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Perry Rhodan
Perry Rhodan fand sich ohne Waffen und ohne SERUN bei Wasser und Brot in einem dunklen Kerker wieder. Das schien sich zur typischen Begrüßung zu entwickeln, sobald der Terraner eine neue Galaxis erreichte.
Als er zum ersten Mal ins Gefängnis von BARILS Adyton geworfen worden war, hatte er seine Zelle als komfortables Quartier empfunden, eingerichtet für die Bedürfnisse eines Terraners, ähnlich den Zellen, in die sie Delinquenten auf der SOL steckten. Die Solaner folgten den galaktischen Konventionen zur Behandlung Gefangener fremder Spezies. Deren Bewegungsfreiheit durfte eingeschränkt werden, aber sie waren stets in einem Habitat unterzubringen, das ihren normalen Bedürfnissen entsprach. Wie Rhodan aus bitterer Erfahrung wusste, hielten sich nicht alle Kerkermeister an diese Gepflogenheit, weder in der Heimat noch in anderen Galaxien.
Der Raum, in den die Roboter ihn diesmal gesteckt hatten, war verwinkelt, beinahe schwarz und von pulsierenden Maschinenleitungen durchzogen. Die Farbe erinnerte Rhodan an Ricodin-Verbundstoff und damit an die Chaotarchen. Auch auf der SOL war dieses Material verbaut worden, seit der Chaotarchendiener Kirmizz das Hantelraumschiff vor mehr als zweihundert Jahren mit Kolonnentechnik aufgerüstet hatte.
Es ist immer nützlich, die Waffen deiner Feinde zu kennen, dachte Rhodan grimmig. Doch wehe dem, der den Griechen traut, wenn sie Geschenke bringen.
Vor ihm erhob sich wie eine klapprige Marionette ein halbmechanisches Wesen aus einem technisierten Sessel. Es bot einen erbarmungswürdigen und gleichzeitig furchterregenden Anblick: dürr, mit leeren Augen und weißen Haarsträhnen, die wirr vom Kopf abstanden. Die Hälfte des Gesichts und fast die ganze linke Körperseite waren durch schwarzes Metall ersetzt.
Haldukass – der ehemalige oberste Ritter BARILS, der erst vor wenigen Minuten durch Rhodans Eingreifen abgesetzt und in Gewahrsam gebracht geworden war.
Nun fand sich Rhodan ironischerweise mit Haldukass in derselben Zelle wieder.
Rhodan spannte alle Muskeln an, bereit zum Kampf. Vielleicht war es das, was ihre Kerkermeister sehen wollten. Sie sperrten ihn zusammen mit seinem größten Widersacher, damit der seine Rache an Rhodan vollziehen konnte.
Zu Rhodans Verblüffung griff Haldukass ihn nicht an. Stattdessen stieß er erst zögernd, dann immer zügelloser ein fürchterliches Gelächter aus.
Er ist wahnsinnig geworden, dachte Rhodan. Er war überzeugt davon, dass genau das seit langer Zeit die volle Wahrheit war. Nach einem beinahe tödlichen Unfall auf Ryonath war Haldukass verstümmelt und von Kolonnen-Anatomen wieder zusammengeflickt worden. Seitdem war aus dem ehemals angesehenen Richter ein unberechenbares Monstrum geworden.
In diesem Moment hatte es aber keine Lust, monströse Dinge zu tun. Haldukass setzte sich zurück auf die Kante des Technosessels und blickte Rhodan geradezu belustigt von unten herauf an. Seine kalte Stimme hatte einen metallischen Klang. »So bist auch du ein Gefangener, Orbiter der Ritterin A-Kuatond. Endlich widerfährt dir Gerechtigkeit.«
Mit einer ungelenken Handbewegung forderte er Rhodan auf, ebenfalls irgendwo Platz zu nehmen.
Rhodan blieb stehen und wartete ab.
Haldukass mochte es amüsieren, dass der Mann, der ihn zu Fall gebracht hatte, im selben Kerker saß wie er. Gleichzeitig erweckte er den Eindruck, als wäre die eigene Gefangenschaft nur eine vorübergehende Unbequemlichkeit.
