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Die ersten Kunden

Schon am nächsten Tag suchte ich Kurtchen in seiner Wohnung auf, was mir insofern unangenehm war, als ich unangemeldet kam. Doch er war mir nicht böse; im Gegenteil, er schickte sogleich das Mädchen fort - ein ziemlich junges Dingelchen, vermutlich aus Osteuropa. Dann warf er sich seinen Pyjama über und bot mir eine seiner widerlichen Zigarillos an. Als ich ablehnte, lachte er nur, nannte das aber konsequent und kam auch gleich zur Sache. Den Arm um meine Schulter gelegt, nötigte er mich neben sich auf die Couch. Dann begann er sich über alles Mögliche zu ereifern, das allgemeine Lotterleben, den Müßiggang in der heutigen Zeit und die Notwendigkeit, ‘ordentliche Kohle‘ zu machen. Doch die Situation würde immer schwieriger, die Kunden anspruchsvoller; zudem wären geeignete Talente rar. Nun aber sei meine Chance gekommen, und es wäre an mir usw. usf.

Abschließend nannte er meinen Entschluss vernünftig und versicherte mir faire Konditionen zu, vorausgesetzt, ich hielte mich an die Abmachungen. Was er damit meinte, ließ er allerdings offen. Vielmehr quittierte er meine diesbezügliche Frage mit vieldeutigem Grinsen, was wohl heißen sollte: ‚siehe her, du Esel, dann weißt du, wie weit man es bringen kann‘. Zweifellos gefiel ihm meine Naivität und kam seiner Rolle als fürsorglichen Mentor entgegen, denn er nannte mich mehrmals ‘interessant‘ und ‘drollig‘, eine ideale Kombination. Ob ich Angst hätte, wollte er wissen, was ich aber verneinte. Das wäre auch gut so, anderenfalls könnte ich nicht arbeiten. Dann aber begann er meine Befindlichkeit zu testen, indem er die Dinge beim Namen nannte und mir einige zum Teil recht schlüpfrige bis abstoßende Details meiner künftigen Praxis offerierte und das auch noch so schamlos, dass mir richtiggehend schlecht wurde. Scheute er doch nicht davor zurück, alle nur denkbaren Perversionen anzuführen, dazu die vielfältigen, zum Teil makabren bis sadistischen Varianten ihrer Befriedung, wobei nur eines zähle - der Wunsch des Kunden, wie abartig er auch sein möge.

Das schockierte mich, denn so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wo blieb die Menschlichkeit, das Herz? Immerhin war man doch kein Automat, der Gefühle nach Belieben produzieren kann. Hinzu kamen seine schmutzigen Phantasien, die seine ganze niedere Denkart bezeigten. Da halfen auch seine Lacoste-Hemden nichts. Er war durch und durch verkommen, ein Stück Dreck im Seidenmantel, das zum Himmel stank; das sah ich jetzt klar und guckte ihn, glaube ich, auch so an.

Mein Widerwillen blieb ihm nicht verborgen und reizte ihn. Dann aber winkte er ab und nannte mich einen Idioten; nur weil er die Dinge ‘praktisch‘ sähe, wäre er noch lange nicht herzlos; außerdem käme es darauf nicht an. Schließlich habe er auch mal angefangen, damals noch als Türsteher; ein Knochenjob, der ihm neben mehreren Nasenbrüchen auch einige Messerstiche eingebracht hätte. Dazu öffnete er seinen Pyjama und verwies stolz auf einige Narben als Zeichen seiner Konsequenz. „Gefühle sind in diesem Geschäft hinderlich. Im Augenblick der Zusammenkunft erfüllt man einem Vertrag, wobei jede Seite Anspruch auf Zufriedenheit erhebt. Deshalb gibt es auch kein Recht zum Klagen, ausgenommen, die geforderten Leistungen werden nicht erbracht“, resümierte er. „Und jetzt guck nicht so. Der Mensch lebt nun mal nach seinen Trieben, und genau das ist der Punkt. Selbst die biedersten Leute haben welche, mitunter sogar die dreckigsten. Würdest staunen, wer alles zu meinen Kunden zählt. Alle predigen Wasser und trinken Wein. Aber wen interessiert das? Das Wichtigste ist ihre Zufriedenheit; nur so kommt man weiter. Deshalb werde ich einen Teufel tun und an ihre Moral appellieren. Ich kann sie mir nicht leisten, verstehst du.“ Er zündete sich eine neue Zigarillo an und inhalierte tief den bitteren Rauch. „Meine Mutter daheim im Fränkischen hielt mich immer für einen Versager; aus mir würde ja doch nichts, meinte sie und verglich mich mit dem Vater, den ich übrigens nie kannte. Ihr stilles Lächeln war kränkend, ohne dass ich sagen könnte, warum. Da habe ich mir geschworen, sie soll mich nie wieder so anlächeln. Und seither tut sie es auch nicht mehr. Denn wenn ich mit meiner Corvette, im weißen Anzug dort vorfahre, bin ich nicht mehr Kurtchen, sondern Herr Meyer, jawohl! Dann küssen sie mir den Arsch. Mutter denkt, ich bin Unternehmer und hat es überall erzählt. Nun ja, bin ich ja auch, und für den Herrn Pfarrer habe ich immer eine kleine Spende parat. Seither stiften sie einmal im Jahr dort einen Kranz für mich. Kannst du dir das vorstellen?“

