Читать книгу Der Terror in mir - Nina Saro - Страница 5
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ОглавлениеLars war auf dem Weg zum Dienst. Drei Wochen Urlaub waren vorbei und heute durfte er zum ersten Mal seit nun mehr fast sieben Monat an seinen Standort zurückkehren. Er freute sich darauf, ja er hatte sich sogar heute Morgen darauf gefreut, seine Uniform anzuziehen. Er freute sich auf das Wiedersehen seiner Kameraden, er freute sich auf den dienstlichen Umgangston und die fliegerischen Aufträge, die ihn erwarteten. Die vergangenen drei Wochen hatten ihn mehr angestrengt, als er zugeben wollte und so war er froh darüber, dass wieder Alltag einkehrte. Er hatte die Zeit genutzt, massiv körperlich zu arbeiten. Die Weiden waren hergerichtet, sein Schlepper instandgesetzt und im Garten stand nun ein selbstgebauter hölzerner Pavillon, der ihnen im Sommer als Grill- und Aufenthaltsort diente. Die Arbeit hatte ihm Spaß gemacht und er hatte die meiste Zeit des Tages alleine draußen an der frischen Luft verbracht. Eine Kurzreise mit seiner Frau zur Verwandtschaft in Oberbayern hatte er abgelehnt, Kinobesuche und Grillabende bei Bekannten ebenso so gut es ging vermieden. Er wollte nicht unter Menschen, auch nicht unter die, die ihn mochten, er wollte nicht zu seinem Einsatz in Afghanistan befragt werden, er wollte seine Ruhe. Er wollte an das Vergangene nicht erinnert werden, nicht über seine Erfahrungen im Ausland reden und schon gar nicht mit Menschen über die Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes diskutieren, die selbst noch nicht einmal ihr Bundesland verlassen hatten und ihr Dorf als den Mittelpunkt der Welt betrachteten. Lars wusste, dass er jetzt nach seiner Rückkehr teilweise als arrogant eingeschätzt wurde. Dass sein Wunsch, alleine zu sein bei manchen Bekannten als Affront gewertet wurde, aber er konnte und wollte sich nicht dagegen wehren. Im Dienst würde es ihm besser gehen. Hier waren die Strukturen festgelegt, die Männer mit denen er näher zu tun hatte, hatten die Erfahrungen mit ihm geteilt, oder sie standen ihnen bevor. Lars wollte sich in seine Arbeit flüchten, hier im Dienst würde es ihm vielleicht endlich gelingen, die Dinge, die hinter ihm lagen zu verarbeiten. Er hoffte es so sehr. Lars stellte seinen Wagen wie gewohnt, vor dem Tower ab und betrat das Gebäude. Er atmete tief durch und ein Glücksgefühl durchströmte ihn, Hier hatte sich nichts verändert, der Geruch des gebohnerten Flures lag wie immer penetrant in der Luft. Die Tür zum Breefing-Raum war offen, und er hörte schon einige bekannte Stimmen. Eilig betrat er den Raum und wurde sofort mit einem lauten Hallo begrüßt. „Hey, Lars, alter Junge, schön dich mal wieder zu sehen“, Sven haute ihm kameradschaftlich auf die Schulter, „du siehst ein bisschen angegriffen aus, geht es dir gut?“ Den zweiten Teil seines Satzes hatte Sven nur geflüstert und Lars ein wenig in die Ecke des Raumes gezogen. „Ist schon o.k., ich bin froh wieder hier zu sein, der Urlaub war lang genug“. Sven runzelte die Stirn: „Du weißt, wann immer du reden möchtest, ich bin für dich da. Ich dachte ja eigentlich, dass wir auch im Urlaub mal telefonieren, aber du hattest wohl kein Bedürfnis.“ „Sven, pass mal auf“, ich möchte nicht reden, nicht hier und heute und auch nicht später, ich möchte vergessen, und ich hoffe du tust es auch.