Читать книгу Die MarmorBlüte | Erotischer SM-Roman - Nova Ostermond - Страница 3

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1. Kapitel

Alex lehnte zusammen mit seiner Cheftasse an einem der Fensterbretter im Konferenzraum und machte sie runter. »Blödsinnig«, fand er ihre Idee und: »Schwachsinn.«

Seine Kritik traf Mirella bis ins Mark, aber wie immer erregte sie sie auch. Alex war der einzige Typ in ihrer Umgebung, den sie attraktiv fand. Bryan war schwul, Simon zu jung und Niklas spurlos verschwunden. Da blieb doch nur noch Alex. Obwohl er präpotent war und supereingebildet.

»In diesem hübschen Kopf ist doch sonst nicht so viel Müll!«

Hübsch hatte er sie genannt, das war doch mal ein Fortschritt. In ihren Gedanken dankte sie es ihm mit einem Kniefall. Er würde ihren Kopf nehmen und ihn in seinen Schritt drücken und sie würde es genießen. Oh ja, Alex einen blasen ... Vielleicht würde sie dann mal ein Lob kriegen.

»Da musst du noch mal drüber.« Er stützte sich jetzt auf den Tisch und kam ihr gefährlich nahe. Sie konnte ihn riechen, er roch – Old School – nach »Fahrenheit«. Sie starrte auf seinen Ledergürtel mit der amerikanischen Cowboy-Schnalle und malte sich aus, wie er ihn aus den Schlaufen zog, um sie damit zu verprügeln.

Da rutschte ihr ein: »Ja, Sir!« raus und es war ihr schon peinlich, ehe sie es ausgesprochen hatte, doch es kam direkt aus dem Belohnungszentrum.

»Ich steh nicht auf devote Frauen, ich steh auf Powerfrauen. Also, blas mich weg!«

Nur zu gern, Sir!, dachte sie, aber sagte lieber nichts dazu. Sie glaubte ihm nicht so ganz. Er war der perfekte Dom, wie er im SM-Roman steht. Man hörte es am Tonfall, man sah es an seinem Gang, in seinen Blicken und an diesem Riesending in seiner Jeans, dem frau sich einfach unterwerfen musste – es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Als Mirella schließlich den Raum verließ, hatte sie das Gefühl, Sex gehabt zu haben. Sie war erhitzt, feucht und auf einem Natural High.

Alex schien es zu lieben, sie niederzumachen. Allerdings machte er jeden nieder, musste sie sich eingestehen. Er war Creative Director bei »Um die Ecke«, einer kleinen Werbeagentur in München, bei der sie seit einem Jahr als Junior-Texterin arbeitete. Davor hatte sie Grafik-Design an einer Privatschule studiert, in der ihr so wenig Wissen vermittelt worden war, dass sie nie gewagt hatte, sich einen Job darin vorzustellen.

Danach hatte sie gemalt und geschrieben und gewisse Zeit wegen psychischer Probleme in einer Klinik verbracht. Die hatte sie im Einstellungsgespräch sogar todesmutig erwähnt, um die riesigen Lebenslauflücken zu rechtfertigen. Aber niemand hatte etwas gesagt. Sie wusste inzwischen auch warum:

Die ganze Werbebranche war ein einziges Irrenhaus und alle Beteiligten waren noch abgehobener, als der abgehobenste Mitpatient, der ihr je begegnet war.

***

Alex zog sie unsanft aus dem Auto, packte sie bei den Haaren und führte sie so über die Straße. Der Himmel war magenta und grau, und im Hintergrund sang David Bowie »This is not America«.

Ihr Boss stieß sie auf eine Motorhaube, machte seine Hose auf und fickte sie unsanft von hinten. Niemand schien sich daran zu stören, obwohl es helllichter Tag war. Sie wollte sich aufrichten, aber er hielt sie unten.

Als sie aufwachte, spürte sie die Nachbeben eines Orgasmus’. »Alles okay? Du hast geschrien!«, platzte Simon ins Zimmer.

»Ich?«

»Ja, du! Also nicht geschrien, aber laut gestöhnt. Hattest ’nen feuchten Traum, was?«

»Frauen haben so was nicht.«

»Ja, klar!«

Simon Rybak war ihr Mitbewohner. Sie hatten sich in der Klapse kennengelernt. Er war fast zwanzig Jahre jünger als sie, ein über hundert Kilo schwerer Teddybär und sporadisch in sie verknallt.

»Ich mach erst mal Kaffee!«, rief er jetzt und knallte ihre Tür hinter sich zu.

Oh je, jetzt träumte sie schon von Alex. Alex Kornfelder, der unerreichbare Chef, und sie, die kleine Angestellte mit den masochistischen Fantasien. Niklas, ihr bis dato einziger Freund, war seit Jahren wie vom Erdboden verschluckt, nicht mal seine Mutter wusste, wo er war – oder wollte es ihr nicht sagen.

Und Alex war da. Er war so präsent, dass er sie bis in ihre Träume verfolgte.

Mirella ging duschen. Sie versuchte zum hundertsten Mal erfolglos, sich dabei mit dem Strahl des Duschkopfes zu befriedigen und stand schließlich mit hochrotem Kopf und durch die Nässe dunkelblonden Haaren vor dem großen Badezimmerspiegel und sah in ihre schilfgrünen Augen.

Eigentlich siehst du noch ganz gut aus für deine dreiundvierzig Jahre, sagte sie sich. Viele schätzten sie bis zu über zehn Jahre jünger.

Aber das mit den Männern ...

Simon war großherzig, immer hilfsbereit, manchmal launisch wegen seiner bipolaren Störung. Doch der Altersunterschied war ihr zu krass.

Niklas hatte sie geliebt. Sie hatte jedoch keine Ahnung, wo er sich gerade aufhielt. In welchem Krankenhaus, Knast oder Bar der Cayman Islands.

Diese masochistischen Fantasien waren seit der Pubertät da, vielleicht sogar länger, und nie hatte sie sie ausgelebt. Niklas verehrte sie zu sehr, als dass er ihren Hintern hätte versohlen können.

In letzter Zeit waren ihr Hang danach und ihre Libido so übermächtig geworden, dass sie ständig daran dachte und abwägte, ob sie sich nicht einen Dom per Inserat suchen sollte.

Es war logisch, unvermeidlich und eine geniale Idee, fand sie. Texten lag ihr. Allerdings wollte sie es auch nicht allzu deutlich ausdrücken. Na ja, vielleicht so:

»Suche gepflegten und gesunden Mann (30-55 Jahre), der mir nicht nur Italienisch beibringt.«

Das wär’s doch, oder?

Mein Gott, schon gleich acht! Sie musste um halb am Bahnhof sein.

***

»Meinst du, Alex schlägt seine Frauen?«, war Ute Meissner-Porzels erste Frage, als Mirella das Büro betrat. »So bossig, wie der ist!« Ute war wie immer übertrieben geschminkt wie für ein Vogue-Titelbild-Shooting.

Mirella zuckte mit den Achseln.

»Wär dir das egal?«, nervte Ute.

»Manche Frauen stehen da drauf.«

»Müssen die hohl sein!«

»SM ist doch ganz normal, nur Zicken und Schißhasen machen’s nie«, meldete sich Bryan Köpke zu Wort. Er war hinter Mirella ins Office geschneit. »Du siehst ungeschminkt tausendmal besser aus als sie, dabei ist sie fünfzehn Jahre jünger. Wie machst du das bloß?«, flüsterte Bryan Mirella zu.

»Hab bis zweiundvierzig nie gearbeitet.«

»Das wird’s sein!«

Um zehn wirbelte Alex ins Haus. »Neuer Auftrag! Und was für einer! ›Hartmann’s Wet‹!«

Alle drei sahen sich ratlos an. Sollte das ein Begriff sein?

»Wart ihr alle noch nie in den USA? Das ist das Feuchttüchlein schlechthin. Seit Jahrzehnten auf dem amerikanischen Markt etabliert. Der Boss will nach Europa expandieren. Und er will uns!«

Okay, Alex war eine Koryphäe in der Werbung. Er zeigte jedem seine riesige internationale Preissammlung, aber trotzdem war seine eigene Agentur noch sehr klein und unbekannt.

Lag es an Cannes? Dort hatten sie letztens einen Preis abgeräumt. Für einen Pralinenspot. Mirella hatte das Treatment geschrieben.

»Oh Mirella, ich küsse dich! Der Boss war zufällig in Cannes und hat gesagt, unser Spot hätte ihm unglaublich gut gefallen, weil er so sexy war! Ach, ich bin so happy!« Er beugte sich über Mirellas Schreibtisch und gab ihr tatsächlich einen dicken Schmatzer. Auf den Mund! Ute und Bryan blieb die Spucke weg!

»Denkt euch schon mal einen neuen Namen aus. Kurz und prägnant. Cool und international, aber europäisch. Kriegt ihr das hin?«

»Nass-Spaß?«, kam es wieder mal ausnehmend kreativ von Ute. Als niemand reagierte, kam sie mit: »Wet-Jet!«

Mirella verdrehte die Augen. Und die Männer taten es ihr gleich.

***

Mirella fuhr zum Friedhof, wo ihre italienische Mutter begraben lag. Sie war kurz nach ihrer Geburt gestorben. Zu früh, um ihrer einzigen Tochter diese schöne Sprache zu vermitteln.

Mirella stand jetzt vor dem Urnengrab und musste feststellen, dass die Mosaik-Vase mit der Kunstrose, die sie neulich erst gebracht hatte, genau wie die lackierte Tonblüte zuvor, verschwunden war.

Frustriert hängte sie wenigstens das gekaufte Herz an die Steinplakette. Erst jetzt fiel ihr auf, dass da ein schöner großer Strauß gelber Rosen stand. Außer ihr wusste nur noch ihr Vater von Mamas Geburtstag, und der mied Friedhöfe. Sie sah sich um; zwischen die Marmor-Engel, dem Blumen-Kontingent einer ganzen Gartenschau und den einsamen Witwen mit den Gießkannen ... Mirella fühlte sich beobachtet.