Bei diesen letzten Worten leuchteten seine Augen sonderbar.

Plötzlich kam ihm eine Idee. Er wolle mir etwas zeigen, etwas Besonderes, wobei er meinen Einwand auf Zeitmangel völlig ignorierte. Von dieser Idee ergriffen, führte er mich aus dem Haus. Unten stiegen wir in seine Corvette und fuhren nach Neukölln. In einer kleinen Seitenstraße, in der Nähe vom ‚Kotti‘, parkten wir neben einer Einfahrt, durchquerten den Torbogen eines heruntergekommenen Altbaus und gelangten in einen dunklen Hausflur. Schnaufend polterte er die Treppe voran, während ich ihm ängstlich folgte. Am Etagenfenster des dritten Obergeschosses hielt er inne, zog ein Fernglas aus seiner Tasche und visierte das Haus gegenüber. Es war sorgsam renoviert mit Dachterrasse und schneeweißer Fassade und vermittelte einen Hauch von Noblesse in dieser ansonsten überaus tristen Gegend.

„Sieh einer an“, sagte er erstaunt, ohne das Glas abzusetzen „diese Portiere ist bestimmt fünfhundert Mäuse wert, und der Kristallspiegel - nein, wie sie das nur macht ... Sogar ‘ne Putze kann sie sich leisten.“ Dann drückte er mir das Glas in die Hand, um mich selbst davon zu überzeugen. Doch während er unablässig weiterschwatzte und dabei etwas von Teilhabe und Szenenehre erwähnte, konnte ich nichts erkennen, glich ein Fenster dem anderen, ohne das daran etwas Besonderes wäre.

„Früher hieß sie Huschenbett“, fuhr er eifrig fort. „Irina Huschenbett, - komisch, nicht wahr? Jetzt heißt sie Stolzenfels, ausgerechnet. Auch ihren Vornamen hat sie geändert, hat wohl an alles gedacht ... Übrigens, der silbergraue SLK dort unten gehört ihrem Mann, ein hohes Tier in irgendeiner Behörde, wie man sagt. Toller Wagen ... Oh, sieh doch nur, jetzt steigt er ein. Dabei hätte ich schwören können ... Könnte wetten, dass ihn einiges zu seiner Gattin interessieren würde ... Komm, ich stell sie dir vor. Sie freut sich immer über meinen Besuch.“

Schon packte er meinen Arm und zerrte mich die Treppe hinab. Dabei redete er betont laut und lachte nervös zu den eigenen Bemerkungen, als wollte er mit Absicht Aufsehen erregen. Mir war das insofern peinlich, da es sich um ein ordentliches Haus handelte und es keine Veranlassung zu einer solchen Szene gab. Die Wände waren hell und freundlich gestrichen, mit Ornamenten und Bordüren versehen und der Fußboden gebohnert. An den Türen hingen goldene verzierte Namensschilder und auf jeder Etage standen Blumen in den Fenstern. Oben angekommen, wollte er klingeln. Ich aber machte ihn darauf aufmerksam, dass dort ’Jäger’ stand und nicht ’Stolzenfels’, wie er sagte.

Doch er winkte ab und meinte, das ginge schon in Ordnung. Dann drückte er die Klingel. Kurz darauf öffnete sich die Tür, und vor uns stand ein ziemlich junges Mädchen mit Gummihandschuhen und Schürze, offenbar die Putze. Nachdem Kurtchen etwas umständlich erklärte, die Hausherrin sprechen zu wollen, erwiderte sie kurzerhand, Frau Jäger sei nicht zu Hause, und sie wisse auch nicht, wann sie zurückkäme. Das klang freilich wie einstudiert, worauf sich Kurtchen ziemlich ruppig wiederholte und ihr dabei allein durch seine Pose (er lehnte den Arm gegen die Wand und machte mit dem Daumen eine lässige wie unmissverständliche Geste) signalisierte, nicht eher zu gehen, bis sich die Hausherrin blicken ließe.