“ Das klang fast wie eine Drohung. Lars wandte sich brüsk ab und begrüßte die anderen Kameraden. Sven blieb nachdenklich zurück, das soeben Erlebte stimmte ihn äußerst nachdenklich, das war nicht der Lars, den er kannte, und von diesem Moment an machte er sich ernsthafte Sorgen um seinen Freund. Die Soldaten setzten sich und das tägliche Breefing begann. An diesem besonderen Tag wurde es von dem Abteilungskommandeur gehalten, der alle Afghanistanrückkehrer zurück im Dienst begrüßte, ihren Einsatz im Ausland noch einmal lobte und würdigte und sich dankbar darüber äußerte, dass alle unversehrt wieder in das Heimatland und den Dienst zurückgekehrt waren. „Bla, bla, bla“, dachte Lars, lasst uns doch einfach zum Tagesgeschäft übergehen und den heutigen Flugplan besprechen, dann geht es mir auch gleich besser“. Der Oberst beendete seine Ansprache und übergab das Wort dem Einsatzoffizier. „Oh, Entschuldigung, Oberstleutnant Stein, dass ich Sie noch einmal unterbreche, aber ich bitte den Hauptmann Feyh nach dem Breefing in mein Büro. Ok, Lars, du weißt Bescheid“, Oberst Will blickte zu Lars und nickte ihm zu. „Also bis gleich dann“. Er verließ den Raum und Lars Blick folgte ihm. Was sollte das, warum musste er noch einmal extra antreten. „Lasst mich doch einfach alle in Ruhe, ich will doch nur arbeiten“. 10 Minuten später betrat Lars das Büro des Obersts. „Komm, setz dich, Lars, es dauert nicht lange, aber wir müssen uns noch einmal kurz unterhalten“. Lars nahm schweigend auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz. Er und Oberst Will kannten sich schon sehr lange, sie hatten einige Stationen ihres Berufslebens in unterschiedlichen Funktionen miteinander verbracht und waren per Du. „Ich habe hier den Bericht vom 03.04. dieses Jahres, du weißt von was ich rede?“ Lars nickte nur. Er spürte eine innere Anspannung in sich aufkommen und bekam nasse Hände. „Du weißt, dass du durch dein Eingreifen mindestens 6 Männern unserer Truppe das Leben gerettet hast und dafür gehört dir neben dem allergrößten Dank zumindest eine förmliche Anerkennung. Wir sind sehr stolz auf dich“. „Und du weißt, dass ich versuchen muss, mit diesem Vorfall klarzukommen, was mir ehrlich gesagt bis heute noch nicht gelungen ist. Ich möchte weder eine förmliche Anerkennung noch sonst irgendwelche Belobigungen. War es denn etwa mutig, so zu handeln, wie ich es getan habe? Habe ich mein Leben dafür eingesetzt, um meine Kameraden zu beschützen. Dann wäre der Dank angebracht. Nein, ich habe die Technik genutzt, die mir zur Verfügung stand und damit das Leben meiner Kameraden geschützt, nicht mehr und nicht weniger. Ich bin kein Held. Ich selbst war nicht eine Sekunde lang in Gefahr, also wofür Lorbeeren einheimsen. Für eine kurze Bewegung meiner linken Hand. Nein, danke darauf möchte ich verzichten.“ Lars Worte klangen zynisch, ja beinahe erbost. Oberst Will zog die Augenbrauen hoch und schaute Lars verwundert an: „Lars, geht es dir gut, brauchst du Hilfe? Du weißt, wir haben inzwischen ein gutes Netz psychologischer Dienste aufgebaut. Hier findest du immer einen Ansprechpartner, wenn du möchtest.“ „Nein, danke, ich komme schon klar, ich brauche einfach noch ein wenig Zeit, das wird schon“, Lars war wieder völlig ruhig und gab sich Mühe, seine Worte zuversichtlich klingen zu lassen. „Du weißt, reden hilft, hast du mit deiner Frau, deiner Familie gesprochen, hast du Sven in letzter Zeit mal gesehen und dich mit ihm ausgetauscht? Schließlich wart ihr ja gemeinsam in der Maschine. Abermals schüttelte Lars den Kopf: „Hör zu, Gregor, ich möchte nicht darüber reden. Nicht hier, nicht mit meiner Frau und auch nicht mit Sven. Je weniger Menschen von dem Vorfall wissen umso besser. Deshalb bitte ich dich auch inständig von der Förmlichen Abstand zu nehmen. Das wirft nur Fragen auf und die Neugier einiger Personen wird geweckt. Ich möchte einfach nur vergessen, verstehst du das? „Verstehen ja, glauben, dass es dir gelingt, nein. Lars, auch wenn meine Worte jetzt hart klingen. Du wirst es nicht alleine schaffen, die Angelegenheit zu verarbeiten. Hole dir Hilfe und rede, rede mit den Menschen, die dir nahe stehen, sie können dir helfen.