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PETER JENNER hatte geduldig gewartet, bis die Mitglieder von Pink Floyd Sound nach der Sommerpause 1966 wieder in London eintrudelten. Er kam erneut nach Stanhope Gardens und sagte: »Wir hätten euch gern bei unserem Label dabei.« Roger erklärte ihm, wir bräuchten kein Label, sondern einen Manager.

Das Ganze belebte unsere vagen Erfolgsfantasien mit einem Schlag aufs Neue – Tagträume, die wohl sonst mit dem Sommer vergangen wären. Peters Hartnäckigkeit verblüffte uns etwas, aber da wir auf jede Chance begierig waren, stimmten wir schließlich zu, dass er und sein Partner Andrew King uns managen sollten. Andrew erinnert sich noch, dass ich bei einem Gespräch darüber sagte: »Da sonst keiner will, könnt genauso gut ihr uns managen ...« Für uns war es ein bedeutender Schritt, der uns ermöglichte, an eine Reihe von Dingen zu kommen, ohne die wir es nie schaffen würden, von der Amateurliga ins Profilager zu wechseln: regelmäßige, bezahlte Arbeit, ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit und ein ordentliches Equipment.

Peter und Andrew kannten sich noch aus der Schulzeit. Ihre Väter waren beide Pfarrer; in Andrews letztem Schuljahr mussten seine Eltern aus London wegziehen – also suchten sie ein gutes christliches Heim, in dem ihr Sohn bis zu den Abschlussprüfungen wohnen konnte. So kam Andrew zu den Jenners, in das Pfarrhaus von St George in Southall. Peter war ein Jahr jünger als Andrew, deshalb hatten sie in der Schule bis dahin nicht viel miteinander zu tun gehabt. Doch während des Zusammenwohnens entwickelten sie gemeinsame Interessen. Leider ist mir nicht in Erinnerung, ob die unheilige Allianz dieses Freundespaars irgendeinen segensreichen Einfluss auf die Band ausübte. Seelsorge jedenfalls ist nach Andrews Erfahrung für Manager in der Musikindustrie ein nützliches Instrument: »In einer Pfarrei muss man mit allem und jedem fertig werden, was einem ins Haus kommt.«

Nach Abschluss ihres Studiums gingen Andrew und Peter, vermittelt wiederum durch einen Mann der Kirche (diesmal der episkopalischen) für ein Jahr nach Amerika und arbeiteten unter anderem sechs Monate in einer Whiskybrennerei in Peking, Illinois; von dort war man an den Wochenenden schnell in Chicago – mit seinem reichen Angebot an Electric Blues, Jazz und Gospelmusik.

Während des Studiums – Peter in Cambridge und Andrew in Oxford – waren die beiden in Kontakt geblieben, und nachdem er sich entschlossen hatte, uns zu managen, bat Peter seinen Freund Andrew um Hilfe und, wichtiger noch, um Kapital. Andrew arbeitete für eine Firma, die wissenschaftlich fundierte Schulungsprogramme entwickelte; die Trainees saßen an einer Maschine und mussten die korrekten Antworten im Multiple-Choice-Verfahren per Hebeldruck bestimmen. Andrew erstellte ein Programm zum Thema Thermodynamik (wovon er bestenfalls ansatzweise Ahnung hatte) und wurde daraufhin leihweise der Fluggesellschaft BEA zur Verfügung gestellt: Er sollte mithelfen, das Personal zu motivieren. Beide Firmen vermuteten ihn jeweils im Büro der anderen, während er höchstwahrscheinlich die meiste Zeit im Bett lag oder sich mit Zigarettenpapierchen an Origami versuchte ... Offenbar fehlte es ihm und dem Flugpersonal gleichermaßen an Motivation, und Peters Hilferuf kam als willkommene, weit attraktivere Alternative.

Peter erinnert sich: »Wir waren gute Kumpels und oft zusammen auf irgendwelchen Musikveranstaltungen gewesen. Also sagten wir uns, probieren wir es doch mal mit der Band. Könnte ganz interessant werden. Andrew hatte seinen Job aufgegeben, und ich dachte, ich könnte es als nettes Hobby weiter nebenbei betreiben.« Und so stellten die beiden Blackhill Enterprises auf die Beine, benannt nach Blackhill Farm, einem Anwesen in Brecon Beacons, dem berühmten Nationalpark in Südwales, das Andrew mit den Mitteln aus einer Erbschaft gekauft hatte. Das restliche Geld ging zu gleichen Teilen für wildes Leben und bitter nötiges Bandequipment drauf.

Schon zuvor hatten wir mit allem, was wir von den herzlich wenigen bezahlten Auftritten zusammenkratzen konnten, unsere Ausrüstung aufgestockt: Roger hatte sich einen Rickenbacker-Bass zugelegt, ich mir ein Premier-Set statt meines ursprünglichen, zusammengebasteltem Schlagzeugs. Nach der Trennung von Chris Dennis und seinem PA-System hatten wir uns entweder irgendwo einen Verstärker ausgeliehen oder mit dem vorlieb genommen, was vor Ort vorhanden war (und das meist so klang, dass selbst ein Ansager bei der Bahn Verständnisschwierigkeiten damit gehabt hätte). Blackhill Enterprises erlöste uns schlagartig von diesen Nöten; wir zogen los und deckten uns in der Charing Cross Road mit einem Selmer PA-System, einem neuen Bass und Gitarrenverstärkern ein.

Zunächst hatte Peter vorgehabt, neben seiner Dozententätigkeit sowohl DNA weiterzuführen als auch uns zu managen. Andrew sollte ganz für Pink Floyd zuständig sein. Als jedoch klar wurde, dass DNA nicht so dringlich war, konzentrierte sich Peter mehr auf uns. In diesem Duo war er der Kämpfer – und zugleich der Diplomat, der wortgewandt verhandeln konnte (nach eigener Einschätzung ein »Großmaul der Extraklasse – bis heute!«). Als Extrabonus hatte er eine Verbindung zur Undergroundszene zu bieten. Andrew war lockerer und witziger, mit seiner Lebenslust aber auch für manch unliebsame Überraschung gut. Er bestreitet allerdings vehement, an einem feuchtfröhlichen Abend unsere gesamte Reisekasse für eine Skandinavientour verschleudert zu haben. Er hätte nur ein wenig Wechselgeld aus der Tasche gefischt, und dabei seien eben ein paar Kronen in einen Gully gekullert. Pech für ihn, dass der Vorfall Rogers Adleraugen nicht entging.

An Erfahrungen im Musikgeschäft hatten uns die beiden nur die paar Monate in Illinois voraus, in denen sie in die Chicagoer Musikszene eingetaucht waren. Uns, die wir noch weniger Ahnung hatten, schienen sie über ausreichend Verbindungen zu verfügen, um mehr und bessere Auftrittsmöglichkeiten zu finden und in Verhandlungen mit Plattenfirmen zu treten. Es wäre völliger Wahnsinn gewesen, hätten wir auf eigene Faust versucht, Plattenverträge abzuschließen; geblendet von den strahlenden Visionen einer Hitsingle nach der anderen, hätten wir uns für einen Apfel und ein Ei der erstbesten Firma an den Hals geworfen, die uns ein Angebot machte. Peter und Andrew hätten zumindest einen höflichen Moment lang gezögert.

Wir hatten bessere Jobs in Aussicht und besseres Equipment zur Verfügung; darüber hinaus verhalf uns das Team Jenner/ King zum Einstieg in die neue Londoner Undergroundszene, nämlich durch Peters Kontakte zur London Free School, einem alternativen freien Schulprojekt. 1966 war ein Jahr der Umwälzungen für England. Die Labour-Regierung unter Harold Wilson brachte eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen – betreffend obszönes Verhalten, Scheidung, Abtreibung und Homosexualität – auf den Weg. Die Pille war frei erhältlich, Emanzipation nicht länger nur reine Theorie, sondern ein Angebot an Frauen wie Germaine Greer und Caroline Coon (Gründerin von Release, der weltweit ersten Telefonberatung für Drogen- und Rechtsprobleme), sich gleichberechtigt zu engagieren.