Ihr fiel Niklas ein. War er doch am Leben? Dachte er an sie? War er in der Nähe? Eine SMS von einer Nummer, die sie nicht kannte: »Ich denke an dich. Jetzt und alle Zeit.«

Plötzlich ein Anruf von Simon. »Da ist schon wieder was für dich gekommen, mir wird das langsam zu viel!«

»Was denn?«

»Impressionen.«

»Ach, das Kleid.«

»Ich wünschte, du würdest all diese Kleider auch mal anziehen.«

Ein Dom würde ihr ihren Bestellwahn schon austreiben, dachte sie und verließ den Friedhof, ihrer Mutter eine Kusshand zuwerfend.

Im Zug nach Hause sprach sie ein etwa fünfzigjähriger Mann mit schlohweißem Haar an. »Ist da noch frei?«, fragte er, obwohl unübersehbar noch viele andere Plätze unbesetzt waren. Er sprach ohne Akzent, sah aber südländisch aus.

Etwas verlegen richtete sie ihren Blick auf die vorbeiziehende Landschaft. Grüne Wiesen, weiße Steinhäuser, der Simssee. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihn. Er wirkte sehr gepflegt, war gut und teuer angezogen. Als sie ihre Shopping-Tüten zusammennahm, stand er auf und drückte ihr seine Visitenkarte in die Hand.

Sie lächelte schüchtern, er lächelte selbstbewusst.

Davide Giordano hieß er, war aus Grafing und Musik-Verleger. Beim Aufstehen stolperte sie über ihre eigenen Füße und er fing sie mit einem festen Griff auf.

»Ciao«, sagte er, lächelte wieder und fügte noch ein »Fiore« hinzu.

Sie sah sich vor ihm kriechen, mit einem Halsband um. Er schwang eine Peitsche und sie war voller Erregung.

Am Bahnhofskiosk suchte sie nach neuem erotischem Lesestoff, fand aber nichts, was sie nicht schon längst hatte.

Zuhause kochte Simon gerade Curry-Spaghetti.

»Im Zug hat mich einer angesprochen.«

»Das sag ich dir doch, dass du schön bist!«

Mirella glaubte das nie so ganz. Die grausamen Teenager-Jahre, in denen sie ausgesehen hatte wie ein Junge waren ihr immer noch zu präsent.

»Wie läuft’s im Job?«, fragte Simon.

»Wir haben einen neuen Auftrag. Großauftrag sogar.«

»Oh je, noch mehr Einkäufe, noch mehr Pakete.«

»Nein, ich bestelle nichts mehr.«

»Sagst du immer.«

Ob Davide sie wohl auf erotische Art verdreschen konnte? Niklas konnte es jedenfalls nicht. Er sagte immer, es sei irre und Mirella einfach nur »krass«.

»Gott hat das Ruhrgebiet erschaffen!«, brüllte Simon aus der Küche.

Mirella setzte sich auf eine der weißen Gartenbänke am großen, ebenfalls weißen Holztisch und ließ sich bedienen. Simon war Beikoch in einem indischen Restaurant und kochte dementsprechend scharf und würzig. Genau wie sie es gern hatte.

»Und, hast du was von Nik gehört?«, fragte er.

»Nein.«

»Immer noch verschwunden? Dann geh doch mit mir aus!«

»Simon ...«

»Ich bin dir zu dick.«

»Nein, das ist es nicht.«

»Was dann?«

»Das weißt du doch, der Altersunterschied.«

»Ach komm, Niklas ist auch jünger als du.«

»Aber nicht zwanzig Jahre!«

»Ich würde dir jeden Wunsch erfüllen.«

»Und wenn ich den Arsch versohlt haben will?« Sie sagte es so deutlich, um ihn abzuschrecken. Simon war ein Freund, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie hatte einfach keine sexuellen Hintergedanken, was ihn betraf.

Simon verschluckte sich an seinen Spaghetti.

»Trink was!«

»Und du, schalt dein Hirn ein! Du willst nicht allen Ernstes freiwillig geschlagen werden?«

»Ich steh da drauf.«

»Hast du’s denn schon mal ausprobiert?«

»Nein.«

»Das ist eine Phantasie«, sagte Simon. »Wie die, dass ich bei Bayern München im Tor stehe und mir die Frau des Elfmeter-Schützens einen in der Allianz-Arena bläst. Europaweit live übertragen. In HD. Totaler Quatsch eben.«

»Nenn es wie du willst, wenn du das nicht tun kannst, bist du nicht der Richtige für mich.«

»Okay.« Simon erhob sich und nahm einen Kochlöffel aus dem Abtropfbecken. »Beug dich über die Spüle!«

Mirella war zwar erregt durch die Ansage, aber er war nun mal nicht ihr Love-Interest. Es war, als bat sie ihr nicht existenter Bruder darum. Total abwegig!

»Simon!«

»Na komm schon, du stehst doch so drauf. Und ich mach das für dich.«

»Lass mich in Ruhe essen.«

Er steckte den Kochlöffel in das dafür vorgesehene Gefäß und setzte sich wieder. »Ich bin dir zu dick.«

»Mann, Simon, das sehe ich gar nicht. Aber ich spüre nichts außer Freundschaft.«

Simons Augen füllten sich mit Tränen.

»Es schmeckt echt super.«

»Das würde ich gern hören, wenn du meinen Samen geschluckt hast.«

Sie schob den Teller weg. »Ich hab keinen Hunger mehr.«

»Gib doch endlich zu, dass ich dir zu dick bin!«, rief er ihr hinterher, während sie ihr Zimmer ansteuerte. »Und spülen kann ich auch wieder allein, ja?«

Mirella warf sich auf ihr Bett und drehte die Anlage an. Hörte zum 721. Mal »Live aus ’m Pott« von Thomas Godoj.

»Den kriegst du nicht!«, rief Simon durch die Tür.

Mirella musste weinen. Zu keiner Zeit hätte sie gedacht, dass sich Simon in sie verlieben könnte, sonst wäre sie doch nie mit ihm zusammengezogen. Aber nur zu zweit konnten sie sich diesen verhältnismäßigen Luxus-Erstbezug leisten. Die Wohnung hatte drei Zimmer plus Gäste-WC, war ganz in Weiß und Türkis gehalten, was ihr ein griechisches Flair gab. Die zwei Strandkörbe im Wohnzimmer trugen auch ihren Teil dazu bei.

Sie rief die fremde Nummer vom Friedhof an.

Jemand nahm ab, sie hörte Atmung.

»Niklas?«, fragte sie vorsichtig. Aufgelegt.

***

»Sorry wegen vorhin. Ich hab eine neue Blue Ray. Mit Michael Fassbender, den magst du doch so«, sagte Simon.

»Schön, ich hätte Zeit.«

Hoffentlich war es nicht »Eine dunkle Begierde«. Darin waren einige Spanking-Szenen und Mirella wollte wegkommen von dem Thema, zumindest gegenüber Simon.

Es war aber Gott sei Dank ein X-Men-Film.

Simon sah sie an, wie man ein auf den Müll gefundenes Hündchen ansah. »Es gab auch die dunkle Begierde, aber die hast du bestimmt schon gesehen.«

Mirella wurde rot. Sie dachte daran, wie Keira darin von Michael verdroschen wurde und es verfehlte mal wieder nicht seine erotische Wirkung. Sie fand, dass Mr Fassbender ein außergewöhnlicher Darsteller war, den man so schnell nicht wiedererkannte in seinen Rollen.

So wandlungsfähig und tiefgründig. So wie Nik. Konnte sie mit Davide ausgehen, obwohl sie nicht wusste, was mit Nik war? Aber er würde nie das tun, wonach ihre Yoni verlangte. Es war aussichtslos. Sie dachte an die Visitenkarte in ihrer Tasche. Sollte sie es wagen?

Nach dem Film legte sie in ihrem Zimmer Tiziano auf und wählte die Nummer.

»Hier ist die Dame aus dem Zug«, sagte sie.

»Ah, Fiore!«

»Ich ... habe mir überlegt, ob Sie mir vielleicht Italienisch-Unterricht geben würden?«

Er lachte. Dann erwiderte er: »Ich weiß nicht. Bin kein ­Pädagoge. Wir könnten ja mal essen gehen und das besprechen. Bei einem Glas Wein?«

»Woher weiß ich, dass Sie kein Serien-Mörder sind?«

Er raunte: »Woher weiß ich, dass Sie keine Stalkerin sind?«

Jetzt musste sie lachen. »Dafür bin ich viel zu faul.«

»Ich auch, um Serienmörder zu sein. Da muss man übertrieben lange nachdenken. Und immer DNA beseitigen, viel zu viel Aufwand.«

»Sie scheinen Humor zu haben.«

»Also, vielleicht Donnerstag?«

»Va bene.«

»Ah, Sie sprechen schon sehr gut! Siebzehn Uhr dreißig?«

»Si, sono contenta di rivederti!«

»Ah, wir sind schon per du!«

»Vielmehr sind es wohl Grammatiklücken.«

»Ich freue mich auch auf dich, Fiore.«

***

Mirella war schon da, als er endlich eintraf. Er trug einen schwarzen Anzug und eine graue Krawatte, sie einen roten Hosenanzug.

»Ah Fiore, du siehst bezaubernd aus.«

Sie lächelte schüchtern. Er nahm ihre Hand und sie gingen hinein. Daniele, der Ober, begrüßte sie herzlich und brachte sie an den reservierten Tisch.

»Ich nehme die Mezze Lune«, sagte Mirella und David bestellte Spaghetti Neri.

»Also, du willst Italienisch lernen?«

»Volentieri«, antwortete Mirella, was so viel wie gern heißt.

