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3.3.3 Bürokratie und Non-Profit-Organisationen

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Nichts scheint einer Bürokratie ferner zu sein als eine Non-ProfitOrganisation. So betont Horch (1985), dass in solchen Organisationen die PersonalisierungPersonalisierung und Ambivalenz anstatt klarer Regeln vorherrschen.

Allerdings kann man den Prozess der BürokratisierungBürokratisierung in NPOs besonders gut beobachten, also den Prozess der Regelbildung, der zunehmenden Formalisierung, der schriftlichen Fixierung der Regeln usw. So wie sich einst der westliche moderne Staat entwickelte, so entwickelt sich aus der Non-Profit-Organisation ein moderner Dienstleister. Diese Analogie ist passfähig. Denn die Honoratioren, von denen Weber sprach, sind wie die Ehrenamtlichen einer Non-Profit-Organisation. Die Probleme der ehrenamtlichen Führung kann damit letztlich mit Bürokratisierung begegnet werden. Man kann diesen Prozess auch als eine nachholende Modernisierung interpretieren. Non-Profit-Organisationen im Sport gelten als untersteuert. Sie haben zu wenig explizite Regeln, um effizient funktionieren zu können. Es gibt zu wenig Schriftlichkeit: Geht der Amtsinhaber, geht auch sein Wissen, und mündliche Absprachen sind nicht einklagbar. Man kann den ehrenamtlichen Mitarbeitern keine Befehle erteilen. Es gibt damit auch keine Befehlshierarchie. Man spricht hier von Personalisierung: Das Amt ist abhängig vom Träger der Position (Horch 1985). Ein Mangel an ProfessionalitätProfessionalität ist ein häufig vorgebrachter Vorwurf an Vereine und Verbände. Dies geht oft einher mit der Forderung nach Hauptamtlichkeit im Management. Stimmt dieser Vorwurf? Um die Frage zu beantworten, muss man zunächst klären, was unter Professionalisierung eigentlich zu verstehen ist, da hier sehr viele unterschiedliche Definitionen Verwendung finden (z.B. Emrich/Pitsch/Papathanasiou 2001, 79ff). Klar ist lediglich, dass es sich bei der Professionalisierung um einen Prozess handelt, an dessen Ende Professionalität steht. Nach Schütte lassen sich drei Felder unterscheiden, auf die sich Professionalisierung dabei beziehen kann (Schütte 2008, 29ff):

 Berufe: Hier geht es um die Frage, inwieweit ein Beruf zu einer Profession wird. Eine Profession ist ein besonders machtvoller und angesehener Beruf, der auf wissenschaftlichen Qualifikationen beruht und zu einer gesellschaftlichen Machtstellung gelangt ist, wie es z.B. für Ärzte angenommen wird. Dies ist das verbreitetste Bedeutungsfeld der Professionalisierung (siehe Kapitel 6).

 Organisationen: Wendet man den Begriff der Professionalisierung auf Organisationen an, so hat diese Verwendung zwei Dimensionen: Man kann Organisieren professionalisieren, indem man das Level der Qualifikation der Mitarbeiter erhöht. Die zweite Dimension findet sich typischerweise nur in Non-Profit-Organisationen. Dort geht es um die Verberuflichung von Positionen. Aus ehrenamtlichen Stellen werden hauptamtliche bzw. hauptamtliche ergänzen die ehrenamtlichen Stellen.

 Tätigkeiten: Letztlich kann man auch Handlungen insbesondere im beruflichen Kontext danach beurteilen, inwieweit sie mit dem „State of the Art“ übereinstimmen. Das Statement „Wir müssen da professioneller agieren“ hört man häufiger und spielt direkt auf dieses Verwendungsfeld an.