Es war auch eine Zeit der kulturellen Wandlungen. Im Schlepptau der Beatles dominierten plötzlich englische Bands die internationale Musikszene. Begleitet wurde dieses Phänomen von einem wachsenden Interesse an Modetrends, Läden, Models und Fotografen aus England; bald waren Namen wie Mary Quant und Ozzie Clark, Carnaby Street und Biba, Twiggy, Jean Shrimpton oder Bailey und Donovan allgemein ein Begriff. Selbst mit dem englischen Fußball ging es nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1966 steil bergauf.

Parallel zu der explosionsartigen Entwicklung im kommerziellen Bereich war auch im Ausbildungssektor ein gewaltiger Aktivitätsschub zu verzeichnen. Die Akademien der schönen Künste brachten fantastische Designer und Fotografen hervor – und spiehen eine ganze Generation begabter Rockmusiker wie Ray Davies, Keith Richards, John Lennon und Pete Townshend aus. Es wurden viel mehr Stipendien vergeben, was natürlich die Karriereaussichten beförderte, aber auch den gefürchteten Tag ferner rücken ließ, an dem man im wirklichen Leben tatsächlich würde Geld verdienen müssen. Jobs waren relativ leicht zu ergattern, auch längerfristige, und das hieß, als Student hatte man die freie Wahl, konnte sogar in Betracht ziehen, vorübergehend aus dem Berufsleben aus- und wieder einzusteigen. Es ist verrückt, aber wir machten uns damals tatsächlich Sorgen, was wir mit all der Freizeit anfangen sollten, wenn die Roboter, die man in Tomorrow’s World sah, erst mal alle Arbeit für uns taten.

Die Schattenseite von all dem sollte sich erst dreizehn Jahre später zeigen. In der schönen, neuen (von der Mittelschicht dominierten) alternativen Welt wurde dem politischen Alltagsgeschäft zu wenig Beachtung geschenkt. Als man dies merkte, war es schon zu spät. Die Mauerblümchen, an denen die spaßigen Sechzigerjahre vorbeigegangen waren, schlugen in den Achtzigern zurück, übernahmen das Ruder und wüteten im Gesundheits- und Erziehungsbereich, in Bibliotheken und allen anderen kulturellen Einrichtungen, auf die sie Zugriff bekamen.

Ein bedeutsames Ereignis in der Entwicklung der intellektuellen Undergroundbewegung war eine Dichterlesung in der Albert Hall im Juni 1965: mit Allen Ginsberg, Lawrence Ferlinghetti und Gregory Corso. Die Organisatoren hatten mit ein paar hundert Leuten gerechnet, stattdessen kamen 7500. Die Bewegung blühte und gedieh im Verein mit dem Indica Bookshop, dessen Geldgeber, Jane Ashers Bruder Peter, wiederum ein alter Schulfreund von Peter Jenner und Andrew King war. Weitere Mitbegründer von Indica waren Miles, der Schriftsteller und Journalist, und John Dunbar, ein Freund von Rick, der später Marianne Faithfull heiratete. Ursprünglich war dem Buchladen eine Kunstgalerie angegliedert, später verlagerte er sich dann von Mason’s Yard in die Southhampton Row. Hier wurden neue Ideen und experimentelle Literatur gefördert, hier fand man auch importierte Werke amerikanischer Dichter, sodass sich ein echter Austausch mit den USA entwickelte. Der Name Indica leitete sich von der botanischen Bezeichnung »cannabis indica« her; offiziell hieß es allerdings, er sei eine Abkürzung für »indications«. Ein weiterer innovativer Buchladen, Better Books, holte Andy Warhol aus den Staaten zu einer Dichterlesung; begleitet wurde er dabei unter anderem von dem Star seines Films Couch, Kate Heliczer, die erstmals Aufnahmen von Velvet Underground nach England brachte.

Beide Läden machten England die amerikanische Rock-Avantgarde zugänglich, die die meisten von uns sonst nie zu hören bekommen hätten, Gruppen wie die Fugs und die Mothers of Invention: Namen, die in unseren Ohren seltsam klangen und nicht selten alternative Ansätze vermuten ließen, hinter denen aber, wie sich herausstellte, ziemlich konventionelle Musik steckte. Es überraschte uns oft, wie viele von den Amerikanern, ob Country Joe & The Fish oder Big Brother & The Holding Company, musikalisch von Country und Blues beeinflusst waren, auch wenn die Texte mit ihrer Radikalität wiederum eher zu Undergroundbands passten.

Von den Leuten, die beim Indica Bookshop dabei waren, unterstützten einige auch die London Free School. Gegründet worden war sie unter anderem von Peter Jenner, beheimatet in Notting Hill und gedacht als alternative Bildungseinrichtung. John Hopkins – allgemein Hoppy genannt –, freier Fotojournalist und wichtiger Initiator des Underground, hatte die Idee dazu von der New Yorker Free University mitgebracht und so das ganze Unternehmen mit in Gang gesetzt.

Wir hatten alle eine gute Erziehung genossen. Man hatte uns aber viel zu viele Scheuklappen aufgesetzt. Die Free School war eine Reaktion auf das, was wir unter entfremdeter Bildung verstanden; es sollten nicht nur die Schüler von ihren Lehrern, sondern umgekehrt auch die Lehrer von ihren Schülern lernen. Es begann vielversprechend, doch nach ungefähr einem Jahr zerfiel das Projekt, weil die Hauptbeteiligten alle zu sehr mit anderen Dingen – von Artikelschreiben bis Eventmanagement – beschäftigt waren. Doch bis dahin beeinflusste Notting Hill mit seiner multikulturellen Gesellschaft sowohl die London Free School als auch die psychedelische Bewegung. Peter sagt, heute wisse ja niemand mehr, wie öde es im Nachkriegsengland zugegangen sei: »Man konnte es kaum mit ansehen. Psychedelik war das Mittel gegen diese Öde.«

Die Organisatoren der London Free School trafen sich in Tavistock Crescent, einem mittlerweile abgerissenen alten Haus in Notting Hill, das Rhaunnie Laslett gehörte, dem Erfinder des Notting Hill Carnival. Sie brauchten dringend Geld, zumal sie auch ein Nachrichtenblatt herausgeben wollten, das über die neuesten Entwicklungen im Underground informierte. Peter Jenner und Andrew King kamen mit einer Lösung: Als gute Pfarrerssöhne wussten sie, dass Geld am besten mit einem Whistabend oder einer Tanzveranstaltung aufzutreiben war. Whist schien in diesem Fall nicht das Richtige, also mietete die LFS den mittlerweile ebenfalls abgerissenen Gemeindesaal von All Saints in Powis Gardens, Notting Hill, für eine »Pop-Tanzparty« und engagierte Pink Floyd Sound – wir hatten beschlossen, bei Syds Namen für die Band zu bleiben.

Allzu begeistert waren wir vermutlich nicht: In Gemeindesälen zu spielen entsprach nicht unbedingt den Erwartungen, die wir in unser neues Management gesetzt hatten. Doch dann stellte sich heraus, dass wir kaum einen besseren Auftrittsort hätten wählen können: London W11, der ganze Bezirk von Notting Hill, entwickelte sich in rasantem Tempo zum Zentrum der alternativen Bewegung und zur interessantesten Gegend von London. Die Mieten waren niedrig, die Bewohner ein bunter Kulturmix, es gab viele Aktivitäten wie die der London Free School – und einen florierenden Drogenmarkt. Letzterem versuchte die örtliche Polizei mit einigem Einfallsreichtum den Riegel vorzuschieben, hauptsächlich durch untergeschobene Beweisstücke. Das war etwas Neues für die radikalen Intellektuellen: Abgesehen von den Anti-Atom-Protestmärschen hatte sich das Gesetz gegenüber der Mittelschicht bisher kaum von seiner finstereren Seite gezeigt.