»Warum?«

»Ich liebe Italien.«

Er lächelte breit. »Ja, Italien ist schön, aber du bist noch viel schöner.«

»Wenn du mich nach Haus fährst, wirst du es ausnutzen?«

»Hey, sie kennen mich hier, sie könnten alle bezeugen, dass ich mit dir hier war. Schlechtes Alibi. Was machst du beruflich?«

»Ich bin Werbetexterin.«

»Interessant. Ich muss mich mit launischen Musikern herumschlagen. Wenigstens ist es lukrativ.«

»Ja, meins noch nicht so. Aber ich habe in meiner Handfläche dieses Sternchen, siehst du? Das bedeutet, irgendwann kommt der Reichtum.«

»Steht da auch, wie viele Kinder du haben wirst?«

»Ja, hier die Querlinien unterm kleinen Finger. Angeblich also zwei. Aber da müsste ich mich ranhalten.«

»Wieso?«

»Weil ich dreiundvierzig bin.«

Er zog die Brauen hoch. »Scherzi!«

»Non scherzo.«

»Du siehst keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig.«

»Du übertreibst.«

»No, vero. Wirklich wahr. Du siehst sehr jung aus. Giovane. Come la mattina.«

Im Laufe des Abends stellten sie fest, dass sie gemeinsame Bekannte hatten. Vielleicht war es das, was sie dazu veranlasste, sich, wider ihrer paranoiden Natur, von ihm nach Hause bringen zu lassen.

»Hast du ein Pflaster? Ich habe mich an meiner Tasche geschnitten.«

»Im Handschuhfach.« Statt den Pflastern fielen ihr ein paar Hochglanz-Handschellen entgegen.

»Die hab ich immer dabei.« Warum fuhr er Handschellen im Handschuhfach mit sich herum, wenn er kein Dom war? Bulle war er schließlich keiner. Mirellas Herz schlug höher. Saß ihr Dom bereits neben ihr? Sie sahen sich in die Augen. Seine Augen waren honigbraun, wie Bernstein. Seine Wimpern länger als ihre.

»Würden Sie mich fesseln?«

»Auf Italienisch!«

»Legami! Das hab ich aus der italienischen Cosmopolitan.«

Davide lachte, dann sagte er: »Kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Ob es dir gefallen würde.«

»Ich glaube zu wissen, dass ich Masochistin bin. Ich habe ausschließlich solche Phantasien, ich lese nur so Zeug.«

»Bist du schon mal geschlagen worden?«

»Nein.«

»Nie?«

»Nie. Ich bin zu alt, oder?«, fragte sie.

»Du bist zehn Jahre jünger als ich.«

»Was ist es denn? Findest du mich nicht attraktiv?«

»Du bist wunderschön. Come un fiore di marmo, che non appassira mai. – Wie eine Marmorblüte, die nie verwelken wird.«

»Eine Marmorblüte, die nie verwelken wird? Wo lernt man so zu reden?«

»In Tropea.«

»Sicuramente.«

»Ich bin ein Dom, va bene? Eigentlich ein Dom in Rente. Ich hatte schon seit fünf Jahren keine Sklavin mehr.«

»Du hattest seit fünf Jahren keinen Sex?« Ungläubig blicke sie ihn an.

»Exakt.« Er wurde immer attraktiver für sie. Sie mochte keine Männer, die in der Gegend herumschliefen. Dafür hatte sie viel zu viel Angst vor Krankheiten.

»Ich liebe Sie jetzt schon.«

Sie waren da. Er machte das Handschuhfach auf und überreichte ihr die Handschellen. »Hier. Ich habe noch ein Dutzend davon. Probier sie mit deinem Freund aus, vielleicht steht er ja drauf.«

»Das wüsste ich aber.«

»So schlimm?«

»Ich wollte schon eine Anzeige aufgeben. ›Dom: verzweifelt gesucht‹.«

Er lachte, fuhr sich durch die schneeweißen Locken. »Pass auf dich auf!«, sagte er.

»Sicuramente.«

»Ich hoffe, du kannst noch andere Vokabeln als ›sicherlich‹.«

»Capezzolo.«

»Brustwarze?«

»Fiel mir gerade ein.« Sie nickte und wünschte ihm einen guten Abend.

»Ebenfalls«, erwiderte er und warf ihr eine Kusshand zu.

Oh mein Gott, dachte sie. Wahrscheinlich kann er auch noch singen.

War Davide derjenige welcher? Hatte sie ihr Ziel erreicht und durfte endlich zur Sklavin mutieren?

***

Brainstorming für ein Fliesengeschäft. Es brauchte eine neue Tagline, also einen neuen Untertitel.

»Besser Fliese als Wiese«, war Utes glorreicher erster Einfall dazu. »... weil in der Wiese Insekten, fiese.«

Mirella schüttelte den Kopf und kritzelte auf ihrem Notiz­block herum.

»Geil!«, meinte Bryan.

»Warum immer reimen?«, fragte Mirella genervt und kam mit: »Bei Fitzeck wird jedes Eck so, wie Sie es sich erträumen.«

Bryan: »Das ist doch auch halb gereimt und außerdem zu konservativ.«

Mirella verschränkte die Arme. »Fragen wir Alex. Wie wär’s mit: Bei Fitzeck gibt’s Träume auch ums Eck! Oder: Gehen Sie auf Traumböden. Luxusböden zu Traumpreisen. Auf Tritt und Schritt ein Hit.«

»Auch gereimt, aber okay!«, meinte Bryan gnädig.

So richtig wollten die Ideen nicht zünden. Dieser Typ ging Mirella nicht aus dem Kopf.

***

Das zweite Treffen. Er hatte sie zum Bahnhof bestellt. Jetzt kam eine SMS von ihm. »Sei in sechs Minuten beim Gardena.«

Klar war das zu schaffen, aber dann traf sie wieder mal jemanden aus der Klapse. Der laberte sie voll und wollte sie zum Schluss sogar noch anhauen. Als sie auf die Uhr sah, war sie schon zehn Minuten drüber.

Davide stand vor dem Ristorante, blickte sich um und gab ihr, als keiner guckte, auf offener Straße eine Ohrfeige. Sie war nur angedeutet, aber Mirella erfuhr trotzdem zum ersten Mal physische Gewalt. Es ging ihr durch und durch. Sie zitterte, ihr Herz raste und sie wurde geil. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

So übernahm Davide die Konversation: »Fiore, ich sagte: sechs Minuten!«

»Ja«, erwiderte sie kleinlaut. »Tut mir leid.«

Er nahm ihr Handgelenk und führte sie in die Gaststätte.

»Wie war’s?«

»Was?«

»Na, die Ohrfeige.«

»Erregend.«

Er lächelte zufrieden. »Okay, dann könnte es klappen.«

Schlag mich mit einem Gürtel, dachte sie. So richtig hart, ich brauch das. Es pochte bei diesen Gedanken in ihr.

»Du könntest Aufsätze schreiben und für jeden Fehler bestrafe ich dich. Mit dem Rohrstock. Wie fändest du das?«

Oh mein Gott, der Himmel tat sich auf. »Si, signore. Gern.« Sie schlug die Augen nieder.

»Ich krieg wahrhaftig dicke Eier, wenn du so guckst.«

»Wirklich?«

»Warte auf der Damentoilette in einer Kabine auf mich, ich halt’s nicht mehr aus. Wenn die Luft rein ist, ruf an.«

Keine fünf Minuten später war er hinter ihr. »Bist du bereit, den Arsch voll zu kriegen?«

»Ja, bitte.«

»Stütz dich auf den Klodeckel.« Er schob ihr Kleidchen hoch. Ihr erstes Spanking. Es war so aufregend. Seine Hand raste mit einer Kraft auf sie nieder, die ihr den Atem nahm.

Es klatschte jedoch mehr, als dass es wehtat. Er schlug sie so lange, bis jemand das WC betrat.

Ein Dutzend Schläge waren es aber doch geworden.

»Sag Grazie!«, befahl er.

»Mille, mille grazie, signore.«

»Gern geschehen, Sklavin.«

***

In ihrem Zimmer legte sie sich aufs Bett und hörte »Live aus ’m Pott«. Gerade wollte sie sich vor das Bett knien, um zu masturbieren, was das Zeug hielt, da klingelte es an der Haustür und Simon rief: »Mach auf!«

Hatte Simon wieder seine Schlüssel verlegt oder sie in einem Aufräum-Wahnanfall versehentlich weggeschmissen? Nur widerwillig erhob sie sich und schleppte sich zur Tür.

Simon stand im Türrahmen, bepackt mit drei prallvollen Büchertüten. Neben ihm ein abgekämpfter Mann, auch über und über bepackt mit Büchertüten.

»Hast du mal zehn Euro für das Taxi?«, fragte Simon.

Mirella holte das Geld aus ihrer Handtasche und bezahlte den Fahrer. Als er die Haustür hinter sich zugezogen hatte, rief sie: »Was zur Hölle ...?«

»Weil du mir am Herzen liegst, muss ich mich informieren.«

»Was ist denn das alles?«

Ein Buch fiel aus einer der Tüten und Mirella erkannte sofort am Cover, worum es sich handelte. Es war ein erotisches Buch, denn die Frau auf dem Titelbild war gefesselt.

»Simon!«

»Mirella!«

»Hast du das ganze Leidenschaftsregal leergekauft?«

»Hilf mir mal!«

Sie nahm drei Tüten, und zusammen trugen sie die heiße Lektüre in Simons Zimmer.

»Ich brauch jetzt Ruhe. Bekoch dich selber die nächsten Tage!«, sagte Simon und schloss seine Zimmertür.

Mirella kochte sich erst mal einen Kaffee und staunte über Simons neue Leselust. Der las sonst höchstens »Das lustige Taschenbuch« oder lernte Enzyklopädien auswendig.

»Oh mein Gott!«, kam es aus Simons Zimmer.

Mirella grinste.

***

Mirella und Davide gingen jetzt regelmäßig zusammen aus. Er bewunderte ihren ausgefallenen Musik-Geschmack, ihre perfekten Outfits und die immer neuen Düfte an ihr. Mit dem Italienisch kamen sie voran und Mirella verstand immer mehr, sogar wenn er mit Freunden und Familie aus Tropea telefonierte. Sie mochten dieselben Filme, wussten beide, das Leben zu genießen und alles war sehr harmonisch zwischen ihnen.