»In deinen Augen sehe ich noch Tatendurst, Mensch. Du bist gefangen, aber nicht gebrochen. Im selben Augenblick, als sie dich in dieses Quartier geworfen haben, hast du dich schon gefragt, wie du wieder rauskommst.«
»Der Gedanke schoss mir durch den Kopf«, bestätigte Rhodan. »Ich nehme jedoch an, du hattest länger Zeit, darüber nachzudenken. Wie also lautet dein Fluchtplan?«
Der Unjaner lachte kurz und metallisch auf. »Das wüsstest du wohl gern. Ich werde es dir verraten, sehr bald sogar.« Mit halb geschlossenen Lidern lehnte er sich zurück, als ginge ihn das alles plötzlich nichts mehr an. »Doch lass uns zuerst ein wenig plaudern. Wir haben doch Zeit, nicht wahr? Und wenn wir nun schon Zellengenossen werden, sollten wir uns zuerst ein bisschen besser kennenlernen.«
Rhodan verharrte regungslos. Er hatte keineswegs Zeit. In der vergangenen Stunde hatten sich die Ereignisse überschlagen. Wenn er wieder einmal das Universum retten wollte, musste er die Ritterin A-Kuatond von dem abhalten, was auch immer sie im Moment vorhatte. Auch sie war anscheinend verrückt geworden.
Haldukass wollte ihm offenkundig Informationen entlocken, wie jeder Gefangene, der von der Außenwelt abgeschnitten war. Andererseits hatte der Wahnsinnige ihm eine Art Pakt unter Gefangenen angeboten, mindestens einen Waffenstillstand, und Rhodan gingen gerade die Verbündeten aus.
Vielleicht war Haldukass tatsächlich der Schlüssel zur Flucht. Er mochte irgendeinen verrückten Plan haben oder auch nicht. An den Wachrobotern vor der Tür kam Rhodan jedenfalls allein nicht vorbei. Wenn er Haldukass irgendwie benutzen konnte ...
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte Rhodan. »Wie willst du von hier entkommen, mein Zellengenosse?«
»Du wirst es erfahren«, erwiderte Haldukass. »Doch als Zeichen unserer neuen Kameradschaft erzähl mir, was geschehen ist, dass du mir in so einem finsteren Loch Gesellschaft leistest?«
»Meinetwegen.« Rhodan tat so, als ob er sich mühsam erinnerte.
Dabei lagen die Geschehnisse, seit Haldukass als Stimme BARILS abgesetzt worden war, erst eine halbe Stunde zurück. Weil er nichts zu verlieren hatte, würde er Haldukass' Neugier befriedigen, um anschließend eine Gegenleistung zu fordern.
»A-Kuatond erschien mit Yalaba im Rittersaal, im Körper eines Kinds«, berichtete er. »Sie behauptete, sie habe die Ernte auf deiner Heimatwelt Unja überlebt, und Yalaba habe ihr Bewusstsein in einen Klonkörper transferiert. Ein Gentest bestätigte, dass es sich bei dem Kind tatsächlich um einen Klon von A-Kuatond handelte. Aber das Bewusstsein in diesem neuen Körper ist nicht mehr dasselbe. In der zweiten noch ausstehenden Abstimmung wandten sich A-Kuatond und Yalaba gegen meinen Antrag ...«
»... die Flotten der Ritter gegen TRAITOR in den Kampf zu führen.« Haldukass sagte es mit Genugtuung.
Ungerührt fuhr Rhodan fort: »Ich habe das Kind danach allein zur Rede gestellt. Ich glaubte nicht daran, dass das Bewusstsein im neuen Körper A-Kuatond war ...«
... oder A-Kuatonds Geist ist beim Transfer dem Wahnsinn verfallen, dachte er. So wie deiner.
Haldukass schien ebenso ungerührt. »Hat das Rittersiegel des Orbiters auf seine Herrin reagiert?«, hakte er nach. Er mochte wahnsinnig sein, doch verhinderte das nicht, dass er über bestimmte Dinge mit glasklarem Verstand nachdachte.