Der Gemeindesaal selbst war nichts Besonderes. Mit seiner hohen Decke, dem Dielenboden und dem Podium am einen Ende glich er zahllosen anderen kirchlichen Einrichtungen im ganzen Land. Doch was dort stattfand, entwickelte schnell ein ganz eigenes Gepräge. Und was sich dazu einfand, waren keine R&B-Anhänger und Zuschauer von Top Of The Pops. Neben dem hippen Volk aus dem Viertel kamen Studenten und Collegeabbrecher, die stolz darauf waren, »Freaks« zu sein. Sie saßen dort am Boden oder schwebten mit ausgebreiteten Armen durch den Raum, »flippten rum«, wie es später hieß. Anders als ein normales Publikum brachten sie nur wenig an vorgefassten Vorstellungen und Erwartungen mit und befanden sich häufig dank der Einnahme chemischer Substanzen in einem Bewusstseinszustand, der sie Phänomene wie trocknende Farbe nicht nur interessant, sondern unendlich bedeutsam finden ließ. Die Wirkung auf uns war galaktisch. Sie reagierten so begeistert und unkritisch auf die improvisierten Abschnitte in unseren Sets, dass wir uns mehr und mehr darauf konzentrierten, sie immer weiter auszudehnen, statt wie bisher einfach eine Reihe von Coverversionen abzuspulen.

Lightshows spielten eine wichtige Rolle bei den Veranstaltungen in All Saints: Die Events galten als »Happenings«, bei denen jeder nach Belieben mitmachen durfte. Joel und Toni Brown, ein amerikanisches Pärchen, das um diese Zeit England besuchte, waren die Ersten, die sich mit Diaprojektionen versuchten. Als sie in die Staaten zurück mussten, fanden Peter, seine Frau Sumi und Andrew, die Lightshow müsse erhalten bleiben, und beschlossen einen Ersatz zu konstruieren. Da es vor allem nicht viel kosten durfte und sie keine Bühnenbeleuchter zu ihren Freunden zählten, wandten sich Andrew und Peter nicht an professionelle Beleuchtungsfirmen, sondern deckten sich beim Elektroladen um die Ecke mit ein paar handelsüblichen Scheinwerfern, Schaltern, Gels und Reißzwecken ein – vermutlich bekamen sie sogar noch eine Art Heimwerkerrabatt. Die ganze Ausrüstung wurde an Latten befestigt, diese wiederum auf ein paar Bretter genagelt, die komplette Apparatur an den Hauptschalter angeschlossen und im Folgenden schlicht per Handbetrieb an- und ausgeschaltet. Äußerst behelfsmäßig, aber für die damalige Zeit revolutionär – keine andere Band hatte eine solche Bühnenbeleuchtung aufzuweisen.

Ein Artikel im Melody Maker vom 22. Oktober 1966 beschreibt einen typischen Auftritt von uns: »Die Dias waren hervorragend – farbenfroh, beängstigend, grotesk, wunderschön, doch in dem kalten, nüchternen Gemeindesaal wirken sie nicht so recht. Stücke wie ›Louie Louie‹ vertragen keine psychedelische Bearbeitung, aber wenn Pink Floyd Sound ihre gekonnten E-Sounds mit ein paar melodischen und gefühlvollen Songs zusammenbringen, könnten sie in nächster Zeit ganz groß herauskommen.«

Wir spielten immer weniger R&B-Standards und immer mehr Songs von Syd, die dann auch den Großteil unseres ersten Albums ausmachten. Die Klassiker mischten wir unter unsere längeren Ergüsse, fingen beispielsweise häufig mit ›Interstellar Overdrive‹ an und spielten dann als Nächstes eine brave Coverversion von Bo Diddleys ›Can’t Judge A Book‹ oder Chuck Berrys ›Motivating‹, einem Lieblingssong von Syd.

Wir hatten nun also regelmäßige Auftritte, konnten auf ein Publikum rechnen und wurden allmählich dem »Underground« zugerechnet – trotzdem würde ich sagen, dass sich keines der Bandmitglieder der eigentlichen Bedeutung dieser Bewegung bewusst war. Wir sympathisierten mit ihren Zielen, waren aber zweifellos nicht selbst aktiv daran beteiligt. Wir hatten unseren Spaß an dem bunten Haufen, der da mitmischte – Leute wie Hoppy, Rhaunnie Laslett und der schwarze Aktivist Michael X –, doch ging es uns in erster Linie nicht um die Ideale eines unabhängigen Nachrichtenblattes, sondern darum, im Musikgeschäft Fuß zu fassen und Geld für ein neues PA-System zusammenzukriegen.

Besagtes Blatt konnte die Free School mit Hilfe der Einnahmen aus der All Saints Hall nun endlich in Angriff nehmen. Es hieß IT( International Times) und sollte in Abständen gebündelt über sämtliche Happenings und Events in London informieren. Vorbild war Village Voice, das geniale New Yorker Magazin, in dem Kunstkritiker, investigative Journalisten, Liberale und Radikale gleichermaßen zu Wort kamen. Die erste Ausgabe – Auflage 15 000, verlegt bei Lovebooks Ltd, erhältlich für einen Shilling bei sämtlichen guten Alternativ-Buchläden – lancierte IT an einem kalten Oktoberabend in Camden, mit einer großen Party im Roundhouse in Chalk Farm.

Das Roundhouse war ein Ringlokschuppen, errichtet um 1840 und gedacht für Dampflokomotiven, die jedoch schon binnen fünfzehn Jahren für diese Halle und Drehscheibe zu groß geworden waren. Zwischenzeitlich hatte es noch einer Whiskybrennerei als Lagerstätte gedient, doch zu Anfang der Sechzigerjahre war das ganze Gelände mehr als heruntergekommen. Zahlreichen Berichten zufolge ruinierte damals unsere »Tourneecrew«, die – in Ermangelung von Roadies – eben nur aus unseren beiden Managern bestand, beim Zurücksetzen mit dem Transporter den Riesenwackelpudding, den ein Künstler für diese Präsentation extra gestaltet hatte. Ein kulinarischer Mega-GAU, der das allgemeine Chaos nicht eben minderte.

Als Bühne diente ein alter Transportkarren. Unsere gesamte Ausrüstung – Instrumente, Verstärker und Lichtanlage – hing an einer einzigen Hauptleitung, die maximal genug Saft zum Betrieb einer durchschnittlichen Küche hatte. Folglich war die Beleuchtung mehr als schwach und musste mit Fackeln und Kerzen verstärkt werden. In unregelmäßigen Abständen ging das Licht komplett aus, was für uns das Ende des Sets – oder eine Pause – signalisierte.

Die Lichteffekte im Roundhouse beschränkten sich ebenfalls auf ein Minimum. Sie bestanden aus Andrews und Peters selbst gefertigter Vorrichtung und ein paar schwächlichen Aldis 35mm-Projektoren, bestenfalls zum Herzeigen von Urlaubsdias geeignet, in denen nun aber Diascheiben mit einer Füllung aus Öl, Wasser, Tinte und Chemikalien von kleinen Lötlampen erhitzt wurden. Und wehe, man ließ die gesamte Anordnung zu heiß werden; dann barst das Glas, die Tinte lief aus, ein kleinerer Brand drohte und in jedem Fall war eine Mordsschweinerei entstanden. Unsere Lichttechniker waren anhand ihrer bunt gescheckten Finger und der vielen Blasen an den Händen immer sofort zu erkennen.

Die Party zum Start von IT war ein voller Erfolg. Das Magazin Town schrieb, unser Auftritt sprenge »Trommelfell und Augapfel«, IT selbst schrieb, unsere »schaurigen Rückkopplungseffekte« verliehen der Atmosphäre des Events etwas sehr Eigenartiges.