Davide war solide und verantwortungsbewusst, trotzdem wollte sie auf Nummer sicher gehen. Sie ging mit ihm zusammen zu seinem Urologen und ließ sämtliche Tests machen. Auf HP-Viren gab es noch keinen Test bei Männern, aber Davide hatte ausschließlich Jungfrauen gehabt, betonte er. »Erwachsene Jungfrauen!«

Mirella war keine Jungfrau mehr, aber Davide ließ ihr das durchgehen, weil sie immer Kondome benutzt hatte. Er wollte auch in dieser Beziehung Kondome benutzen. Allerdings wünschte er sich eine Sache unbedingt: »Ich möchte, dass du beim Oralverkehr schluckst.«

»Oh«, war ihre Antwort. Sie hatte überhaupt erst ein einziges Mal einem Mann einen geblasen. Mit Kondom.

Davide wurde – trotz der Jungfrauen – auf alles untersucht. Das beruhigte Mirella schon, aber das Schlucken machte ihr Angst. Als Davide kurz fürs Blutabnehmen den Raum verließ, sprach sie den Arzt, der groß und schlank war, eine modische Brille trug und sich auffallend oft räusperte, darauf an.

»Ist das Samenschlucken wirklich unbedenklich?«

Er räusperte sich nach dieser Frage von Mirella. »Sie werden erfahren, wenn es das nicht ist.« Wieder ein Räuspern.

»Schluckt Ihre Frau auch?«

Gott, die Frage war schneller in der Welt als ein Twitter-Eintrag.

Zum ersten Mal kein Räuspern, dafür ein Schmunzeln. Dann antwortete er: »Das ist doch ganz normal.« Daraufhin fügte er noch hinzu: »Für einen Mann gibt es kaum eine größere Erfüllung.«

Nahm er sie gerade in Gedanken? Fickte er ihren Mund? Hier in seiner Praxis? Holte er sich wohl heute Abend einen auf sie runter? Ob er an sie dachte, während er mit seiner Frau schlief?

Mirella war keine der Frauen, die so etwas abstieß. Im Gegenteil, es machte sie stolz. Vielleicht räusperte er sich auch nach dem Ejakulieren?

***

»Komm, das müssen wir feiern!«, rief Davide aus, als sie auf der Straße waren.

»Die Ergebnisse sind doch noch gar nicht da!«, hielt sie dagegen.

»Nein, dass du meinem Eier-Doc gefällst. Er ist mit einem Ex-Model verheiratet und hat höchste Ansprüche.«

Davide war es also auch aufgefallen. Ob er jetzt sauer war? Wie viele Schläge würden es werden?

»Zwanzig«, sagte Davide.

»Was zwanzig?«

»Schläge. Darüber hast du doch nachgedacht.«

Das war ja unheimlich.

»Komm, wir machen’s im Auto!«, schlug er vor.

»Was machen? Ich mach mit dir gar nichts, ehe nicht die Ergebnisse da sind.«

»Vom Spanken hat sich noch niemand was geholt.«

Er stieg zuerst ein. Auf die Rückbank. Sie musste über ihn klettern. Sie trug ein Kleidchen. Das kam ihm sehr entgegen. Er zog ihr Höschen beiseite, hielt sie am Nacken und schlug zu. Ach, deshalb die getönten Scheiben! Es tat nicht weh. Nicht annähernd. Aber es machte sie heiß.

»Und – wirst du jetzt schlucken, Baby?«

»Wenn die negativen Befunde da sind, vielleicht.«

Ein weiterer Schlag, sie stöhnte auf. Noch drei harte Schläge in kurzen Abständen.

»Du wirst, glaub mir. Ich kette dich an den Couchtisch und du wirst mir dienen.«

Das erinnerte sie an »Neuneinhalb Wochen«, den Roman, nicht den Film.

Beim Wort »dienen« kam es ihr fast. Sie stellte es sich bildlich vor. Diese Großkotzigkeit seinerseits, diese Allmachtsfantasie.

»Wirst du auch scharf essen, damit dein Samen besser schmeckt?«

Davide zog sie an den Haaren. »Sei nicht so frech, sonst ...«

»Sonst?«

»Nehm ich den Gürtel.«

»Nur zu.« Gott, Mirella, was tust du da?

»Geh hoch!«

Sie kniete über ihm, damit er an seinem Gürtel nesteln konnte.

»Ach nein, ich kann hier schlecht ausholen. Wir fahren zu dir.«

Zu Simon? Auf keinen Fall! Heute war ein Fußballspiel und er hatte seine Kumpel eingeladen.

»Das geht nicht, Sir.«

»Dann zu mir.« Ja, das war ihr lieber.

***

Es war ein großes weißes Haus mit römischen Säulen. »The White House« nannte sie es gleich. Umgeben von hohen Tannen, sehr abgelegen – ihr war schon auf der Fahrt dorthin mulmig.

»Komm«, sagte er, nachdem er den Code eingegeben hatte, wirklich wie beim weißen Haus, es fehlten nur noch bewaffnete Wachtposten.

»Hast du ein Spielzimmer?«

»Eine Spieletage!«

Tatsächlich war eine ganze Etage nach SM-Norm eingerichtet. Aber alles mit erlesenem Geschmack und auf feinste Ästhetik bedacht. Die Wände schmückten bordeauxfarbene Seidentapeten mit floralem Golddruck. Die Möbel waren aus Mahagoni. Um die Sache abzurunden, wartete Davide auch noch mit einem riesigen, mallorquinischen Himmelbett auf, mit romantischen Schnörkeln und schwarzem Eisen-Gitter. Natürlich fehlte auch das obligatorische Andreaskreuz nicht. Es glänzten sogar zwei davon ledern, eins schwarz, das andere weiß.

Es gab einen Strafbock, der mitten im Raum stand. Strafböcke spielten eine große Rolle in ihren Fantasien, wenn sie masturbierte. Sie war dabei auf diesem Bock festgebunden, wurde von hinten gefickt und vorher ordentlich verdroschen. Der Fußboden war aus ebenfalls spanischen Kacheln. Sie wusste schon, warum. Blut und Sperma waren so bestimmt besser wegzuputzen.

An der Wand hingen überall Kettenvorrichtungen, Halsbänder, Handschellen, Stöcke, Peitschen, Gerten in allen erdenklichen Ausführungen.

»Wo hast du das alles aufgetrieben? Muss doch auffallen.«

»Im Internet«, erwiderte Davide und dann schob er hinterher: »Ich möchte, dass du hier kniest.« Er zeigte auf den Boden vor einem riesigen Foto an der Wand. Ein Schwarz-Weiß-Portrait von ihm selbst.

»Streck dabei die Hände aus.«

Mirella ging in die Knie und tat, was er sagte, wie hypnotisiert. Er nahm eine dünnen Stock aus seinem Arsenal und schlug ihr ohne weitere Vorwarnung auf die Finger.

»Aua!«, schrie sie auf.

Er lachte. »Das ist erst der Anfang, Kleines. Hast du ihn angemacht oder nicht?«

»Absolut nicht.« Der zweite Hieb.

»Man konnte riechen, welches Parfüm du in deine Muschi gesprüht hast.«

Ein dritter Schlag. »Das war nicht meine Absicht.«

»Du lügst.«

Ein vierter und fünfter. Zitternd zog sie die Hände weg.

»Du hast anscheinend keine Ahnung, worum es hier geht! Du gehorchst mir. Ich bestimme, was du tust.«

Sie hielt ihre bebenden, mittlerweile roten Hände wieder hin.

»So geht das nicht, ich muss dich fesseln. Komm«, sagte er und nahm ihr Handgelenk. Er führte sie zum Strafbock, beugte sie am Hals und drückte sie bäuchlings darauf. Er ging um sie herum und schnallte ihre Hände fest. Dann ihre Fußgelenke. Dabei spreizte er ihre Beine so, dass sie sich ihm offen präsentieren musste. Der Akt der Fesselung überwältigte sie, zog sie in seinen Bann. Sie war schon so erregt, dass sie glaubte, er bräuchte nur einmal ihr Geschlecht berühren und sie würde einen Orgasmus erleben, in dem sie sich völlig verlieren würde. Die Musik, »Jeanne Mas«, tat ihr Übriges.

Er konnte sie jetzt ficken. Von hinten, von vorn, in die Mumu, in den Mund und in den Arsch. Aber er berührte sie nur, um ihre Augen zu verbinden. Für einen Augenblick erfüllte sie Panik.

Ein angsterfüllter Seufzer entglitt ihr. Er streichelte ihren Kopf und sagte mit einer ruhigen, scheinbar psychologisch geschulten Stimme wie die eines Arztes oder Pfarrers: »Hab keine Angst.«

Er war weder das eine noch das andere. Er war ein Dom.

Himmel, worauf hab ich mich da eingelassen, dachte Mirella und sie begann, am ganzen Körper zu zittern. Daraufhin fuhr er mit seinem Daumen zärtlich über ihren Nacken, die Wirbelsäule, ihren Hintern. Plötzlich traf sie ein harter Schlag. Sie keuchte und wand sich in ihren Fesseln. Aber das Zittern war verschwunden. Davide ging um sie herum, sie konnte es spüren. Es hörte sich an, als würde er etwas aus dem Regal nehmen, ein Buch. Sie vernahm den dumpfen Pfiff, den eine Ledercouch macht, wenn man sich auf sie setzt. Jeanne sang leise und passend vom ersten Mal, während Davide seine kehlige Stimme erhob und zu lesen begann ...

Die Frau im Buch war Rubens ausgeliefert. Seiner Gnade, seinem Wohlwollen, seinem Geschmack, seiner Begierde.