In diesem Zusammenhang hat Heinemann ein Professionalisierungsdruck- und -grenzen-TheoremProfessionalisierungsdruck-und -grenzen-Theorem aufgestellt. Es bezieht sich auf Organisationen (also nicht Beruf oder Tätigkeit), wobei die VerberuflichungVerberuflichung von Ehrenamt zum Hauptamt im Vordergrund steht. Zunächst konstatiert er, dass die Welt des Sports sich stark wandelt: Es steigen die Mitgliederzahlen. Neue Finanzierungsformen in Form von Sponsoring, TV-Rechten, neue Werbeformen wie Bandenwerbung bieten neue Einnahmequellen. Der Sport selber entwickelt immer neue Sportarten und die Mitglieder weisen gewandelte Motive zum Sportzutreiben auf. Zudem kommt hinzu, dass die zunehmende Verrechtlichung der GesellschaftVerrechtlichung der Gesellschaft auch im Sport stattfindet.

Gleichzeitig ist der Sport kaum professionalisiert. Dies führt nach Heinemann zu einem Druck zur Einführung und zum Ausbau bestehender Hauptamtlichkeit (Heinemann 1990, 118ff, auch Heinemann/Schubert 1994). Wohlfahrtsverbände und Parteien haben sich früher und stärker professionalisiert als der Sport, der nun nachhohlen muss. Schließlich kann man mit Max Weber argumentieren, dass das Hauptamt dem EhrenamtEhrenamt überlegen ist (Schütte 2000):

 Die benötigte Qualifikation eines Hauptamtlichen kann im Gegensatz zum Ehrenamt gesichert werden. Bei Ehrenamtlichen muss man diejenigen nehmen, die sich bereiterklären. Bei Hauptamtlichen hingegen kann man durch Rekrutierung aussuchen.

 Die Rekrutierung eines Hauptamtlichen kann nach rein sachlichen Kriterien erfolgen.

 Hauptamtliche sind relativ leichter ersetzbar als Ehrenamtliche, weil das potenzielle Rekrutierungsreservoir deutlich größer ist.

 Da die Hauptamtlichen (auch) durch das Anreizmittel Geld motiviert werden, übernehmen sie auch unangenehme Arbeiten.

 Ehrenamtliche können den Verein durch Rücktritt sanktionieren – sie verlieren damit nicht ihre Lebensgrundlage. Hauptamtliche dagegen können in zweifacher Weise sanktioniert werden: Es gibt die üblichen arbeitsrechtlichen Mittel (Abmahnung, Schadensersatz etc.) und zudem die Peitsche der ArbeitslosigkeitPeitsche der Arbeitslosigkeit (Max Weber).

 Fluktuation ist bei ehrenamtlichen wie hauptamtlichen Positionen verbreitet. Die Chance der Dauerhaftigkeit des Verbleibs eines Hauptamtlichen ist dennoch deutlich höher als bei einem Ehrenamtlichen. Wo der Ehrenamtliche eine Beschäftigung in seiner Freizeit abgibt, verliert der Hauptamtliche seinen Lebensunterhalt.

 Die Arbeitszeiten der Hauptamtlichen sind flexibel gestaltbar. In der Regel decken sie sich mit den Geschäftszeiten, aber auch vertragliche Arrangements für Nacht- und Wochenendzeiten sind machbar. Die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsbetrieben und dem Staat gestaltet sich für Ehrenamtliche schwer, da sie zu Geschäftszeiten (meist) arbeiten müssen.

 Hauptamtliche Tätigkeit ist ehrenamtlicher Arbeit umso überlegener, je weniger Zeit und Qualifikation von den Ehrenamtlichen eingebracht werden können.

 Zudem sind viele Unsicherheiten, die das ehrenamtliche Engagement mit sich bringt, bei Hauptamtlichen nicht vorhanden.

 Die Überlegenheit hauptamtlicher Mitarbeiter ist für viele Geldgeber ein Grund, Zahlungen an Non-Profit-Organisationen an eine Verberuflichung zu knüpfen.