Die Kunde verbreitete sich, und die Bekannten und Berühmten strömten herbei. Insgesamt kamen ein paar Tausend Leute, darunter Paul McCartney, Michelangelo Antonioni und Monica Vitti. Soft Machine traten auch auf und verblüfften alle mit einem aufgemotzten Motorrad, das irgendwann mitten im Set auf die Bühne kam. Es gab im Pop-Art-Stil bemalte amerikanische Autos, eine Kabine mit einer Wahrsagerin, ein alternatives Nachtfilmprogramm – und das größte Publikum, dem wir bisher je gegenübergestanden hatten.

Es war eines der letzten Male, da wir ein ausgiebiges Bad in der Menge nahmen und auf diese Weise selbst an dem Erlebnis teilhatten; bald schon zogen wir die Abgeschiedenheit des Umkleideraums vor. Damals hatten wir fast alle noch schweres Make-up aufgelegt und brachten, meiner Erinnerung nach, unmäßig viel Zeit damit zu, uns mit Lockenwicklern oder Kamm und Gel so hinzustylen, wie ein Popstar unserer Meinung nach auszusehen hatte. Unsere Garderobe war ein weiterer, nicht unerheblicher Kostenfaktor. Einfach in T-Shirt und Jeans auf die Bühne zu gehen (und sich einen Haufen Geld zu sparen), kam erst ein paar Jahre später auf. Wir fühlten uns noch verpflichtet, Satinhemden, Samthosen mit Schlag, Halstücher und hochhackige Stiefel von Gohill zu tragen.

Ende Oktober wurden wir offizielle Partner von Peter und Andrew bei Blackhill Enterprises. Wir vier und die zwei waren jeweils zu einem Sechstel an der Firma beteiligt, also an den Erfolgen von Pink Floyd und sonstigen Profiten, die von anderen bei Blackhill unter Vertrag stehenden Bands und dem gigantischen Unterhaltungsimperium, das Andrew und Peter vorschwebte, abfallen mochten. Es war ein sehr zeittypischer Deal, »wie es sich gehörte, hippiemäßig organisiert« (Peter), »eine süße Idee« (Andrew).

Also machte Blackhill seinen eigenen Laden auf – ganz buchstäblich, denn das Haus in Bayswater, das sie dazu von Andrews Freundin Wendy mieteten und das sehr viel später die erste Zentrale von Stiff Records wurde, bestand ursprünglich aus einem Laden, mit einer Wohnung darüber. Oben hauste Andrew, unten wohnten zeitweise Roger, Rick und Syd sowie Joe Gannon, unser Beleuchter der ersten Stunde, der später in den USA erfolgreich als Regisseur, Produzent und Chefbeleuchter für Größen wie Alice Cooper agierte. Das Chaos war vorprogrammiert: Wohnzimmer, Abstellraum und Büro der Band auf engstem Raum. Die Rettung kam in Form von June Child. Als Sekretärin, Tourassistentin, Chauffeuse und persönliche Assistentin wurde sie zum unentbehrlichen Mitglied unseres Teams und hielt mit ihrem Organisationstalent alles am Laufen, was sonst nie geklappt hätte.

Robert Wyatt (von Soft Machine) hat Blackhill in guter Erinnerung: »Ein netter Haufen, sehr liebe Leute, die lobenswerte Ausnahme von der Regel, wonach Manager dubiose Typen sind; ihnen war wirklich an den Musikern gelegen, für die sie arbeiteten. So viel Glück hatten die meisten von uns nicht.« Nachdem wir uns immer öfter außerhalb der gängigen Popmusik bewegten, zählte Soft Machine zu den wenigen Bands, mit denen wir näher in Kontakt kamen. Die Happenings in Powis Gardens und im Roundhouse waren nun einmal alles andere als traditionelle »Pflichtübungen«.

Wenn man bedenkt, wie planlos Peter und Andrew ins Management gerutscht waren, haben sie bei der Entdeckung neuer Bands doch ein erstaunliches Gespür bewiesen. Pink Floyd war ja nicht die einzige Gruppe, die sie zum Erfolg führten. Anfangs konzentrierten sie sich notgedrungen ganz auf unsere Bedürfnisse, doch nach angemessener Frist brachten sie auch Edgar Broughton, Roy Harper, Marc Bolan und T. Rex auf den Weg und arbeiteten mit Slapp Happy, der Third Ear Band und anderen Gruppen zusammen.

Ihre Kontakte zu Christopher Hunt, einem Promoter im klassischen Bereich, sind ein weiteres Beispiel dafür, wie gut wir es mit Blackhill getroffen hatten. Statt auf die bestehenden, wohl erprobten Klubs und Auftrittsorte zurückzugreifen, suchten Peter und Andrew ständig nach viel versprechenden Alternativen für ihre alternative Band. Sumi, Peters Frau, war Christophers Sekretärin. Im Januar 1967 ermöglichte er uns einen Auftritt im Commonwealth Institute, einem schönen, eigens für Konzerte eingerichteten Saal, in dem damals hauptsächlich Ravi Shankar und andere Vertreter der kurz zuvor in Mode gekommenen Ethno-Musik spielten. Ohne die Fürsprache eines Promoters aus dem klassischen Bereich hätten die Behörden mit Sicherheit vermutet, dass es zu Krawallen kommen würde; beim Stichwort »Rock« dachten sie wohl immer noch an Röhrenhosen, Teddyboys und Bill Haley.

Über Peter und Andrew kamen wir auch an Jonathan Fenby; er schrieb die ersten Pressemitteilungen über Pink Floyd und machte seine Sache so gut, weil er wusste, was die Presse unter einer guten Story verstand – um diese Zeit arbeitete er als Journalist für Reuter, später wurde er Redakteur beim Observer und der South China Morning Post und war auch ein hervorragender Buchautor. Dank seines Einflusses erschienen einige Beiträge über uns in seriösen Zeitungen – der erste in der Financial Times. Dann behandelte der Journalist Hunter Davies in der Sunday Times vom 30. Oktober 1966 in seiner Kolumne kurz die psychedelische Bewegung und zitierte Andrew und Roger mit Folgendem: »Was man erlebt, wenn man LSD nimmt, hängt ganz und gar davon ab, wer man ist. Unsere Musik kann einen in kreischenden Horror oder in kreischende Ekstase verfallen lassen. Meist passiert das Letztere. Wir haben festgestellt, dass unser Publikum kaum mehr tanzt. Was wir tun, lässt sie einfach total happy mit offenem Mund dastehen.« Hunters Kommentar bestand in einem einzigen Wort: »Hmmm.« Bald darauf, im Jahr 1968, erschien seine Beatles-Biografie, mit der er sich in der Welt des Pop einen Namen machte.

Wir hatten weiterhin einzelne Auftritte; meistens waren es keine richtigen Gigs, sondern eher private Veranstaltungen, die über Mundpropaganda angekündigt wurden. Ein paar fanden außerhalb von London statt, beispielsweise in Bletchley und Canterbury, die meisten aber in der Stadt, wiederum im Hornsey College of Art und im All Saints – der letzte Event dort am 29. November. Es gab auch einige Folgeveranstaltungen im Roundhouse; eine hieß »Psychodelphia vs Ian Smith«, und in der Ankündigung stand: »Jeder Wahnsinn willkommen! Bringt eure Happenings und ekstatogenischen Substanzen selbst mit! Fummel tragen erlaubt«. Doch was die Stimmung betraf, reichte keiner dieser Events an die allererste Party zum Start von IT heran.

