Читать книгу Fälle und Lösungen zum BPolG für die Ausbildung in der Bundespolizei - Nils Neuwald - Страница 44

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2.2 Fall zur Beobachtung

Fall 3: Beobachtung – § 21 Abs. 1 BPolG

Sachverhalt

Sie absolvieren Ihr Praktikum in der BPOLI Hamburg-Flughafen.

Aus der Lageeinweisung ist Ihnen bekannt, dass aufgrund der aktuellen Ferienzeit und der damit verbundenen erhöhten Passagierzahlen vermehrt Koffer im Flughafenbereich durch die Reisenden achtlos abgestellt werden.

Sie haben den Auftrag, zusammen mit PHM Franz das Terminal 1 zu überwachen. Ein Reisender (A) stellt seinen Koffer im Terminal 1 nahe der „Check-in-Schalter“ ab und geht weg.

Aufgabe

Prüfen Sie die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, die Sie nun gegenüber A treffen (Ziffer 1 bis 3.5des Prüfschemas)!

Lösungsvorschlag

1 Entscheidung

1.1 Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln

Die Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln ist zu treffen.

Der Reisende A stellt seinen Koffer im Terminal 1 ab und geht weg.

Noch ist kein Schaden eingetreten. Doch ohne polizeiliches Einschreiten droht zum einen durch unachtsames Abstellen des Koffers der Verlust des Gepäckstückes durch A, zum anderen bei einer möglichen Explosion des Koffers ein gesundheitlicher Schaden für die Reisenden und der anderen sich im Terminal befindlichen Personen, die sich in Reichweite des Koffers aufhalten, da nicht auszuschließen ist, dass sich im Koffer eine Spreng- oder Brandvorrichtung befindet.

Es wären Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit betroffen, hier die objektive Rechtsordnung sowie die Individualrechtsgüter Eigentum des A im Falle des Verlustes des Koffers sowie Leben, körperliche Unversehrtheit/Gesundheit der Reisenden und der anderen sich im Terminal befindlichen Personen, sollte es sich um eine Spreng- oder Brandvorrichtung handeln. Weiterhin könnten dadurch Straftatbestände verwirklicht werden.

Es handelt sich um eine bevorstehende Rechtsgutverletzung als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Deshalb ist präventives Einschreiten erforderlich.

1.2 Benennung der zu treffenden Maßnahme

Bei der nun zu treffenden Maßnahme könnte es sich um eine gezielte Beobachtung der Situation gem. § 21 Abs. 1 BPolG handeln.

2 Zuständigkeit

2.1 Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 2, § 4 BPolG i. V. m. § 16 LuftSiG, § 58 Abs. 1 BPolG i. V. m. § 1 Abs. 1 BPolZV.

2.2 Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 58 Abs. 1 BPolG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BPolZV.

3 Eingriff

3.1 Befugnisnorm

Als Voraussetzung für die Beobachtung gem. § 21 Abs. 1 BPolG müssten personenbezogene Daten erhoben werden zur Erfüllung einer der BPOL obliegenden Aufgabe, sofern nichts anderes im dazugehörigen Abschnitt des BPolG dazu bestimmt ist.

Zunächst müsste es sich um personenbezogene Daten handeln.

Personenbezogene Daten sind gem. § 46 Nr. 1 BDSG alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen, wie z. B. Bewegungsrichtung, Verhalten etc.

Erheben bedeutet das Beschaffen von Informationen über den Betroffenen.

A stellt seinen Koffer im Terminal 1 des Hamburger Flughafens ab und geht weg. Die BPOL beschafft sich Informationen hinsichtlich des Grundes für das Abstellen des Koffers und der Bewegungsrichtung des A sowie sonstiger Verhaltensauffälligkeiten des A. Somit werden personenbezogene Daten erhoben.

Der Vorfall müsste sich im Aufgabenbereich der Bundespolizei ereignen und die Datenerhebung erforderlich zur Aufgabenerfüllung sein.

Das sind alle präventiven Aufgaben gem. der §§ 1 bis 7 BPolG.

