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1. Kapitel

Freitag, 07. Dezember 2018

Da bin ich. An meinem kleinen, weißen Schreibtisch im Wohnzimmer.

Ich habe gestern krank im Bett Tagebuch-Einträge meiner Notizbuch-App studiert und stellte fest, dass ich das ganze Jahr nur geträumt und geredet habe. Was ich alles machen könnte. Auf jeden Fall "mein eigenes Ding machen". Das kann ich scheinbar gut: Träumen und Pläne machen. Aber gut im Tun bin ich scheinbar nicht. Jetzt sitze ich wie gesagt hier und versuche, ein erstes Kapitel meines Buches zu schreiben. "1. Kapitel" klingt groß und toll und hastenichtgesehen. Vielleicht wird es auch nur wieder ein Plan, der sich in ein paar Wochen in Luft aufgelöst hat. Ich kenne mich mittlerweile ein bisschen.

Ich bin auf und ab. Und gut und schlecht. Und überdreht und weinerlich. Ich bin sprunghaft und lethargisch. Das bin ich alles. Und vor allem bin ich ein Mensch, der zuguckt und lächelt. Dieser ganze Abfuck, der um mich herum passiert, wird ausgehalten. Seit 1,5 Jahren diesen mist-Job machen und ja und amen sagen. Das "Aushalten" kommt in meine kleine Notizbuch-App. Nie sage ich das. Immer nur "wegschreiben", wie ich es gerne Freunden rate, wenn es ihnen nicht gut geht. Das mache ich jetzt auch. Wegschreiben. Mal schauen, wie weit ich komme.

*

Ich fange mal von vorne an.

Heute ist der 07.12.2018. Es ist 15:08 Uhr. Ich sitze hier und ab und zu räume ich in der Wohnung herum; denn in knapp 2 Stunden kommt mein Vermieter und zeigt einem Interessenten meine Wohnung. Ich ziehe am 12.01.2019 mit einer guten Freundin zusammen.

Mein erfundener Name ist November Helene Jahns. Ausgedacht, damit niemand auf die Idee kommt, wer ich bin. Einzig mein ehemaliger Freund, der jetzt tot ist, weiß das.

Ich bin 32 Jahre alt, lebe alleine in einer kleinen Wohnung einer kleinen Großstadt und habe einen nervigen Dead-End-Job inne, dem ich lieber schon gestern den Rücken hätte kehren wollen. Ich habe einen Partner, lebende Eltern, einen aktiven Bruder, eine Schwester, die ihr zweites Kind erwartet und 6-8 Freunde, die mal mehr mal weniger intensiv in meinem Leben vorkommen.

Über ein Pflicht-Praktikum wärend einer Reha-Zeit kam ich an diesen Kotzjob und wollte schon damals etwas anderes als 38 Kilometer in ein Kaff fahren, in dem der Hund begraben liegt. Auch damals wusste ich schon, dass es ein Fehler sein wird, diesen Job tatsächlich anzunehmen, denn das war das Gegenteil von dem, was ich wollte. Frei sein.

Da bin ich nun. 1,5 Jahre später. Hasse meine Arbeit und alle Menschen dort. Weiß immer noch nicht, wohin mit mir.

Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust- so zitierte es mein ehemaliger Chef einmal. Ich bin Zwilling und hab eine diagnostizierte Schizophrenie- Jackpot. Das mit dem Zwilling kann jeder halten wie er will, aber das mit der Schizophrenie ... Naja. Es steht halt da. Ich habe ein dünnes Fell und auch sonst bin ich eher eine kleine Pussy. Mir wird in regelmäßigen Abständen erzählt, ich brauche ein dickeres Fell, ich soll nicht soviel nachdenken und ich muss mich behaupten. Aber trotz allem finde ich mich ganz gut. Was ich nicht gut finde ist die Welt um mich herum.

Ich will mehr. Mehr als diesen Scheiß-Job und mehr als versauern. Mehr Frieden. Mehr Leichtigkeit. Mehr Spaß.

Ich schreibe, damit ich nicht abdrehe. Damit ich das Spiel einfach weiterspielen kann. Bis mir etwas besseres einfällt.

Und im besten Fall wird daraus ein Buch. Im allerbesten Fall liest es jemand.

Aktueller Gemütszustand: Leicht Traurig, erkältet und leicht schwimmend.

*

Ich beklage mich zur Zeit viel über die Arbeit und mein Leben. Muss aber feststellen, dass ich einzig und alleine dafür verantwortlich bin, dass nichts so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe, weil ich einfach nicht das tue, was ich tun muss, um das Leben zu bekommen, das ich gerne hätte.

Aber was hätte ich gerne? Ich weiß was ich nicht will, aber sonst nicht wohin. Das lässt mich verzweifeln.

Auf mein neues Leben als Mitbewohnerin bin ich gespannt. Wir werden ein Arbeitszimmer haben, mit dem Ziel, in der Freizeit zusammen zu sitzen und kreativ zu schaffen. Momentan sitze ich an meinem Mini-Küchentisch in meiner Mini-2-Zimmer-Wohnung im Wohnzimmer und Träume von einem besseren Leben.

Alles ist besser als jetzt. Ich kotze. Und schreibe meine Seele heil.

Ich bin nicht auf Bali.

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