Mit jedem Auftrittsort lernte unser Management rasant dazu. Nach einem Gig in einem katholischen Jugendklub zum Beispiel weigerte sich der zuständige Typ, uns zu bezahlen, und zwar mit der Begründung, das, was wir da spielten, sei »keine Musik.« Andrew und Peter gingen vor Gericht – und waren ebenso fassungslos wie wir, als sich der Richter der Meinung des Jugendklubbetreibers voll und ganz anschloss ... Eine Wohltätigkeitsveranstaltung von Oxfam in der Albert Hall, unter dem Motto »You Must Be Joking?« bot uns im Dezember eine weitere gute Gelegenheit, uns zu präsentieren, obwohl wir auf dem Plakat ganz unten standen. Doch all die großen Namen über uns, unter anderem Peter Cook und Dudley Moore, Chris Farlowe und Alan Price Set, garantierten auch uns 5000 Zuschauer. Bei diesem Konzert wurde deutlich, wie man im übrigen Musikgeschäft über uns dachte: Alan Price produzierte einen Lacher auf unsere Kosten, als er mit dem Hallgerät auf seine Hammondorgel eindrosch und verkündete, das sei psychedelische Musik. Wir wären am liebsten im Boden versunken, vermutlich, weil alle unsere Mütter im Publikum saßen; mittlerweile tragen wir es ihm schon fast nicht mehr nach.

Im Dezember traten wir auch wieder im Marquee Club auf, kamen aber weder mit dem Klub noch mit seinem Publikum gut zurecht. John Gee, der Manager, stammte eher aus dem Jazzbereich und konnte sich offenbar nicht mit der Musik anfreunden, die nunmehr im Klub gespielt wurde. Der endlose Lärm unzähliger Bands, den er schon hatte über sich ergehen lassen, machte ihn reizbar und verständlicherweise unwillig; er schien die Bands und das Publikum gleichermaßen von Herzen zu verabscheuen. Wir mit unserer seltsamen Musik, unserer komischen Lightshow und unserem vollkommenen Amateurstatus müssen ihm ein absolutes Gräuel gewesen sein.

Leider waren die Zuschauer und unsere Vorgruppen weitgehend seiner Meinung. Das Marquee hatte 1958 als Jazzklub begonnen, sich mit der Zeit jedoch zum Zentrum der britischen R&B-Bewegung entwickelt. Anfangs waren die Jazzer dem R&B mit Verachtung, ja mit offenem Hass begegnet, insbesondere da manche von ihnen, die sich mit diesen Sessions ihren Lebensunterhalt verdienten, förmlich zusehen konnten, wie es mit ihren regelmäßigen Auftritten und also mit ihrer Existenzgrundlage den Bach runterging. Der Klub war und blieb das Herz des britischen R&B und nicht des Underground, und obwohl wir dort kurz Aufnahme fanden, war es doch eher eine flüchtige Begegnung.

Das Marquee war der Archetyp eines Musikklubs. In der winzigen Garderobe stank es nach Schweiß und billigem Toilettenwasser – immer noch die bequemere Lösung, als zu versuchen sich im Waschbecken zu duschen – und nach einem erfolgreichen Abend hatte man das Gefühl, es würde eine Studentenparty in einem Fahrstuhl gefeiert. Also begab man sich besser an die Bar, wo Ale in Plastikbechern ausgeschenkt wurde – eine Vorsichtsmaßnahme, falls den Gästen die Musik oder der Nachbar nicht passten. Man arbeitete in dem Wissen, dass man eventuell nass werden, aber zumindest keine schwereren Verletzungen davontragen würde, solange man auf der Bühne blieb.

Zum Glück gab es einen Klub, der geradezu maßgeschneidert für uns war – das UFO, abgekürzt für »Underground Freak Out«. Wenn Indica für den Underground der zentrale Laden war, und die London Free School sein Bildungssystem, dann war UFO sein Spielplatz, aufgezogen von Joe Boyd und John (Hoppy) Hopkins. Joe war Harvardabsolvent und Musikfan; im Frühjahr 1964 kam er als Tourmanager des »Blues and Gospel Caravan« erstmals nach England. Hoppy hatte den Auftrag, Fotos von dem Festival zu machen, so lernten sich die beiden kennen.

Binnen Tagen nach seiner Rückkehr im Herbst 1965 nahm er am ersten Meeting der London Free School teil und verfiel ein Jahr später mit anderen zusammen auf die Idee, einen Nachtklub zu eröffnen. Hoppy und er fanden den passenden Ort dafür: den Blarney Club in der Tottenham Court Road, nicht weit von der Polizeiwache und unter zwei Kinos gelegen, was bedeutete, dass wegen möglicher Lärmbelästigung die Show erst gegen zehn Uhr abends losgehen konnte, wenn die Kinos geschlossen waren. Wir spielten bei der Eröffnung am 23. Dezember 1966; von da ab war der Klub jeden Freitag die ganze Nacht bis acht Uhr morgens geöffnet.

Mit dem UFO gewann unsere Karriere eine neue Dimension: Es war zwar kein etablierter Klub, doch er lag im Londoner West End, und hier drängten sich Leute, die uns sehen wollten und wussten, was sie erwartete. Wir hatten viele gute Bekannte unter ihnen und freuten uns darauf, dort zu spielen. Es war eine willkommene Abwechslung zu den Auftritten außerhalb von London, denen wir jedes Mal beklommen entgegensahen. Nachdem wir wussten, dass uns das Publikum wohlgesinnt war und sich allmählich zur Fangemeinde entwickelte, wagten wir uns aus der Garderobe heraus und sahen uns die anderen Acts an. Soft Machine trat regelmäßig auf, daneben gab es Theateraufführungen, Dichterlesungen und Performance Art. Und es gab Beifall, anders als bei den Gigs außerhalb der Hauptstadt, bei denen wir weitgehend auf Unverständnis stießen.

June Child beschreibt das UFO so: »Es war die Atmosphäre, die die Leute anzog. Es war dunkel, man ging die Treppe hinunter ... eigentlich ein lang gezogener Keller. Die Bühne bot kaum Bewegungsfreiheit, es gab kleine Lautsprecher, vermutlich AC30er, und eine kleine Plattform, das war die Lichtanlage.« Sie war auf eine Art Baugerüst montiert.

Jenny Fabian, die mit ihrem 1969 erschienenen Roman Groupie einen Skandalerfolg landete (wir kamen darin, leicht erkennbar, als »Satin Odyssey« vor), erinnert sich an einen typischen Abend im UFO: »Das Beste waren die Freitagabende, da putzte man sich heraus wie ein alter Filmstar, warf einen Trip ein und ging ins UFO, wo lauter solche Typen waren, holte sich Zuckerwatte und ließ sich treiben, bis die Floyd kamen. Sie waren der erste authentische Klang des Acid-Bewusstseins. Ich legte mich auf den Boden, und sie standen da oben auf der Bühne wie übernatürliche Wasserspeier und spielten ihre ausgeflippte Musik, und die Farben explodierten über ihnen und über uns. Es saugte einen total auf, den Kopf, den Körper und die Seele.«

Im UFO gab es neben unserer noch verschiedene andere Lightshows (wir waren nach wie vor die einzige Band, die ihre eigene hatte). Robert Wyatt erinnert sich an Mark Boyle, den Beleuchter des Klubs: »Er machte diese Experimente mit verschiedenfarbigen Säuren und setzte sich dabei oft um ein Haar selber in Brand. Man sah ihn immer, völlig verbrannt, mit dieser Schutzbrille, hoch oben auf einem Gerüst herumturnen.« Robert hat in Erinnerung, dass ihm die Lightshow ein gewisses Maß an Anonymität verschaffte, so dass er und seine Band in dem gleichen »strudelnden Dunkel« versinken konnten wie das Publikum; uns hingegen war weiterhin daran gelegen, uns mit den Lightshows zu beleuchten und nicht von uns abzulenken.

