Читать книгу Kommissar Spürnase - Nick Stein - Страница 6
KAPITEL 3
ОглавлениеGleich hinter dem Revier liegt ein kleiner Park mit einem Teich. Ein beliebter Treff für Hunde, die mit ihren Menschen hierher kommen, außerdem ein ausgezeichnetes Klo und damit ein Infozentrum.
Schon am ersten Pfahl, einem rotweißen runden Pfeiler, der mitten auf einem Pfad stand und verhinderte, dass Menschen da mit ihren Drehgestellen oder Kutschen reinfuhren, fand ich eine Nachricht von Fifi, einer kleinen Pudeldame, Mitte dreißig in Hundejahren, die regelmäßig hierherkam.
Mia ist allein zu Haus, jemand muss sich um sie kümmern, ihr Mensch ist weg, ohne Bedienung kommt sie nicht raus, hatte Fifi an den Pfosten gesprüht. Ihr Urin roch etwas zu sauer, sie aß zu viel Fleisch. Ich sprühte ihr diese Erkenntnis weiter oben an den Pfahl. Gesunde Ernährung ist so wichtig!
Wo lebt Mia denn, fragte ich mit dem zweiten Strahl. Wir könnten uns mal wieder treffen, Fifi, was meinst du?
Ich umrundete den halben Teich, bevor ich die nächste Message fand, auf U-Tube, kurz für den Urinschlauch, mit dem wir Nachrichten absonderten.
Mache mir Sorgen um meine Nachbarin Mia, sie jault den ganzen Tag und kommt nicht raus. Jemand muss ihr was zu essen und trinken besorgen, hatte Nino gepostet, ein bulliger französischer Bulldoggenmann, der zwar nicht gut laufen, aber umso besser riechen konnte. Wer helfen kann, soll bei mir vorbeikommen und Laut geben.
Ich dachte mir meinen Teil. Mia musste die nette Berner Sennenhündin sein, die ich am Aas erschnüffelt hatte.
»Lukas, komm, wir müssen dahin«, sagte ich meinem Menschen und zog ihn in die richtige Richtung.
»Zieh nicht so, Jackie! Wo willst du denn hin? Schau mal hier, das schöne Laub, da kannst du schön Häufchen machen!«
Menschen denken eben immer nur an das Eine. Häufchen.
Ich ließ diese Aktion bewusst aus, denn mein Begleiter würde ungeduldig werden, wenn ich damit durch war. Er verstand ja nichts, ich musste ihm mit anderen Mitteln zeigen, wo es langging.
Ein paar Minuten später waren wir raus aus dem Park und in der Sauerbruchstraße, einer Sackgasse. An einer Stelle roch es tatsächlich etwas sauer, als ob sich dort jemand erbrochen hätte. Nino wohnte im vorletzten Haus, und er war da, wie ich seinen Spuren entnahm.
Am Pfosten eines Zauns hatte er etwas gepostet. Ruft mich raus, wenn was wegen Mia ist. Ich komme dann. Aber laut, mein Diener ist schwerhörig.
Ich rief ihn.
»Jackie, was ist bloß los mit dir? Ich muss zurück aufs Revier! Was willst du denn hier?«
Das war natürlich Lukas, wie immer ohne Checkung. Dafür antwortete Nino aus dem Haus. »Moment, bin gleich da!«
Tatsächlich öffnete eine Minute später ein steinalter Mensch die Haustür, und der Hund im Haus stürmte heraus, schnell für eine französische Bulldogge. Ich fragte mich gerade, wann er über seine eigenen krummen Beine stolpern würde, als er schon am Tor war.
»Hör zu! Hör zu!«, hatte er unterwegs bereits laut gerufen. Dann beschnüffelten wir uns ein wenig, zur Bestätigung, dass alles in Ordnung war. Ich nahm seinen Respekt wahr, dass er es geschafft hatte, einen leibhaftigen Hundekriminalhauptkommissar herbeizurufen.
Er teilte mir etwas mit. Mia wohnt gegenüber. Lass sie uns mal gemeinsam rufen. Vielleicht bemerkt sie ja einer der Menschen und macht endlich die Tür auf, damit sie raus kann.
