Читать книгу Der Terror in mir - Nina Saro - Страница 4
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ОглавлениеDie Gruppe der Wartenden setzte sich langsam in Bewegung. Die Kinder zerrten an den Händen ihrer Mütter und hatten es furchtbar eilig den Bus zu erreichen. Dieser rollte langsam in seine Parksituation und der Motor verstummte. Claudia näherte sich als letzte der Gruppe dem Fahrzeug. Sie hatte die Position eines Beobachters eingenommen und genau so fühlte sie sich auch. Sie wusste, die Tür des Busses würde sich in wenigen Augenblicken öffnen und sie würde Lars in die Augen sehen, diese warmen braunen Augen, die ihr so vertraut waren und in denen sie lesen konnte. Die Situation kam ihr so unwirklich vor, diesen Moment auf den sie so lange gewartet hatte, wollte sie festhalten und in ihrem Gedächtnis einbrennen. Ja, und dann war es soweit. Lars kam aus dem Bus und schaute sich suchend um. In dem allgemeinen Durcheinander der Begrüßungsfreude erblickte er endlich seine Familie. Claudia blieb an ihrer Position stehen und lächelte ihn an In seiner Uniform sah er aus wie sie ihn kannte. Er schien weder ab- noch zugenommen zu haben. Seine Haare waren etwas länger als vor dem Einsatz, noch immer waren keine grauen Strähnen in dem dunklen Haar zu erkennen. Müde sah er aus müde und blass. Claudia suchte seinen Blick und für einen kurzen Augenblick erschrak sie. Was war dort in seinen Augen? Er lächelte, doch sie meinte eine gewisse Traurigkeit in diesem Lächeln erkennen zu können, eine Traurigkeit, die sie sich jetzt und hier nicht erklären konnte. Doch wenn da etwas war, würde sie es bald erfahren. Sie würden miteinander reden, so wie sie bisher über alles miteinander gesprochen hatten, was sie bewegte. Lars Blick glitt über seine Familie hinweg und seine Augen blieben an seiner Frau hängen. Gut sah sie aus, jugendlich und unkompliziert, sie trug Jeans und Sneakers so wie immer und Lars kam es so vor als er hätte er sie erst gestern das letzte Mal gesehen. Er verharrte für einen Moment in seiner Beobachtung, doch dann erreichten ihn seine Kinder und der erste Moment der Innigkeit mit seiner Frau war vorbei. „Papa, gut siehst du aus, Mensch, was freue ich mich dich zu sehen“, Carolina umarmte ihn herzlich und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Hinter ihr stand Tim, mindestens einen Kopf größer als sein Vater und der sonst so coole Teenager war sichtbar gerührt, seinen Vater wieder zu sehen. Die beiden umarmten sich und Lars schaute erstaunt zu seinem Sohn auf „Mein Gott, Timi, wo willst du denn noch hin? Du bist ja seit Oktober mindestens noch mal 10 cm gewachsen. Das sind ja knappe 2 m Sohn, die da vor mir stehen“. Lars klopfte seinem Sohn kameradschaftlich auf die Schulter und löste sich von ihm. Jetzt wollte er nur noch seine Frau in den Armen halten, sie spüren und riechen, ihr Lachen hören und sie nicht mehr loslassen. Claudia ging langsam auf ihn zu, immer noch lächelnd, doch in ihren Augen standen Tränen, als sie sich endlich gegenüber standen und sie sich in seine ausgebreiteten Arme fallen ließ. Im ersten Moment sprachen sie nicht, dafür hatten sie noch alle Zeit der Welt. Sie standen einfach da, hielten sich engumschlungen und saugten die Anwesenheit des anderen in sich auf. Lars nahm Claudias Gesicht in seine Hände, auch ihm liefen die Tränen über die Wangen, als er sich ein klein wenig zu ihr herunterbeugte und sie küsste. Endlich zu Hause. Nach