Sie trug nur ihr schwarzes Spitzenensemble mit den kleinen Glitzersteinchen, das Rubens ihr in Monaco gekauft hatte. Sie hing mitten im Zimmer an einer Kette. Erwartungsvoll sah sie, wie er mit einer Neunschwänzigen in den Händen um sie herumschlich. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen wie ein kleiner Junge unmittelbar vor der Bescherung. »Du zählst mit. Es werden fünfzehn sein. Genug, um dich feucht zu machen, zu wenig, um dich gerecht zu bestrafen.«

Bei dem Wort »bestrafen« fühlte sie einen wonnigen Schauer zwischen den Beinen, nein, mehr als das, sie freute sich darauf wie auf ein neues schönes Kleid, das sie anziehen würde, um ihn geil zu machen.

Er trat an sie heran, fasste in ihr Haar, zog ihren Kopf grob in den Nacken und sagte: »Du machst mich wahnsinnig.«

Sie musste lächeln.

»Das wird dir gleich vergehen, Kleine.«

Er traf ihren Rücken. Sie keuchte auf, weil er mit aller Kraft zugeschlagen hatte, ohne Vorwärmung.

»Mitzählen«, befahl er und sie wimmerte mit erstickter Stimme: »Eins.«

Es folgten Nummer zwei, drei, vier und fünf in einer unerbittlichen Aneinanderreihung der härtesten Schläge, der er sie bis jetzt ausgesetzt hatte. Sie wagte nichts zu sagen.

»Du hast nicht mitgezählt, also noch mal von vorn.«

Das Wasser stand ihr in den Augen. Als er erneut auf sie einpeitschte, brachte sie keine Zahl heraus, sondern nur: »Warum?«

»Weil du ihn angelächelt hast.«

Sie begann zu weinen. Sie wusste noch nicht mal, wen er meinte. Das Auspeitschen war immer ein Highlight gewesen, ein Teaser vor dem großen Fick. Aber nun hatte sie solche Schmerzen. Er hatte seine Macht missbraucht. Und doch war sie feucht. Ihre Mumu pochte. Ihr Hirn war voll mit Endorphinen. Er begann sie zu lecken. Die Striemen, die so brannten, wurden von seiner Zunge gelöscht. Danach blies er sie trocken.

»Tu das nie wieder.« Er löste sie von ihren Ketten und trug sie ins Bett ...

Davide klappte das Buch zu. Mirella wartete darauf, dass er hinter sie trat und sie nahm. Nun, er trat hinter sie, aber er berührte sie nur sanft mit den Fingerspitzen. Die waren bestimmt feucht, dachte sie und er umfasste ihr ganzes Geschlecht mit der Handfläche, streichelnd. Stetig. Er blieb an der Oberfläche, drang nicht in sie und doch ging er tief. Sein Daumen drückte bestimmend auf ihre Klitoris. Sie seufzte und der Fakt, dass sie nicht wegkonnte, multiplizierte den Druck, die Erregung. Die süße Schärfe. Wie es wohl sein mochte, ausgepeitscht zu werden? Würde es ihr gefallen?

Gleich würde sie es wissen. Er schlug sie jetzt auf den Hintern. Vermutlich mit einer Peitsche.

»Eins.«

Oh je, zwanzig hatte er vorhin gesagt. Der Schmerz war betäubend, und doch entfuhr ihr ein Stöhnen, das nach Wonne klang. Aha, das war sie also, die erste Klasse in SM. Wo waren ihre ABC-Mütze und die Schultüte? Oder vielmehr das Halsband und das Korsett?

»Zwei«, brüllte er.

Was, wenn er komplett die Beherrschung verlöre? Würde sie je wieder sitzen können? Aber sie war ohne Zweifel mehr als erregt. Es war, als würde eine tonnenschwere Last von ihrem Herzen genommen. Befreiend. Es war gut. So gut, dass sie beim zehnten Schlag nicht schrie, er solle aufhören, sondern den nächsten Schlag herbeisehnte.

Als die Schläge komplett ausgeführt waren, war sie happy. Nicht, weil es vorbei war, sondern weil sie auf paradoxe Weise schmerzlindernd waren. So wie Gift auch Medizin sein kann.

***

»Also, ich habe jetzt zehn Bücher gelesen.«

»Zehn? In vier Tagen?«

»Ja, ich wollt’s jetzt wissen!« Simon machte sich ein Mayo-Peperoni-Sandwich. »Ich glaube, ein Muster zu erkennen. Also, der Mann heißt immer Ruben, sie ist immer unerfahren, sie ficken, die Frauen werden gefesselt, geschlagen, gepeitscht und ohne Analplugs geht gar nichts. Und am Ende kriegen sie sich immer! Flogger, Wartenbergräder, Nippelklemmen, Spreizstangen, Andreaskreuze, ich kenn mich jetzt voll aus. Und ich beginne, dich zu verstehen. Manchmal hatte ich echt ’nen Steifen.«

»Wahrscheinlich bei den Oralsex-Szenen.«

»Woher weißt du das? Okay, ich muss noch schnell die Klassiker abchecken. ›Die Geschichte der O.‹ und ›Neuneinhalb Wochen‹. Wie sind die beiden Bücher?«

»Ein bisschen brutal.«

»Wenn du das schon sagst. Trotzdem werde ich sie analysieren, hab sie extra bestellen müssen. Ich weiß ja, du verleihst nix.«

»Ich finde das zutiefst unfair gegenüber dem Autor. Das ist im Grunde Diebstahl.«

»Du bist so eine Moralistin – und stehst auf so abartiges Zeug!«

»Abartig sind Morcheln.«

***

Mirella saß an ihrem Schreibtisch und grübelte über den neuen Namen von »Hartmann’s Wet«.

Es dauerte nicht lange und ihr kam »Drop« in den Sinn. Das war kurz und es war zweideutig. Sie assoziierte sowieso mit diesem Feuchttuch nichts anderes als Sex. Keine schmutzigen Babys, keine klebrigen Hände, nur eine hygienische Erfrischung nach dem Geschlechtsverkehr.

»Sexy.« Das war die logische Ergänzung. »Global.« Klang cool. Ersetzte die Tagline. Untertitel waren sowieso überschätzt, fand sie. Sie ging damit zu Alex, ehe ihr Ute oder Bryan die Idee klauen konnten.

»Das hast du doch nicht etwa schon jetzt raus? Mirella, du bist eine verbale Geheimwaffe. Ich hätte es nicht besser treffen können. Den nehmen wir. Ist perfetto. Sagt alles, ist endcool und international. Ich bin stolz auf dich!«

Das ging runter wie Öl.

»Prüf aber noch nach, ob es das nicht schon gibt. Bei dem Namen könnte es sich auch um ein Kondom oder eine Vaginal-Creme handeln.«

Ein bisschen germanistische Haue musste wohl sein. Aber da stand sie ja drauf.

Beflügelt und nach der Namenssicherung für den Rest des Tages von allen Aufgaben befreit, verließ sie das Bürogebäude. Sie war in Kauflaune, dachte aber an Simons Worte und fuhr stattdessen erst nach Hause.

In der Bahn musste sie an Nik denken. Damals auf Capri hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht. Am Strand. Beim Sonnenuntergang fragte er sie: »Sag mal, würdest du gern Herzinger heißen?« Sie hatte Angst um ihr kleines Erbe, ihre Anwältin hatte immer gesagt, sie dürfte nur einen gesunden Millionär heiraten. Und Niklas war weder das eine noch das andere. Sie hatte sich gewunden und schließlich stotternd gesagt: »Ich weiß nicht recht.« Niklas hatte darauf trotzig wie ein Kleinkind reagiert und den Rest des Urlaubs kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Zu Hause war er dann spurlos verschwunden. Am Anfang hatte sie Briefe geschrieben, seine Mutter kontaktiert, alles versucht, aber er blieb verschollen. Schlimme Vorwürfe hatte sie sich gemacht, er könnte wegen dieser Abfuhr wieder Drogen nehmen. Simon hatte gemeint, das müsste er selber wissen, Mirella sei ja nicht seine Betreuerin. Ein schlechtes Gewissen blieb und sie hatte es nicht mehr geschafft, sich einem anderen Mann zu öffnen. Bis jetzt.

Davide war mehr als gut situiert, gepflegt, hatte Manieren. Er sprach fließend italienisch, konnte ihr viel beibringen, auch im Bett. Er war distinguiert, trug ausschließlich Kleidung »Made in Italy«. Und dann stand er auch noch auf diese abseitigen Sachen wie sie. Es war wie bestellt.

***

Der Räusper-Doc sagte zu den Labor-Befunden: »Milch ist bedenklicher.« Und beim Gehen leise zu ihr: »Wenn Sie ihn tief genug aufnehmen und gleich schlucken, schmecken Sie gar nichts.« Woher er das wohl wusste?

***

»Und wie viel Liter soll ich jetzt schlucken?«, fragte sie genervt im Auto auf dem Weg nach Hause.

»Das ist nie mehr als ein Teelöffel«, sagte Davide.

»Weißt du was?« Mirella gefiel das nicht. Ganz und gar nicht! Sie fühlte sich wie zum Samenspende-Becher degradiert.

»Ich schluck, wann’s mir passt! Vielleicht überhaupt nie!«

Abrupt bremste er. »Raus!«

»Was?«

»Du sollst hier aussteigen!«

»Mitten auf der Kreuzung?«

»R-A-U-S!!!«

Mirella stieg aus. Es war die Kreuzung vorm Modepark. Mit quietschenden Reifen fuhr er fort. Richtung Bahnhof. Aber, und das war das Gute, sie hatte genug Geld dabei, um bei der Gelegenheit mal wieder in die Wäsche-Abteilung vom Modepark zu gehen.

***

»Hab ich doch gewusst, dass ich dich hier finde.«

Sie saß in einem kleinen Café neben dem Eingang.

Davide marschierte lächelnd auf sie zu, als wäre nichts passiert. Sofort blickte er in ihre Einkaufstüten und zog einen BH heraus. »Wenigstens was Praktisches.« Er zückte seine Brieftasche. »Was hat der Einkauf gekostet, zeig mir den Bon!«

»Ich ...«

Er wühlte selbst in der Tüte. »345€? In ’ner halben Stunde? Ich sollte dir echt eine schmieren!«

»Versohl mir doch den Hintern.«

»Mach ich auch. Aber erst will ich noch was für zu Hause mitnehmen.«

»Ich will eine Butterbrezel und ein Croissant!«

»Du wartest draußen!«, befahl er, als wäre sie ein Hund.