“ „Zum letzten Mal, Gregor, ich werde nicht reden, wenn ich das tue, bricht alles wieder in mir auf, was gerade anfängt zu vernarben. Ich weiß, dass ich korrekt und in Ausübung meines Dienstes gehandelt habe, ich weiß, dass meine Kameraden leben, weil ich getan habe, was zu tun war. Das werde ich mir immer wieder sagen, und es damit schaffen, alles zu verarbeiten.“ „Ich hoffe für dich, dass deine Strategie aufgeht, du weißt, du bist einer unserer besten Männer, wir brauchen dich, denn auch die Zukunft wird sicherlich nicht ruhiger. Wir werden uns mit Sicherheit noch ganz anderen Aufgaben widmen müssen.“ „Das ist ganz in meinem Sinn, gebt mir Arbeit, lasst mich fliegen, lasst mich junge Kameraden ausbilden, ich werde weiterhin mein Bestes geben. Mein Job ist mir wichtig und hier fühle ich mich wohl.“ „Ok, Lars, ich kann nicht mehr tun, als dir Hilfe anzubieten. Du bist ein starker Charakter und ein guter Soldat. Ich wünsche dir, dass du nicht nur klarkommst, sondern auch zu deiner inneren Ruhe zurückkehren wirst, doch sollte dein Plan nicht aufgehen, du weißt immer, wo du mich finden kannst.“ Die beiden Männer erhoben sich, Oberst Will schüttelte Lars kräftig die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. Lars erwiderte den Händedruck freundschaftlich und wandte sich zum Gehen. „So, mal sehen, ob es was zu Fliegen gibt, Lust habe ich schon, endlich mal wieder die Heimat von oben zu betrachten. Ich schau gleich mal auf den Flugplan.“ Lars verließ den Raum und Oberst Will blieb nachdenklich zurück. Er machte sich Sorgen um seinen Kameraden und Freund. Er wusste, Lars war ein guter Soldat, der sein Berufsbild verstand, doch er war auch ein Mensch, dem Gewalt und Krieg grundsätzlich absolut widersprachen. Nicht umsonst war er schon seit mehreren Jahren zur Vertrauensperson gewählt. Er hatte das Geschick, Menschen miteinander zum Reden zu bringen, die unterschiedlicher Auffassungen waren, er gab auf konstruktive Art Diskussionsanstöße, die oftmals zur Ausräumung aufkommender Konflikte dienten. Jetzt war es an ihm, sich selbst einem wenn auch inneren Konflikt zu stellen und Gregor spürte, dass er dabei an seine Grenzen geraten würde. Eines war sicher. Er würde ihn in der nächsten Zeit nicht aus den Augen lassen, Lars war ihm zu wichtig, als dass er ihn sich selbst überlies. Entgegen seiner Ankündigung auf den Flugplan zu schauen, hatte Lars nach dem Gespräch mit seinem Oberst die Waschräume des Gebäudes aufgesucht. Hier stand er nun am Waschtisch, ließ kaltes Wasser über seine Hände laufen und benetzte sein Gesicht. Er schaute in den Spiegel und rieb sich über die Augen. Verdammt, was hatte er erwartet, war er wirklich davon ausgegangen, einfach so zum Dienst zu marschieren und zur Tagesordnung überzugehen. Hatte er wirklich geglaubt, die Ereignisse am Hindukusch hätten hier am Heimatstandort keine Bedeutung. Wie naiv er doch war. Musste er sich auch hier im Dienst weiterhin beobachtet fühlen, mitleidig betrachtet oder sogar kontrolliert. Nein danke, dazu hatte er keine Lust. Er würde es schon allen zeigen, dass das Erlebte keine nachhaltige Veränderung in ihm ausgelöst hatte. Er brauchte einfach noch ein wenig Zeit.