Читать книгу Gruselige Kurzgeschichten - ein Band mit 8 Erzählungen - null Guamo - Страница 4

Der Mitbewohner

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Nun war es soweit. Meine Pläne zerplatzten, wie die sprichwörtliche Seifenblase. München, Good Bye, du wunderschöne Stadt, in der ich doch so gern gearbeitet hätte. Aber nein, dass Schicksal meinte es anders und schickte mich ins wohlklingende Großstadtleben namens Bremen. Für einen, der aus Bayern kommt, ist das wirklich ein großer Schritt, man könnte meinen ein Amerikaner wandert ins wunderschöne Kanada. Vielleicht nicht ganz so, aber es kommt hin. Schließlich sind die Menschen und die kulturellen Unterschiede enorm, geschweige denn von meiner jahrzehntelang antrainierten Dialektfähigkeit. Diese kann ich nun getrost wegstecken, denn mit diesen Kenntnissen kann mich in Bremen kein „Schwein“ verstehen.

Aber wie konnte es nur soweit kommen?

Ich, Gerd, der wohlbehütet bei seinen Eltern aufwuchs, viele Freunde hatte und sonst alles nach der Planetenkonstellation verlief, musste nun seine Heimat verlassen. Ich war schon immer hier, in der Schule, Studium, außer natürlich wenn wir Urlaub gemacht haben und dann wollte ich eigentlich auch hier arbeiten. Aber was macht man, wenn man in seiner jahrelang gebüffelten Richtung namens Mechatroniker nichts findet. Umschulung, was anderes Studieren oder gar eine Tätigkeit ausüben, die einem nun gar nicht gefällt? Nein, das kam für mich nicht in Frage. Also blieb mir nichts anderes übrig, als das Weite zu suchen. Nebst zahlreichen Städten im Ruhrpott oder gar im schönen Sachsenland, bot sich eine interessante Möglichkeit in Bremen. Ich erkundigte mich, was die Stadt zu bieten hat und ich war beeindruckt. Ist dies der Schritt zur Selbstständigkeit fragte ich mich oder eher weg von meiner Familie, die damit nicht wirklich begeistert ist. Sicher sie wollen auch nur das Beste für mich, aber war ich nicht immer für sie da und habe geholfen, wo es nur ging? Ich hasse es, den Lauf der Zeit so offensichtlich zu sehen. Erst verlasse ich das Nest, dann mein Bruder und zum Schluss meine Schwester oder vielleicht ist sie schon die nächste, schließlich ist das weibliche Geschlecht schon immer ein wenig frühreifer. Dann sind meine Eltern ganz alleine und der große Hof wäre nicht mehr von Nöten, dort wo ich etwas weniger als 2 Jahrzehnte gelebt habe. Aber schweifen wir nicht in die Zukunft ab, jetzt ist die Gegenwart und diese hier ist brandheiß.

Im Moment sitze ich hier an meinen Schreibtisch in Bremen. Nebenan ist mein Mitbewohner. Aber pst, vielleicht kann er hören, wie ich auf der Tastatur herumklicker und dann kommt er rüber und stellt wieder einer seiner berüchtigten Fragen oder er sitzt wieder auf dem Klo und hat die Tür sperrangelweit geöffnet, brrrh, bei dem Gedanken läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken…. Pst, ich höre etwas, besser gesagt, ich kann es nicht überhören. Ja, er telefoniert wieder mit irgend so einer Tusse, die er womöglich nur wieder ins Bett kriegen will, dann kommt der übliche vorgespielte Streit und dann hat er wieder seine Ruhe und sucht sich die nächste raus, was für ein frauenverachtendes Schwein. Sicher halten sie mich für verrückt oder panisch, aber ich erkläre ihnen, wie es dazu gekommen ist.

Vor ungefähr 5 Monaten bin ich nach Bremen gezogen, wegen der Moneten bringenden Arbeit. Natürlich brauchte ich Unterschlupf, den ich Anfangs bei meiner lieben Tante gefunden hatte. Ich hatte nie vor, auch nur länger als einen Monat bei ihr zu wohnen, denn ich bin ja kein Nutznieser oder ein Parasit. Der Punkt ist, dass man am besten und effektivsten eine Wohnung in der Stadt suchen kann, wenn man vor Ort ist. Von München war es sehr schwierig, vor allem wenn einem für die Wohnung Bilder vom Hauseingang/-flur/-garten und sogar –keller gezeigt wurden. Dazu kamen noch weitere Bilder, die durch eine Tür fotografiert wurden, bei denen man ins Bad „spicken“ konnte. Aussagekräftig war das alles nicht und ohne in eine Bruchbude zu wohnen, konnte ich mich nicht entscheiden. Bei meiner Tante klappte das ganze wesentlich besser. Sie hatte Internet und ich schaute nach der Arbeit nach WG’s. Richtig, Wohngemeinschaften, nicht Einraumwohnungen, denn die waren mir zu teuer bzw. dafür war ich zu geizig, je nach dem wie man es betrachtet. Jeder der schon einmal nach einer Wohnung bzw. einem Zimmer in einer Wohnung gesucht hatte, wird mir bestätigen, dass das ganze Unterfangen nicht so einfach ist. Unter anderem stehen seine eigenen Erwartungen im Wege. Entweder man sucht so lange bis man was gefunden hat oder man schraubt seine eigenen Erwartungen herunter. Ich suchte weiter.

Nach sämtlichen Typen von Wohnungen, ob mit mintgrünem oder auch nur 1qm Bad, Fenster zur Hauptverkehrsstrasse, halben Kellerwohnungen oder einfach nur Wohnungen mit zahlreichen alkoholischen Getränkeflaschen, wo ich mir vorstellen konnte, wie es dort wohl laufen würde, ich suchte weiter. Leider hatte meine Tante einen neuen Freund und der wollte natürlich mal nach der Arbeit gewissen Gelüsten nachgehen. Aber in einer Zwei-Raum-Wohnung hatte man nicht allzu viel Platz, also verstand ich die unmissverständlichen Kommentare nicht so pingelich zu sein und endlich mal eine Wohnung zu finden. Leider hatte ich damit auch nicht den gewünschten Erfolg. Auch als ich eine annähernd gute Wohnung fand, mich gleich am nächsten Tag meldete, um sie zu nehmen, kannte mich die Vermieterin gar nicht mehr und meinte, dass das Zimmer schon weg sei. Wieder Kommentare seitens des Freundes meiner Tante und da kam ich mir schon blöd vor. Am liebsten hätte ich mir ein Zelt besorgt und auf dem Gelände der Firma, mein kleines Zuhause errichtet.