Ich postete zurück. Okay, wir rufen sie, dann laufe ich rüber und alarmiere sie von dort aus. Los, jetzt!
»Ruhig, Nino!«, rief der alte Mensch, der langsam in Zweibeinerart angewackelt kam. Bei jedem Schritt drohte er nach links oder rechts zu kippen und verhinderte das gerade noch mit dem nächsten Schritt, um dann in die andere Richtung zu kippen. Ich wunderte mich immer, wie man so vorwärtskommt. Richtig laufen können sie auch nicht, und schnell schon gar nicht. Der kleinste Chihuahua ist fixer als selbst ein junger Mensch. Wer mal mit ihnen Fangen gespielt hat, weiß das. Sie sind einfach zu blöd dazu. Zweibeiner eben.
Nicht dass wir nicht auch mal auf den Hinterbeinen stehen. Aber das ganze Leben lang so rumwackeln? Wie soll man denn da vorwärtskommen?
»Ich weiß nicht, was mein Jackie hat«, erzählte Lukas dem Alten, der sich jetzt am Zaun festhielt. Zu meiner Beruhigung, sonst wäre er vermutlich umgekippt. »Ist Ihre Hündin heiß? Er ist die ganze Zeit ihrer Spur gefolgt.«
»Das ist ein Rüde, der Nino«, brummte der Griesgram. »Der stellt sich schon seit gestern so komisch an. Und jetzt das. Sitz, Nino!«
Ich war inzwischen auf die andere Straßenseite gewechselt und rief weiter nach Mia. Ich hörte eine schwache Antwort, ein Winseln. Es ging ihr schlecht, sie hatte Durst. Sie antwortete leise.
»Ich musste schon das Pipiwasser aus der Menschenschüssel trinken, widerlich«, piepste sie. »Ich brauche was Richtiges. Holt mir hier raus, Jungs!«
»Komm zurück, Jackie, schnell!«, rief mein Lukas. »Hier fahren Autos!«
Ich sah keines und sprang weiter an Mias Zaun hoch.
»Moment«, sagte der alte Mensch. »Ist das nicht der Hund von dem Mehnert? Den habe ich schon länger nicht mehr gesehen. Ob der krank ist?«
Mein Lukas spitzte die Ohren, so gut er konnte. Menschen haben keine drehbaren Ohren, ein weiterer Grund, weshalb sie so miserabel hörten. Sie können nur den Kopf drehen wie eine Eule und ein ganz klein wenig mit den nutzlosen rosa Muscheln wackeln. Immerhin, Lukas hörte Mia.
»Tatsächlich, da winselt ein Hund«, erkannte er und zog ein verblüfftes Gesicht. »Ich gehe da mal klingeln. Das geht ja nicht, einen Hund so lange allein zu lassen.«
Endlich mal ein vernünftiges Wort von meinem Assistenten!
Lukas wackelte herüber, öffnete die Tür im Zaun und ließ mich durch. Ich stürzte sofort zum Fenster, hinter dem ich Mia wahrnahm. »Wir sind gleich da, Mädchen! Halte durch!«
Lukas drückte auf einen Bellknopf. Menschen machen so etwas. Anstatt zu rufen, damit man sie gleich erkennen kann, haben sie das Rufen anonymisiert, damit die Menschen im Haus nicht wissen, wer genau kommt. So machen sie das immer. Stets durchdenken sie eine Sache nur halb. Warum sollen die anderen denn raten, wer da ankommt, statt gleich zu wissen, wer es ist?
Wahrscheinlich nur deshalb, damit auch unangenehme Besucher eine Chance bekamen, zu fremde Leute zu kommen. Versteh einer die Menschen.
Es öffnete niemand. Lukas konnte ja nicht wissen, dass dieser Mehnert tot war, er hatte seinen Geruch am Fundort nicht aufgenommen. Halbe Sachen, wie gesagt.
