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Vorwort

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In ihrem Essay Serielle Monogamie: Ein Erfahrungsbericht schreibt Nora Ephron über ihre zahlreichen Liebschaften mit Kochbüchern und deren Autor*innen. Sie schildert, wie sie die Rezepte von Michael Field und Julia Child nachgekocht und dabei »in Gedanken Gespräche mit beiden« geführt hat. Zufälligerweise führe ich, seit ich mit Anfang zwanzig zum ersten Mal Was nie im Trend lag, kommt auch niemals aus der Mode gelesen habe, in Gedanken Gespräche mit Nora Ephron.

Wenn ich eine Kolumne beendet habe, lese ich sie Nora laut vor und höre, wie sie mich auf übertrieben blumige Passagen oder lahme Pointen hinweist. Schreibe ich einen Dialog, lässt sie mich wissen, welche Stellen unglaubwürdig klingen. Während der Arbeit an meinem Memoir habe ich sie immer wieder gefragt, ob ich ihre perfekte Balance zwischen weich und hart hinbekomme – zwischen Zynismus und Begeisterung, das richtige Verhältnis von Ausführlichkeit zu Kürze, die passende Dosis Realität, gemischt mit der passenden Dosis Romantik.

Ich frage sie in fast jeder Angelegenheit um Rat, und in meinem Alltag habe ich einzelne Sätze aus diesem Buch immer im Hinterkopf. Ich muss bei der Pediküre an sie denken (»Das Drittbeste an einer Pediküre ist, dass die Füße danach wirklich bezaubernd aussehen«), beim Kleiderkauf (»Man sollte niemals etwas kaufen, das zu hundert Prozent aus Wolle besteht«), wenn ich im Flugzeug nervös werde (»Das Flugzeug wird nicht abstürzen«) oder im Restaurant sitze (»Man sollte immer zu viel Trinkgeld geben«).

Alle vertrauen Nora. Ihre Stimme ist beruhigend und wunderbar direkt – vor allem in dieser Essaysammlung. Sagt sie einem, man solle Limabohnenauflauf mit Birnen kochen, kocht man Limabohnenauflauf mit Birnen. Sagt sie, man könne gar nicht zu viele schwarze Rollkragenpullover besitzen, kauft man bei Marks & Spencer die Kaschmirabteilung leer. Sagt sie, man brauche einen in den Schreibtisch eingebauten Papierkorb, geht man die IKEA-Möbel mit der Säge an. In einer Welt der verwirrend vielen Möglichkeiten versprechen Nora Ephrons anspruchsvolle, genaue, lehrreiche und praxiserprobte Weisheiten aus dem Mund einer gebildeten, stets in Schwarz gekleideten Frau Trost und Entlastung. Aus diesem Grund habe ich Was nie im Trend lag, kommt auch niemals aus der Mode öfter verschenkt als jedes andere Buch. Ich kaufe es so regelmäßig nach, dass ich es einigen Freundinnen doppelt überreicht habe, an zwei aufeinanderfolgenden Geburtstagen.

Und obwohl ich es auch an meine männlichen Freunde verschenke, sind diese mutig ausgesprochenen Wahrheiten über die triviale und politische Unübersichtlichkeit weiblichen Lebens vor allem ein Leitfaden für Frauen. Nora Ephron hat ihre Essays in einer Zeit vor den sozialen Medien geschrieben (um deren Moralmafia sie sich, davon bin ich überzeugt, nicht gekümmert hätte), und über die Anforderungen an die moderne Frau äußert sie sich erfrischend offen. Sie schildert einerseits ihre Verwirrung darüber, andererseits ihre stellenweise Anpassung daran – ein verwirrendes Dilemma, in dem sich viele Frauen täglich wiederfinden und das in jedem Fall Schuldgefühle erzeugt. Nora Ephron führt uns den Wahnwitz des Ganzen vor Augen und zeigt uns, wo sie sich fügt und wo sie rebelliert. Beispielsweise will sie sich nicht zu einer Handtasche überreden lassen, weil Handtaschen teuer und unpraktisch sind: »Weshalb sich der Handtaschentrend bei Männern auch nicht durchsetzt. Wenn die eine Hand mit dem Tragen irgendeiner Tasche ausgelastet ist, ist sie nicht frei für all die aufregenden Dinge, die man womöglich mit ihr anstellen könnte: sich durch Menschenmassen drängeln zum Beispiel, geliebte Menschen umarmen, sich die glitschige Kletterstange zum Erfolg hochkämpfen oder aufgeregt ein Taxi heranwinken.« Haarentfernung in der Bikinizone braucht nur, wer einen Bikini tragen möchte, aber wenn es so weit ist, empfiehlt sie Atemübungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs: »Ich kann den Kurs sehr empfehlen, wenn auch nicht zur Geburtsvorbereitung, denn dafür ist er praktisch nutzlos.« Sie lässt sich zweimal wöchentlich die Haare machen, denn das ist »weit billiger als eine Psychoanalyse und macht viel mehr Spaß«. Und sie rät zur ständigen Instandhaltung, denn »sollte man im Supermarkt einem Typen begegnen, der einen irgendwann mal abgewiesen hat, muss man sich nicht hinter einem Stapel Dosen verstecken«.

