Читать книгу Die Tränen der Schatten - Nicolas von Szadkowski - Страница 4

I Prolog Garten der Wasser, Hoshnaipur

Оглавление

Es war ein milder Frühlingstag. Ein kühler, leichter Wind bewegte die jungen Triebe etlicher Bäume und Sträucher, die erst vor wenigen Tagen begonnen hatten auszutreiben. Die Gärten des Wassers waren ein friedlicher Ort, benannt nach den künstlich angelegten Bachläufen, welche ihn in geschwungenen Mustern durchzogen. Und auch nach der Vielzahl mit Statuen gesäumter Springbrunnen überall in den weitläufigen Anlagen. Kein Ort in den Gärten, an dem man das Wasser nicht rauschen oder plätschern hörte.

Vom Alter der Gärten zeugten die nicht in Hoshnaipur beheimateten Quabi-Bäume. Sie hatten bereits eine Höhe von etwa sechzig Schritten erreicht. Dafür brauchten die Urwaldriesen, die man sonst nur auf der Halbinsel Somsa weit im Süden fand, etwa zwei Jahrhunderte. Ihre raue, fliederfarbene Rinde leuchtete im Licht der Sonnenstrahlen und ihre weißen, sich im Wind kräuselnden Blätter ähnelten Gänsefedern.

In den Gärten des Wassers gab es mehrere Pfahlbauten, errichtet inmitten künstlicher Teiche. Um sie herum waren Holzterrassen angeordnet, welche durch Stege miteinander verbunden waren. Dort spielten an diesem Nachmittag, wie meist, wenn das Wetter es zuließ, die Kinder Eshanmogis, des Raja über Hoshnaipur und die Lande von Yshis. Sieben waren es an der Zahl, vier Mädchen und drei Jungen, die mit Bällen, großen, bunten Tüchern oder kleinen Schiffsmodellen spielten, die sie auf dem Wasser fahren ließen. Noch hatte keines von ihnen das zehnte Lebensjahr erreicht. Mehrere Kinderfrauen und einige Bewaffnete sorgten in der näheren Umgebung für die Sicherheit des Thronfolgers und seiner Geschwister. Auch die Zugänge zu den Gärten wurden streng bewacht und einige Soldaten patrouillierten entlang der Mauern.

Keiner davon bemerkte jedoch die dunkel gekleidete Gestalt, die mit fließenden Bewegungen über das aus gebrannten Ziegeln errichtete Hindernis kletterte, auf den Boden hinab sprang und sich dort abrollte, ohne dabei mehr als ein leises Rascheln zu verursachen. Ihr Gesicht war von einer Maske verhüllt. Sie glich einer dämonischen, zähnebleckenden Fratze. Hinter den tränenförmigen Sehschlitzen war nur Schwarz zu erkennen, als hätte sie sich den Stoffwickel, der ihren Hals und Kopf umschloss, auch über die Augen geschoben.

Weiter huschte die Gestalt, nahezu lautlos, zwischen Büschen hindurch und entlang einer Reihe hölzerner Rankgitter, an denen eine exotische Blumenart gerade die ersten rötlichen Blütenblätter entfaltete. Als ihr zwei Wächter entgegen kamen, verbarg sich die Gestalt hinter einem Baum. Dann hastete sie weiter, über eine nur von knöchelhohem Kraut bewachsene Freifläche und in die Deckung in Form geschnittener Hecken.

Ein Diener trug sein Tablett, auf dem eine silberne Teekanne mit dampfendem Inhalt und eine Schale mit süßem Gebäck standen, direkt an der Gestalt vorbei, die sich tief in die Schatten zwischen den hohen Pflanzen drückte.

Erst ein paar Augenblicke später, als sie in Sichtweite des Pfahlbaus kam, neben dem die Kinder des Rajas spielten, blieb die Gestalt einen Moment stehen. Nicht um zu verschnaufen, sondern um die beiden unterarmlangen Klingen zu ziehen, die von ihrem Gürtel hingen.

Das metallische Schaben, das sie dabei verursachte, erregte die Aufmerksamkeit eines der Wächter. Der Mann griff reflexartig nach seiner Waffe und stieß einen Warnruf aus, doch da war die Gestalt schon heran und rammte eine ihrer Waffen von unten in seinen Helm. Blut schoss hervor und der unglückliche Soldat ging gurgelnd zu Boden.

Einer seiner Kameraden eilte herbei und stach mit dem Speer nach dem Angreifer, doch der wich blitzschnell zur Seite aus. Geschickt hieb er die Spitze der Stangenwaffe ab und schickte sie dann mit einem gezielten Tritt in Richtung ihres Besitzers. Sie traf den Wächter mit solcher Wucht mitten in die Brust, dass sie sein feingliedriges Kettenhemd durchstieß. Der Mann war tot, ehe sein Körper den Boden berührte.

Alarmrufe gellten durch die Gärten und mehrere der verbliebenen Wächter formierten sich nun vor den erschrockenen Kindern und ihren Betreuerinnen. Doch der Vermummte ließ sich auch von einer Wand aus Speeren nicht einschüchtern. Erneut stürmte er vor, wehrte mehrere Stiche der Wächter ab und wich anderen aus, während er die Männer auf den Steg zurückdrängte. Eine der Wachen fiel ins Wasser, eine andere wurde von einer der Klingen des Unbekannten getroffen. Schließlich fand doch einer der Speere sein Ziel im rechten Oberschenkel der Gestalt. Doch die schien sich daran kaum zu stören und reagierte nicht einmal groß darauf, bevor sie den Speer, wie den anderen kurz zuvor, in zwei Teile schlug und seinen Träger tödlich verletzte. Den letzten verbliebenen Wächter aus der Gruppe durchbohrte sie auf Brusthöhe, entrang ihm seine Waffe und warf sie dann nach einem anderen, der sich ihr von hinten genähert hatte. Auch dieser Mann ging zu Boden.

Nun wandte sich die Gestalt den Kinderfrauen zu, die sich vor die Sprösslinge des Rajas gestellt hatten. Auf ihren Gesichtern stand blankes Entsetzen. Die Gestalt zögerte keine Sekunde, sondern ging leicht humpelnd, die Speerspitze noch im Oberschenkel, auf sie zu, um ihr Werk zu vollenden…

Die Tränen der Schatten

Подняться наверх