»Ich glaube, da liegt ein Schlüssel unter der Fußmatte«, rief der besorgte Alte von gegenüber. »Schauen Sie mal rein in die Wohnung. Oder rufen Sie die Polizei, das geht doch nicht, mit dem Hund.«
Und dann haben sie wieder glasklare Einsichten, die Menschen, wie der Alte eben. Das musste ich ihnen lassen. Ihre Verantwortung uns gegenüber nehmen sie ernst. Letzten Endes haben wir ihnen seit ihrer Domestizierung vieles gezeigt und ermöglicht, ein wenig Dankbarkeit ist da schon angebracht.
»Ich bin die Polizei«, gab Lukas an. Na ja, das stimmte so halbwegs. Er war der Assistent eines Hundehauptkommissars. »Danke. Ich gehe da jetzt rein. Komm, Jackie.«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Er hatte kaum den Schlüssel an sich genommen und aufgeschlossen, als ich schon drin war, vor ihm, und zu Mia hinstürzte.
»Dein Retter ist da«, rief ich ihr zu. Sie war zwar größer als ich, und ihre heiße Phase war soeben vorüber, sie roch aber immer noch gut, als ich sie inspizierte. Leider setzte sie sich hin. Der Durst hatte Vorrang.
Lukas hatte verstanden und zwei Schalen mit Wasser aus der Küche geholt. Mia stand auf und trank beide aus, während ich an ihrem Zustand herumermittelte.
Sorry, Leute, Babys sind out, ich brauche was zu essen und zu trinken, nichts weiter, entnahm ich ihrer Aussage.
»Lukas, sie braucht was zu essen, hol mal etwas«, rief ich ihm zu.
»Ist ja gut, Jackie. Ich suche gerade was zu fressen für sie«, sagte er. Manchmal verstehen sie eben doch, und Lukas ist meiner Ansicht nach sogar so etwas wie intelligent. So etwa wie ein drei bis vier Jahre alter Junghund.
Er wackelte zur Küche und zum Kühlschrank, blieb aber vor einer Wand stehen, an der Bilder hingen. »Das gibt es doch nicht«, murmelte er.
War etwa nichts mehr zu essen da? Mia hatte Hunger. Aber woher konnte er das wissen, er hatte ihn doch noch gar nicht geöffnet?
Er meinte etwas anderes. »Schau mal, Jackie«, klärte er mich pflichtschuldigst auf. »Der Mann hier auf dem Bild, ist das nicht das Mordopfer?«
Er nahm das Foto ab und hielt es mir vor die Nase. Völlig unnötig, ich wusste das alles längst, deshalb hatte ich ihn ja hergebracht. »Genau!«, rief ich.
»Braver Jackie«, kommentierte er, während er das Bild einsteckte und zum Kühlschrank marschierte. »Kein Wunder, dass er sich nicht mehr um den Hund kümmern kann.«
Bingo! Jetzt hatte er verstanden. Manchmal braucht es eben etwas. Lukas nahm eine Dose aus dem Kühlschrank und füllte den Inhalt in eine Steingutschale, auf der Mia stand.
»Komm, Mia! Fressi, Fressi!«, lockte er sie. Mia seufzte, ich ebenfalls. Manchmal ist es schwer mit ihnen. Sie kommen über die Babysprache einfach nicht hinweg.
Mia aß langsam, während ich von hinten ihr U-Tube-Programm durchsah.
Gestern war ein fremder Mann angekommen, der mit ihrem Georg weggegangen war, mit einem dieser Knalldinger in der Hand. Sie hatte in etwa die gleiche Beschreibung von ihm wie ich. Ein Dicker, der Rauch einsog und zu viel Schweinefleisch fraß. Nur was er gegessen hatte, wusste sie nicht. Sie war keine Polizistin, sondern Zeugin, ich musste es deshalb nicht hier im Haus posten. Macht man nur in Notfällen, ich unterließ es.
Lukas sah sich inzwischen weiter um und nahm ein paar Fotos von den Wänden. Im Bettzimmer lag das Sprechgerät des Menschen. Lukas zog sich einen Handschuh über, den er in einer Tasche stecken hatte, und nahm es an sich. Im Bildzimmer, also dem Sofaraum, wo das Bildgerät steht, auf dem öfter Tiere laufen, stand eines dieser Klappdinger, die Musik und Bilder und Zeichen machen können und auf denen die Menschen Fingerübungen machten.