Aber das Schicksal der Wohnungssuche sollte sich nach nun mehr 6 Wochen in Wohlgefallen auflösen. Eines Tages schaute ich vormittags in einer Pause auf Arbeit nach und da viel mir doch glatt eine neu eingestellte 2-Raumwohnung auf. Sofort griff ich zum Handy, raf denjenigen an und wir konnten auch sogleich einen Termin für denselben Tag vereinbaren. Die Arbeit verging wie im Fluge und der ersehnte Termin rückte in greifbare Nähe. Dann war es soweit, ich brauste mit meinem kleinen Auto dorthin und…begegnete zahlreichen Handwerken. Nach einigen Fragen kämpfte ich mich vor und erreichte auch bald den Vermieter und meinen zukünftigen Mitbewohner. Die Wohnung wurde gerade renoviert und das was man sehen konnte, sah schon sehr einladend aus und das, was vielleicht nicht meinen Geschmack entsprach, malte ich mir nach der Renovierung als wunderschön aus. Soweit so gut, aus Angst diesen ungeschliffenen Diamanten in Form einer 58qm-Wohnung zu verlieren, sagte ich sofort zu. Der Vermieter schien auch einverstanden sein, da ich wie ein zahlungskräftiger Kunde wirkte. Nach dem Besichtigungstermin fuhr ich meinen Mitbewohner zu seiner Uni und wir quatschten noch eine Weile, dabei viel mir auf, dass er viel zu sagen hatte. Punkt um, er redete sehr viel. Na ja aber nichtsdestotrotz lieber ein freundlich sprechender Mitbewohner als eine mürrische Kalkleiste. Bei meiner Tante angekommen, verkündete ich sogleich die erfreuliche Nachricht und sie wurde mit einem überschwänglichen Entgegenkommen ihrerseits und ihres Freundes begrüßt. Ja ja, ich wusste was ihr dachtet, aber es ist okay, schließlich durfte ich knapp 2 Monate bei ihr kostenlos wohnen und habe obendrein immer abends noch was leckeres zu Essen bekommen, worüber sich mein Körper mit dem Aufbau von zahlreichen Fettzellen bedankte.

Es war soweit. In München kauften meine Eltern noch ein Bett für mich und die Möbel suchten wir aus vorhandenen und gebrauchten zusammen. Dann fuhren mein Vater, mein jüngerer Bruder und ich in einem Lieferwagen gen Bremen. Dort angekommen, bekamen wir den Schlüssel vom Vermieter. Mein Bruder und mein Vater waren begeistert von der Wohnung, meine Erwartungen wurden mal wieder nicht erfüllt, aber scheiß drauf, warum habe ich auch nur solch hohe Erwartungen. Hier und da mussten noch ein paar Schönheitskorrekturen an der Wohnung gemacht werden, dann war es perfekt. Natürlich war überall noch oberflächlicher Dreck von den Arbeiten, aber ich hatte mein Zimmer in dieser Wohnung, da machte mir auch der strenge Lackgeruch nicht mehr so viel aus. Fenster auf und gut ist, dachte ich anfangs. Nachdem wir alles aufgestellt, grob geputzt hatten, gingen wir zum Vermieter und ich unterschrieb den Vertrag. Immer im Hintergedanken das ich auf Arbeit auch noch in der Probezeit gekündigt werden konnte. Aber es gäbe bestimmt auch hierfür eine Lösung.

Nun war es soweit. Die Wohnung war „eingerichtet“, halbwegs sauber und alles, was man zum Überleben braucht, hatte ich auch. Die Arbeit war getan und mein Vater und mein Bruder machten sich daran zu gehen. Ich winkte selbstsicher aus dem frisch geputzten Fenster und wünschte den beiden noch eine gute Heimfahrt. Dann fuhren sie von dannen.

Ich war allein. Allein und getrennt von allem, was ich liebte. Ein paar Tränen rollten mir über die Wangen, aber kein Grund in einen langen Heulkrampf überzugehen. Schnell wischte ich mir die salzhaltige Flüssigkeit weg und lief ein wenig durch die Wohnung. Hübsch hier dachte ich. Von der Küche aus konnte man direkt in die Küche in das gegenüberliegende Haus schauen. Wie es der Zufall manchmal will, standen beide, Frau und Mann Mitte 40iger da und schauten mich an, ich hob meinen Arm und winkte ihnen zu. Anstatt einer freundlichen Antwort, schauten beide demonstrativ weg und gingen dann aus ihrer Küche. Nett, meine Nachbarn, dachte ich mir, aber das wird bestimmt noch und wenn nicht, kann ich ja immer noch mein Hinterteil blank ziehen und es ihnen entgegenstrecken. Auf diese Gesichter wäre ich dann sehr gespannt. Ein flüchtiges Lächeln huschte über mein Gesicht und ich ging wieder in mein Zimmer zurück. Ist mir das schon vorher aufgefallen oder riecht es jetzt plötzlich noch stärker nach Lack und ähnlichen Mitteln? Ich machte das Fenster zu beiden Seiten sperrangelweit auf. Draußen war es warm und ein laues Lüftchen schenkte mir eine frische Brise für mein Zimmer. Ich erschrak auf einmal, da sich mein Handy zu Wort meldete. Sicher hatten sich mein Bruder und mein Vater verfahren, ich ging also ran und meldete mich mit einem freundlichen, fast wissendem was-jetzt-kommt Hallo. Wie sich schnell herausstellte, war es mein neuer Mitbewohner, der mir mitteilte, dass er erst in 3 Wochen einziehen würde, da er noch in seiner alten Wohnung einiges zu klären hatte. Informationen, die man in einer reichlichen Minute abwickeln konnte. Aber nein, nach endlosen 20min, indem die Wohnung ausführlichst beschrieben, Mängel genannt, über Persönliches gesprochen und letztendlich auch noch das Wetter durchgenommen wurde, sagte ich ihm, dass ich noch einiges auspacken musste, was ja nicht so abwegig war und ich beendete das Gespräch. Langsam kamen mir Zweifel, ob ich dir richtige Wahl getroffen hatte. Nun musste ich die nächsten 3 Wochen alleine verbringen, wo ich mich doch insgeheim darauf gefreut hatte, nicht so sehr allein in der Wohnung zu hocken. Leider bin ich auch nicht der kommunikativste und offenherzigste Mensch, was die Sache erschwerte, schnell neue Freunde zu finden. Aber wohin mit dem ganzen Jammer und die Sorgen die sich auftaten? Schnell unters Bett damit, sagte ich zu mir selber, denn morgen ging die Arbeit los und sicher werde ich nach dem ersten Tag halbtot ins Bett fallen. Nix mit Freunde finden, jetzt ist arbeiten angesagt.

Die nächsten drei Wochen vergingen wie im Flug. Die Arbeit schaffte mich auch am Anfang, aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Das letzte Wochenende bin ich wieder in meine alte Heimat zurückgekehrt. Es war verdammt schön. Wenn man erst einmal weg ist, dann merkt man, was man vorher hatte. So kam es, dass mir der kurze Aufenthalt stille Reserven freilegte und mich neu regenerierte. Doch der Abschied war grausam und zerstörerisch. Mit tieftrauriger Miene, Bauchschmerzen und hunderte mal „Ich habe keine Lust“ fuhr ich letztendlich wieder in Richtung Bremen, in Gedanken bald wieder nach München fahren zu können. Die siebenstündige Fahrt brachte meiner Laune auch keine Verbesserung, aber jedenfalls fand ich mich mit dem Gedanken ab, dass die Arbeit auf mich wartete. Unbescholten und ohne groß Nachzudenken schleppte ich mein Krims-Krams die drei Stockwerke nach oben, während die gute alte Laune unten im Keller hauste. Ich schloss die Tür auf, merkte dabei, dass die Tür gar nicht zugeschlossen war, dachte mir dabei aber nichts, schließlich kann ja jeder mal vergessen abzuschließen und dann viel mir gleißender Lichtschein einer 100W-Birne entgegen. Nachdem meine Augen wieder etwas wahr nahmen und ich versteinert auf der Türschwelle stand, sah ich das Unheil. Lauter Kartons und unzählige Sachen verbarrikadierten den Weg zu meinem Zimmer, der Küche und zum Bad. Ich ging kurz wieder raus, wollte auf das Klingelschild schauen, ob ich mich nicht gerade in der Wohnung geirrt hatte. Aber nein, das Schild wurde ja noch gar nicht vom Vermieter angebracht, also war ich hier richtig. Kurz nach dem ich laut polternd meine Sachen im Eingang fallen ließ, ertönt auch schon ein kurzes „Hallo“.