»Ja, Sir!« Mirella war dermaßen gedemütigt, dass sie ihm das auch zeigen wollte – und der Dame hinter der Backwarentheke. Diese guckte sie beide mit leicht gehobenem Mundwinkel an.

Davide sah Mirella mit weit aufgerissenen Augen an.

Dann fasste diese sich demonstrativ an die Kehle. »Oh«, verkündete sie laut, damit es die Verkäuferin auch ja mitbekam, »ich muss mein Halsband verloren haben.«

Davide starrte sie nur ungläubig an.

Aber mit dem folgenden Satz versetzte sie ihm vollends den Todesstoß: »Und das mit dem Schlucken kannst du jetzt völlig vergessen!« Damit ging sie Richtung Ausgang und ließ ihn mit der nun über alles aufgeklärten Bäckerei-Fachverkäuferin zurück.

Draußen griff er ihr Handgelenk, mehr als grob und zischte: »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«

»Du hast mich behandelt wie ein Hündchen.«

»In diesem Moment warst du auch nicht mehr als das!«

»Ich weiß nicht, ob ich mit alledem klarkomme.«

»Du machst mich rasend!«

»Ich dachte, das sei meine Aufgabe.«

»Dir ist schon klar, dass das eben Konsequenzen für dich hat.«

»Ich will nach Hause«, sagte sie trotzig, bekam es aber mit der Angst.

»Nein. Wir fahren zu mir. Du wirst dich für dein Verhalten verantworten.«

»Was heißt das?«

»Du wirst es sehen, beziehungsweise spüren.«

»Wirst du mich vergewaltigen?«

»Natürlich nicht! Was redest du da?«

»Dann ist es okay. Alles andere kann ich ertragen.«

»Das musst du auch.«

»Wird es bluten?«

»Red keinen Unsinn!«

Vor der Haustür gab er ihr völlig unerwartet einen Kuss und weniger unerwartet einen Klaps auf den Hintern.

»Nimm deine Position auf dem Strafbock ein«, befahl er und schnallte sie dann fest. Das war immer noch ein unbeschreiblich geiles Gefühl. Es machte Mirella schier high.

»Ich werde dich jetzt knebeln und dann mit einem Gürtel schlagen. Irgendwelche Einwände? Du hast dreißig Sekunden Zeit.«

Dieser Satz, er war ein Aphrodisiakum!

»Mach den Mund auf.«

Davide schob einen Penisknebel in ihren Mund. Das Ding hatte einen Durchmesser von vier Zentimetern, war genoppt und schmeckte intensiv nach Plastik. Er schnallte ihn an ihrem Hinterkopf fest. Sie passte sich noch an die Form an, erregt und auch ein bisschen gedemütigt, da fuchtelte er auf einmal mit einer silbernen Pistole vor ihrer Nase herum. Entsetzt riss sie die Augen auf. Ihr Herz war auf Alarmstufe Bordeaux.

»Weil du jetzt kein Safewort mehr benutzen kannst, geb ich dir diese Pistole, sie hat mich immer im Fasching begleitet, wenn ich mich mal wieder als Cowboy verkleidet hatte. Du brauchst nur abzudrücken, dann knallt’s und ich weiß, du hast genug. Ich leg sie dir hin.«

Sie wusste, sie würde um nichts auf der Welt abdrücken. Sie genoss die Schläge schon jetzt, obwohl sie nur verkündet worden waren wie eine biblische Prophezeiung. Und Davide war ihr Gott.

Jeder ihrer Atemzüge war ein Gebet an ihn. Der Ledergürtel war hart, unnachgiebig und tat mehr als weh. Aber er war auch glatt und kühl wie Marmor. Sexy. Ihre Mumu bebte, ihr Herz schlug so wild, als wollte es sich von allen Venen und Adern reißen. Er zog ihren Kopf jetzt mit seiner Faust in ihrem Haar nach hinten. Diese Geste war so erschütternd geil, dass sie laut aufstöhnte.

»Also gefällt’s dir.«

Ihre Antwort war ein Seufzen. Süß.

Davide ließ ihr Haar los und schlug erneut zu. Schneller, härter. In kurzen Intervallen. Endlich, oh, endlich gab ihr jemand, was sie brauchte, so sehr brauchte. Das Symbol der Unterwerfung, die Kunst darin ... Sie waren so schön.

Es schmerzte mehr als die Peitsche neulich, weil er kräftiger zuschlug. Es war Prügel. Und sie stand kurz vor dem Höhepunkt. Sie hörte, wie der Gürtel auf dem Steinboden aufschlug. Fast bedauerte sie das Ende ihrer Bestrafung. Sie war reinigend gewesen, kathartisch.

»Oh dio, wie hat mir das gefehlt!«, rief Davide aus und sie hörte ein schweres Beben in seiner schönen Stimme, das von größter Erregung getragen war. »Wie gern würd ich dich jetzt ficken, aber es ist noch zu früh.«

Plötzlich fühlte sie einen feuchten Kuss auf ihrem schmerzenden Gesäß. Er zog ihr das bisschen Stoff herunter und sie spürte seine Zungenspitze auf ihrer tauperlenden Rose. Lange brauchte er nicht zu lecken. Die Fesseln, der Knebel, die Pistole in ihrer Hand, die Schläge, das Haareziehen, sein Beben in der Stimme, und nun seine kundige Zunge, die sie anbetete, all das mündete in dem längsten, tiefsten, süßesten und zugleich schärfsten Orgasmus, den sie je erlebt hatte! Und sein Schwanz hatte sie nicht einmal berührt.

»Peng! Peng! Peng!« Die Schüsse gingen los, ohne dass sie es wollte, aber sie hätte es sowieso nicht mehr ertragen.

Sofort löste er ihre Fesseln, auch den Knebel. Allein konnte sie nicht stehen, also nahm er sie hoch und trug sie zum Bett.

»Soll ich dir einen Saft bringen?«, fragte er noch.

Sie nickte, aber schlief ein, bevor er mit Granatapfelsaft und Treccine, italienischen Knabberstangen, vor ihr stand.

***

Am nächsten Morgen setzte sich Davide zu ihr auf das Bett und überreichte ihr feierlich einen noch verschweißten Vibrator.

»Was soll ich damit?«, fragte sie etwas pikiert.

»Dich selber befriedigen.«

»Mach ich zu Hause.«

»Nein, du wirst es hier tun. Vor meinen Augen.«

»So was brauch ich aber nicht.«

»Was dann?«

»Fingerspitzengefühl – und Musik«, fügte sie hinzu.

»Und welche?«

»Ich weiß nicht, vielleicht ›Soul 2 Soul‹ oder ›Sade‹.«

Er ging zu seiner Musikanlage und suchte nach der passenden CD. »›No ordinary love?‹«

»Perfekt.« Sie drehte sich auf den Bauch, als Frau Adou zu singen begann. Dann zog sie die Decke über sich.

Er zog sie sogleich wieder weg. »Ich will dich sehen«, machte er unmissverständlich klar.

»Also gut, wenn der Herr es sich so wünscht.«

»Woran denkst du dabei? Beschreib mir, was du denkst!«

»An Christian Slater, sorry.«

Er lachte. »Aha, bin ich etwa nicht dein Traummann?«

»Also, Christian und ich sind verheiratet. Das ist ganz wichtig! Ich trage einen goldenen Bikini. Er trägt Jeans, nur Jeans. Wir sind in unserem Traumhaus am Strand der Costa Smeralda.«

Davide beobachtete genau, wie und wo sich Mirella berührte. Er versuchte es zumindest, aber da sie auf dem Bauch lag, blieb ihm das Entscheidende verborgen. »Dreh dich um, ich seh nichts.«

Mirella drehte sich unwillig auf den Rücken. So kam sie selten. »Die Türen zur Terrasse stehen offen und die Vorhänge wehen ins Zimmer. Man riecht das Meer, man hört den sanften Wellenschlag.« Sie kreiste zärtlich mit der Spitze ihres Zeigefingers auf ihrer Klitoris herum, nahm ihre inneren Schamlippen zwischen Zeige- und Mittelfinger und tanzte auf der Stelle. »Er nimmt mich bei den Hüften und setzt mich auf den großen Esstisch. ›Du riechst gut‹, sagt er auf Deutsch. Er küsst mich. Lange und mit Zunge. Er zieht die Schleifen von meinem Bikinihöschen auf, wirft es weg. Streift das Oberteil ebenfalls ab und schmeißt auch das weg. Jetzt küsst er meine Nippel, sanft erst und liebevoll, dann zieht er mit den Zähnen daran. Die ganze Zeit hält er meine Beine auseinander. Als nächstes drängt er mich in die Horizontale. Seine Finger bearbeiten mich genauso, wie ich das jetzt tue. Er bringt mich fast zum Orgasmus, lässt mich aber zappeln, weil er immer wieder viel zu lange Pausen macht. Dann nimmt er meine Klitoris in den Mund. Er gibt ihr Zungenküsse, lange Zungenküsse, innig und ehrerbietig. Doch er lässt mich wieder nicht kommen. ›Chris‹, flehe ich. ›Schsch!‹, macht er und hält mir kurz den Mund mit seiner Hand zu, die nach meinem Parfüm riecht, gemischt mit meinem eigenen Duft. Ich möchte, dass er mich nimmt und mir zeigt, dass ich seine Frau bin. Er macht seinen Gürtel auf. Dieser ist aus Leder und er hat mich damit schon mal verdroschen. Auf meinen Wunsch hin. Chris packt meine Handgelenke so, dass ich seinen Griff nicht spüre. Zuerst. Bald hält er mich grob fest. ›I’m gonna fuck you.‹ Ich stehe so sehr auf seine männliche Stimme und wenn er dann noch solche Sachen sagt! Er lässt meine rechte Hand los, um seinen Penis ein zuführen. Als er drin ist, dick und mächtig, greift er wieder nach meinen Handgelenken und drückt beide nieder. Er stößt mich, mit Pausen, einmal sanft, dann wieder heftig. Schließlich gibt er mir seinen Daumen zu nuckeln. Ich stelle mir vor, es ist sein Schwanz und da komme ich.«

Natürlich hatte Mirella sich die ganze Zeit auf ihre Geschichte konzentriert und war noch nicht so weit. Also dachte sie insgeheim noch daran, wie Christian sie verprügelte, malte sich aus, wie er sie übers Knie legte ... mit der Hand ... mit dem Gürtel ... mit einer Peitsche. Sie sah ihn ausholen und hörte es förmlich klatschen, visualisierte, wie er sie festhielt, sah den Hochzeitskuss ... im Blütenregen ... schmeckte ihn ... kam!