und nach löste sich die Gruppe auf und die Familien gingen zu ihren Fahrzeugen. Lars hatte sich noch kurz von seinen Kameraden verabschiedet und jetzt nur noch das Ziel nach Hause zu fahren, sich endlich umzuziehen und diese Uniform für die nächsten drei Wochen aus seinem Gesichtsfeld zu verbannen. Claudia und er schlenderten Hand in Hand zu ihrem Auto, die Kinder vorneweg. „So Carolina, du kannst deine Eltern jetzt mal schön nach Hause chauffieren, ich nehme mit eurer Mutter hinten Platz, denn so schnell lass ich sie jetzt erst mal nicht mehr los“. „Geht klar; Dad, das mach ich doch gerne“. Die vier nahmen gut gelaunt im Wagen Platz und machten sich auf den Weg. Lars sprach auf der Fahrt sehr wenig. Er fühlte sich einfach nur glücklich und genoss es seine Familie zu betrachten und die Landschaft draußen zu bestaunen. Natürlich hatte sich die Jahreszeit geändert. Im Herbst war er abgereist und jetzt war es Frühling. Die Natur schien zu explodieren, die Bäume zeigten ein frisches Grün, das Gras auf den Wiesen spross in die Höhe und die Rapsfelder zeigten sich in einem Meer aus gelben Blüten. Es war erst der 15. April, aber bislang war das Wetter ausgesprochen mild und sonnig und das sah man der Landschaft an. „Meine Güte, wie habe ich das vermisst, dieser Geruch, riecht ihr das, das ist doch phantastisch“. „Was, diesen seltsamen Rapsgestank, also Dad, das ist jetzt wirklich nicht dein Ernst, das stinkt doch einfach“, Tim schüttelte den Kopf, „haben deine Geruchsnerven ein wenig gelitten, oder findest du jetzt einfach alle Dinge toll, die du vor deinem Einsatz nicht mochtest. Das fänd ich klasse, dann kann ich ja so bleiben wie ich bin“. Lars fasste von hinten durch die Kopfstütze und zog seinem Sohn am Ohr „Pass mal auf, Sohn, ich war zwar ein halbes Jahr weg, aber ich bin zurück und meinen Verstand habe ich nicht in Afghanistan gelassen, also Vorsicht, Papa ist wieder da!“Lars lachte und zog seine Hand zurück. Tim rollte die Augen, er war zwar richtig froh, seinen Vater wieder zu Hause zu haben, aber er ahnte, dass jetzt wieder ein etwas anderer Wind im Hause Feyh wehen würde. Mit seiner Mum kam er super aus, er hatte Respekt vor ihr, wusste aber, dass er bei ihr als der Kleine auch so manchen Stein im Brett hatte. Da dies nicht nur ihm sondern der ganzen Familie bewusst war, versuchte sein Vater schon ab und an ein wenig mehr von ihm zu erwarten als seine Mutter und das passte dem ach so bequemen Tim nun nicht immer in den Gram. „Hey, wir sind ja schon in Wega, jetzt noch ein paar schlappe Kilometer und ich sehe endlich unser Haus wieder. Lars schaute auf seine Armbanduhr. „Es ist ja auch gleich sieben, Zeit zum Füttern, und ratet mal, wer das heute freiwillig übernimmt“. „Na, das habe ich mir gedacht, bevor du das Haus betrittst, machst du doch erst eine Stallrunde, sonst wärst du ja nicht du selbst,“ Claudia musste lachen, das war ihr Lars so wie sie ihn kannte und liebte. Carolina lenkte den Wagen von der Landstraße und befuhr den schmalen Zufahrtsweg zu ihrem Anwesen. Die Familie Feyh hatte sich vor fünf Jahren ihren Lebenstraum erfüllt und sich einen allein stehenden Bauernhof im Edertal gekauft. Sie hatten lange gesucht und dann dieses alte Anwesen gefunden. Eigentlich war es für ihre Bedürfnisse zu groß, aber Claudia und Lars hatten so viele Ideen und waren von dem Hof so begeistert, dass sie einfach nicht widerstehen konnten. Nun waren sie stolze Besitzer eines Hofes in