Ich erwiderte ein fragendes „Hallo?“, immer noch in der Annahme in einer falschen Wohnung zu stehen.

„Hallo, ich bin dein neuer Mitbewohner. Bin in der Küche.“ sagte er freundlich.

„Ähh…okay.“ äußerte ich etwas verwirrt, weil ich immer noch nicht wusste, wie ich die ganze Barrikaden überwinden sollte.

Nach ein paar zaghaften Versuchen die Kartons vorsichtig beiseite zu stellen, riss mir der Geduldsfaden und ich ging einfach ohne Rücksicht auf Verluste da durch. Endlich in der Küche angekommen, schaute mich mein Mitbewohner mürrisch an. Anscheinend war ihm mein brutales Vordringen ins Krisengebiet nicht entgangen und er motzte mich gleich an.

„Sag mal, kannst du nicht mal auf die Sachen aufpassen? Mit deinem Zeug kannst du es ja ruhig machen.“ sagte er nun nicht mehr so freundlich.

Ich holte kräftig aus und schlug ihn direkt in sein lächerliches Gesicht. Ein kurzer Blutschwall strömte aus seinem Mund, während er ungeschützt rücklings an den Kühlschrank donnerte. Ja, so hätte es sein können, war es aber nicht. Als hätte ich seine dumme Bemerkung nicht gehört, schließlich hatte er ja alles voll gestellt, gab ich ihm meine Hand und sagte mit dem allerfreundlichsten Ton, der mir zur Verfügung stand: „N’abend.“

Nach kurzer Pause in der er mich weiter musterte, gab er mir endlich seine Hand. Nur war es dafür zu spät. Wie sagt man doch immer so schön „der erste Eindruck zählt“. Wir haben uns zwar nicht das erste mal gesehen, aber seit langem wieder und das erste mal in unserem gemeinsamen Habitat. So schäbig begrüßt zu werden, während sowieso meine Laune wie erwähnt im Keller war, trug nicht dazu bei, sich Lorbeeren zu verdienen. Meine Zweifel schlugen gegen die Innwand meines Schädels, wie ein vergessenen fliegender Boomerang, der immer zu einem zurückkehrte. Nach diesem zärtlichen Händedruck, nachdem sowieso alles gelaufen war, führten wir einen kleinen Small Talk, über die Wohnungssuche, Möbel, Freundinnen, Vermieter und noch ein paar weitere Dinge. Hier muss ich wirklich gestehen, kam die Sonne zwischen den dunkel aufgezogenen Wolken durch. Wir fanden beide den Vermieter nett und waren der Meinung, dass er für jede Tätigkeit seine Adjutanten hatte. Beide suchten wir lange Zeit Wohnungen und haben sogar kurzweilig dieselben Menschen kennen gelernt. Auf diesen Gemeinsamkeiten, Erlebnissen und Erfahrungen musste sich doch zumindest ein Grundgerüst eines WG-Miteinanders aufbauen, dachte ich anfangs.

Ein wenig freudiger kämpfte ich mich wieder durch die Kartons durch und gelangte an eine Tür. Ich probierte den Schlüssel. Er passte. Das war mein Zimmer. Durch die ganzen Sachen sah alles ganz anders auf. Die Tür sprang mit einem leichten Klicken auf und das Zimmer erwartete mich in voller Blüte. Alles war an seinen Platz, alles ordentlich. Es soll ja nicht heißen, dass ich ein Ordnungsfanatiker bin, aber Sachen gehören nicht unbedingt auf den Fußboden. Schon nach kurzen 30min hatte ich mich wieder regeneriert und konnte meine Familie anrufen. Leider habe ich die Eigenschaft, meine Launen auf andere Menschen zu verteilen und das will ich nicht, aber dazu später mehr. Ich erzählte kurz, dass ich nur 1h im Stau gestanden hatte, sonst alles glatt lief und mein Mitbewohner da sei. Meine Mutter fragte gleich, wie er denn so sei, aber auf diese Frage musste ich sie vertrösten. Durch den kurzen Plausch kann man keinen Menschen beurteilen. Das war meine menschliche Antwort. Wohl überlegt und tolerant zu allem. Innerlich war dieser Bastard unten durch. Aber man konnte sich ja noch verbessern. Dann redeten wir noch über die Sachen, die ich wieder mal vergessen hatte. An dieser Stelle einen schönen Gruß an mein Gedächtnis. Danach beendeten wir das Gespräch.

Es wurde langsam Zeit ins Bett zu gehen, also machte ich mich bettfertig. Der Weg außerhalb meines Zimmers gestaltete sich etwas schwierig, aber ich schaffte es heil ins Bad zu kommen. Auch hier gab es eine Veränderung. Ein offener Wäschesack stand unter dem Waschbecken und wartete nur darauf gefüllt zu werden. Ich sage nur, sie kennen die wirkliche Bedeutung des Wortes Katzenwäsche nicht, wenn blümige Gerüche von getragener Unterwäsche und Socken ihnen beim Zähneputzen in die Nase steigt. Ich erledigte also alles, was ich im Bad zu erledigen hatte, schließlich wollte ich ja nicht noch einmal hier rein. Leider war der Rückweg, aus Gründen die ich nicht nennen kann, schwieriger als vorher und ich flog über einen Staubsauger. Zu meinem Glück konnte ich mich an einem Karton abstützen, der dadurch ein wenig aus der Form geriet und bewahrte mir dadurch ein Fall in den Besteckkasten. Voller Wut fragte ich meinen Mitbewohner, wann er denn gedenke, seine Sachen etwas beiseite zu räumen. Er meinte daraufhin, dass er doch gerade erst angekommen sei und ich nicht so pinglich sein sollte. Was für ein Wichser, dachte ich bloß. Nicht desto trotz konnte ich bereits nach 1h und 20min durch Hin- und Hergewälze in meinem Bett einschlafen und für kurze Zeit alles vergessen.

Früh begann die Kartonschlacht aufs Neue, denn sie standen noch genauso da wie am Tage zuvor. Natürlich versuchte ich meinen Mitbewohner, nennen wir ihn Earl, nicht aufzuwecken, indem ich mehrmals an einen Karton mit klirrenden Sachen trat, die Badtür offen lies und laute Geräusche beim Zähneputzen von mir gab. Völlig zufrieden und mit einem breiten Grinsen verließ ich die Wohnung und ging zur Arbeit. Alle, die mich am Morgen sahen, sagten, wie fröhlich und glücklich ich doch aussehe. Tja, was man nicht alles für einen zufriedenen Gesichtsausdruck tat, dachte ich mir. Die Arbeit verlief normal. Wieso auch nicht, wenn man nette Kollegen hat.

