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Nina und Lukas im Reisefieber

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Unter uns – Grünschnabel, Kwautsch, Fridolin und mir – gab es ziemlich bald nur noch ein Thema, nämlich die geplante Reise von Lukas und Nina in den Norden. Uns war natürlich klar, dass die beiden auf dieser Reise allein sein wollten. Aber es war schon etwas Besonderes, in der Zeit davor an den Vorbereitungen und Plänen beteiligt zu sein. In jenen Jahren war die Fotografie im Umbruch. Die Menschen fotografierten nicht mehr mit Fotoapparaten, bei denen man einen Film einlegen musste. Die Technik kann ich euch nicht erklären, ich weiß nur, dass Lukas uns seine Bilder später auf dem Bildschirm zeigen konnte. Ich war mir sicher, dass er sich nach dieser Reise Zeit mit uns nehmen würde, um uns einige Eindrücke zu verschaffen. Na ja, gesagt hatte er es noch nicht. Aber so wie ich ihn kennengelernt hatte, war es ihm wichtig, auch uns ein Erlebnis zu bereiten. Es war so, dass in den Wochen, in denen er auf Reisen war, niemand da war, der uns versorgen würde. So galt sein erstes Augenmerk der Frage: Was muss ich alles tun, dass es meinen Kindern gut geht. Dabei war zu berücksichtigen, dass es im Haushalt einige Dinge gab, die wir nicht bewältigen konnten. Das Aufdrehen eines Wasserhahnes stellte eine fast unlösbare Aufgabe dar. Dazu kam die sehr viel größere Schwierigkeit: Wie sollten wir es hinbekommen, das Futter richtig einzuteilen? Er würde uns dazu auch einen Vorrat an Schokolade bereitlegen. Aber Kwautsch, Grünschnabel und Fridolin waren so verfressen, wenn es um Schokolade ging, dass ich befürchtete, sie würden schon alles am ersten Tage vertilgen. Dass ich selbst außerordentlich gerne Schokolade aß, hatte ich euch erzählt. Aber mir fiel es leichter, mich zu beherrschen. Grünschnabel und Fridolin neigten dazu, alles gleich auf einmal zu essen.

Aber so weit war es noch nicht. Die größte Sorge meinerseits war, es könnte ihnen dann ganz schlecht werden, und ich müsste einen Doktor holen. Unser Papa hatte uns alle versichert. Das funktioniert wie bei den Erwachsenen. Wenn wir krank sind, ruft er beim Doktor an. In den meisten Fällen gibt er ihm irgendwelche Tipps, die helfen, dass wir bald wieder fit sind. Es ist ganz selten vorgekommen, dass er uns nehmen und mit uns in die Praxis fahren musste. Da er selbst nicht Auto fährt, bedeutete das immer eine Fahrt mit dem Taxi. Und die ist ganz schön teuer. Aber wie ich sagte: Das kam bislang selten vor.

Deshalb war es auch unwahrscheinlich, dass in den zwei Wochen, die sich unser Papa auf Reisen befinden würde, eine Behandlung nötig wäre. Und ich war damals schon sehr sicher, dass Lukas vor der Reise noch einmal ganz ausführlich mit uns sprechen würde. Insbesondere Fridolin würde er noch einmal richtig ins Gewissen reden. Er wusste, dass Fridolin der frechste von uns war und sich manchmal Dinge zutraute, die dann doch zu schwierig und nicht zu schaffen waren. Der Unfall, bei dem er sich damals den Flügel brach, war nicht der einzige. Er hatte immer wieder das Glück, dass die Verletzungen gut heilten, die er sich zugezogen hatte.

In den folgenden Wochen blieb Lukas abends häufig länger weg, als wir das kannten. Es gab für ihn eine Menge Dinge zu besorgen, die er bis dahin nicht gebraucht hatte. Einmal sagte er: „Heute Abend werde ich noch einkaufen gehen. Ich muss Angoraunterwäsche kaufen.“ „Was ist denn das?“ krähten wir alle durcheinander. Keiner von uns hatte das Wort je gehört. „Das ist Unterwäsche, die aus einem besonders feinen und warmen Material gearbeitet ist. Im Norden ist es sehr kalt.“ „Sooooooooooooooooo kalt?“ Wir konnten es nicht fassen. So etwas brauchten wir in unserer Stadt nicht einmal in den Wintern, von denen die Menschen sagten, dass sie besonders kalt wären. Wir wussten zwar, dass dann auch besondere Maßnahmen getroffen werden. Papa lüftet zum Beispiel immer am Morgen ganz kurz und macht dabei das Fenster weit auf. Wir haben nie so richtig begriffen warum, aber er weiß sicher, was er tut. Wie kalt würde es im Norden erst im Winter sein, wenn die Menschen im Sommer schon so warme Sachen tragen mussten? Wir waren uns sicher, dass unser Papa nach der Reise viel erzählen würde. Aber ich wusste zu diesem Zeitpunkt schon, die Zeit bis zu seiner Rückkehr würde uns endlos vorkommen.

Der Tag der Abreise rückte näher. Wir waren gewohnt, dass Lukas schon mal allein wegfuhr. Bis zu dieser Reise war er immer mit vergleichsweise wenig Gepäck ausgekommen. Aber das hier übertraf alles: zwei Koffer, eine kleine Tasche, in der er seinen Laptop verstaut hatte, und einen Rucksack. Mit dem Zug wollte er zu Nina fahren und mit ihr dann weiter zu dem Schiff. Da Lukas auch keine Ahnung hatte, was ihn erwarten würde, konnte er uns auch vorher nichts davon erzählen. Wir hatten ihm das Versprechen abgenommen, dass er sich immer mal wieder mit dem Telefon melden würde, damit er wusste, wie es uns ging und was wir so alles erlebten.

Die Reisen des Raben Maximilian

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