U-Form. Die Zufahrt endete direkt vor dem Wohnhaus, an das sich im rechten Winkel ein Stall- und Scheunengebäude anschloss. Gegenüber diesem Gebäude befand sich ein weiteres großes Gebäude, das ehemals als Lagerhaus für Getreide und landwirtschaftliche Geräte genutzt wurde. Zum Anwesen gehörten noch ein kleiner Obst- und Gemüsegarten sowie ein Hektar Grünland, welches sich direkt hinter dem Hof befand. Die Grenze ihres Grundstückes bildete das Ederufer und allein diese Lage war dafür verantwortlich, dass Claudia von der Immobilie so begeistert gewesen war, dass sie über alle baulichen Defizite hinweggesehen hatte. Lars war in dieser Hinsicht der Besonnenere, er richtete sein Augenmerk mehr auf den Zustand der Dächer, die Beschaffenheit von Stall, Scheune und des Wohnhauses und kalkulierte die zu erwartenden Renovierungskosten. Auch er war von dem Anwesen begeistert, die Alleinlage faszinierte sie beide, aber nachdem Lars mit einem Gutachter alles durchgerechnet hatte, wollte er von der Kaufabsicht zurücktreten. Finanziell überstieg die gesamte Anlage das geplante Budget um mehr als 100000 € und da sie beide schon Mitte 40 waren, hatte er, der Vernünftige, Bedenken sich zu übernehmen. Doch hier hatte er nicht mit der Überzeugungskraft und der Energie seiner Ehefrau gerechnet. Sie war nicht leichtsinniger als er, doch erst einmal von einer Sache begeistert, entwickelte sie einen Ideenreichtum, der unschwer zu überbieten war. Innovation ist alles, war ihr Motto und letztendlich hatte sie ihren bodenständigen Lars davon überzeugt, den Schritt zu wagen, und sich diesen Traum zu erfüllen. Ihre Mädels waren begeistert gewesen, denn endlich konnten ihre Pferde bei ihnen zu Hause stehen und mussten ihr Dasein nicht in einem Pensionsstall verbringen, Tim dagegen fand es eher nervig so richtig aufs Land zu ziehen, noch nicht einmal Nachbarn zu haben, geschweige denn irgendwelche Freizeitaktivitäten wie Kino oder Eisdiele in der Nähe zu wissen. Er teilte die Liebe zu den Tieren nicht wirklich, Pferde machten ihm Angst, und er hatte manchmal schon Bedenken seine Eltern und Geschwister würden irgendwann einmal anfangen zu wiehern, besessen wie sie von diesen Tieren waren. Das einzig Positive an dem Hof war die Bushaltestelle direkt vor der Einfahrt, so dass Tim durchaus die Möglichkeit hatte, problemlos zur Schule und nachmittags zu seinen Freunden zu kommen. Seit zwei Jahren hatte sich die Situation für ihn noch immens verbessert, da er jetzt einen gedrosselten Motorroller sein eigen nannte und er mit stolzen 25km durch die Landschaft brausen konnte. Inzwischen war er 17 und gerade dabei seinen Führerschein zu machen, also die Zeit arbeitete für ihn. „So, Papa, da sind wir, schau hin, der Hof ist gekehrt, wie es sich gehört“, Tim wusste, dass sein Vater sehr viel Wert auf Ordnung legte und war heute sogar freiwillig nach draußen gegangen, um den Hof zu fegen. Lars stieg aus dem Auto und atmete erst einmal tief durch. Es war wirklich geschafft. Zum wiederholten Male an diesem Tag dachte er, endlich daheim, doch jetzt war er wirklich angekommen. Er schaute zum Stall, wo die Pferde ihre Köpfe aus den halboffenen Stalltüren hängen ließen und fühlte sich einfach nur glücklich. Sein Blick richtete sich auf das Wohnhaus, und er musste schmunzeln. Claudia hatte wieder einmal versucht, die Blumenkübel vor der Eingangstreppe mit Frühlingsblumen zu bepflanzen. Sie bewunderte immer wieder die saftig blühenden