Nach 9h Wohnungsabstinenz schloss ich die Tür auf und staunte über den übergroßen Flur. Dann sagte ich mir ‚Einbildung ist auch eine Bildung’, denn die Kartons standen…natürlich noch da. Meinen Mitbewohner hörte ich irgendetwas in seinem Zimmer kramen. Welch Wunder, wo doch alle seine Kartons hier auf dem verdammten Flur standen. Da war es wieder, das unterdrückte Gefühl namens Wut und Aggression. Schnellen Schrittes, sofern dies möglich war, kämpfte ich mich zur Küche vor. Leider stolperte ich über den letzten Karton und legte mich der Länge nach auf das Parkett. Zeternd und fluchend stand ich auf, trat mit voller Wut gegen den vermeintlichen Übeltäter und stellte mich vor das Zimmer meines Mitbewohners, um mich wie ein wild gewordenes Geflügel aufzubäumen.

„Wenn diese Scheißkartons bis heute Abend nicht verschwunden sind, schmeiße ich sie eigenhändig aus dem Fenster.“ brüllte ich durch die geschlossene Tür. Dann machte ich kehrt, ohne eine Antwort abzuwarten, ging in mein Zimmer, setzte meine übergroßen Kopfhörer auf und legte mich erschöpft und etwas säuerlich aufs Bett. Der Rest war Geschichte, denn ich wachte erst um 22Uhr wieder auf. Verschlafen und verträumt watschelte ich ins Bad und wusch mir mein Gesicht mit kaltem Wasser. Dann schaute ich in den Spiegel. Moment mal wie bin ich…unglaubwürdig trat ich zur Badtür. Was ich dort auf dem Flur sah, erstaunte mich schon ein wenig. Ich sah einfach nichts. Nichts stand im Weg und über nichts konnte man auch nicht stolpern. Aber vor dem Abend sollte man bekanntlich nicht loben. Das Zimmer meines Mitbewohners war dunkel. Sicher kann ich nicht durch eine geschlossene Tür schauen, aber das Milchglasfenster im oberen Drittel konnte mir einige Informationen liefern. Hm, entweder schläft Earl oder er ist weg. Zweiteres wünschte ich mir, konnte es aber nicht sagen. Denn Hausschuhe hatte dieser Mensch wahrscheinlich noch nie gesehen. HATSCHI. Ui, der war laut, aber zum Glück hatte ich schnell ein Taschentuch bereit. Natürlich erledigte ich das Schnäuzen vor seiner Tür und ließ kein Gebläse aus. Zufrieden aß ich mein verspätetes Abendbrot und ging anschließend schlafen. Was würde mich morgen früh erwarten?

Aber soweit sollte es nicht kommen.

Mitten in der Nacht riss mich ohrenbetäubender Lärm aus dem Bett. Mein Herz raste und ich bekam sofort meine verquollenen Augen auf. Einbrecher, Einbrecher, dachte ich und griff vorsichtshalber zu meinem Handy. Aber warum sollten Einbrecher klingeln und klopfen und das mitten um…2.30Uhr, na fantastisch, so werde ich niemals mehr in meine Tischschlafphase fallen. Ich zog meinen Kopf unter die Bettdecke und hielt mir meine Ohren zu, aber selbst nach 5min riss dieser Gestapo-Besuch nicht ab. Wer zum Henker ist das? dachte ich mir und insgeheim wusste ich die Antwort schon. An der Haustür angekommen, fragte ich träge:

„Wer?“ Für mehr hatte es nicht gereicht.

„Ich bin’s, Earl. Ich war meinen Müll wegschaffen und habe meinen Schlüssel vergessen. Mach mal auf.“

Ich betätigte die Türklinke und…es war abgeschlossen. Dieser Wichser, das hat er mit Absicht gemacht. Er hat sein Schlüssel gar nicht vergessen, sonst hätte er ja auch nicht zuschließen können. Ich machte einige wilde Gesten, in denen ich meine Gefühle zum Ausdruck brachte.

„Einen Moment…“ sagte ich immer noch zombiehaft und ein wenig außer Atem.

„… ich hole bloß meinen Schlüssel.“

Dann ging ich in mein Zimmer, legte mich ins Bett und… hätte am liebsten vergessen, dass er vor der Tür stand. Aber dann würde er ja wieder Lärm machen. Also schwang ich mich nach 1min, so lange musste er schon warten, aus meinem Bett, nahm den Schlüssel und schloss ihm letztendlich auf. Earl grinste mich hämisch an und sagte:

„Tschuldige, das du aufmachen musstest. Ich hoffe, du hast nicht schon geschlafen?“

Ich schaute kurz auf meine Uhr, erkannte, dass es bereits 10min später war, sagte aber zu seinem Erstaunen:

„Du Vollpfosten, was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist? Mich einfach in der Nacht aus dem Bett zu klingeln.“

Das hätte ich sagen können, aber stattdessen:

„Nö, geht schon. Habe noch ein spannendes Buch gelesen und wollte sowieso Schluss machen.“

Dann drehte ich mich um, machte innerlich ein Stinkefinger zu ihm und ging wieder in mein Zimmer.

„Warum bist du dann so spät an die Tür gegangen und hast mich warten lassen?“ fragte er hinterrücks.

Ich blieb kurz stehen und dachte: Oh, hab ich das Prinzesschen warten lassen? Das tut mir aber leid und außerdem warum war die Tür abgeschlossen, du Klugscheißer. Dann schloss ich meine Zimmertür und legte mich wieder in mein Bett. Zumindest konnte ich bis früh um 6Uhr durchschlafen. Leider fielen an diesem Tag die Aussagen der Kollegen über mein Äußeres etwas nüchterner aus.

So schaukelten sich unsere Gemüter die weiteren Wochen immer höher, aber mit gleich bleibender Bosheitsintensität, stieg die Schmerzgrenze. Man wird abgestumpfter und regt sich viel seltener auf und die „damals“ furchtbaren Sachen werden als belanglos abgestuft. Aber neben den Nettigkeiten von Müll nicht herunterbringen, laut Musik hören, auch nachdem ich dreimal an seinem Zimmer geklopft habe, klingeln wie ein Besengter und irgendwelche Hippies in die Wohnung einladen, gab es ja noch „unseren“ Putzplan. Zwei mal im Monat Küche und Bad sauber machen. Einmal ich und einmal er. Das klingt jetzt zwar alles sehr einfach, aber die Realität sieht anders aus. Nachdem ich den ersten Monat komplett allein geputzt hatte, da er angeblich viel zu viel zu tun hatte, legte ich es im zweiten Monat drauf an. Ich ermahnte ihn mehrmals und sagte es ihm ständig freundlich, dass er doch bitte mal putzen sollte. Aber Pustekuchen, nur einmal, sozusagen das Highlight, stand auf dem Fensterbrett Wischlappen und Badreiniger. Sonst kam nichts. Am Anfang dachte ich Nicht mit mir, mein Freundchen und putzte natürlich nicht. Was soll ich sagen, nach 4 Wochen bin ich schwach geworden. In meinen Gehirn malten sich bereits Bilder, was alles passieren könnte, angefangen von einer Insektenplage bis hin zu einer totalen Kapitulation der menschlichen Bewohner des Hauses. Also putzte ich wieder und sagte es ihm. Ihm schienen ja die Staubbüschel, die bei offener Tür durch die Küche purzelten, nicht sonderlich zu stören, aber mir war die Wohnung zu eklig und einfach nicht mehr vorzeigbar. Selbst ein Obdachloser wäre auf unserer Schwelle wieder umgekehrt.