Rhodan nickte, und es war ihm egal, ob Haldukass die menschliche Geste verstand. Das Siegel der Ritterin, das in seine Brust gefahren war und das ihn als A-Kuatonds Orbiter auswies, hatte ihn tatsächlich mit Wärme durchströmt, während er mit dem Kind gesprochen hatte. Aber vielleicht hatte es auf die Gene des Körpers reagiert, nicht auf das Bewusstsein im Körper.
»Ich bezweifle trotzdem, dass es sich um A-Kuatond handelt«, sagte Rhodan. »Sie war nie eine Anhängerin BARILS, nicht im religiösen Sinne. Doch die A-Kuatond, die nun vor mir stand, war geradezu eine Fanatikerin. Sie hat von mir verlangt, dass ich mich vollkommen zu BARIL bekenne und ihr blinden Gehorsam schwöre.«
Haldukass kicherte. »Die Ritterin, die mich wegen Verschwörung gegen BARIL aus dem Orden werfen ließ, glaubte ursprünglich also genauso wenig an BARILS Göttlichkeit wie ich. Und weil sie es nun tut, bist du ihr Feind. Macht uns das nicht zu Brüdern im Geiste?«
»In meiner Heimat haben wir dazu ein Sprichwort«, presste Rhodan zwischen den Lippen hervor. »Der Feind meines Feinds ...«
»Wie ging euer kleiner Plausch weiter?«, fragte Haldukass süffisant. »Hast du BARIL ewige Treue geschworen?«
»Das habe ich«, bejahte Rhodan. »Aber das Siegel hat bemerkt, dass es eine Lüge war. Darum hat A-Kuatond, oder wer auch immer in dem Kinderkörper steckt, mich festsetzen lassen. Und nun bin ich hier.«
»Genauso gefangen wie ich.« Haldukass klang zufrieden mit sich und der Welt.
Perry Rhodan wünschte sich, er wäre allein in der Zelle.
*
Es dauerte nicht lange, da ertönte von draußen auf dem Gang Kampflärm. Energieschüsse, kurzes Gegenfeuer, Explosionen. Eine Alarmsirene schrillte.
Perry Rhodan begriff sofort, was geschah. Eine Chance tat sich auf.
Sein Blick flog hinüber zu Haldukass. Dessen knochige Gestalt saß wieder verkrümmt auf dem Technosessel, die dürren Finger aneinandergelegt. Auf der Gesichtshälfte, die noch aus biologischem Material bestand, zuckten die spröden Lippen.
Er sprach wie jemand, der sich bemühte, ruhig zu wirken, obwohl in seinem Innern längst das Feuer eines Vulkans brodelte. »Jetzt bekommst du deine Antwort, Orbiter.«
Mit ein paar schnellen Schritten brachte sich Rhodan hinter einem Maschinenteil in Sicherheit. »Sind das deine Leute?« Er versuchte, möglichst beherrscht zu klingen.
Zischend fraßen sich von außen Energiestrahlen in das Zellenschott. Das Metall explodierte. Trümmerteile regneten in die Zelle herein. Rauch und beißender Gestank erfüllten die Luft.
Aus dem Qualm schälten sich vier Gestalten in Helmen sowie Schutzanzügen und stürmten in die Zelle. Zwei hielten schwere Energiewaffen in den Armen, die anderen beiden einfache Handstrahler, terranischen Modellen ähnlich, die Rhodan kannte.
Haldukass rührte sich nicht. Inmitten der Rauchschwaden wirkte er mit den weißen Haarsträhnen, seinem mühsam zusammengeflickten Körper und den stoisch aneinandergelegten Fingern wie ein Gespenst aus einem Fiebertraum.
»Ja, das sind meine Leute«, sagte er aufreizend langsam. Dann ruckte er plötzlich vor und befahl: »Tötet Perry Rhodan!«
Noch während des ersten Worts sprang Rhodan aus der Deckung und prallte mit voller Wucht gegen den ersten Eindringling. Er hatte mit Haldukass' Verrat gerechnet und schaltete von Verteidigung auf Angriff. Was sonst hätte er von dem verrückten Richter erwarten sollen? Hatte Haldukass tatsächlich geglaubt, er hätte Rhodan mit seinem Gerede über Zellengenossen eingelullt?