Natürlich gibt es auch Nachteile von Hauptamtlichkeit. Sehr gravierend ist, dass Hauptamtliche Geld kosten, während Ehrenamtliche unentgeltlich für den Verein oder Verband tätig sind. Zudem führt die Einführung von einem Hauptamt zu einer Implementierung eines strukturellen KonfliktsKonflikt, struktureller zwischen Hauptamt und Ehrenamt. Jede Zusammenarbeit von Vorgesetzten und Mitarbeitern ist von unterschiedlichen Interessen geprägt und enthält auch sonst noch weiteres Konfliktpotenzial in sich. Dieses KonfliktpotenzialKonfliktpotenzial bekommt durch das Nebeneinander unterschiedlicher Logiken und durch die Kompetenzverteilung eine eigene Prägung. Dabei kommt es im Arbeitsalltag immer wieder zu Kompetenzproblemen. Der bezahlte Manager hat das Wissen, aber nicht die Entscheidungsgewalt, während die Entscheidungsgewalt bei einem Ehrenamtlichen liegt, er aber aufgrund seiner geringeren Arbeitszeiten in der Organisation gar nicht so viel Wissen haben kann wie der Hauptamtliche (Bürgisser 2012). Winkler und Karhausen (1985) haben dies für Sportverbände untersucht und auch die Studie von Horch, Niessen und Schütte (2003) konnte dies für Vereine und Verbände bestätigen.

Letztlich kann die Verberuflichung zu einer Transformation des Vereines oder Verbandes führen. Sie werden dabei erwerbswirtschaftlichen Betrieben oder staatlichen Verwaltungen immer ähnlicher. Einige Autoren (z.B. Vaal 1965) sprechen von einem Selbstzerstörungszirkel des EhrenamtsSelbstzerstörungszirkel des Ehrenamts. Dabei wird eine Unvermeidlichkeit unterstellt, die empirisch so nicht gegeben ist. Zudem muss es kein Nachteil sein, wenn alle diese Transformation wollen und es wirtschaftlicher ist. Horch (1995) hält deswegen auch die Bezeichnung Transformationsprozess für geeigneter.

Die Vorteile des Hauptamts werden umso stärker und gleichzeitig die Nachteile des Ehrenamts umso gravierender, je weiter sich die Non-Profit-Organisation entwickelt. Entwicklung geht mit einem Größenwachstum (Mitgliederzahl, Finanzen) und mit einem Aufgabenwachstum einher. Wenn das Hauptamt so überlegen ist, warum ist der selbstverwaltete Sport dann kaum professionalisiert? Heinemann argumentiert mit Grenzen (besser Hindernissen) der Verberuflichung. Sie hätten bislang die ProfessionalisierungProfessionalisierung verhindert. Heinemann belegt seine Thesen empirisch. Dabei korreliert er die Struktureigenschaft „Anzahl hauptamtlicher Mitarbeiter“ mit den Variablen, die er als Ursache für den Druck zu mehr Hauptamtlichkeit ansieht. So kann er Hypothesen testen wie z.B. „Je mehr Mitglieder der Verein hat, umso mehr Hauptamtliche arbeiten im Vereinsmanagement.“

Tatsächlich findet er eine Reihe von beachtlichen Korrelationen und kann so seine These stützen. Bei einer Überprüfung dieser Hypothesen konnten mit der gleichen Methode weitgehend die gleichen Ergebnisse erzielt werden (Horch/Niessen/Schütte 2003 bzw. Schütte 2008). Zudem kann die neue Untersuchung auch die Gültigkeit der Hypothesen von Heinemann für Verbände nachweisen. Fragt man jedoch direkt nach dem Bedarf an Hauptamtlichen, so kippt das Bild: Es gibt keinen überwältigenden Bedarf nach bezahltem Management im selbstverwalteten Sport (Schütte 2008).

Festzuhalten bleibt, dass Heinemann sein Theorem belegt hat, indem er vorhandene Strukturen (Anzahl der Mitglieder, Budgethöhe etc.) mit anderen Strukturen (Anzahl hauptamtlicher Managerstellen) korreliert hat. Diese Korrelationen werden als Erklärungen angesehen und führen zu einem Analogieschluss, welche die beste Organisationsstruktur in welcher Situation ist. Damit kann man den Ansatz der klassischen Kontingenztheorie zuordnen, die im nächsten Abschnitt näher erklärt werden soll.

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