Ich bin ja ein sehr ruhiger und geduldiger Mensch, aber was dann passierte, kann selbst ich nicht mehr tolerieren.

Eines Abends nach dem ich aus meiner Heimat zurückgekehrt war und mir einen schönen Tee kochen wollte, fiel mir etwas auf. Da ich ein ordentlicher Mensch bin, fallen mir Unregelmäßigkeiten schnell auf. Die Teebox lag verkehrt herum im Regal und mir war so, als fehlten auch zwei Teebeutel. Sicher, wir sprechen hier von zwei dämlichen Teebeuteln, die grade mal einen Wert von ca. 10-20Cent haben, aber es geht ums Prinzip. Dieser Sack hat mir was geklaut, schoss mir sofort durch den Kopf. Anstatt mit dem Messer bewaffnet in sein Zimmer zu stürmen und ihn herauszufordern, überlegte ich, ob ich nicht selber die Box umgeworfen hätte und ob wirklich 2 Beutel fehlten. Einfach nicht mehr darüber nachdenken und die Sache abhaken, sagte ich mir und genoss den Tee. Das würde bestimmt nicht mehr vorkommen. Denkste. Am nächsten Tag ging ich schön einkaufen, Schnittchen, Joghurt, Salami und so weiter. Frachtete das ganze in mein Fach, Verwechslungen sind damit eigentlich ausgeschlossen und sah meinen Sachen beim Verschwinden zu. Schon am nächsten Abend, als es wieder Zeit zu spachteln war, fehlte doch glatt mein heißgeliebter Schokopudding von Dr. Oetker. Damit waren 50Cent futsch, bitte das ist nicht wirklich großes Geld, aber wenn ich einen Abend kein Joghurt bekomme und statt dessen nur an meinen Schnitten zehre, werde ich wirklich böse. Genau in diesem Moment, als die Kühlschranktür offen stand und das Licht mein aschpfahles Gesicht beleuchtete, kam der Hauptakteuer aus seinem Zimmer.

„Hm, Schokopudding. So einen guten hatte ich lange nicht mehr.“ sagte er schmunzelnd, warf die leere Packung (von Dr. Oetker) weg und wollte wieder in sein Zimmer gehen.

„Hallo Earl. Du hast nicht zufällig mein Schokopudding gesehen, den ich mir gestern erst gekauft hatte?“ fragte ich so unwissend wie möglich.

„Schokopudding? Nein, warum sollte ich, hatte doch grade selber einen. Aber wenn du willst, an dem Deckel klebt noch ein wenig.“ sagte er unschuldig.

Du scheinheiliger Arsch, dachte ich mir, so etwas Verlogenes und freches ist mir lange nicht mehr unter die Augen getreten. Aber nicht mit mir. Ich ging zu dem Papierkorb, griff zielsicher herein und holte die Puddingschachtel wieder heraus. Zu meinem Glück war der Deckel auf die Verpackung gedrückt. Ich nahm also den Deckel ab und leckte den Rest Pudding mit meiner Zunge ab. Earls Kinnlade fiel fast auf dem Boden. Er konnte mich nur noch aus fassungslosen Augen anstarren und genau dieser Blick, genau dieser Blick war es wert, den Rest Pudding abzuschlecken. Ich bedankte mich übertrieben freundlich für den Tipp und ging in mein Zimmer. Dort machte ich erstmal eine Gewinnerpose, die aber nicht von langer Dauer war.

Es schien einfach alles weniger zu werden, mein Kandiszucker, meine Kellogs und selbst die Milch. Ich achtete nun penibel auf jedes Gewicht und jeden Füllstand, dass muss zwar verrückt klingen, aber wir befanden uns schließlich im Krieg und verpatzte Chancen können schnell das Aus bedeuten. Natürlich reagierte Earl auf Ansprache der fehlenden Sachen völlig unschuldig. Um ganz sicher zu gehen, kaufte ich extra leckere Kekse und „vergaß“ sie auf dem Küchtisch. Auch sie waren bald weg, also bestätigte sich mein lang gehegter Verdacht. Nun war es an der Zeit zurückzuschlagen. Leider war es nicht so einfach, seine Sachen zu nehmen, denn er hatte nur wenige, eklige und ich hatte auch das Gefühl, dass er keine bräuchte, denn ich fütterte ihn ja durch.

Eines Tages musste ich wieder einkaufen. Also suchte ich mir wieder einen besonders leckeren Schokopudding aus, ging damit nach Hause und präparierte diesen mit einem harmlosen E-coli-Bakterienstamm aus unserem Labor. Dann malte ich an das gute Stück ein kleines Achtungszeichen, stellte den Becher in den Kühlschrank und wartete geduldig auf den nächsten Abend.

Die Szenerie wiederholte sich. Ich stand vor dem Kühlschrank und suchte nicht wirklich mein verloren geglaubten Schokopudding, als sich seine Zimmertür öffnete. Er kam raus, mit einem fetten Grinsen im Gesicht, hielt den leeren Schokopudding in der Hand und sagte einen freundlichen „Guten Abend“. Ich erwiderte die Begrüßung und fragte ihn gleich, ob er mein Schokopudding gesehen hätte. Natürlich nicht, meinte er und schoß den leeren Schokopuddingbecher provokativ neben den Mülleimer, so dass ich ihn auf jeden Fall sehen musste. Ohne auch nur von dieser Geste Kenntnis zu nehmen, redete ich weiter:

„Du Earl, weißt du wirklich nicht, wo er ist?“ und legte eine extra besorgniserregende Miene hinzu.

„Nein, wirklich nicht. Wieso brauchst du unbedingt einen Schokopudding?“ fragte er nun sichtlich interessiert.

Ich steckte meinen Kopf in den Kühlschrank, da ich mein hämischen Grinsen einfach nicht mehr unterdrücken konnte und sagte:

„Nicht einen Schokopudding. Den Schokopudding. Ich hatte diesen mit Bakterien versehen, dass war ein Versuch von unserem Studium. Ich hatte den Becher extra mit einem Warnhinweis versehen, aber ich finde ihn einfach nicht.“ und während ich das so dramatisch wie möglich erzählte, griff er zu dem Becher und suchte das Warnsymbol.

Volltreffer.

Ich zog meinen Kopf wieder aus dem Kühlschrank, zuckte mit den Schultern und ging wortlos in mein Zimmer. Eigentlich hätte ich mir seine Visage noch viel länger anschauen können, aber so gemein wollte ich dann nicht sein und das Lachen hätte ich mir bestimmt nicht verkneifen können. Das Bad war dann übrigens für 1h besetzt gewesen, aber auch das hatte ich geplant, in dem ich mich einfach früher gewaschen hatte. Damit war das Thema Essensklau und Co vom Tisch und ich konnte wieder gemütlich einkaufen gehen, ohne irgendetwas mit einzukalkulieren.

Die Schlacht war in diesem Moment gewonnen, aber der Krieg war nicht zu Ende. Nun sollte es zu meinem Leidwesen wirklich unheimlich werden.