Rhodan und sein Gegner stürzten übereinander, die Strahlenwaffe polterte zu Boden. Noch war der feindliche Soldat verblüfft. Noch hatte Rhodan das Überraschungsmoment auf seiner Seite, bevor die anderen begriffen, dass auch der Terraner schnell und skrupellos handelte.
Rhodan griff nach der Waffe, fand den Abzug und gab ungezielt breit gefächerte Schüsse in den Raum ab. Maschinenelemente explodierten und sprühten Funken. Rhodan wollte so viel Chaos wie möglich auslösen, um hoffentlich unversehrt aus dieser Hölle zu entkommen.
Hinter ihm schrie Haldukass.
Nun erkannten die anderen Soldaten die Gefahr, die von Rhodan ausging, und feuerten ebenfalls.
Er rollte sich auf dem Boden ab und warf sich abermals in Deckung. Rauch umwehte ihn, fraß sich brennend in seine Lungen. Der Zellaktivator pulsierte. Rhodans Augen brannten.
Als er die Konturen eines Gegners im Qualm erkannte, gab er einen Schuss auf ihn ab. Hell leuchtete ein Energiefeld auf. Schutzschirme!
Rhodan fluchte. Vier Gegner gegen ihn allein, und sie trugen Kampfanzüge mit Schutzschirmen. Er dagegen nur eine einfache Kombination und den erbeuteten Strahler. Besäße er noch den SERUN, könnte er es leicht mit diesen Planetariern aufnehmen. Doch so?
Er stürzte durch das brennende Schott nach draußen, hustend und keuchend stolperte er über die verkohlten Trümmer der Roboter, die dort lagen. Rauch kringelte sich in die Luft. Haldukass' Spießgesellen hatten kurzen Prozess mit den Robotwachen gemacht.
Perry Rhodan deckte das Schott, aus dem er gekommen war, mit einer weiteren Salve ein.
Für einen kurzen Moment dachte er darüber nach, dass er alles versuchen sollte, um Haldukass und seine Leute aufzuhalten, was auch immer sie nach ihrer Flucht vorhatten. Doch ihre Übermacht war zu groß. Und ein nagendes Gefühl in seinem Innern sagte ihm, dass es in diesem Moment eine größere Gefahr als Haldukass gab, um die er sich kümmern musste.
A-Kuatond.
*
Immer noch gellte der Alarm durch BARILS Adyton.
Perry Rhodans Haare klebten am Kopf. Auf seinem Gesicht mischte sich Ruß mit Schweiß zu einem schmierigen Film.
Nur der Umstand, dass in dem Gebäude so viele Lebewesen unterschiedlicher Spezies unterwegs waren, bewahrte ihn davor, sofort als Flüchtling aus dem Gefängnistrakt identifiziert zu werden.
In den schwarz-weißen, gewölbten Fluren der Zitadelle kamen ihm insektoide und quallenartige Organismen entgegen, ohne ihn weiter zu beachten. Vielleicht waren es Angehörige der Rittervölker: Sissmaari wie Semmaru, der Diplomat, oder Kalurner wie Biy Ra'id, der Philosoph.
In der Ferne marschierten bewaffnete, humanoide Soldaten im Gleichschritt. Womöglich gehörten sie dem Volk der Beobachterin Rozgorr an.
Rhodan drückte sich in den nächsten Quergang. Er konnte nicht darauf vertrauen, einfach nicht erkannt zu werden. In wenigen Minuten würde sein Konterfei auf den Holos überall im Adyton zur Fahndung ausgeschrieben sein, wahrscheinlich direkt neben Haldukass' Bild.
