind unkompliziert, aber hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Statt Auszeit vom Kochen Karriere als Fernsehkoch
Die Chance für einen Neuanfang in der Gastronomie kam völlig unerwartet. Ein Freund suchte einen Partner für seine neu gegründete Kochschule, und ich sprang ein. Am 19. 10. 2008 war das Eröffnungsfest mit 4 Sterneköchen. Ein paar Monate später führte ich die Geschäfte allein und war so erfolgreich mit meinen Kursen und Events für Firmen und private Kunden, dass ich selbst überrascht war. Gekocht wurde von Anfang an in einer der coolsten Locations von Essen. In der ehemaligen Fabrikhalle Planbar4 wurde einst die Fanta erfunden. Heute haben sich hier Inneneinrichter niedergelassen. Mein Team und unsere Gäste dürfen sich in den neuesten Luxus- und Hightechküchen austoben und dann das mit Herzblut zubereitete Essen genießen. Am 5. 5. 2007 wurde ich das erste Mal zu »Kerner kocht« eingeladen (heute »Lanz kocht«, moderiert von Markus Lanz). Seitdem stehe ich regelmäßig neben großartigen Kollegen vor der Kamera, die nicht nur Ihren, sondern auch meinen kulinarischen Kosmos erweitern. Mit der Eröffnung meines Restaurants »Die Schote« 2009 bin ich vorerst am Ziel meiner Wünsche angekommen. In den nach meinem Geschmack gestalteten Räumen bin ich frei, und jeder Tag als selbstständiger Koch, Chef und Manager ist ein Abenteuer – so wie ich es mir am Anfang meiner Lehrzeit erträumt hatte. Einige Kostproben aus meiner Restaurantkarte erwarten Sie im letzten Kapitel dieses Buches, das Ihnen hoffentlich in der Küche genauso viel Spaß machen wird wie mir beim Schwelgen in meinen kulinarischen Erinnerungen.