In der letzten Zeit war es wirklich ruhiger geworden, fast zu ruhig. Zu diesem Zeitpunkt muss man aber sagen, war ich mehr als paranoid und überempfindlich was diese Dinge anging. Der einzige Ruhepol war noch mein Zimmer. Alles stand an der selben Stelle, nichts ungewöhnliches und daneben war es auch noch sauber. Auch wenn ich die Küche, Bad und Flur immer saugte und wischte, hatte ich mich immer tierisch gefreut, wenn eine Stunde später sich wieder Dreck häufte. Aber so war es nun mal und ich fand mich damit ab. Irgendwie hatte sich mein Mitbewohner in der letzten Zeit nichts mehr geleistet. Ich hoffte natürlich nicht, dass er ständig Scheiße baute, aber ich konnte ihn einschätzen und langsam machte ich mir Sorgen, dass das dicke Ende bald kommen würde. So Kleinigkeiten, die einen zwar ärgern, aber nicht wirklich das Leben beeinflussten, sind mir lieber als große Katastrophen. Ich spürte einfach, dass es zu ruhig war. Ein Teil von mir sagte sich schon, dass er sich geändert hatte, aber der andere Teil wusste es besser.

Eines Tages war es soweit, dass dieser Teil Recht bekam.

Als ich an nichts Böses dachte und mitten in der Nacht, die Toilette aufsuchte, bemerkte ich beim Aufstehen einen dunklen Schatten in der Ecke meines Zimmers. Hierzu muss man noch sagen, dass ich Kontraste, Licht und Schatten gut sehen konnte, Schärfe hingegen, konnte ich aufgrund meiner Sehschwäche, die ich tagsüber mit Kontaktlinsen kaschierte, in der Nacht nur noch schlecht verwirklichen. Deshalb machte ich mir keine Gedanken, wie auch wenn man ja nur seine Blase leeren will und im Halbschlaf rumtorkelte. Aber als ich zum Bad ging, stand die Zimmertür meines Mitbewohner sperrangelweit offen. Ich dachte anfangs, er war im Bad. Es brannte aber weder Licht, noch war die Tür abgeschlossen, also verrichtete ich gedankenlos mein Geschäft. Als ich fertig war, bemerkte ich beiläufig, dass die Zimmertür des Mitbewohners jetzt zu war. Der Schatten in meinem Zimmer war natürlich auch weg. Aber der Zusammenhang fiel mir erst auf Arbeit auf. Denn in der Nacht habe ich besseres zu tun, als mein Gehirn anzuschalten und über irgendwelche Türen und Schatten nachzudenken. Wäre es möglich, dass mein Mitbewohner in meinem Zimmer war. Wenn ja, was wollte er dort und das mitten in der Nacht? Ein kalter Schauer lief mir bei diesem Gedanken den Rücken hinunter, aber die Klimaanlage die auf 18°C gestellt war, tat ihr übriges. Ich verschob den Gedanken und machte mich wieder an die Arbeit.

Auch wenn ich die nächsten Nächte etwas unruhiger schlief, um ab und an aufzuwachen und in meinem Zimmer nach verdächtigen Schatten Ausschau zu halten, passierte die Sache nicht mehr, bis um die gleiche Zeit in 7 Tagen. Natürlich hatte ich es schon verdrängt, aber als ich wieder den Schatten sah und dann die offene Tür meines Mitbewohners war es mir klar. Da ich dringend auf Toilette musste, ging ich ersteinmal dorthin, um dann nach dem Rechten zu sehen. Leider war danach die Sache schon wieder vorbei. Seine Tür war zu und ich konnte nichts beweisen. Unverrichteter Dinge ging ich wieder in mein Zimmer und blieb den Rest der Nacht wach. Die einzigen Handfesten Gedanken waren, dass er mir etwas Böses, mich ausspionieren oder einfach nur ein Pyscho-Spiel durchziehen will. Natürlich passten mir keins der gedachten Möglichkeiten. Der Tag verging wie im Flug, wenn man von Deutschland nach Australien will. Soll heißen, ich quälte mich von Minute zu Minute und nutzte jede Möglichkeit der Pause, um kurz meine Augen zu schließen. Dementsprechend plumpste ich abends in mein Bett und war sofort weg. Irgendein Geräusch, wenn man aufwacht, weiß man da war was, kann es aber nicht näher identifizieren, hatte mich aufgeweckt. Als erstes stellte ich „schockiert“, langsam gewöhnte ich mich auch daran, den Schatten in der Ecke fest. Ich ging, ohne mir etwas anzumerken, auf direktem Wege in sein Zimmer und fand es natürlich…leer vor. Kein Mitbewohner weit und breit. Dann schaute ich in der Küche nach. Niemand. Dann ging ich ins Bad. Niemand. Und wenn ich schon mal dort war… Als ich wieder heraus kam, war die Zimmertür meines Mitbewohners verschlossen. Dies hinderte mich aber nicht daran, sie zu öffnen. Wie süß, dachte ich, da liegt er und schläft. Was für ein scheinfrommes Arschloch. Am liebsten hätte ich meinen Fotoapparat herausgeholt und ihn fotographiert, aber der lag zu Hause. Wütend knallte ich die Tür zu, denn ich wusste ja, dass er nicht schläft. Für mich kam nur eins in Frage. Ich musste mir ein Schloss für meine Tür besorgen, um endlich ungestört schlafen zu können. Ich konnte ihn ja auch nicht drauf ansprechen, sicher hätte er mich für verrückt erklärt und sich ins Fäustchen gelacht. Diese Schmach wollte ich mir ersparen. Zum Glück war es bereits Donnerstag, auch wenn es 2Uhr in der früh war, aber morgen wollte ich in die Heimat fahren und einiges zu meinem Schutz besorgen. Hätte ich gedacht, dass wieder eine anstrengende Nacht auf mich wartet, hätte ich schon am Donnerstag ein Schloss besorgt.

Wie immer lang ich schlafend und nichts ahnend in meinem Bett, als mich irgendwas weckte, ich riss die Augen auf und bekam sogleich einen grellen Blitz zu spüren. Völlig blind und desorientiert, machte sich meine schützende Decke auf Abwegen. Mit voller Kraft und Körpereinsatz kämpfte ich blind um meine Decke, bis die undefinierbare Kraft, anders ausgedrückt, Earl, aufgab und ich sie wieder hatte. Blind richtete ich mich in meinem Bett auf und wartete bis ich wieder etwas sehen konnte. Aber da war nichts, ich hörte noch nicht einmal ein Geräusch und in der Dunkelheit, auch mit wieder normalen Augen, konnte ich nichts Auffälliges erkennen. Unspektakulär würde man sagen, das war ein Alptraum. Aber das lies ich mir nicht bieten und stürmte in das Zimmer meines Mitbewohners, der, wie es nicht anders zu erwarten war, schlafend in seinem Bett lag. Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, was der Scheiß soll, aber solange noch ein Fünkchen einer Alternative loderte, konnte ich ihm nichts anprangern. Und schon gar nicht ohne Beweise. Völlig sauer und auch ein wenig angsterfüllt ging ich in mein Zimmer zurück und stellte einen Stuhl vor meiner Tür. Verhakte die Lehne so unter die Türklinke, dass nur mit roher Gewalt und einigem Lärm der Stuhl nachgeben würde. Warum ich nicht schon früher auf den Gedanken kam, war mir bis dato völlig unklar. Aber weder der Stuhl, noch mein gestörter Mitbewohner gaben die weitere Nacht Geräusche von sich. Ich überlegte mir schon, ob mein Mitbewohner vielleicht schizophren war und sein absurdes Handeln gar nicht bewusst war. Von den Gemeinheiten und unterschwelligen Tonlagen her, schloss ich diese Möglichkeit schnell aus und schlief letztendlich ein. Am nächsten morgen packte ich meine sieben Sachen und fuhr zur Arbeit. Die Zeit war schön und entspannend, da meine Gedanken mich schon auf der heimischen Terrasse auf dem Liegestuhl sahen, erzählte ich dann was vorgefallen war, sehr zur Verwunderung meiner Eltern. Erst beim dritten Anlauf konnte man den Glauben an meine Erzählungen auf den Gesichtern ablesen. Sie dachten schon, ich würde wieder übertreiben, aber anhand meiner Augenringe lenkten sie dann doch ein. Noch am gleichen Tag fuhr ich mit meinem Vater in einen Baumarkt und besorgte mir ein Sicherheitsschloss. Der Verkäufer meinte, dass man dafür schon sehr geschickte Hände bräuchte, um das gute Schloss aufzubekommen. Zufrieden und ein wenig Zeit mit meinem Vater verbracht, verließen wir wieder schnell den großen Baummarkt, um Mutters Auflauf zu genießen.