Pflanztröge anderer Bauernhäuser und startete alljährlich einige Versuche, ein Blütenmeer zu zaubern. Seine Frau hatte bestimmt viele Talente, die Hege und Pflege von Pflanzen gehörte aber mit Bestimmtheit nicht dazu. „Na Schatz, du hast aber wunderschöne Osterglocken in deinen Schalen, das ist ja eine wahre Pracht“, Lars kniff seiner Frau in die Seite und lachte. Claudia blickte zu ihren mageren Pflänzchen und entgegnete trocken: „Schön dass du wieder da bist, mein Schatz, ich habe extra dafür gesorgt, dass dich Blumen willkommen heißen und du weißt es nicht zu würdigen.“ Auch sie musste lachen. Lars ging zu einem der Töpfe und rupfte eine der wenigen Osterglocken ab. Er steckte sie seiner Frau ins Haar und sagte: „So ihr Lieben, nun seid mir bitte nicht böse, aber ich möchte jetzt erst einmal eine Hofrunde machen. Ich werde den Pferden Heu füttern, bei den lieben Hühnern vorbeigehen und einfach mal Heimat atmen. Ihr könnt ja schon mal rein gehen, ich komme dann nach“. „In Ordnung, lass dir Zeit, wir bereiten schon mal das Abendessen vor, du weißt ja wo du uns findest“. Claudia war über das Vorhaben ihres Mannes ein wenig irritiert, aber sie ließ sich nichts davon anmerken. Warum wollte er allein seine Runde machen, warum nahm er sie nicht mit? Schließlich stand ein neues Pony im Stall, das er noch nicht kannte und sie hätte es ihm gerne gezeigt. Auch Carolina wäre liebend gern mit in den Stall gegangen um ihrem Vater von ihrem Major Tom zu berichten, welches Training sie gerade mit ihm machte und wie er sich anstellte. Der 9jährige Wallach war ein wichtiges Bindeglied in der Beziehung von Lars zu seiner ältesten Tochter. Er war ein gutes Springpferd, das Carolina selbst ausgebildet hatte. In den Sommermonaten nahm sie mit ihm fast jedes Wochenende an Turnieren teil. Ihr Vater begleitete sie immer und obwohl er selbst nie geritten hatte, war er Carolinas bester Assistent und Helfer. Auch zuhause unterstützte er seine Tochter in ihrem Hobby wann er immer es nötig war, er mistete und longierte den Wallach und konnte mit seiner Tochter zusammen stundenlang einzelne Parcours besprechen, Fehler erörtern und nach Verbesserungen suchen. Lars hatte sich im Laufe der Jahre ein hohes theoretisches Wissen angeeignet, war nach Möglichkeit bei Reitstunden und Lehrgängen immer dabei. Nur mit der Praxis hatte es nie geklappt. Carolina hatte zwar versucht, ihm das Reiten beizubringen, aber Lars hatte kapituliert. Seither bewunderte er alle Reiter noch mehr für ihr Können, denn bei seinen wenigen Versuchen hoch zu Ross, kam er sich eher vor, als würde er auf einer Rüttelplatte sitzen, als auf einem Pferd. Lars betrat den Pferdestall, griff zur Heugabel, die wie immer auf ihrem Platz stand und begann routiniert eine große Portion Heu von dem im Stall befindlichen Rundballen abzunehmen. Er schob das Futter vor den Boxeneingang von Major Tom und öffnete die Tür. Der Wallach war sofort bei ihm und schnaubte vertrauensvoll. Lars betrat die Box und klopfte dem Tier zärtlich den Hals „Na, alter Junge, kennst du mich noch?