Ein Artikel über die Underground-Bewegung im Magazin Town fing vor allem die Stimmung im UFO ein: »Pink Floyd ist das Hausorchester des Underground. Ihre Musik klingt eher nach Thelonious Monk als nach den Rolling Stones. Diaprojektionen tauchten die Musiker und das Publikum in hypnotische, wilde Lichtmuster aus flüssigen Farben. Waben, Galaxien und pulsierende Zellen wirbeln in immer irrwitzigerem Tempo um die Gruppe herum, während sich die Klänge entfalten.«

Mag sein, dass man uns als Hausorchester adoptiert hatte, an der psychedelischen Erfahrung hatten wir jedoch nur selten teil. Wir gehörten nicht zu dem Kreis, warfen keine Trips, hockten meistens in der Garderobe des UFO fest. Wir waren eine Band und damit völlig ausgelastet: proben, zu Gigs fahren, einpacken und wieder nach Hause fahren. Um uns herum war alles psychedelisch, aber nicht in uns. Wir kauften wohl mal ein Buch bei Indica, aber wir hatten nie Zeit und Muße dafür. Wir lasen IT, doch hauptsächlich um zu checken, ob ein Artikel über uns darin stand. Syd brachte vielleicht einen Hauch mehr an Interesse als wir anderen für alles auf, was mit Psychedelik zusammenhing, und erforschte ihre philosophischen und mystischen Aspekte, gemeinsam mit seinem speziellen Freundeskreis. Trotzdem glaube ich kaum, dass er – ebenso wenig wie wir, wenn wir denn gewollt hätten – genug Zeit hatte, um voll in die Szene einzutauchen.

Ankündigungen wie die im Melody Maker, die auf einen Silvesterevent unter dem Motto »Psychedelicamania« im Roundhouse hinwies, verschafften der restlichen Welt einen Eindruck von der psychedelischen Bewegung: »WAS IST EIN FREAK OUT? Eine große Anzahl von Individuen, die sich versammeln und sich mit Musik, Tanz, Lichtmustern und elektronischen Klängen kreativ ausdrücken. Die Teilnehmer, befreit von unserer nationalen Sklaverei und bekleidet mit höchst phantasievollen Gewändern, werden sich als Gruppe bewusst, über welches Potenzial an freien Ausdrucksmöglichkeiten sie verfügen. IT’S ALL HAPPENING, MAN!«

In diese Zeit fiel ein Wendepunkt in meiner musikalischen Entwicklung: Im Poly, wo wir noch von Zeit zu Zeit auftraten, sahen wir, diesmal als zahlende Gäste, Cream live. Der Augenblick, in dem der Vorhang aufging, ist mir noch kristallklar im Gedächtnis. Auf der Bühne stand der Roadmanager von Cream – vermutlich versuchte er noch, Ginger Bakers Doublebass-Set am Boden festzunageln. Ginger war dafür bekannt, dass er darauf bestand, und ruinierte Marmorböden und Teppiche rings um den Globus zeugen davon. Von diesem Moment an war klar: Ich musste auch ein Doublebass-Set haben, also zog ich gleich am nächsten Tag los und legte mir eins zu.

Vielleicht waren wir die Jungtürken der psychedelischen Bewegung, aber was da an Material zu sehen war, haute uns ebenso um wie die Band selbst. Ich sabberte beim Anblick dieses funkelnden Ludwig-Sets, die anderen warfen begehrliche Blicke auf die übereinander getürmten Marshall Amps, und dann legten Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger auch schon mit ›NSU‹ los. Es beeindruckte uns sogar, dass sich der Vorhang fast augenblicklich wieder schloss, weil offenbar weitere diverse technische Probleme zu beheben waren. Dass später auch noch Jimi Hendrix mit ein paar Einlagen dazukam – sein erster Auftritt in England –, war das Tüpfelchen auf dem i.

Seit jenem Abend wusste ich, dass ich genau das machen wollte, und zwar richtig. Ich war fasziniert von der Power, die da rüberkam. Diese Band brauchte keine Beatles-Jacketts und keine Hemden mit Stehkragen, und sie brauchten auch keine gut aussehende Frontsängerin. Kein Song lief nach dem üblichen Schema Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain-Ende, und der Schlagzeuger saß nicht hinten auf einer grässlichen kleinen Plattform, sondern ganz vorn.

Es bestärkte uns nur in dem, was wir uns im Folgenden fest vornahmen: mehr Auftritte an Land zu ziehen, uns mehr Ausrüstung zuzulegen und einen Plattenvertrag abzuschließen. Ende 1966 sah es langsam so aus, als stünden die Zeichen günstig; mit Syds eigenwilligen Songs und unserem Improvisationsstil hatten wir den Plattenfirmen einen zwar noch reichlich ungeschliffenen, aber zweifellos originellen Ansatz zu bieten.

In dieser Zeit überschlugen sich die Ereignisse. Unsere halbherzige Kontaktaufnahme mit Peter Jenner vor und nach den Sommerferien hatte sich im Herbst im Schneeballeffekt weiterentwickelt, und nun, im Winter, ging es mit uns, um mit Peter zu sprechen, »ab wie eine Rakete«. Plattenfirmen, Verleger und Agenten, alle zeigten ernsthaftes Interesse für dieses neue Phänomen. Der Melody Maker brachte ein Feature darüber, bei Harper & Queen zuckten die Fühler. Peter erinnert sich noch an den Moment, als ihm klar wurde, dass sich etwas anbahnte. Er war auf dem Weg zum UFO und sah auf der Oxford Street »all diese Kids mit den Glöckchen um den Hals. Ich dachte mir, Scheiße noch mal, es geht also wirklich und ehrlich los. Unglaublich.«

Lindy war mit ihrer Tanzausbildung in den Staaten fertig und sah uns nach ihrer Rückkehr bei einem Event mit dem Motto »Freak Out Ethel«. Sie erinnert sich bis heute, wie sehr sie unser flotter Wandel von der Studenten-Coverband zu Pionieren der Psychedelik überraschte. Andrew formulierte es so: »Es war uns nicht bewusst, aber es kam da eine Riesenwelle angerollt, und Pink Floyd ritten ganz oben drauf.« Was wir tatsächlich spielten, und ob wir überhaupt spielen konnten, war seiner Ansicht nach weit weniger wichtig, als dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.

Neben UFO war Joe Boyd weiterhin als Talentscout und Produzent im Plattengeschäft tätig, aber Jac Holzman, sein ehemaliger Boss bei Elektra, bot uns mit viel Zähneknirschen gerade mal knapp zwei Prozent an. Darauf ließen wir uns nicht ein, nachdem Elektra zu der Zeit nur ein kleines Folklabel war – das allerdings später die Doors unter Vertrag nahm. Wir wollten eine richtige Firma. Dabei ging es Joe – und uns – nach wie vor verzweifelt darum, uns überhaupt irgendwo unterzubringen. Polydor war offenbar bereit für ein ziemlich gutes Angebot, bei dem Joe als unabhängiger Produzent auftreten konnte. Als sich die Verhandlungen dem Ende zuzuneigen schienen, machte Joe seine eigene Firma, Witchseasons Productions, auf, um das Ganze zu ermöglichen.

Im Januar 1967 wurde eine Aufnahmesession bei Sound Techniques in der Old Church Street, nahe der Kings Road, für uns arrangiert, mit Joe als Produzent und dem Studioinhaber John Woods als Tontechniker. Alle Stücke – darunter ›Arnold Layne‹, ein Song, den wir schon seit Längerem live spielten, und eine Version von ›Interstellar Overdrive‹ – wurden auf einem Vierspurbandgerät für Monowiedergabe aufgenommen: Bass und Schlagzeug auf einer, Gitarre und die zittrige Farfisa Duo auf zwei weiteren Spuren. Sämtliche Effekte wie beispielsweise die Drum Repeats bei ›Arnold Layne‹ wurden mitsamt den vorhandenen drei Spuren auf die vierte Spur eingespielt und das Ganze mit den Gesangparts und Gitarrensoli unterlegt. Dann wurde die Endmischung des Songs auf ein Mono-Band gemastert.