Finger sind ihre wichtigsten Körperteile, mit ihnen basteln sie Sachen, bauen Häuser und alles; die müssen sie ständig trainieren, und dazu gibt es diese Übungsgeräte, auf denen sie mit den Händen herumtrommeln. Damit ihnen dabei nicht langweilig wird, sprechen bisweilen andere Menschen aus diesen Kisten, oder es läuft Musik. Manchmal denke ich, dass es ihre Version unserer U-Tube ist, nur eben ohne den wichtigsten Nachrichtenträger, den Urin.
Ihren eigenen spülen sie immer gleich weg, ganz so, als ob sie Geheimnisse hätten, die niemand wissen soll. Nur dass er kaum Nachrichten an Dritte enthält, sondern nur Informationen über ihren Gesundheitszustand. Und das sollen andere wohl nicht wissen. Na ja, ist auch egal, uns entgeht das trotzdem nicht.
Deshalb greifen sie dann auf diesen billigen Ersatz zurück. Entsprechend dauert alles länger als bei uns.
Lukas hatte sein eigenes Sprechgerät gezückt und redete mit jemandem. Den Leuten aus meinem Büro und dann denen aus dem Nachbarbüro, den Menschen in den weißen Sachen, Johanna und Werner, einer netten Frau und einem leicht säuerlich riechenden älteren Mann. Die sollten herkommen, die anderen etwas später ebenfalls.
»Ich führe solange seinen Hund spazieren, zusammen mit Jackie«, kündigte er an. »Ich bin in einer Viertelstunde wieder da.«
Der Mann wurde immer besser. Er sah sich weiter um, nahm Mias Menschenleine von der Garderobe, ließ die Sennerin aufessen und bat mich hinzu.
»Komm, Mia, wir gehen in den Park, du brauchst Bewegung, wir könnten ein wenig laufen und spielen«, schlug ich ihr vor. »Den Lukas müssen wir mitnehmen, der findet sonst den Weg nicht.«
Das Letztere war gelogen, die Straße führte ja direkt zum Entenpark. Auch wenn sich Lukas gern von mir an der Leine führen ließ, diesen kurzen Weg hätte sogar er allein gefunden.
Ich machte mir Sorgen um Mia, die zwar etwas ahnte, aber noch nicht wusste, dass ihr Betreuer ein Loch in der Brust hatte.
Als wir am Park angekommen war, während Lukas die ganze Zeit in sein Kästchen gesprochen hatte, postete ich die traurige Nachricht an den ersten Baum am Wall.
Mia konnte es gar nicht fassen und schnüffelte weiter. Dann stieß sie ein herzzerreißendes Geheul ein, in das ich einfiel. Es ist schlimm, wenn ein Hund stirbt, aber auch einen menschlichen Betreuer zu verlieren, trifft einen hart, ich konnte Mia gut verstehen.
»Seid mal leise, man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr«, war das Einzige, was Lukas dazu einfiel. Ich postete noch etwas. Das war dieser Dicke, der nach Rauch und Schwein riecht, der hat ihn totgemacht, spritzte ich an den Baum. Alle sollen nach dem suchen und ihre Nachrichten bei U-Tube hinterlassen, damit wir ihn finden und zur Strecke bringen können. Er muss in einen Zwinger, postete ich, wozu ich drei Anläufe brauchte.
Wenn ich dem nicht vorher die Kehle durchbeiße, spritzte Mia unnötigerweise dazu. So etwas macht ein gebildeter Hund von heute nicht, aber wegen des verständlichen Ärgers ließ ich ihr das durchgehen. Man denkt so etwas nicht einmal, selbst Menschen haben einen Wert.
Mia erledigte ihr Geschäft, worauf sie zwei Tage gewartet hatte, wie sie mir gesagt hatte. Ich schnupperte; es enthielt keine Keime, die ich noch nicht kannte. Neue Sorten machten den Hund resistenter gegen Krankheiten und andere Gebrechen, weswegen wir in manchen Fällen eine Transplantation vornehmen, um selbst immun zu werden.