“. Das Pferd senkte den Kopf und begann genüsslich zu fressen. Lars liebte das Geräusch der malmenden Pferdezähne und fühlte sich unglaublich wohl. Er verharrte noch einen Augenblick bei dem fressenden Pferd und ein Gefühl der Zufriedenheit breitete sich in ihm aus. Würde es ihm gelingen, das Vergangene zu vergessen, konnte er es schaffen, das Erlebte zu verarbeiten, ohne viel darüber reden zu müssen. Er hoffte es so sehr, all diese Bilder in seinem Kopf zu vergessen, und in diesem Moment glaubte er fest daran, dass es ihm gelang. Ein aufgeregtes Wiehern und Scharren aus den Nachbarboxen riss ihn aus seinen Gedanken. „Okay, Jungs, ich komm ja schon, ist ja auch wirklich gemein, der Große mampft hier vor sich hin und ihr habt Angst, nichts abzubekommen. Er bereitete zwei weitere Mahlzeiten vor und fütterte die Ponys. Eines der beiden kannte er noch gar nicht, doch der kleine Schecke war ihm auf Anhieb sympathisch. „Na, du bist ja ein ganz Feiner, da muss ich doch gleich mal drinnen nachfragen, ob du mit deinen kleinen Reitern auch so nett umgehst, wie du aussiehst“. Lars verließ den Stall. Er schaute noch bei den Hühnern vorbei, kontrollierte die Tränke und gab ihnen einen Becher Körnerfutter. Alles war wie immer und doch so neu, die Ruhe in ihm verstärkte sich. Alles war so wie er es erwartet hatte, ordentlich und gepflegt. Nichts deutete darauf hin, dass hier in der jüngeren Vergangenheit etwas oder besser gesagt jemand gefehlt hatte. Lars wusste, dass er sich hierüber freuen musste, doch in ihm machte sich ein Gefühl der Entbehrlichkeit breit gegen das er sich nicht wehren konnte. Er schüttelte den Gedanken ab und machte sich auf, das Haus zu betreten. Auch hier war alles in bester Ordnung doch für seine Begriffe etwas zu aufgeräumt. In ihm entstand der Eindruck, seine Familie habe einen Besucher erwartet. Alles stand an seinem Platz und wirkte geordnet. Es gab ihm einen Stich ins Herz als er den Flur betrat. Dort wo immer die gemütliche Hundedecke gelegen hatte, stand nun eine neue Grünpflanze. Boomer, ihr treuer Gefährte, war kurz nach Weihnachten gestorben und diese Nachricht hatte ihn schon damals tief berührt. 14 Jahre hatte der Mischlingsrüde bei ihnen gelebt, ihn auf ungezählten Spaziergängen begleitet und ihn in regelmäßigen Abständen zur Weißglut gebracht, da Bommer gerne seine eigenen Wege ging und nicht immer zu seinem Herrchen zurückkehrte. Suchen musste man ihn allerdings nie, denn er fand den Weg nach Hause und begrüßte seine Menschen nach einer ausgiebigen Erkundungstour schwanzwedelnd auf dem Hof. Er war ein richtiger Filou, dem man einfach nicht böse sein konnte. Doch im vergangenen Winter war er eines Tages nicht von seiner Spritztour zurückgekehrt. Nachdem auch eine ganze Nacht vergangen war und es draußen ziemlich kalt war, hatte sich die Familie auf die Suche begeben. Stundenlang waren sie durch die Gegend gestreift und hatten ihn letztendlich leblos am Ufer der Eder gefunden. Er lag zusammengerollt im abgestorbenen hohen Gras, so als hätte er sich ausruhen wollen. Eine abschließende Obduktion durch den Tierarzt bestätigte, dass es kein Fremdverschulden am Tode des Hundes gab. Sein altes Herz hatte einfach nicht mehr mitgemacht, und er war im Schlaf gestorben, da wo er am liebsten war, in der freien Natur. Claudia und ihre Kinder waren sehr traurig gewesen, aber es beruhigte sie zu wissen, dass er ein friedliches Ende gefunden hatte. Seither war der Platz im Flur leer und Claudia hatte mit der neuen Pflanze ein wenig für Ablenkung sorgen wollen. Lars stand einen Moment im Flur und dachte an seinen Hund, als das Telefon läutete. „Papa, los komm, das ist sicherlich Mareike. Sie will doch auch endlich wissen, dass wir dich wieder haben“. Carolina drückte ihm den Hörer in die Hand und er nahm ihn freudig entgegen. „Hallo, mein Schatz, ja, ich