„Na, hören Sie mal“, empörte sich das Mädchen und wollte schon die Tür zudrücken. Doch Kurtchen stellte sogleich den Fuß zwischen. Wer weiß, was geschehen wäre, wäre nicht in diesem Moment eine Frau von hinten hinzugekommen. Das war eine verlebte Endvierzigerin, etwas dicklich und mit Brille, die sich offenbar eilig den Morgenrock übergeworfen hatte und noch schnell zuband. Zweifellos vom Lärm beunruhigt, trat sie heran und fragte mit bebender Stimme, was wir wünschen.

„Oh, mein Name ist Kurt Meier, Gnädigste, und das ist ein guter Freund.“ Augenblicklich nahm er den Fuß aus der Tür und verbesserte seine Haltung. „Bin ich hier richtig bei Huschenbett, Irina Huschenbett?“

Die Frau schaute erst ihn, dann mich ganz entgeistert an und antwortete: „Nein, hier wohnt Familie Jäger. Sie müssen sich irren.“

„Hm, das ist aber seltsam. Dabei hätte ich schwören können ... Wissen Sie, Irina und ich sind alte Freunde, genauer gesagt, sie hat mal für mich gearbeitet, sich dann aber aus dem Staub gemacht, einfach so, und nun schuldet sie noch etwas. Und da ich Geschäftsmann bin, kann ich mir so etwas nicht leisten, wenn Sie verstehen.“ Wieder hatte er sehr laut und mit Nachdruck gesprochen, so dass sich eine Nachbartür einen Spalt weit auftat und einen Horcher verriet. Man merkte, wie unangenehm das der Frau war, die ihn hochrot mit einem Ausdruck ängstlicher Verwunderung anstarrte.

Jetzt aber geschah etwas Unerwartetes. Kurtchen knickte plötzlich ein, ohne dass diese Frau auch nur eine Silbe gesagt hatte. „Aber vielleicht haben Sie recht“, fuhr er verhalten fort und senkte betreten die Augen. „Es wohnen ja so viele Leute hier. Da kann man sich schon mal irren ... Sollten Sie sie aber dennoch antreffen, richten sie ihr einen schönen Gruß von Kurtchen aus; sie weiß dann schon Bescheid.“

Kaum war das ausgesprochen, schlug sie auch schon die Tür vor uns zu. Ich verstand das nicht, vor allem Kurtchens Gleichmut Dabei hätte ich schwören können, dass er jetzt tobt. Doch er schaute nur kurz auf die Uhr und bedeutete mir, ihm zu folgen.

Schweigend gingen wir hinunter, querten den Hof und begaben uns zum Auto. Doch kaum eingestiegen, kam auch schon die Frau herbeigelaufen und übergab ihm einen Briefumschlag, oder besser, schleuderte ihn ihm entgegen.

Wieder blieb Kurtchen ruhig und überzeugte sich vom Inhalt. Wie groß mein Erstaunen, als er tatsächlich fünf Blaue in den Händen hielt und seelenruhig einsteckte. Dann startete er den Motor. Als er aber losfahren wollte, schlug die Frau noch mit der flachen Hand auf die Motorhaube und kreischte etwas in der Art, wir sollten uns hier nicht noch mal blicken lassen, sonst riefe sie die Polizei. Kurtchen lachte nur, zeigte ihr den Finger und brauste los.

Ich war begeistert, zumal ich so etwas noch nie erlebt hatte.

Bereits am nächsten Tag fuhr er mich zu meiner ersten Adresse. Auf dem Weg instruierte er mich noch einmal eindringlich, zog nervös an seiner Zigarillo und schaute fortwährend auf die Uhr schaute. Gerade beim ersten Mal sollte man die Kundenwünsche unbedingt respektieren, mahnte er, und seien sie auch noch so absurd; keine Abstriche hingehen gebe es beim Geld. „Unter Zweihundert läuft nichts, hörst du? und das Geld auf keinen Fall fordern. Sie werden es dir geben, wenn es so weit ist, diskret und wortlos. Und du wirst dir nichts anmerken lassen, klar? Es muss professionell geschehen, das ist wichtig ... Ach, jetzt guck nicht so dumm und nimm endlich die Zitrone aus dem Mund, so schlimm wird’s schon nicht; wirst ne Menge Jux haben und dafür auch noch bezahlt ... Also zeig, was du drauf hast, und denke daran, was ich gesagt habe: Mach sie zufrieden, denn Zufriedenheit ist dein Kapital. Nur so bekommst du Referenzen und die brauchen wir ... So, da ist es und denke daran, 200 Mäuse. Ich hole dich hier nachher wieder ab.“