Wir hatten alles erledigt und gingen zurück, Lukas nahmen wir mit, er folgte uns bereitwillig. Womöglich wegen der beiden Weibchen, die mittlerweile in Mias Wohnung sein mussten, obwohl er zu Hause selbst eines mit zwei Welpen hatte. Vielleicht wollte er auch einfach mehr erfahren, was mit Mias Menschen passiert war.
Mia und ich sollten draußen warten, was uns recht war, schließlich verliefen dort alle Spuren. Mia zeigte mir, wo der Dicke hergekommen war. Die Spur war nicht mehr frisch, mit ihrer Hilfe aber noch zu erkennen. Er war an der Seite über den Zaun gestiegen und am Haus entlanggeschlichen, hatte sich unter dem Fenster geduckt und war dann an die Tür gekommen und hatte gesummt. Also mit diesem Bellknopf an der Tür, woraufhin ihr Mensch an die Tür gegangen war.
Der Dicke hatte ihm sofort das Knallrohr unter die Nase gehalten, ihr Mensch hatte daran gerochen und erkannt, dass er dem Dicken folgen sollte. Der war dann hinter ihn getreten, wie noch klar an den Spuren zu riechen war, und hatte ihn zu einer Kutsche gebracht. Die vermochte Mia nicht zu beschreiben, sie würde sie aber wiedererkennen.
Sie selbst war im Haus geblieben, nachdem der Dicke ihr die Tür vor der Nase zugeknallt hatte, und hatte durchs Fenster zugeschaut, wie ihr Mensch vorne eingestiegen war, der Dicke hinten. Viel mehr hatte sie nicht gesehen, weil es schon recht dunkel gewesen war.
Das war eine super Zeugenaussage. Ich fragte mich nur, wie ich Lukas das alles beibringen sollte, er hörte ja nie richtig zu.
Drinnen spielten die Menschen wieder rum, anstatt zu ermitteln. Sie stellten Fähnchen auf, malten etwas mit Kreide vor die Tür, sprühten ein paar Stellen lustig ein, warfen helles Licht auf bestimmte Positionen und anderen Schabernack mehr. Viele Sachen packten sie in kleine Beutel, die sie mitnahmen. Anschließend schlossen sie ab und klebten bunte Zettel und Bänder vor die Tür. Wie für eine Party, nur dass niemand kam.
»So«, sagte Lukas. »Wir gehen gleich zurück aufs Revier, Jackie, nachdem wir die Nachbarn befragt haben. Was stellen wir jetzt mit dem Hund an?«
Er meinte Mia. »Die nehmen wir mit, das ist eine wichtige Zeugin«, erklärte ich ihm. »Es sei denn, sie kann hier bei Nino wohnen, sie braucht ja jemanden, der für sie sorgt.«
»Kläff nicht so rum«, meckerte Lukas, weil er wohl wieder nichts verstanden hatte. »Ich frage mal gegenüber, die haben ja auch einen Hund, vielleicht können die sie für eine Zeit nehmen.«
Also hatte er doch etwas mitgekriegt, intuitives Hörverständnis, meiner Meinung nach. Sie verstehen bisweilen mehr, als man denkt, und in gewissen Situationen muss hund aufpassen, was er sagt.
Manchmal bin ich jedoch verdammt stolz auf meinen Menschen, Mia und ich sprangen an ihm hoch.
Er gab uns etwas von meinem Leckerchen-Vorrat, den bei sich zu tragen ich ihm beigebracht hatte.
Gegenüber öffnete der Mensch von Nino die Tür. Lukas sprach mit ihm, bevor er zur Sache kam.
»Wissen Sie, ob Herr Mehnert Verwandte hatte? Er lebte offenbar allein. Hat er Besuch bekommen? Haben Sie in den letzten Tagen jemanden bei ihm gesehen, oder haben Sie bemerkt, wann er aus dem Haus gegangen ist?«
»Wieso? Ist was mit ihm?«, fragte der Mann zurück. »Dem ist doch nicht etwa etwas passiert?«
»Herr Mehnert ist tot aufgefunden worden, wir können ein Gewaltverbrechen nicht ausschließen. Jede Aussage dazu könnte wichtig sein.«
Der Mann schluckte und sah zu Mia hinunter, die fragend zurückschaute.