Davide klatschte ihr Beifall. Dann verließ er seinen Platz auf dem Bett und kam mit Handschellen zurück. Ehe sie es sich versah, schnappte die linke Schelle ein und er zog Mirella daran bestimmend aus dem Bett. Er führte sie ins Badezimmer, das sehr groß war, mit vielen Spiegeln, weißen Fliesen, einer sand- und goldfarbenen Orchideenborte, sehr edel und nicht nur teuer wirkend.

»Wofür bestrafst du mich, ich hab getan, was du wolltest!«

»Für Christian.«

»Das war doch nur eine Fantasie!«

Er ließ Wasser in die Wanne ein, deutete ihr, sich zu setzen und kettete sie mit beiden Händen an die Armaturen. Dann zündete er alle Kerzen an, die um die Badewanne verteilt waren – und das waren viele. Das bauchige Wachs hatte alle Frühlingsfarben: Limone, Pink, Apfelgrün.

Schließlich ließ er die Jalousien herunter. Es wäre die romantische Szene des Tages schlechthin geworden, wenn sie nicht angekettet gewesen wäre und nicht gewusst hätte, was er mit ihr plante.

»Ich geh schnell zum Supermarkt. Pass auf die Kerzen auf. Wenn ich wieder da bin, bist du hoffentlich sauber und ich kann dich mit ins Bett nehmen.«

Er schloss die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel um. Das erinnerte sie an etwas. Etwas, von dem sie gedacht hatte, es überwunden zu haben.

Station A2. Man hatte ihr Haldol verabreicht. Wie schon zweimal zuvor hatte sie mit einem »Stimmritzenkrampf« darauf reagiert, konnte nicht reden und glaubte, qualvoll zu ersticken. Niklas war zufällig von einer anderen Station zu Besuch gewesen und bekam das mit. Er rief in seiner Hilflosigkeit einen Pfleger. Der hätte ihr nur Akineton spritzen müssen – das Gegengift –, aber er ließ sie mit Hilfe von zwei Schwestern fixieren. Was mit dem dabeistehenden Niklas ein fast unmögliches Unterfangen war. Letztlich gab der Pfleger Niklas einen Schlag gegen dessen Kehlkopf, doch Niklas ließ sich das nicht gefallen und boxte ihm ins Gesicht.

Am Ende waren sie beide fixiert, Mirella und Niklas im selben Zimmer. Sie im Bett und er in einem dieser mittelalterlichen Fixierstühle.

»Ich würd dich gern losmachen!«, meinte Niklas und versuchte, sich vom schweren Holz über seinem Schoß zu befreien, was natürlich unmöglich war. Es war wie als Erwachsener in einem Kindersitz gefangen zu sein.

»Ich dich auch«, sagte Mirella wieder zu sich kommend. »Das Ironische ist, eigentlich steh ich auf so was. Ich meine, aufs Fesseln. Aber nicht so, nicht ohne Safeword!«

»Is ja irre. Auf Schläge auch?«

Mirella traute sich nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber er hatte ihr Schweigen schon richtig gedeutet.

»Ich würd dich nicht schlagen. Außer, du willst es und dann würd ich es so machen, dass es dir gefällt.«

»Du bist süß!«

Das Wasser wurde langsam kalt und Mirella ließ heißes nach. Die Kerzen brannten noch alle, es waren sehr dicke, große. Über diese Fixierung war sie nur hinweggekommen, weil sie später immer wieder darauf masturbiert hatte. Die Drehung des Schlüssels im Schloss, als man sie beide einsperrte, spielte eine große Rolle dabei. Es war so demütigend gewesen, von Fremden an Händen und Füßen gefesselt worden zu sein. Und dann noch eingeschlossen zu sein, wie ein Tier im Käfig. Es gelang ihr, es zu nutzen und sich daran aufzugeilen. So, wie sich das Pflegepersonal daran aufgeilte, davon war sie überzeugt. Sie versetzte sich in deren Part, dann wieder in ihren. So schaffte sie es, darüber zu triumphieren. Würde ihr das nach heute Vormittag auch gelingen?

Davide war zurück. »Gelati!«, rief er freudig, hatte einen Eisbecher in der Hand. Er fütterte sie damit.

Als sie fertig gegessen hatte, wischte er ihren Mund mit etwas Wasser ab, machte sie daraufhin los und fand wieder seinen Dom-Ton.

»Und jetzt – kräftig blasen!«

Mirella starrte ihn ängstlich an.

»Die Kerzen, Stupida, blas die Kerzen aus!«

Er nahm sie mit ins Bett, doch berührte sie nicht. Mirella erwartete, dass er endlich seine Rechte als ihr Herr geltend machte und sie in Besitz nahm, aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen legte er eine Live-DVD von Sade ein und machte es sich im Bett bequem.

»Es war sehr schön, dich so zu erleben. Du machst mich glücklich.« Davide setzte ein zartes Küsschen auf ihre Wange.

Mirella war unglaublich erregt durch diesen kleinen Liebesbeweis. Am liebsten hätte sie sein Paket in Angriff genommen. Aber sie traute sich nicht. Wer weiß, was ihm dann wieder einfiel.

***

»Möchtest du mit mir ins Kino gehen?«, simste Davide.

Sie antwortete nicht gleich, ließ sich bis zum Nachmittag Zeit. »In welchen Film?«

»Der Film ist nicht so wichtig.«

»Ich weiß nicht.«

»Lass dich darauf ein, Sklavin!«

Er hatte es ausgesprochen. Es wäre ihr bedeutend lieber gewesen, er hätte sie »Fiore« genannt. So aber blieb ihr keine andere Wahl als Ja zu sagen. »Und wann?«

»19:30 Uhr, ich hol dich ab. Trag ein Kleidchen, so wie das, als wir beim Arzt waren.«

Jetzt bestimmte er auch noch ihre Kleiderwahl! Aber was beschwerte sie sich, sie hatte es ja so gewollt. Sie stand vom Bett auf und schaute in ihr offenes Regal-System. Das Kleiderfach war das Kleinste. Viel Auswahl gab es da nicht. Vielleicht das schwarze Tüll-Kleidchen mit den Spaghetti-Trägern? Und dazu schwarze High-Heels, die schien er zu mögen. Je höher, desto besser.

Simon sah sie in dem Aufzug. Er pfiff den Playboy-Pfiff. »Gehst du in die Oper?«

»Ins Kino.«

»Mit wem?«

»Meinem Italienisch-Lehrer.«

»Nimm Kondome, ich bitte dich.«

»Wir schlafen nicht miteinander. Außerdem hab ich ihn überprüfen lassen.«

»Na dann viel Spaß!«

***

Noch ein Playboy-Pfiff, diesmal von Davide. »Du siehst atemberaubend aus, Fiore.«

Bevor sie aus dem Auto stiegen, nahm er ein Paar Handschellen aus seinem Handschuhfach.

»Oh!«, fiel ihr dazu nur ein und sie wand sich schon jetzt auf ihrem Sitz. Er steckte die Handschellen in die Manteltasche.

Als sie an der Kasse die Karten abgeholt hatten, nahm er sie beiseite und sagte: »Ich werde dich jetzt an mich ketten. Nicht schreien, sonst wird’s peinlich.«

Davide ließ die Handschellen einschnappen. Jetzt war sie an ihn gefesselt und musste den ganzen Film so aushalten. Nach einer halben Stunde hatte sie sich an die Fixierung gewöhnt, dann nahm er ihre Hand und legte sie ihr in ihren Schoß. Er bewegte ihre Finger wie die einer Marionette, spielte mit ihr. Das Kleid war dünn genug, jede Berührung zu spüren. »Ich werde dich im Polizeigriff ficken, wenn du hier kommst.«

Sie wusste nicht, sollte das eine Drohung sein oder ein süßes Versprechen. Sie schloss die Augen und dachte automatisch an die Szene mit dem Gürtel. Wie er ihren Kopf gepackt hatte und an den Knebel. Dieser war jetzt nicht mehr aus Plastik, sondern sein Fleisch. Mirella konnte ihn kaum aufnehmen, er war so dick und prall. Davide streichelte sie weiter durch ihre Finger. Er drückte ihre Knospe, kreiste auf ihr, tippte darauf herum und kniff schließlich mit seinen Fingern durch das Höschen in ihre inneren Schamlippen. In ihren Gedanken schaute sie zu ihm auf, seinen Penis in ihrem Mund, soweit es eben ging, während er seinen heißen Schwall stöhnend in sie schoss, der sie zugleich bestrafte und belohnte. Danach drehte er ihren Arm auf den Rücken und nahm sie von hinten, grob und schnell. Jetzt, da es fast zu spät war, kapierte sie seinen Spruch. Er wollte, dass sie sich beherrschte, egal, wie sehr er ihr zusetzen würde. Aber jetzt war es zu spät. Ihr entkam ein Stöhnen, so tief und laut, dass es alle hören konnten. Stille. Letztendlich waren sie in keinem Porno, bei dem das nicht weiter aufgefallen wäre. Jemand pfiff den dritten Playboy-Pfiff des Abends. Sie wollte aus dem Kino rennen, vor Scham fast zerstört, aber die Stahlfesseln erinnerten sie daran, dass das nicht möglich war, nicht ohne ihn. Und er machte keine Anstalten zu gehen.