Alles in allem war das Wochenende mal wieder Balsam für meine geschundenen Nerven. Aber nach dem Tage kommt auch irgendwann der Abend und mit ihm das Erwachen.

Noch konnte ich diesem Abend ausweichen, in dem ich zu einer unmenschlichen Zeit von meiner Heimat losfuhr, um dann pünktlich auf Arbeit in Bremen zu landen. Am gleichen Tag baute ich dann geschickt das Schloss ein und freute mich über die neu gewonnene Sicherheit. Natürlich provozierte ich meinen Mitbewohner nicht, in dem ich auf das Schloss zeigte oder ihm den Stickefinger hinstreckte, so dass er mir in mein Zimmer folgen würde, welches ich dann schnell abschließen würde. Nein, die Zeit würde kommen, an dem er das Schloss schon bemerken würde. Und diese Zeit kam schneller als gedacht. In der selben Nacht hörte ich wie jemand heftig meine Türklinke runter drückte und versuchte die Tür aufzubekommen, in der Annahme sie würde klemmen. Ich erfreute mich über meine erkaufte Privatsphäre und raf laut „HA“, um ihn zu erschrecken. Dann sagte ich etwas leiser: „Geh ins Bett du verrückter Penner.“ Als ob nichts gewesen wäre, hörte ich kein einziges Geräusch mehr. Er musste auf Samtsohlen wieder in sein ausgekühltes Bett gekrochen sein. Diese Nacht schlief ich herrlich, träumte aber apokalyptische Sachen. Was mir am nächsten Tag schon Sorgen machte, denn sie waren immer noch glasklar in meinen Gedanken eingebrannt. Eine nackte Frau oder irgendetwas Schönes vergisst man natürlich sofort wieder, aber so ein Scheiß muss ich mir jetzt den ganzen Tag im Kopf ansehen, dachte ich verärgert.

Aber an diesem Tag waren das nicht die einzigen Sorgen, die ich haben sollte.

Irgendwann, ich weiß nicht mehr genau wann es war, denn ich war mit den Kolleginnen auf einem Grillfest, kam ich nach Hause. Es war alles ruhig, was kein gutes Zeichen war. Denn alles was man sieht und hört, kann man auch einschätzen, aber die Ruhe kündigt das Ungewisse an. Ich durchstreifte beiläufig die öffentlichen Räumlichkeiten, entdeckte aber kein Unheil, was nicht schon vorher da war und ging letztendlich zu meinem unberührten Zimmer, da es ja verschlossen ist. Pustekuchen. Die Tür war zwar zu, aber nicht verschlossen. Ich schaute flüchtig in mein Zimmer, erkannte aber nichts. Dann überlegte ich, ob ich nicht vielleicht vergessen hatte, mein Zimmer zuzuschließen. Das konnte aber nicht sein, davon war ich felsenfest überzeugt. Misstrauisch betrat ich mein Zimmer und bemerkte sofort, dass Earl hier drinnen war und wie er das war. Im ersten Augenblick schien alles normal zu sein, aber beim näheren Hinschauen, entpuppte sich die kalte Fassade der Wahrheit. Natürlich bin ich ein ordentlicher Mensch, um nicht zu sagen pedantisch ordentlich, jedenfalls wusste ich, wo bestimmte Gegenstände ihren genauen Platz hatten und da fielen einem die verschobene Tastatur, ein umgekipptes Bild und schiefe Zettel sofort auf. Umso mehr ich sah, umso mehr kam die Erkenntnis. Dieses Arschloch ist doch tatsächlich in mein Zimmer eingedrungen und hat sich weiß ich was angeschaut und mich ausspioniert. Wer weiß, ob er nicht vielleicht ein Mikro oder eine kleine Kamera versteckt hatte. dachte ich, wobei das letztere doch eher eine Spinnerei von mir war. Wieder einmal völlig hemmungslos und wutentbrannt ging ich stapfenden Schrittes zu der Zimmertür meines Mitbewohners. Ich klopfte nicht, sondern drückte energisch die Klinke herunter. Aber sie öffnete sich nicht. Ich pochte heftig dagegen und schrie fast:

„Das kannst du nicht machen. Ich rufe die Polizei und dann fliegst du hier raus.“

Keine Antwort.

Ich pochte nochmals heftig dagegen.

„Komm gefälligst da raus, du Weichei.“

Nichts.

„Sag mal, bist du überhaupt da?“ Eine rein rhetorische Frage versteht sich.

Wieder nichts.

So langsam reichte es mir gewaltig. Jetzt war es aus, sobald ich ihn sehen würde, würde ich ihn zur Rede stellen und dann gab es nur zwei Möglichkeiten: Er oder ich.

Ich bereitete mich mit schlagkräftigen Fragen und Antworten vor. Überlegte einige Dinge, wie ich ihn drankriegen könnte. Aber im Endeffekt machte ich mir viel zu viele Gedanken, denn…er kam nicht. Ich blieb extra bis kurz vor 24Uhr wach, um ihn zur Rede zu stellen, doch er war nicht da. Dann schlief ich ein und wie es nun einmal so ist, werden alle Probleme im Schlaf verarbeitet. Nur das sie bei mir nicht im Schlaf, sondern vor meinem Bett standen.

„Hallo Earl.“ sagte ich finster.

Dachte er vielleicht ich bin saublöd. Wenn er schon einmal in mein Zimmer kommen konnte, dann schaffte er es sicherlich auch ein zweites Mal. Ich schloss also am Abend meine Tür ab und legte mich „schlafen“. Wenn man wußte, dass jemand in der Nacht in dein Zimmer kommt, dann schlief man einfach nicht. Ich hörte genau, wie er an meinem Schloss rumfummelte und nach kurzer Zeit meine Tür aufbekam. An dieser Stelle ein Hoch auf das sog. „Sicherheitsschloss“. Auf diesen Moment hatte ich mich vorbereitet. Ich zückte meine Kamera und knipste im Serienmodus. Das bedeutete, dass bei meiner Panasonic aller 1,5s ein Bild mit Blitzlicht geschossen wurde. Aufgeschreckt versuchte Earl aus dem Blitzlichtgewitter zu türmen, was ihm nur mäßig gelang. Er stolperte bleiern über meinen Stuhl und landete bäuchlings auf dem harten Parkett. Das hinderte ihn aber nicht, schnell wieder aufzustehen und zu verschwinden. Ich blieb kurz in meinem Bett und schaute die geschossenen Fotos an. Sie waren alle scharf und zeigten den verstörten Earl mit einem Gegenstand in der Hand, was das war konnte ich noch nicht erkennen. Dann sprang ich von meinem Bett auf, eilte in die Küche. Dort angekommen schnappte ich mir für jede Hand ein schönes Küchenmesser. Mit einer verzerrten Grimasse und den Messern in den Händen, klopfte ich vorsichtig an Earl’s Tür.