»Was wird denn dann mit dem Hund? Der würde da ja verhungern, wenn ihn keiner nimmt.«
Das hatte Lukas schlau eingefädelt, dachte ich. Er wusste, was sich gehörte, sofern es um uns Hunde ging.
»Es wäre schön, wenn Sie ein paar Tage auf ihn aufpassen könnten. Sobald wir geklärt haben, ob er Verwandte oder jemand anderen hatte, der den Hund nehmen kann, lassen wir ihn wieder abholen.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ihn. Nicht einmal das Geschlecht eines Hundes konnten sie ordentlich bestimmen, und selbst dann sagten sie zu einer Dame er. Also echt jetzt!
Lukas redete weiter. »Und? Haben Sie jemanden bemerkt? Hatte er manchmal Damenbesuch? Wie oft ist er aus dem Haus?«
Der steinalte Mann kratzte sich den ziemlich kahlen Schädel, von dem nur noch wenige Haare hinten herabhingen. »Tja. Er ist wohl zwei, drei Mal am Tag mit dem Hund raus, am Wochenende. Unter der Woche fährt er arbeiten, in Wilhelmshaven, glaube ich, den Hund nimmt er dann mit. Eine Frau habe ich da lange nicht gesehen. Und wann er das letzte Mal das Haus verlassen hat? Ich sitze ja nicht ständig am Fenster, wissen Sie?«
Viel mehr bekam Lukas aus dem Alten nicht heraus. Immerhin erklärte er sich bereit, Mia für ein paar Tage zu betreuen; Lukas gab ihm ein blaues Stück Papier, mit dem man sich in einem großen Haus eine Dose mit etwas zu essen nehmen durfte, wie ich beobachtet hatte. »Für Mia, bis sie abgeholt wird«, sagte er.
Ich sage das ja jedem, der es hören will oder auch nicht. Herr und Mensch werden sich mit der Zeit immer ähnlicher. Lukas hatte viel von mir gelernt, wie es schien, meine Erziehung zu mehr Kaninität zahlte sich langsam aus. Er zollte uns Hunden jetzt wesentlich mehr Achtung.
Von hinten näherte sich die hohe Menschin, die mich mit ihrem feuerroten, kugelförmigen Haar immer an eine Pudeldame erinnerte. Lukas verglich sie meist mit einem hohen Haus, in dem sich oben ein Licht drehte, einem sogenannten Leuchtturm, warum auch immer. So ein Licht hatte ich bei ihr noch nicht gesehen.
»Der Mann ist geschieden, keine Kinder«, bellte sie schon aus einigen Metern Entfernung. »Er arbeitet im Marinearsenal in Wilhelmshaven. Die anderen Nachbarn halten ihn für extrem verschwiegen.«
Sie plapperte weiter, mein Lukas hörte zu und fasste dann zusammen. »Demnach hat niemand gesehen, wie er das Haus verlassen hat.«
Ich sagte ihm, dass er von dem Dicken abgeholt worden war.
»Still, Jackie, ich rede mit Svantje«, fuhr er mich an. »Ich weiß, du sorgst dich um den Hund, nicht?«
Dann vergaß er mich wieder.
Ich nutzte die Gelegenheit, eine Frage an Ninos Zaun zu posten.
Wer immer einen dicken Menschen gesehen hat, der verbrannte Pflanzenteile einatmet, Getreidewasser mit Hefe ausdünstet und zu viel Schweinefleisch frisst, soll Nino Bescheid sagen. Der hat einen Menschen totgemacht, der zu Mia gehörte, die kennt ihr ja alle. Der Täter muss in den Zwinger. Gern auch im Park posten, legte ich nach.
Dann ließ ich Lukas seine Leine an mich anlegen und führte ihn durch den Park zurück zur Dienststelle.
Ich aß etwas aus meinen edlen Metallschüsseln, während sich die drei Menschen mit belegten Teigfladen aus Pappkartons begnügen mussten. Anschließend war es Zeit für ein Nickerchen.