In einem richtigen Tonstudio klang man immer toll. Schon bei unserem ersten Aufnahmetermin in West Hampstead hatten wir unsere Stücke, ordentlich abgemischt und mit Halleffekten bei Schlagzeug und Gesang, beim Abhören ganz klasse gefunden. Sound Techniques brachte uns eine weitere Stufe nach oben – durfte dieses Studio sich doch mit Tannoy Reds, damals dem absolut letzten Schrei in Sachen Lautsprecher, brüsten: Walnussfurnier, eins fünfzig hoch und Bässe, wie wir sie im Leben noch nie gehört hatten.

Wenn ich mir heute ›Arnold Layne‹ und andere Stücke aus der Zeit anhöre, dann ohne mich innerlich oder äußerlich zu krümmen. Unsere Jugendwerke bereiten mir überhaupt keine Pein. Es klingt alles ziemlich professionell, obwohl die Aufnahme relativ schnell vonstatten ging. Bei einer beschränkten Anzahl von Stücken musste man schon im Vorfeld entscheiden, welches Instrument auf welche Spur sollte, und dann wurde abgemischt. Doch die Musik scheint nicht ernsthaft darunter gelitten zu haben.

›Candy And A Currant Bun‹ hieß ursprünglich ›Let’s Roll Another One‹. Das – und die darin vorkommende Zeile »I’m high, don’t try to spoil my fun« schien doch ein bisschen sehr gewagt für eine Aufnahme, die wir der nach wie vor erzkonservativen Plattenindustrie präsentieren wollten, also mussten die Texte komplett umgemodelt werden.

Aus irgendeinem Grund waren wir der Überzeugung, dass wir für ›Arnold Layne‹ unbedingt auch noch einen Werbeclip brauchten. Zwar brachten Top Of The Pops und andere Sendungen so etwas eigentlich nur dann, wenn irgendein amerikanischer Act vorzustellen war, der es in England sonst nie schaffen würde. Aber wir betrachteten uns bereits als Multimedia-Band. Derek Nice, ein Bekannter von June Child und der einzige Regisseur, den irgendwer von uns kannte, wurde beauftragt, den Film zu machen, und wir begaben uns zu den Dreharbeiten an die Küste von Sussex.

Auf die Location verfielen wir wohl deshalb, weil meine Eltern ganz in der Nähe wohnten und um diese Zeit günstigerweise gerade verreist waren. Damit war die Unterkunftsfrage geklärt – und uns stand die passende, bizarre Kulisse eines englischen Badeorts mitten im Winter zur Verfügung. Was dabei schwarz auf weiß auf Zelluloid herauskam, lässt sich zwar mit heutigen Videos nicht entfernt vergleichen und erinnert schwer an A Hard Day’s Night, ist aber trotzdem überraschend zeitlos und durchaus witzig: wir vier am Strand, mit einem fünften Bandmitglied, das sich als Schaufensterpuppe – nun ja, entpuppt. Wir drehten das Ganze an einem einzigen kurzen grauen Tag in East Wittering ab und wollten gerade vom Parkplatz wieder losfahren, als die Polizei kam, um dem Spaß ein Ende zu machen. Mit einem berüchtigten Anwohner namens Keith Richards (und seinen Kumpanen) geschlagen, hätten sie unser Auto wohl liebend gern komplett auseinander genommen. Wir setzten artige Unschuldsmienen auf und versicherten, wir hätten nichts Verdächtiges bemerkt, würden sie aber natürlich sofort benachrichtigen, sollte uns irgendetwas ins Auge fallen, was uns auch nur entfernt unziemlich erschiene. Zum Glück sahen sie davon ab, den Wagen zu durchsuchen. Sonst hätten sie am Ende die Schaufensterpuppe gefunden, die – ja nun – nur mit einem Polizeihelm bekleidet war.

Alles schien klar und geregelt. Wir hatten ein Angebot von Polydor, einen Produzenten, ein paar Aufnahmen und sogar einen Werbeclip. Aber, wie so häufig im Musikgeschäft, auch hier war mit einem Mal ein Mann zu viel an Bord. In unserem speziellen Fall war es Joe Boyd, der dran glauben musste. Wir wurden nämlich, ohne dass er uns je live gehört oder gesehen hätte, von Bryan Morrison, einem freien Künstleragenten, zu einem Auftritt in der Architectural Association angeheuert, nur weil wir in der Presse und ganz allgemein so viel Furore machten. Zuvor wollte er diese heiße neue Band aber doch mit eigenen Augen sehen und tauchte deshalb eines Tages bei einer unserer Proben für ›Arnold Layne‹ auf. Joe weiß noch, dass ihm das Herz augenblicklich in die Hosen rutschte, weil Bryan, der gute Kontakte zu EMI unterhielt, sich nach dem Deal mit Polydor erkundigte und sagte, das sei sicher nicht der beste, den wir kriegen könnten. Er finanzierte die Aufnahme bei Sound Techniques, nahm eine Kopie des Demobands mit und rührte die Werbetrommel bei den EMI-Managern, die auch nicht viel mehr wussten, als dass wir gegenwärtig in aller Munde waren. Doch wortgewandt, wie Bryan war, überzeugte er sie davon, uns unter Vertrag zu nehmen.

Das – jedenfalls für Joe – unüberwindliche Problem dabei war, dass EMI ungern mit externen Tonstudios und Produzenten arbeitete. Schließlich gehörte ihnen Abbey Road. Für uns wollten sie ihren eigenen Mann, Norman Smith, der erst kürzlich vom Tontechniker der Beatles zum Produzenten aufgestiegen war. So lautete ihr Angebot, und wir gingen darauf ein – weil sie bessere Vertragsbedingungen boten als Polydor, und weil EMI, dank der Beatles, einfach das Label schlechthin war. Es war gar keine Frage, ob wir dort einsteigen sollten oder nicht. Sie waren zu dieser Zeit Großbritanniens führende Plattenfirma, neben Decca – Polygram hechelte da noch weit hinterher. Und Peter verstand sich gut mit Beecher Stevens und seinen Kollegen bei EMI. Sie boten einen Vorschuss von 5000 Pfund, einen seriösen Vertrag – oder, mit Andrews Worten, »einen Scheißvertrag, aber immer noch tausend Mal besser als der von den Beatles« – und die Übernahme der Studiokosten.

Peter Jenner wurde die unerfreuliche Aufgabe zuteil, Joe Boyd von der neuen Entwicklung zu informieren. Nach eigenem Eingeständnis plagen ihn bis heute Schuldgefühle, Joe so einfach abgesägt zu haben, und das nicht auf die einfühlsamste Art. Andrew sagt dazu: »Dass Peter und ich Joe so mir nichts, dir nichts im Regen stehen ließen, war einfach schamlos.« Aber in jenen Tagen unterschrieb man nun einmal nicht bei einer Firma und brachte dann als Schoßhündchen seinen eigenen Produzenten mit. Also klinkten wir uns bei EMI ein – und hatten im Gegensatz zu den meisten anderen Bands schon ein fertiges Band vorzuweisen.

Kurz danach machten wir uns auf den Weg nach Leeds; wir sollten in der Queen’s Hall auftreten, einem ehemaligen Straßenbahndepot, in dem nun 5000 schlaghosenbewehrte Fans aus dem Norden zu einem Zehnstunden-Rave mit Cream und den Small Faces als Zugnummern zusammengeströmt waren. Daily Express beschrieb den Event als »die Nacht, in der die Carnaby Street gen Norden zog.«

Unser eigener Vormarsch gen Norden erfolgte im Schneckentempo. Wir fuhren schon am frühen Nachmittag los, da wir nicht so ganz genau wussten, wo Leeds eigentlich lag. Die M1 war in Coventry zu Ende – Englands erster Autobahnabschnitt bestand erst seit 1959 – und Andrew Kings alter Renault war nicht gerade das zuverlässigste Transportmittel. Wir kamen erst so spät zurück, dass ich es nicht einmal mehr schaffte, mich am anderen Morgen im College in die Anwesenheitsliste einzutragen. (Für den Event in Leeds hatte ich übrigens beschlossen, es einmal mit einem Künstlernamen zu versuchen. Stellte mich also dem Lokalreporter als Noke Mason vor, der das brav genauso unter unser Foto setzte. Ein unterhaltsames Experiment, aber damit war es auch gut.)