Es war eines der üblichen viergeschossigen Mietshäusern, keine gute Gegend also. Der Hausflur war duster und unsauber und die meisten Briefkästen zerbeult. Als ich das Haus betrat, klopfte mir das Herz bis zum Halse. Es roch muffig nach Staub und alten Lumpen. Die Wohnung solle sich im Quergebäude befinden und die Aufschrift ‘Joyride event‘ tragen. Das hatte mir Kurtchen aufgeschrieben, damit ich es nicht vergesse. Nun stieg ich mit diesem Zettel in der Hand die Treppe hinauf, allein darauf bedacht, diese Tür nicht zu verfehlen. Im vierten OG wurde ich fündig. Es war eine grünlackierte Holztür mit Plastikschild. Ich sah mich noch einmal um, und da alles ruhig war, nahm ich allen Mut zusammen und straffte meine Haltung. Doch gerade als ich läuten wollte, trat gegenüber ein älterer Mann aus einer Wohnung und guckte mich ganz groß an. Ich wurde verlegen, wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Nicht mal seinen Tagesgruß konnte ich erwidern, so perplex war ich. Doch der grinste nur still und ging amüsiert nach unten.

Ich schaute ihm noch nach, besann mich aber und sah erneut auf den Zettel. Zweifellos war ich richtig. Zaghaft lauschte ich. Plötzlich war mir, als hörte ich etwas. Doch kaum hatte ich mich versehen, sprang die Tür auf, und ich wurde in die Wohnung gezogen. Drinnen herrschte Dunkelheit. Ich war so perplex, dass ich mich nicht zu rühren wagte. Zunächst konnte nichts erkennen, bis auf einen Lichtspalt, wodurch ein Gesicht huschte. Es gehörte einer Frau, die mich mit erhobenem Finger zur Stille mahnte.

Nachdem sie sich durch nochmaliges Horchen überzeugt hatte, dass alles ruhig blieb, fasste sie mich am Ärmel und führte mich in ein helles Zimmer. Hier wartete eine weitere Frau, auf einem Hocker, die mich sofort überaus unangenehm anstarrte. Sie mochte um die vierzig sein, war dürr wie ein Span, hatte einen wasserstoffblonden Bürstenhaarschnitt und ein linkisches Spitzmausgesicht. Ihre Augen waren von auffallender Starrheit. Zudem erschien sie sehr flippig, hingegen die andere, welche mich herein geführt hatte, gesetzter und ruhiger wirkte. Diese mochte an die fünfzig sein, verhärmt, mit leicht vorstehenden Zähnen und tiefen Furchen um den Mund. Ihr Gesicht war irgendwie rot und weiß geschminkt, und das zum Knoten aufgesteckte Haar machte sie noch älter. Beide trugen farbverschmierte Kittel und sprachen zunächst kein Wort. Das Zimmer war unaufgeräumt und mit allerlei Kram vorgestellt. Überall standen Farbtöpfe, aus einem Regal quollen Papierrollen und vor dem Fenster stand eine große Staffelei.

„Ja, schauen Sie nur“, begann die Ältere schließlich, die sich noch immer nicht beruhigt hatte. „Wie Sie sich aber auch anstellen. Wäre ja fast schief gegangen. Sie sind neu im Geschäft?“

Ich bejahte.

„Wissen Sie, wo Sie hier sind?“ fragte die andere, was ich verneinte. „Das ist gut so.“

„Hat sie jemand bemerkt?“ wollte wiederum die Ältere wissen. Ich verneinte abermals. „Das will ich hoffen. Wir legen nämlich Wert auf Diskretion ... Und jetzt machen Sie schon, ziehen Sie sich aus und stellen sich auf den Tisch, Zeit ist Geld.“

„Auf den Tisch?“

„Ja, was sonst ... Wieso fragen Sie? Sie werden doch dafür bezahlt, dass Sie keine Fragen stellen?“

Ich war irritiert, da ich etwas mehr Freundlichkeit erwartet hatte, folgte aber, während sie zwei Scheinwerfer anknipste und mich von allen Seiten beleuchtete. Als ich nun nackt vor ihnen stand, dabei meinen Schoß mit den Händen bedeckend, trat die Ältere an mich heran und begann akribisch jede Faser, jeden Muskel meines Körpers zu betrachten. Dabei wirkte sie sehr konzentriert, zeigte aber alsbald eine gewisse Zufriedenheit, was sich in einem unbestimmten Kopfnicken äußerte. Ich erinnere mich noch, dass sie meine Hände wegnahm und mein Schamgefühl albern nannte „Sie wollen Profi sein und machen einen solcher Kindergarten? Bleiben Sie einfach locker und tun, was Ihnen gesagt wird. Anderenfalls gibt es Abzug.“ Dann drückte sie meinen Oberleib etwas herab, schob meine Beine leicht auseinander und bat mich, so zu verharren. Sie ging einige Schritte zurück und betrachtete mich erneut.