bin wirklich zu Hause angekommen, habe immer noch die Uniform an, vergesse irgendwie Zeit und Raum und brauch wohl noch ein bisschen um wirklich anzukommen“. Die beiden telefonierten noch eine Weile, unterhielten sich über Mareikes Aufenthalt in England und versicherten sich gegenseitig, sich wahnsinnig auf ein Wiedersehen zu freuen. Mareike, die zweite Tochter von Lars und Claudia, hatte sich nach dem Abitur dafür entschieden, ein Jahr im Ausland zu verbringen und als Au Pair zu arbeiten. Seit dem vergangenen Juli war sie nun in Großbritannien und Claudia und Lars vermissten sie sehr. Mareike hatte es in ihrer Gastfamilie sehr gut getroffen und viel Spaß mit den Kindern, aber jetzt nach nunmehr fast 10 Monaten sehnte auch sie sich wieder nach Hause. „Wie gern, wäre ich jetzt bei euch und würde mit euch allen zusammen essen und quatschen, an die Essgewohnheiten der Engländer werde ich mich wohl nie gewöhnen“, Mareike lachte. „Noch knapp zwei Monate, Liebling, dann kannst du wieder Mutters gute Küche genießen. Dann ist ja auch schon Sommer, und wir starten bestimmt so manche Grillparty. So, Schatz, ich muss jetzt aber mal Schluss machen, Mama wartet mit dem Essen auf mich, und ich muss jetzt erst mal duschen. Also, mach es gut, wir telefonieren am Wochenende und denk dran, wir lieben dich, Ciao.“ „Na, scheint ja alles klar zu sein bei unserer Tochter, ihr habt euch ja ganz freudig angehört“. Claudia kam aus der Küche, „ich bin ja mal nur froh, dass ich heute eine Suppe vorbereitet habe, alles andere wäre mir wohl jetzt schon längst verkocht. Also Lars, auf unter die Dusche, damit wir uns endlich an den Tisch setzen können“. „Ok, ok, bin schon unterwegs, du glaubst gar nicht, wie ich mich aufs Duschen freue, endlich mal wieder ohne Badelatschen und ganz für mich alleine“. Na, dann mal los, aber vergiss das Wiederkommen nicht“, Claudia lachte und gab ihrem Mann einen Schubs Richtung Badezimmer. „Meine Güte, was ist denn das für ein Abend, hier läuft ja alles aus dem Ruder“. „Tja, kaum ist Papa wieder da, weht halt ein andrer Wind“, Tim lümmelte sich auf dem Sofa herum, „wird aber auch echt Zeit, dass wir jetzt mal was essen, ich bin knapp vorm Kollabieren“. Carolina warf ihm ein Kissen an den Kopf „Auf Bruderherz, hol noch mal Gläser und setz dich schon mal, Papa ist doch gleich da“. Der Tisch war liebevoll gedeckt mit allem, was Lars so liebte. Frisches hessisches Bauernbrot, aale Wurst, Bauernmett, Käse und Hausmacher Wurstspezialitäten. Als Vorspeise hatte Claudia eine frische Tomatensuppe zubereitet, mit einem Klecks geschlagener Sahne und Basilikum verfeinert. Es dauerte nicht lange und Lars kam aus dem Bad zurück. Er strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe gar nicht gewusst, wie gut unsere Wäsche riecht, ich bin völlig begeistert. Er trug Jeans und Hemd und Claudia fiel auf, dass die Sachen nach wie vor 100%ig passten, Lars hatte sich körperlich wirklich überhaupt nicht verändert. Die Familie setzte sich an den rustikalen Eichentisch und Claudia kam mit dem großen Tablett, auf dem sich die vier Suppentassen befanden, aus der Küche. Lars und Claudia hatten das alte Fachwerkhaus mühevoll restauriert und ganz im Stil eines Landhauses eingerichtet. Alles passte zusammen und wirkte sehr gemütlich, ohne altbacken auszusehen. Im Erdgeschoss befanden sich die gemeinsam genutzten Räume und ein kleines Büro, das elterliche Schlafzimmer sowie ein daran angrenzendes