Er konzentrierte sich auf das Siegel in seiner Brust: das Zeichen der Superintelligenz BARIL, das A-Kuatond ihm gegeben und damit den Pakt zwischen Ritterin und Orbiter geschlossen hatte. Ein Pakt, der nun gebrochen war. Dennoch durchströmte die Wärme des Siegels seinen Körper. Es konkurrierte mit dem Zellaktivator in seiner linken Schulter, der immer noch stark pulsierte, um die körperlichen Belastungen der zurückliegenden Minuten auszugleichen.
Durch das Siegel spürte Rhodan, dass A-Kuatond noch auf diesem Planeten war, sogar weiterhin im selben Gebäude. Es war also nicht zu spät, sie aufzuhalten.
Sie war im Adyton, irgendwo weit oben in dem schlanken Turm, dort, wo die breite Plattform mit den sieben großen Dornen saß. Aber er konnte die Spitze des Turms nicht von innen erreichen. Völlig ausgeschlossen, dass ihm das gelang, ohne erkannt und festgesetzt zu werden. In einem SERUN mit Deflektorschirm wäre das anders gewesen. Doch selbst in so einer Rüstung wäre er nicht dagegen gefeit, von den Sicherheitskräften des Adytons entdeckt zu werden. Er war kein Eindringling, der sich heimlich in eine Festung schlich, sondern ein gesuchter Ausbrecher.
Entschlossen verließ Rhodan den Seitengang, in den er sich zurückgezogen hatte, und näherte sich wieder den stärker frequentierten Wegen an der Außenwandung des Turms.
Einige gallertartige Geschöpfe flanierten den Rundkorridor entlang. Sie konnten mit einiger Wahrscheinlichkeit Humanoide nicht voneinander unterscheiden und fanden an Rhodans Aussehen nichts Ungewöhnliches.
Wie beiläufig schlenderte er ein paar Schritte bis zu einigen großen Fenstern, die aus Glassit oder einem ähnlichen Material bestanden. Der Blick über Muaal, die Hauptstadt der Ritterwelt, war atemberaubend. Rhodan befand sich hoch oben in BARILS Adyton und sah auf die weitläufige Stadt hinunter. Wuchtige Paläste und filigrane Türme reihten sich aneinander, so weit das Auge reichte. Der innerstädtische Flugverkehr vollzog sich auf unsichtbaren, absurd ineinander verschlungenen Luftstraßen auf mehreren Ebenen.
Rhodan reckte den Kopf nach oben und sah über sich die große Plattform. In diesem Moment gleißte genau hinter ihr Kessailas Sonne. Die wuchtigen Dornen, die aus der Plattform ragten, verschwammen im flirrenden Licht. Das sich nach oben verjüngende Bauwerk hatte ihn bei seiner ersten Landung auf Kessaila entfernt an den Pariser Eiffelturm erinnert, die sieben Dornen sahen eher aus wie der Strahlenkranz der Freiheitsstatue von New York. Beide Gebäude seiner Heimatwelt Terra waren im Laufe der Zeit vernichtet und später wieder aufgebaut worden.
Ein starkes Gefühl in seiner Brust verriet ihm, dass A-Kuatond dort oben war – im Strahlenkranz des Adytons.
Er richtete den Blick auf die Wandung des Turms selbst. Wenn die verwegene Idee, der er folgte, umsetzbar sein sollte, musste dort ...
Tatsächlich! An der Außenseite, nur zehn oder fünfzehn Meter entfernt, führte eine simple, metallene Notleiter in die Tiefe. Wer käme jemals auf die Idee, jemand würde BARILS Adyton zu Fuß hinabsteigen?
Rhodan suchte nach dem nächsten Zugang zu der Außenleiter. Abwärts lockte die Freiheit, dort parkten Gleiter, begann ein Weg zum Raumhafen. All das kannte er von seinem ersten Besuch.
Doch er hatte nicht vor, hinabzusteigen. Er wollte weiter den Turm hinauf. Dort oben war A-Kuatond.
*
Perry Rhodan, Fassadenkletterer, fügte er seiner an vielen merkwürdigen Betätigungen nicht armen Laufbahn hinzu.