„Nein, auf den Knien ist besser“, schlug die Spitzmaus vor.

Ich kniete mich also hin.

„Nicht so“, dirigierte die Ältere. „wenn schon, dann auf alle Vieren .... Ja so, bitte so bleiben und jetzt ein Hohlkreuz - und den Hintern etwas mehr heraus ... phantastisch.“

Nun setzte sie mir ein rotes Faschingshütchen auf, drehte meinen Kopf zur Seite und trat zurück. „Schau nur, Sybille, diese Muskulatur, diese Flanken, eine Hommage dem Fauvismus. Matisse hätte seine Freude daran.“

Die Spitzmaus schien entzückt und flüsterte der Älteren etwas ins Ohr, worauf diese jedoch nur unschlüssig mit den Achseln zuckte. Und während ich noch immer in kniender Pose mit diesem komischen Hütchen auf dem Kopf verweilte, trat die Spitzmaus an mich heran und klebte mir etwas auf den Hintern. Es handelte es sich um einen Federbusch, wie ich später sehen konnte.

Mein Anblick erheiterte die beiden. Doch damit nicht genug; nun begannen sie mich auch noch mit weißem Puder zu bestäuben, so dass ich husten musste. Immer wieder warfen sie neue Wolken in die Höhe, die mich bald völlig umnebelten. Ich hielt die Luft an. Am Ende war ich bleich wie eine Kalkwand, und erst jetzt schienen sie zufrieden.

Von wegen Jux. Auch Passivität kann qualvoll sein, besonders, wenn man das Gefühl eines Narren bekommt, dessen Pose zur Befriedigung zweifelhaft Gelüste dient. Und doch war ich nicht unbedingt traurig, nicht mal enttäuscht, vielmehr wütend auf mich selbst, dass ich auch nur eine Sekunde an etwas anders erwartet hatte, als die Rolle des Narren. Glaubte ich wirklich an den großen Charmeur und das gleich im ersten Anlauf? Ich wurde gebucht und musste gehorchen. Was jammerte ich da? Möglicherweise wollte ich mich am Ende selber nur davon überzeugen, wie wenig ich zu diesem Geschäft taugte. Ich wusste es nicht, wollte es auch gar nicht wissen, wollte nur alles so schnell wie möglich hinter mich bringen.

Während meiner ‘Sitzung‘ musste ich noch mehrmals meine Position ändern. Zweimal war die Spitzmaus herbei gekommen und hatte meine Stellung korrigiert, wobei sie beim ersten Mal mit einem roten Stift einen Strich von meinem Hintern über den Schenkel bis zu meiner Wade zog, zwei Schritte zurückging und mich erneut betrachtete

„Und was ist mit einer Erektion?“, fragte sie plötzlich mit einer gewissen Empörung und guckte mich herausfordernd an. Ich war völlig entgeistert und wusste nicht zu reagieren. Doch sie blieb unnachgiebig.

„Nein, keine phallische Dominanz. Das stört die Konvergenz der Linien“, intervenierte die andere, kam eilig hinzu und setzte nun selbst noch ein paar blaue Striche hinzu.

„Wundervoll“, hörte ich sie noch schwärmen, als sie mir über den Bauch strich und den Hintern tätschelte. „Vorzügliche Reflexe, ein wahrhafter Gockel.“

„Nein, ein Pfau, ein gepuderter Pfau!“, prustete die andere und konnte sich kaum noch halten vor Lachen.

Mir wurde richtig schlecht. Warum, um alles in der Welt, tat ich mir das an? In meinem Kopf herrschte Chaos. Ich dachte an Susanne, sah weiße Pferde über die Weide jagen, dazwischen graue Nebelwände. War das ein Traum?

Man rief mir etwas zu, ich verstand es nicht, schloss die Augen und zog mich tief in mich zurück. Wie lange ich das alles ertrug, kann ich nicht sagen, weiß nur, dass ich mich irgendwann duschen und wieder anziehen durfte. Weiteres verlangten sie nicht. Zum Schluss warf mir die Ältere mein Honorar entgegen, zwei blaue Scheine. Da war‘s, danach konnte ich verschwinden.

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Der gepuderte Pfau

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