Solche bescheidenen und selbstironischen Beobachtungen bilden den leisen Grundton ihrer unverwechselbaren Komik. Sie braucht uns nicht zu erklären, wie schick, intelligent und beliebt sie ist, denn all das kommt in ihren Sätzen und Geschichten ganz unangestrengt zum Vorschein. Stattdessen enthüllt sie beherzt auch ihre weniger anziehenden Eigenschaften, egal ob sie uns beichtet, dass sie und ihre Freundinnen Stehkragen tragen, um die alternden »Truthahnhälse« zu verstecken, und am Ende aussehen wie »die weiße Version der Ladys aus Töchter des Himmels, oder ob sie uns mitteilt: »Leider muss ich Ihnen sagen, dass ich einen Bart habe.« In Die Geschichte meines Lebens in 3500 Wörtern oder weniger erklärt sie: »Wenn man auf einer Bananenschale ausrutscht, lachen die Leute über einen; aber wenn man den Leuten erzählt, dass man auf einer Bananenschale ausgerutscht ist, lacht man selbst. So wird man nicht zum Opfer, sondern zur Heldin des Witzes.« Nora Ephrons Komik steht beispielhaft nicht für einen Schreib-, sondern für einen Lebensstil. Für den unbändigen, gut gelaunten, risikofreudigen Elan, Erfahrungen zu den eigenen Bedingungen zu machen.

Ihr treffsicherer und wortgewandter Witz lebt auch von ihrer Liebe zum Detail. Sie war eine große Anhängerin der Kunst der Genauigkeit, die aus sämtlichen ihrer Texte spricht – den journalistischen Arbeiten, den Filmdialogen und selbst den Kochrezepten. In ihren Essays zeigt sich diese Besessenheit immer wieder und garantiert ein großes Lesevergnügen, egal ob sie eine kurze Abhandlung über die Geschichte der Salatmoden schreibt, über ihre emotionale Hinwendung zu, Enttäuschung über und einseitige Beziehung mit Bill Clinton oder über ihre leidenschaftliche Affäre mit ihrem Wohngebäude, die sich, als die Mietpreisbindung ausläuft, als ein typischer Fall von unerwiderter Liebe entpuppt. Es sind diese bis ins Kleinste ausgearbeiteten Details, die ihre Kunst so originell machen, und ganz nebenbei umschifft sie selbst bei vielfach bearbeiteten Themen elegant alle Klischees.

Ihr Timing macht die Geschichten hochspannend, denn selbst in der Rolle der Essayistin bleibt Nora Ephron im Grunde eine Drehbuchautorin. Das Kino war nicht nur ihr Beruf, sie hatte es im Blut (beide Eltern schrieben Hollywooddrehbücher), und sie wusste, wie man ein Narrativ durchgestaltet: Ungewissheit, Spannung, Höhepunkt, Überraschung, Finale. In der Kolumne vom verlorenen Krautstrudel gelingt es ihr, die Suche nach einem bestimmten New Yorker Gebäck als fesselnden Mysterykrimi darzustellen. In Ich und JKF: Jetzt kann ich es ja erzählen testet sie ihre Fähigkeiten als Storytellerin in einem wohl getakteten Stück mit absolut antiklimaktischem Ende aus, und es gelingt ihr mit Bravour.