Der Sachverhalt ereignet sich im Terminal des Flughafens Hamburg bei der Aufgabenwahrnehmung gem. § 4 BPolG (Luftsicherheit). Hierzu gehört die Abwehr von sog. äußerer Gefahren, deren Ursprung nicht im Luftverkehr selbst liegt, sondern sich von außen auf den Luftverkehr auswirken. Sollte der Koffer eine Spreng- oder Brandvorrichtung enthalten und detonieren, würde dies die Luftsicherheit erheblich beeinträchtigen. Somit ereignet sich der Vorfall in einem Aufgabenbereich der BPOL.

Schließlich dürfte in dem dazugehörigen Abschnitt im BPolG nichts Spezielleres bestimmt sein.

Speziellere Befugnisse sind typische polizeiliche Maßnahmen der Datenerhebung nach §§ 22 bis 28 BPolG, die der Datenerhebungsgeneralklausel vorgehen.

Die §§ 22 bis 28 BPolG enthalten keine Befugnis für die Maßnahme des gezielten Beobachtens einer Person, die ihren Koffer abstellt.

Demnach ist also im dazugehörigen Abschnitt im BPolG nichts anderes bestimmt.

Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 BPolG liegen im Ergebnis vor.

3.2 Adressat

Die Maßnahme müsste sich gegen den richtigen Adressaten richten.

Adressat ist die Person, deren personenbezogene Daten erhoben werden. Eine Gefahr geht hier zunächst nicht von der Person aus. Der Adressat ergibt sich somit aus der Befugnis selbst. Es handelt sich bei A um den Normadressaten gem. § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 BPolG.

3.3 Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen/Verhältnismäßigkeit

Die Maßnahme müsste verhältnismäßigsein.

Das ist sie, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.

Die Maßnahme müsste geeignet sein.

Die Maßnahme ist geeignet, wenn sie objektiv zwecktauglich ist, das polizeiliche Ziel zu erreichen.

Das polizeiliche Ziel ist hier, Informationen zu erlangen, warum der Koffer von A im Terminal 1 abgestellt wurde. Das gezielte Beobachten der Situation ist somit objektiv zwecktauglich, um das polizeiliche Ziel zu erreichen. Die Maßnahme ist geeignet.

Weiterhin müsste die Maßnahme auch erforderlich sein.

Erforderlich ist die Maßnahme, wenn sie von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige ist, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt (§ 15 Abs. 1 BPolG).

Im Flughafengebäude befinden sich bereits diverse Aushänge, dass Gepäckstücke nicht unbeaufsichtigt zurückgelassen werden sollen. Weiterhin finden auch regelmäßig Durchsagen über die Lautsprecher statt. Eine mildere Maßnahme als das Beobachten ist hier offensichtlich nicht erkennbar. Die Maßnahme ist somit auch erforderlich.

Schließlich müsste die Maßnahme auch angemessen sein.

Angemessen ist eine Maßnahme, wenn sie zu dem angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Rechtsgüterabwägung hat zu erfolgen (§ 15 Abs. 2 BPolG).

Das gezielte Beobachten greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) ein.

Demgegenüber steht das Recht auf körperliche Unversehrtheit/Gesundheit, Leben gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Reisenden sowie Sicherheit des Luftverkehrs. Die zu schützenden Rechtsgüter überwiegen in Anzahl und Wertigkeit und sind im Interesse der Reisenden. Zudem ist der Eingriff nur von geringer Intensität und kurzer Dauer und weiterhin ohne Schaden für den Betroffenen. Somit ist die Maßnahme auch angemessen.

Die Maßnahme ist damit insgesamt verhältnismäßig.

3.4 Besondere gesetzliche Pflichten/Formvorschriften

Allgemein:

■ Bekanntgabe der Maßnahme (§ 41 VwVfG)

■ Begründung (§ 39 VwVfG)

■ Inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG)

■ Rechtsbehelfsbelehrung auf Verlangen

Speziell:

■ Rechtsgrundlage der Datenerhebung auf Verlangen nennen (§ 21 Abs. 4 BPolG)

■ Daten sind offen und beim Betroffenen zu erheben (§ 21 Abs. 3 BPolG)

3.5 Feststellung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme

Somit ist das Beobachten des A gem. § 21 Abs. 1 BPolG insgesamt rechtmäßig.

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