„Hallo Earl, hier ist dein Freund und Helfer. Ich komme jetzt rein und werde dich ausquetschen.“ sagte nicht meine Stimme, jedenfalls klang sie gar nicht wie meine eigene. Ich ging einen kleinen Schritt zurück und trat mit voller Wut an die Tür. Sogleich sprang diese auf und schepperte gegen den Kleiderschrank. Ich hatte hierbei noch Glück, dass a) überhaupt die Tür aufgegangen und b) nicht der Rahmen bzw. das Schloss mit rausgeknallt war. Nun stand ich im Eingang, der Wind pfiff mir durch mein struppiges Haar. Ein Fenster im Zimmer war vollständig geöffnet oder…nein es war eingeschlagen. Die Klinke zeigte nach unten, was „zu“ bedeutete. Dennoch schaute ich mich vorsichtig im Zimmer um. Ein Schatten huschte im Augenwinkel hinter dem Kleiderschrank hervor. Sofort drehte ich mich in Richtung der Bewegung, immer noch mit den beiden Messern in den Händen.

„EARL.“ schrie ich.

Der Schatten blieb abrupt stehen.

„Wir müssen reden von Mann zu Mann.“ dabei ging ich mit kleinen Schritten (und den Messern) auf ihn zu.

Earl ging mit jedem meiner Schritte auch ein Schritt zurück.

„Bleib stehen, du Hurensohn. Ich werde dir schon nicht wehtun.“ wobei ich mit den Messern rasselte. Eigentlich waren die Messer nur zu meiner Verteidigung gedacht bzw. um bei ihm Druck aufzubauen, mir endlich mal die Wahrheit zu sagen, was er in meinem Zimmer wollte. Aber das Gegenteil passiere, er schritt immer weiter in Richtung des Fensters. Als ich dann das vermeintlich unausweichbare sah, rief ich schnell:

„Vorsicht. Hinter dir ist das offene Fenster.“

Darauf drehte er sich um, erkannte die Situation, schaute mich noch einmal mit einem bösen Grinsen an und sprang. Schockiert ließ ich die Messer auf den Boden fallen. Dann rannte ich quer durch das Zimmer zu dem Fenster. Unbehaglich lehnte ich mich hinaus und schaute nach unten. Da lag er in seinem schwarz-weiß karierten Schlafanzug auf den nassen Erdboden. Eigentlich sah es aus, als würde er schlafen, zumindest gaukelte das seine Körperhaltung vor.

„Earl, Earl. Geht es dir gut?“ rief ich in den strömenden Regen hinaus.

Aber er verharrte in der gleichen Position und antwortete nicht.

Ich rannte wie Indiana Jones, der von der übergroßen Steinkugel verfolgt wurde, die Treppen hinab und eilte ins Freie. In nur wenigen Sekunden war ich durchnässt, aber das war mir egal. Anfangs erkannte ich nicht viel, da es sehr dunkel war und der Regen ständig ins Gesicht prasselte. Dann ging ich vorsichtig zu der Stelle, wo Earl aus dem Fenster gesprungen war. Aber ich fand ihn nicht. Es muss doch hier irgendwo sein, dachte ich. Oben erkannte ich das offene Fenster und dann sah ich, dass ich inmitten eines großen Menschenabdruckes stand.

Earl war weg.

Unglaubwürdig und völlig verständnislos schaute ich in die Dunkelheit hinaus. Nichts als Dunkelheit und Regen, da war nichts, außer…Earl.

Scheiße.

Wieder rannte ich, mit der Steinkugel im Nacken, die Treppen hinauf und stürmte ihn die Wohnung. Kurze zwei Minuten später hatte ich alles durchsucht, Earl war nicht da. Ich ging wieder zu dem zerbrochenen Fenster und schaute hinaus. Aber da war nichts. Ich nahm mir ein Buch und las die ganze Nacht, in der Hoffnung Earl würde wieder kommen.

Er kam nicht wieder.

Nach zwei Wochen erzählte ich dem Vermieter, dass ich meinen Mitbewohner lange nicht mehr gesehen hätte. Daraufhin meinte dieser, dass er sowieso noch offen stehende Rechnungen von ihm hätte. Kurzerhand bestellte er ein Entsorgungsteam, welches die Möbel abholte und die Bude säuberte. Das zerbrochene Fenster wurde dann auch repariert. Nun war ich ganz allein in der 60qm Wohnung. Lieber alleine, als mit so einem Psychopathen zusammen, dachte ich mir. Weitere zwei Wochen vergingen ins Land, als sich urplötzlich mein Vermieter meldete und mir sagte, dass ein seriöser junger Autoverkäufer nächsten Samstag in das leer stehende Zimmer einziehen würde. Etwas schockiert nahm ich die Nachricht auf, denn das schöne Leben im Einsiedlerstil gefiel mir mittlerweile sehr gut. Dennoch, sagte ich mir, lernt man ev. einen sehr interessanten Menschen kennen.

Samstag.

Ich kam von einer langen Feier wieder in meine schöne Wohnung zurück. Vom Flur bemerkte ich das Licht in der Wohnung und freute mich sogleich Hans-Peter, den Autoverkäufer, kennen zu lernen. Ich schloss die Tür auf und… der Weg ebnete sich durch zahlreiche Kartons auf dem Boden. Ein dumpfes Pochen im Hinterkopf machte sich breit. Irgendwoher kannte ich dieses Szenario, verschob aber aus gutem Grunde, den aufkeimenden Gedanken und mit ihm das Pochen. Geduldig bahnte ich mir einen Weg durch die Kartonwüste und traf in der Küche auf Hans-Peter.

„Hallo. Du musst Hans-Peter sein.“ sagte ich freundlich.

„Ja hallo. Tschuldige für das Chaos, wird dann sofort weggeräumt und du bist sicherlich Henk?“

Ich nickte aufrichtig. So muss also ein echter Hamburger aussehen und der norddeutsche Akzent, wahnsinn, dachte ich mir. Wir gaben uns die Hände und den normalen Sitten gerecht, schaute ich ihm in die Augen. Erschrocken wich ich ein paar Schritte zurück. Mein Mund stand offen und meine Augen waren geweitet.

Das kann nicht sein. Träume ich oder ist das eine Fata Morgana. Diese Augen kenn ich doch, diesen stechenden Blick habe ich zuletzt bei…bei…bei Earl gesehen. Wie kann das…

„Henk, geht es dir gut?“ fragte er freundlich, aber die danach folgende Grimasse lies mich der Ohnmacht nahe werden.

Er war es.

Gruselige Kurzgeschichten - ein Band mit 8 Erzählungen

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