Doch auch die Journalistin Ephron ist immer mit dabei. Nora Ephron hat ihre Karriere in einer Nachrichtenredaktion begonnen, und sie hat die Zunft und den Zusammenhalt geliebt. Die Herausgeberin Tina Brown schrieb in ihren Vanity Fair Diaries, eine gute Journalistin sei eine Person, die das Entscheidende wahrnehme – ein Talent, das sich nicht erlernen lässt und das Nora Ephron im Übermaß hatte. Ihre Essays sind angereichert mit Anekdoten von Freundinnen (besonders gut gefällt mir die von Jane, die mit einem berühmten Schriftsteller schlief; er bewahrte eine Kiste mit seinen Büchern direkt neben der Haustür auf und forderte seine Geliebten auf, sich auf dem Weg nach draußen eins mitzunehmen) und mit Zufällen, denen sie aus reiner Neugier weiter nachging, wie beispielsweise der Entdeckung, dass Nancy Reagan in LA in derselben Boutique einkauft wie sie, woraufhin sie sich plötzlich furchtbar alt fühlt. Sie beobachtete pausenlos, und es wurde zu ihrem Mantra: »In allem steckt eine Story.« Das hatte ihre Mutter früher immer zu ihr gesagt. In diesem Buch findet sich noch ein weiterer Ratschlag ihrer Mutter, den diese ihr gab, als sie im Krankenhaus im Sterben lag: »Du bist eine Reporterin, Nora. Mach dir Notizen.«

In Was nie im Trend lag, kommt auch niemals aus der Mode geht es um das Altern, wie es in der Reflexion früherer Lebensentscheidungen und möglicher Reue erforscht wird; um Lektionen, die gelernt, Weisheiten, die gesammelt, und Fehler, die gemacht wurden. Das Thema passt perfekt zu Ephrons typisch bittersüßer Herangehensweise, und schon auf den ersten Seiten warnt sie uns, dass ihr Ausblick aufs Altern kein Lobgesang wird: »Hin und wieder lese ich ein Buch übers Altern, und egal von wem es stammt, es heißt immer, es sei großartig, alt zu sein. Es sei ein Gewinn, weise und klug und milde zu sein; es sei ein Gewinn, sich im Leben an einem Punkt zu befinden, wo man wisse, was wirklich zähle. Ich kann Leute nicht ausstehen, die so reden. Was denken die sich? Haben die keinen Hals?«

In Was wäre denn die Alternative?, dem letzten und meiner Ansicht nach stärksten Essay des Bandes, setzt unsere Heldin ihren Kummer über das Älterwerden in ein Spannungsverhältnis zum Glück, noch am Leben zu sein; und hinzu kommt der Frust, über keins von beidem reden zu dürfen, ohne gleich als »morbide« zu gelten. Das ist ebenso schonungslos wie tröstlich, eine leise Klage und gleichzeitig eine Liebeserklärung an das Leben selbst. Denn all das – das Leben – hat Nora Ephron spürbar geliebt, was das letzte Kapitel dieses Buches umso schöner und trauriger macht. Über die Alternative nachzudenken, fiel ihr schwer, denn ihr Leben mitsamt seinen Freuden und Enttäuschungen, den zufälligen und den schicksalhaften Begegnungen, den alltäglichen und den bedeutsamen Momenten hat sie sehr genossen. Sie sucht eine ganze Stadt nach einem bestimmten Krautstrudel ab, belauscht einen aufregenden Nachbarschaftsstreit, kippt zu viel von ihrem Lieblingsöl ins Badewasser, kocht erfolgreich Rezepte nach, schwelgt in den Anekdoten ihrer Freundinnen und sammelt Geschichten. Nora Ephron hat es geliebt zu leben und zu lernen. Dass sie uns ihre Aufzeichnungen überlassen hat, ist ein großes Glück.

Dolly Alderton, 2020

Aus dem Englischen von Eva Bonné

Was nie im Trend lag, kommt auch niemals aus der Mode

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