Bad. Im ersten Stock des Hauses hatten die Kinder ihr Reich, drei geräumige Schlafzimmer, ein gemeinsames Wohnzimmer sowie ein kleineres Bad. Das Zusammenleben der Familie klappte im Großen und Ganzen sehr gut, sah man manchmal davon ab, dass die jugendlichen Bewohner es mit dem Putzdienst in ihren Räumen nicht immer so genau nahmen. Tim profitierte im Moment am meisten von dem Platzangebot. Er konnte das Wohnzimmer im ersten Stock beinahe sein eigen nennen. Mareike war bis Juni in England und Carolina studierte in Göttingen Pferdewissenschaften und hatte dort ein Zimmer in einer Studenten-WG. Sie kam mittwochs und an den Wochenenden nach Hause. Auch in den Semesterferien war sie fast dauerhaft anwesend, denn ihre Leidenschaft waren nun einmal die Pferde und hier zu Hause konnte sie sich ihrem Hobby optimal widmen. An diesem Abend saß die Familie stundenlang zusammen, sie aßen und redeten und redeten. Claudia hatte zur Feier des Tages eine Flasche Sekt aufgemacht. Jeder genoss die Anwesenheit der anderen und sie unterhielten sich angeregt. Lars hatte ständig neue Fragen und hörte seinen Lieben interessiert zu. Es war schon fast Mitternacht als Claudia erschrocken zur Uhr sah. „Meine Güte, Tim, ab ins Bett, du hast doch Morgen Schule, da kommst du doch garantiert wieder nicht aus den Federn“. „Mensch, Mama, ich bin doch kein Kleinkind mehr, natürlich steh ich auf, freu dich doch einfach mal, dass ich den ganzen Abend mit euch verbringe, das kommt ja wirklich nicht so oft vor“. Damit hatte er allerdings Recht. Üblicherweise verkroch er sich nach dem Essen sofort in sein Zimmer, schaltete Laptop und Fernseher ein, chattete mit seinen Freunden und surfte im Internet herum. „Aber ihr habt Recht, ich hau mich jetzt hin, ich bin ja wohl auch der Einzige hier im Haus, der Morgen schaffen muss“. „Ich lach mich tot, du armer Kerl, soweit ich weiß, gehst du zur Schule, da kann man auch mal getrost weiterruhen, oder?“ Carolina erhob sich ebenfalls. „Ich gehe aber auch hoch, müde genug bin ich. Gute, Nacht, Mama, gute Nacht Papa, schlaft schön. Morgen früh füttere ich, da könnt ihr noch liegen bleiben. Frühstück so gegen halb zehn mit frischen Eiern von deinen Hühnern, o. k..“. Carolina gab ihren Eltern einen Kuss und verließ mit ihrem Bruder zusammen das Wohnzimmer. Die beiden Erwachsenen blieben schweigend zurück. Zum ersten Mal seit der Ankunft von Lars waren die beiden alleine. Stille machte sich breit. Lars, der Claudia gegenübersaß, griff über den Tisch und nahm Claudias Hände in die seinen. Sie fühlten sich warm und fest an Die Ruhe tat den beiden gut. Sie schauten sich tief in die Augen und lächelten. Worte waren nicht nötig. Jeder von ihnen genoss es ganz einfach, den anderen bei sich zu wissen. „Ich könnte jetzt noch stundenlang hier mit dir sitzen, aber ich denke, auch wir sollten uns so langsam mal schlafen legen, dein Tag war schließlich wahnsinnig anstrengend, oder?“ Claudia unterbrach die Vertrautheit erhob sich und begann den Tisch abzuräumen. „Komm, lass doch, das machen wir Morgen, jetzt habe ich keine Lust mehr mich um irgendetwas zu kümmern außer um dich“. Lars stand ebenfalls auf und nahm Claudia liebevoll in die Arme. „Lass uns jetzt doch einfach uns genießen, es ist doch schon so furchtbar lange her“. „Ganz wie du meinst, aber die Wurst muss wenigstens in den Kühlschrank“. Die immer pragmatisch veranlagte Claudia löste sich aus den Armen ihres Ehemannes und belud das Tablett