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Vorwort

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Es gibt tausend Gründe, mit dem Freitauchen zu beginnen. Für die einen ist es der Höhepunkt einer Liebesgeschichte mit dem Wasser, die ihren Anfang beim Schwimmen von unendlich vielen Längen im chlorhaltigen Schwimmbadwasser nahm, dann zum Tauchen mit der Flasche führte und schließlich im Wunsch nach Freiheit endete, die sie in der Unendlichkeit von Zeit und Raum der Unterwasserwelt fanden. Der Film »Im Rausch der Tiefe« hat das seinige dazu beigetragen. Er verdrehte einer ganzen Generation den Kopf, indem er eine völlig neue Sicht auf die Tiefen der Meere bot. Für andere ist es der Wunsch, dem rasenden Tempo des Alltages zu entfliehen, indem sie die Luft anhalten, um so die Gedanken abzuschalten.

Für mich waren es die Herausforderung, die Suche nach den menschlichen Grenzen und der Ruf des Unbekannten, die mich als Teenager dazu bewogen, in die Tiefen des Meeres einzutauchen. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Versuche, im Bett liegend die Luft anzuhalten, wo jeder Versuch eine körperliche Erfahrung war und sich mir ungeahnte neue Fähigkeiten eröffneten. Und an meine ersten Tauchgänge, als ich 14 Jahre alt war: an den Geruch von Gummi in meiner Tauchermaske, den Lärm der von den Wellen hin und her geschoben Kieselsteine in der Bucht der Engel, die Mai-Sonne, die langsam das kalte Winterwasser erwärmte, und die wenigen Flossenschläge, die die Welt der Badenden von der Welt der Taucher trennte.

Die Vorstellung der unendlichen Tiefe des Meeres war beängstigend und aufregend zugleich – dies war meine Apollo-Mission, meine Forschungsreise, meine Suche nach einer anderen Welt, die sich direkt vor meinen Augen auftat. Dies sind die Erinnerungen im Ozean meines Gedächtnisses, die, wie das Salz in der Suppe, meiner Existenz den besonderen Geschmack verleihen.

Auch du hast deine ganz persönliche Geschichte, die dich mit dem Freitauchen verbindet. Du liest die ersten Zeilen dieses Buches nicht ohne Grund. Und ich wünsche dir, dass die folgenden Seiten, die du bald aufschlagen wirst, ebenfalls Teil deiner zukünftigen Erinnerungen werden und dich für immer nähren.

Meine Herangehensweise an das Freitauchen gleicht derjenigen einer Kampfsportart, wo die Werte ebenso wichtig sind wie die Technik. Die grundlegenden Prinzipien meiner Philosophie, die aus meiner Lehrzeit in Nizza stammen, wo nach dem Film »Im Rausch der Tiefe« die Wiege des modernen Freitauchens entstand, gründen sich auf der kollektiven Praxis des Freitauchens.

Meine Mentoren, Claude Chapuis (Gründer von AIDA International) und Loic Leferme (fünf Weltrekorde in No-Limits – 171 m), wiederholten wie ein Mantra immer wieder den Satz »l’apnée est collective ou n’est pas«, was so viel bedeutet wie »Freitauchen praktiziert man gemeinsam oder gar nicht«. Er illustriert die Überzeugung, dass die persönliche Leistung nur dann gesteigert werden kann, wenn man in einer sicheren Umgebung und gemeinsam in der Gruppe trainiert. Ich selber tauche auch nach über 18 Jahren Erfahrung nie alleine und jede angestrebte Tiefe wird vorher diskutiert und gemeinsam im Team beschlossen.

Der Begriff Geduld ist ein weiterer Grundpfeiler meines Ansatzes. Du wirst sehen, mit zunehmender Geduld wird deine Motivation, deine Leistungen zu verbessern, unendlich. Und du wirst lernen und integrieren müssen, dass das Schlüsselwort beim Freitauchen Anpassung lautet. Und dass Anpassung nur dann nachhaltig ist, wenn sie langfristig praktiziert wird. »Geduld und Zeit vermögen mehr als Gewalt und Wut« (Jean de la Fontaine).

Um all die Werte zu beschreiben, die mich in meiner täglichen Praxis leiten, müsste ich ein ganzes Buch schreiben. Doch bevor ich dich der spannenden Lektüre dieses Buches überlasse, möchte ich dir einige aus meiner Sicht wichtige Gedanken mit auf den Weg geben. Es ist ein langer Weg, der heute hier für dich beginnt, ein spannender Lernprozess in einer komplexen und gleichzeitig instinktiven Disziplin. Du wirst die Sprache deines Körpers neu erlernen, dich in einen intimen Dialog begeben, der seit langem verstummt war, und deine schönste Reise antreten, die Reise in dein Innerstes.


Wenn man unter die Wasseroberfläche und in die Tiefen seines Seins eintaucht, muss man bereit sein für tiefgreifende Veränderungen: Man isst ausgewogener, man schläft besser, man lebt gesünder – Freitauchen ist eine Lebensschule. Und auf diesem langen Weg im Angesicht des Lebens, der alles andere als ruhig und friedlich verlaufen wird, wirst du auf Schwierigkeiten treffen. Begegne ihnen, ohne sie zu vermeiden, heiße sie willkommen, betrachte sie als Gelegenheit zu lernen und vorwärts zu kommen. Und wenn die Hindernisse zum Dschungel werden, orientiere dich immer an der Lust, an diesem Gefühl, das dich während deiner ersten Versuche begleitet und beflügelt.

Freitauchen steht in einer engen, ebenso leidenschaftlichen wie gefährlichen Beziehung zu Zahlen. Zeit, Strecke oder Tiefe, ständig wirst du in Kontakt sein mit Zahlen. Auch wenn sie als Orientierung bezüglich deines Fortschritts und als Motivation dienen, achte immer darauf, eine gewisse Distanz zu ihnen zu bewahren, denn nur allzu schnell vergiften sie das Klima. Wenn die Zahlen zur Obsession werden, ist es vorbei mit deiner Lust und sehr bald auch mit deiner Leistungssteigerung.

Deshalb orientiere dich immer am »warum« und nicht am »wie viel«, und ich verspreche dir ewiges Glück bei deiner neuen Lebenskunst. Viel Vergnügen bei der Lektüre und gute Reise.

Guillaume Néry

Apnoe

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