Nach diesem Gig war mir endgültig klar, dass ich Studium und Band nicht länger unter einen Hut bringen konnte. Offiziell war ich immer noch für Architektur eingeschrieben, brachte mittlerweile aber natürlich praktisch meine gesamte Zeit mit Proben, Auftritten und Hin-und-Herfahrten zu. Obwohl Jon Corpe sämtliche Studienarbeiten für mich erledigte, hinkte ich immer weiter nach. Wenn ich den Abschluss machen wollte, war es offensichtlich nicht länger damit getan, mich bloß in die Anwesenheitslisten einzutragen. Jons Erinnerung nach wirkte ich an Architektur eigentlich auch nie sonderlich interessiert. Ich hätte immer gesagt, dergleichen solle man besser den Architekten überlassen. Doch ich hatte einen hilfreichen Geist, ganz in meiner Nähe.

Mein damaliger Tutor, Joe Mayo (meine ewige Dankbarkeit ist ihm gewiss), schlug vor, ich solle zwei Freisemester einlegen. Er versicherte mir, wenn ich wollte, würde ich nach dem Jahr wieder aufgenommen werden. Was er nicht sagte, aber wohl erkannt hatte: dass allenfalls ein höchst mittelmäßiger Architekt aus mir werden würde. Sicherlich dachte er, eine Zeitlang ein völlig anderes Leben zu führen, würde mir zu einer besseren Karriere verhelfen oder zumindest einen besseren Designer aus mir machen. Vom Dekan des Colleges wurde mir weniger Verständnis entgegengebracht; er malte mir in einem Schreiben, das ich meinen Eltern wohlweislich unterschlug, die Folgen meiner Entscheidung, eine viel versprechende Ausbildung abzubrechen, in den düstersten Farben aus. Beim Abgang vom College ging ich davon aus, eines Tages zurückzukehren, doch dazu ist es mindestens bis heute noch nicht gekommen.

Ich war der Letzte in der Band, der erkannte, wie die Dinge standen. Roger brannte förmlich darauf, seinen Job an den Nagel zu hängen. Er hatte zuletzt bei Fitzroy Robinson & Partner Tresorräume für die Bank of England entworfen und musste dazu, wenn ich mich recht erinnere, eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben und versprechen, keine Einzelheiten über die Mengen an Beton preiszugeben, die zum Schutz der Geldbestände nötig waren. Ich stelle mir gern vor, dass seine Entwürfe von damals heute auch das bergen, was uns unser liederliches Künstlerleben eingebracht hat. Rick widmete sich schon seit Langem voll und ganz der Musik, und Syd ließ sich am Camberwell College of Art ebenfalls nicht mehr blicken.

Wegen der Band, die sie soeben unter Vertrag genommen hatten, plagte EMI eine besondere Sorge, die ihre Presseabteilung das ganze Jahr in Atem hielt. Uns haftete das Etikett »psychedelisch« an, und trotz unserer – etwas halbherzigen – Beteuerungen, wir hätten nichts, aber auch gar nichts mit Drogen zu tun und die hübschen Lichter seien doch nur als Unterhaltung für die ganze Familie gedacht, bestand kein Zweifel daran, dass nicht alle aus der Bewegung, der wir unseren Aufstieg verdankten, auf Dauer dicht halten würden. Einige waren von einem geradezu missionarischen Eifer erfüllt, die Welt high zu machen. Die Vorstellung, dass irgendein durchgeknallter Hippie LSD ins Trinkwasserreservoir mischte, war zu der Zeit ein weit verbreiteter Albtraum – oder Traum, je nach Betrachtungsweise.

Wir gaben diverse Interviews, in denen wir hübsch um den heißen Brei herumredeten und behaupteten, wir wüssten nicht einmal, was »psychedelisch« überhaupt bedeutete. Nachdem in den oberen Rängen ganz offensichtlich eine ziemliche Verwirrung herrschte, fühlten wir uns veranlasst, in einem Interview ausdrücklich zu erklären, dass ein »Freakout« entspannt und spontan sein sollte, kein »wild gewordener Mob, der mit Flaschen wirft«, so Roger. Ein Interview im Melody Maker zitiert mich mit einer typischen Antwort: »Man muss aufpassen, wenn man sich auf diesen psychedelischen Kram einlässt. Wir bezeichnen uns nicht als psychedelische Gruppe und behaupten auch nicht, dass wir psychedelische Popmusik spielen. Es ist bloß so, dass uns die Leute damit in Zusammenhang bringen und wir ständig für all diese Freakouts und Happenings in London engagiert werden.« Worauf Roger anfügte: »Ich glaube manchmal, das ist nur deshalb, weil wir jede Menge Equipment und Beleuchtung haben und die Promoter dann nicht auch noch eine Lichtanlage für die Gruppe mieten müssen.«

Eine Verpflichtung aus dem Vertrag mit EMI mussten wir noch erfüllen: einen halbstündigen »Künstlertest«, also ein Vorspiel. Darum kam kein Neuling herum, in unserem Fall war es allerdings eine sinnlose Übung, nachdem wir bereits unterschrieben hatten. Unsere nächste Aufgabe lautete, der Firma eine Single zu liefern, die wir natürlich, dank unserer Vorarbeiten, rein zufällig schon bereithielten. Am 11. März kam die noch von Joe Boyd bei Sound Techniques produzierte Originalaufnahme von ›Arnold Layne‹ (mit ›Candy And A Currant Bun‹ als B-Seite) auf den Markt. Gerade mal ein halbes Jahr war vergangen, seit wir uns nach der Sommerpause mit Peter Jenner und Andrew King zusammengetan hatten – und schon spielten wir in der Profiliga.

Ein paar Monate nach unserem Einstieg schmiss EMI eine rauschende Party für uns, mit Heerscharen von wichtigen Leuten, darunter auch Beecher Stevens, der uns höchstpersönlich unter Vertrag – und kurz darauf bei EMI seinen Hut genommen hatte. Aber da besteht sicher kein Zusammenhang. Für die Party wurde in der Firmenzentrale am Manchester Square eigens eine Bühne aufgebaut, unsere eigene Lightshow installiert, und wir taten playbackmäßig, als spielten wir ›Arnold Layne‹. Es gab Unmengen von belegten Häppchen und Champagner, und manch ein Gast genehmigte sich als Beilage wohl auch etwas aus dem Chemielabor.

Ich weiß noch genau, wie ich damals im Lift hochfuhr – zusammen mit Sir Joseph Lockwood, dem Vorstandsvorsitzenden, der gerade mal die Sechzig überschritten hatte, uns aber vorkam wie Methusalem persönlich. Wir, als neuester Auswuchs der Musikindustrie, schienen ihn nicht weiter zu erschüttern. Umgekehrt versetzte er Derek Nice, dem Regisseur unseres Werbeclips für ›Arnold Layne‹, mit seinem Vorschlag, doch einfach oben die Bands vor dem Londoner Tower als Hintergrundprospekt im Playbackverfahren ihre Hits aufnehmen und sie dann auf die Welt loszulassen, einen ziemlichen Schock. Damit war Sir Joseph seiner Zeit um Jahre voraus.

Die feierliche Unterzeichnung des Vertrags wurde fotografisch dokumentiert – offensichtlich auf Anordnung der misstrauischen Rechtsabteilung, für den Fall, dass ein Musiker im Nachhinein kalte Füße bekam und die Unterschriften anfocht. Wir fühlten uns wie King Louis persönlich, waren mit einem Mal da angelangt, wovon wir noch Monate zuvor höchstens geträumt hatten. Das erklärt vielleicht, warum wir uns in unserer Euphorie auf den Bildern, die aus diesem Anlass entstanden, so dermaßen peinlich zum Affen machten.

Inside Out

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