»Bitte ...«, flüsterte sie.

Er reagierte nicht.

»Pink«, sagte sie verzweifelt und er schloss sofort auf. Kaum war sie befreit, nahm sie ihre Tasche und Jacke und floh aus dem Saal. Nochmal ertönte der Playboy-Pfiff.

An der frischen verregneten Luft kam sie wieder zu sich. Sie atmete tief ein und aus und wurde sich bewusst, zum ersten Mal in ihrem Leben in der Öffentlichkeit gekommen zu sein und so geschockt wie sie vorher war, so stolz war sie jetzt. Aber er? War er jetzt wütend auf sie, weil sie sich nicht hatte kontrollieren können? Würde er sie jetzt wirklich im Polizeigriff ficken und war das denn so schlimm? Sie wartete, dass er ihr nachkommen würde. Sie wartete zwanzig Minuten.

Als er nicht erschien, beschloss sie, ein Taxi zu nehmen und nach Hause zu fahren. Im Taxi kam eine SMS. Von ihm.

»Cattiva«, stand da nur – das hieß »Schlimme«.

Ihr Herz setzte aus.

***

Zuhause saß Simon vor dem Fernseher, je eine Hand in einer Chips-Tüte.

»Wie war der Film?«, fragte er mit vollem Mund.

»Geil.«

»War’s ’n Porno?«

»So in der Art.«

»Warum hast du mich nicht mitgenommen?«

»Du gehst nicht in europäische Filme.«

»Wenn’s ’n Porno ist schon.«

Mirella ging ins Bad. Ihr Höschen war nass vor Erregung. Sie holte ein frisches und zitterte am ganzen Leib bei dem Gedanken, Davide könnte böse auf sie sein. Sie malte sich aus, wie er sie bestrafen würde: richtig auspeitschen, wie die Frau in dem Roman. Ihre Mumu pochte heftig bei dem Gedanken.

***

In den nächsten Tagen strafte Davide sie mit Nichtachtung. Und das war viel effektiver als irgendwelche Schläge. Sie wurde derart weichgekocht davon. Vielleicht merkte er, dass er sie mit dem anderen Zeug nicht brechen, nicht wirklich unterwerfen konnte.

»Schiava?« – Sklavin. Das war sein erstes Wort an sie nach acht Tagen.

Sie hielt ihr Handy in der zitternden Hand und antwortete kleinlaut: »Ja, Herr.«

»Ich will, dass du zu mir fährst. Nimm ein Taxi. Zieh schwarze Stay-ups an und einen kurzen Rock. Schmink dich auffällig und such das billigste Dessous-Item raus, was du hast. Ich will, dass du aussiehst wie eine Nutte.«

Mit dem billigsten Dessous-Item hatte sie so ihre Schwierigkeiten. Sie besaß nur schöne, edle Wäsche. Schließlich wählte sie ein rot-schwarzes Ensemble, das ihr am verruchtesten erschien, zog die Stay-ups an, die sie letzten Winter gekauft hatte, und noch eingepackt waren. Sie malte sich herausfordernd kräftig an, mit knallrotem Lippenstift, kreierte provozierende Smokey Eyes. Sie zog den kürzesten Rock an, den sie besaß, einen schwarzen Fransen-Mini – eigentlich ein Faschings­outfit – darüber eine transparente schwarze Bluse. High Heels durften nicht fehlen. Da sie mit dem Taxi fuhr und es nicht weit zum Laufen haben würde, konnte sie die höchsten Heels anziehen, die sich in ihrer Sammlung befanden.

»Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Simon, als er sie in dieser Aufmachung sah.

»Nur ein Gag«, sagte sie und war auch schon zur Tür raus, ehe er die Sittenpolizei rufen konnte.

***

»Knie dich hin.«

Er legte ihr Handschellen an. Als nächstes ein Halsband. Es war an einer langen Kette befestigt. Die Kette fixierte er an einem Karabiner an der Wand über dem Bett. Er setzte sich auf das Bett, machte seinen Gürtel auf. »Sieh mich nicht an«, befahl er.

Sofort senkte sie ihren Blick und konnte nur noch hören, wie er immer lauter atmete.

»Sag es«, lautete sein nächster Befehl.

»Nimm mich!«

»Du hast was vergessen.«

»Nimm mich, Herr!«

»Sag: Ich werde gehorchen.«

»Obediro. Prendimi, signore. – Bitte«, fügte sie schnell noch hinzu.

»Nochmal.«

Sie wiederholte den Satz. Und dann wieder und wieder ... bis sie ihn erleichtert stöhnen hörte.

Er hatte sich einen runtergeholt. Schließlich ging er an ihr vorbei, um seine Hände zu waschen. Cleanfreak wie sie.

»Wenn du jetzt Pink sagst, werde ich sauer, und das willst du doch nicht, oder?!«

Sie war wirklich drauf und dran, es zu sagen. Diese Stellung war so dermaßen unbequem. Er schien sich bettfertig zu machen, während sie immer noch auf dem Boden kniete und nicht wagte, aufzublicken. Schließlich setzte sie sich auf ihre Füße.

»Knien!«, befahl er.

»Ich kann nicht mehr.«

»Hab ich dir erlaubt, zu reden? Na gut, du darfst auf dem Boden schlafen, ich gestatte es dir.«

Als sie sich endlich durchgerungen hatte, das Safeword zu sagen, hörte sie ihn schon schnarchen. Mühsam rappelte sie sich auf, ging zum Bett und kauerte sich ans Fußende. Es war so schön weich.

***

Als sie wach wurde, waren die Fesseln weg. Mirella merkte es erst, als sie sich ausstrecken konnte. Sie war zugedeckt. Die Kette war auch weg, aber das Halsband trug sie noch.

Davide erschien mit einem Tablett, darauf vier große Gläser Saft und italienische Gebäckstangen.

»Es steht dir«, sagte er.

»Das war gemein gestern«, wagte sie, sich zu beschweren.

»Du hast dir einen Dom ausgesucht, was erwartest du?«

Sie trank den Kiwisaft, fast das ganze Glas in ein paar Zügen.

Er nahm eine Gebäckstange und sagte: »Mund auf.«

Sie gehorchte. »Das sieht sehr sexy aus.«

»Warum nimmst du mich nicht einfach?«

»Ich werde dich nehmen. Ich werde dich so nehmen, wie dich keiner je wieder nehmen wird. Aber du wirst es dir verdienen müssen.«

»Und gestern? Reicht das nicht?«

»Das war ein großer Schritt. Und jetzt auf die Knie, du kommst wieder an die Kette.«

»Nein«, schrie sie fast. »Alles was du willst, nur das nicht.«

»Dann versohl ich dir den Hintern.«

Mirella nahm ihm das Tablett ab und legte sich ihm übers Knie. Heftig schlug er zu, jeder Hieb klatschte laut. Dann griff er in ihr Haar und packte sie fest, sehr fest. Sie sah sich auf dem Boden knien und die Kette, die durch den halben Raum reichte, und seufzte.

»Und jetzt will ich, dass du mich mit dem Mund befriedigst.«

Sie bekam fast einen Orgasmus bei der Ansage.

»Wenn du es gut machst, werde ich dich noch heute Nacht nehmen.« Das war mal eine Motivation.

Er saß auf dem Bett. Sie kniete davor. Immer noch in ihrem Nutten-Outfit. Sie trug auch noch das Halsband. Es war schwarz mit bunten Kristallen, eigentlich schön, aber es war auch das Symbol ihrer Unterwerfung.

Warum tue ich das jetzt, dachte sie, aber er hatte es verlangt, und sie folgte seinen Gesetzen.

Er nahm sein Glied in die Faust und hielt es ihr entgegen. Sie musste den Mund weit aufmachen, sah ihn dabei an, weil sie mal gelesen hatte, Männer würde das schier um den Verstand bringen. Sie versuchte, ihn so weit wie möglich aufzunehmen – wie der Doc gesagt hatte. Seine Haut schmeckte angenehm nach Seife.

»Du machst das fein«, lobte Davide sie, als sei sie sein Hündchen. Wieder mal.

Es war, als lutschte sie an einer Salatgurke. Ebenso befriedigend. Bei Niklas war das anders gewesen, erinnerte sie sich. Nur der Gedanke, ihm einen zu blasen, hatte sie feucht gemacht. Woran lag das, was hatte sich verändert? Dieses Spiel, in der ihr die Rolle der Prostituierten zugeteilt worden war? Er atmete heftiger und stöhnte ab und zu, als hätte er Schmerzen.

Sie wusste nicht, ob sie gleich wirklich schlucken sollte. Aber was erwartete man sonst von einer Sklavin?

Ihr wurde die Entscheidung abgenommen – er spritzte schon in sie, während sie noch abwägte. Er schmeckte salzig und etwas bitter, herb, aber auch süß.

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, seine Honigaugen wässrig von einem Tränenhauch. »Wie eine Marmorblüte, die nie verwelken wird – Come un fiore di marmo, che non appassira mai.«

»Heißt das, du nimmst mich endlich?«

»Bitte darum.«

Was hatte sie denn eben anderes getan? Sie stand auf, nahm einen großen Schluck Tomatensaft und befreite sich von ihrem Halsband. Wütend warf sie ihm das Halsband an den Kopf und schüttete ihm den Tomatensaft ins Gesicht.

***

Simon saß vor dem Fernseher in einem der zwei Strandkörbe, je eine Hand in einer Chips-Tüte.

Mirella sah furchtbar aus, tatsächlich wie eine Nutte, nach einer sehr langen, arbeitsreichen Nacht. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Make-up verwischt und die Strümpfe zerrissen.

Sie ging sich den Mund spülen mit dem Aggressivsten, was sie dahatte. Nie zuvor hatte Davide sie so gedemütigt! Weder bei den Schlägen noch beim Knebeln. Nicht mal beim Anketten. Es gefiel ihr nicht, sie würde nicht mehr zu ihm gehen. Nie wieder.

Die MarmorBlüte | Erotischer SM-Roman

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