mit den Wurstwaren. Sie war verunsichert, der Verzicht auf die körperliche Liebe in den vergangenen sechs Monaten hatte ihr wenig ausgemacht, und jetzt fühlte sie sich fast wie ein junges Mädchen, das vor dem „ersten Mal“ stand. Schnell eilte sie in die Küche und verstaute die Lebensmittel an ihren Platz. In ihrem Kopf herrschte ein wenig Chaos, sie verstand sich selbst nicht, was war nur mit ihr los, warum konnte sie nicht einfach loslassen und die Nähe mit ihrem Mann genießen. Sie hatte sich doch so darauf gefreut, ihn wieder bei sich haben, und jetzt war sie so verwirrt, ja beinahe ängstlich. Lars spürte die Verunsicherung seiner Frau folgte ihr und nahm sie abermals in den Arm. „Liebling, komm mal her, entspann dich, ich habe ja fast das Gefühl, du hast Angst vor mir. Ich liebe dich, glaube mir, es wird nichts passieren, wozu du nicht bereit bist, du kennst mich doch“. Wie Recht Lars hatte, Claudia verstand sich gerade selbst nicht, doch seine Worte beruhigten sie ein wenig. Sie ließ sich in seine Arme fallen und genoss seine Liebkosungen. Gemeinsam gingen sie ins Bad und ohne zu reden, zogen sie sich aus und duschten gemeinsam. Jeder damit beschäftigt, den anderen zu verwöhnen, aber immer darauf bedacht, keine Grenzen zu überschreiten. Langsam fiel die Anspannung von Claudia ab. Sie genoss die sanften Berührungen ihres Mannes, die sie so lange vermisst hatte immer mehr. Sie spürte, die Lust in sich aufsteigen, das Verlangen, ihren Mann ganz für sich zu haben, den Wunsch, ihn in sich zu spüren und ihm Freude zu bereiten. Ihr Atem ging schneller und auch Lars spürte das heftige Verlangen Claudia zu lieben. Noch in ihre Badetücher gehüllt, eilten sie in ihr Schlafzimmer und ließen sich auf ihr Bett fallen. Lars küsste sie am ganzen Körper, doch Claudia wollte nicht länger warten. Sie zog ihn auf sich, bereit ihn in sich aufzunehmen und stöhnend drang Lars in sie ein. Es waren harte, schnelle Stöße, die Claudia so mochte, sie ließ sich ganz darauf ein. Ihre Körper bewegten sich wild und rhythmisch, die angestaute Enthaltsamkeit schien zu explodieren, als sie beide gleichzeitig am Höhepunkt ihrer Lust ankamen und Lars erschöpft auf sie herniedersank. Er vergrub sein Gesicht neben ihrem Hals und ein Beben ging durch seinen Körper. Claudia streichelte ihrem Mann sanft den Rücken, sie spürte, dass er weinte und umfing ihn fest mit ihren Armen „Alles ist gut, mein Schatz, du bist wieder zu Hause, endlich haben wir uns wieder“, sie flüsterte nur und auch ihr standen die Tränen in den Augen. „Oh, Liebling, du weißt nicht was es mir bedeutet wieder hier bei dir zu sein, so lange habe ich darauf gewartet, so viel ist passiert, ich kann es einfach noch nicht fassen“, Lars schluchzte, sein Ausbruch schien ihm peinlich zu sein, er rollte sich neben Claudia und wischte sich über das Gesicht. „Psst, rede nicht, du musst mir doch nichts erklären. Hier bist du zuhause, hier musst du nicht der tapfere Soldat sein, sei einfach du und lass raus, was dich bewegt, du brauchst dich für nichts zu schämen, ich liebe dich.“ Claudia küsste ihrem Mann die Tränen vom Gesicht und streichelte ihn sanft. Lars beruhigte sich langsam und nahm sie noch einmal fest in den Arm. Er küsste sie, diesmal sanft und zärtlich aber voller Hingabe und schmiegte sich eng an ihren Körper „Es tut so gut dich zu spüren, ich lass dich einfach nicht mehr los“. Eng umschlungen löschten sie das Licht und schliefen gemeinsam ein.