Der Wind ließ seine Kombination flattern, und wenn er in die Tiefe sah, umfasste er die Streben der Leiter unwillkürlich fester. Die Notleiter war durch einen luftigen Käfig aus Metallstangen gesichert. Doch auch wenn er erst vor Kurzem mal wieder auf einen Planeten hinuntergesprungen war, mochte er ungern an diesem Turm den Halt verlieren. Denn sein zurzeit einziger Ausrüstungsgegenstand war nach wie vor der Handstrahler, den er bei seiner Flucht aus dem Gefängnis erbeutet hatte. Ein Antigravgerät, um einen Sturz abzufangen, hatte er nicht.
Über sich sah er die Plattform, ein weit über hundert Meter breiter, zusammengedrückter Trichter. Sprosse um Sprosse näherte er sich diesem Ziel. Je weiter er hinaufstieg, desto deutlicher erkannte er, dass die Plattform offenbar mit Drahtseilen an der Gebäudesäule vertäut war, wie ein ... Rhodan war fasziniert in derselben Sekunde, in der er den Gedanken fasste ... wie ein Objekt, das sich vom Turm lösen konnte! Sollte die Trichterplattform in Wahrheit ein Flugkörper sein?
Beherzt erklomm er weiter die Leiter. Er erreichte das Ende des Metallkäfigs, in dem er emporkletterte. Die Unterseite des Trichterschafts schwebte auf seiner Brusthöhe. Dort begann auch eine gewundene Metalltreppe, die um den Stiel herum in die breitere Sektion hinaufführte.
Er griff nach der Treppe, um sich hinaufzustemmen, da stürzten die Stahltrossen um die Plattform herum in die Tiefe. Der Flugkörper hob ab, ausgerechnet in diesem Augenblick! Rhodan verlor das Gleichgewicht, fiel nach hinten und schaffte es mit Ach und Krach, sich an der Kante der untersten Treppenstufe festzuklammern.
Er wagte einen Klimmzug, doch das Trichterschiff flog zu unruhig. Statt sich auf die Treppe zu ziehen, rutschte er mit der linken Hand ab und hing nur noch an den Fingerspitzen der Rechten, Hunderte Meter über dem Boden.
Er versuchte, erneut Halt zu finden, doch abermals hinderte ihn eine Bewegung des Schiffs daran. Er griff an der Stufe vorbei und krallte sich in einer Vertiefung an der Unterseite des Trichterstiels fest.
Verblüfft stellte er fest, dass er eine Art Griff in die Hand bekommen hatte. Einen Querholm, der in der Dunkelheit eines runden Lochs im Metall verborgen gewesen war. Bei Terranern war das eine geläufige Bauweise als Verschluss für Safe- oder sonstige Sicherheitstüren ...
Tatsächlich entdeckte Rhodan eine feine, kaum sichtbare Nut im Umkreis des Griffs. Eine Luke?
Er stabilisierte seine Position, so gut es ging, rüttelte an dem Griff, drückte und drehte in jede erdenkliche Richtung. Aber die Luke ließ sich von außen nicht öffnen.
Nur für eine Sekunde erwog er, sich mit dem Strahler gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Er verwarf diese Überlegung – man würde ihn sofort entdecken!
Da spürte er wieder die Wärme in seiner Brust, die ihm zuvor A-Kuatonds Nähe angezeigt hatte. Er begriff, dass sie diesmal einem anderen Zweck diente. Die Wärme des Siegels schien auf seine Hand überzugehen.
Das Metall fühlte sich nicht mehr kalt an. Beinahe glaubte er, dass es glühte.
Und dann drehte sich der Griff im Loch. Es klackte. Die Luke klappte in den Trichterschaft hinein und zog Rhodan mit sich, in eine vertikale Röhre. BARILS Siegel hatte ihm Zugang verschafft.
Seine Füße fanden Halt auf einem Sims. Von dort führte eine Leiter weiter empor, ins Hauptsegment des Schiffs. Perry Rhodan packte erleichtert zwei Sprossen in Schulterhöhe.
Die Luke schlug wieder zu, versiegelte den Boden. Ein tiefer, tödlicher Sturz war keine Gefahr mehr. Ganz im Gegensatz zu dem, was wahrscheinlich vor ihm lag.